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Drittes und viertes Heft

ausgegeben 20. Juli 1908.

Original-Arbeiten.

VIII. Strafrecht und Strafvollzug im Lichte der deutschen Sozialdemokratie.
Von Alfred Oborniker

Seite

201

IX. Die Gaunersprache. Von E. Kleemann

236

X. Einstimmiger Schuldspruch durch Geschworene auf Grund von Indizien.
Von Dr. Heinrich Švorcik . . .

280

XI. Statistischer Beitrag zur Naturgeschichte der Korrigendin. Von
Oberarzt Dr. Mönkemöller

297

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330

337

XII. Zu Gunsten des unbestimmten Strafurteils. Von Samuel J. Barrows
XIII. Aus den Erinnerungen eines Polizeibeamten. Von Hofrat J. Hölzl 334
XIV. Der Fall Andriollo. Von Untersuchungsrichter Dr. Huber
XV. Ein Fall von Autosuggestion. Von Dr. Berthold Laslo
XVI. Signalement und Psychologie der Aussage. Von Dr. Anton Glos 346
XVII. Die amerikanische Gefängnisstatistik vom Jahre 1904. Von Hans

Fehlinger.

Kleinere Mitteilungen.

Von Medizinalrat Dr. P. Näcke:

1. Sexuelle Perversionen im ehelichen Verkehre

2. Sodomitische Erzeugnisse . .

3. Fremdenführer in sexualibus

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4. Wirkung von Naturereignissen auf schwache Gemüter
5. Dienstbotennot und Dienstbotenjammer

368

368

6. Erleichterung der Ehescheidung, unterstützt vom anthropolo-
gischen Standpunkt . . .

370

7. Neues Unterscheidungsmittel zwischen Mensch und Tier
8. Alkoholversuch als diagnostisches Hilfsmittel

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1. Rudolphine Poppee: beeidete Sachverständige b. kk. Land-
gericht Wien, „Graphologie"

382

Seite

2. R. F. Schnorf: "Schematische Anleitung zur Untersuchung
von Brandfällen"

382

382

3. Henriette Arend: „Menschen, die den Pfad verloren“
4. Hermann Haymann: „Zur Lehre vom geborenen Verbrecher" 383

Von Dr. P. Näcke:

5. Weinberg: Über den Einfluß der Geschlechtsfunktionen auf
die weibliche Kriminalität

6. Jentsch: Zum Andenken an Paul Julius Möbius
7. Hirschfeld: Die Gurgel Berlins

383

383

383

8. Muthmann: Zur Psychologie und Therapie neurotischer
Symptome

384

9. Hellpach: Technischer Fortschritt und seelische Gesundheit 385 10. Hoche: Notwendige Reformen der Unfallversicherungsgesetze 385 11. Anton: Ärztliches über Sprechen und Denken

385

12. Vergleichende Darstellung des deutschen uud ausländischen
Strafrechts

385

I.

Friedensdelikte nach dem österreichischen Strafrechte.

Von

Dr. jur. Julius Nowotny (Krakau).

Dem seit dem Jahre 1852 (eigentlich seit 1803) geltenden Strafgesetze ist der Begriff des Friedens in der Form spezieller Bestimmungen, die den Schutz desselben genau und ausdrücklich normieren, fremd, fremd auch die Kategorie der Friedensdelikte. Dagegen findet in dem geltenden Strafgesetze weiteste Anwendung der Begriff „der öffentlichen Ruhe und Ordnung", eine Reminiszenz an einen Ausdruck älterer Gesetzgebungen. Diesem Begriff begegnen wir bereits in der ältesten für die Länder Österreichs geschaffenen Strafkodifikation, in der Theresiana, die in § 2 Art. 2 sagt: „Jedoch ist nicht jedwede sträfliche Handlung sogleich für halsgerichtsmäßig anzusehen, sondern nur diejenigen, so der Wohlfahrt und dem Ruhestand des gemeinen Wesens mittel- oder unmittelbar entgegen stehen.“

Dieser Begriff hat sich in den späteren Strafgesetzen erhalten und indem er eine durchaus bedeutungslose Etikette für eine ganze Kategorie von Delikten ohne den geringsten fundamentalen Zusammenhang bildete, ging er in derselben Bedeutung auch in das geltende Strafgesetz über. Kann aber dieser Sammelbegriff „öffentliche Ruhe und Ordnung", den Binding mit Recht eine „Rumpelkammer von Begriffen" genannt hat, für gleichbedeutend mit dem Begriff des Friedens gehalten werden? Können die im I. und II. Teil des geltenden Strafgesetzes aufgezählten und als gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung" gerichteten Delikte als Friedensdelikte in der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes angesehen werden? Meiner Ansicht nach nein! Denn wenn der Begriff des Friedens einen so weiten Rahmen hätte wie der Begriff „öffentliche Ruhe und Ordnung", dann müßten nicht nur jene Delikte, welche unter die Kategorie der gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung" gerichteten Delikte fallen, sondern überhaupt alle den Namen und den Charakter

Archiv für Kriminalanthropologie. 30. Bd.

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der Friedensdelikte führen. Denn jedes Delikt stört als antisoziales Geschehen den normalen staatlichen und gesellschaftlichen Organismus und damit auch die Rechtsordnung, die die ungestörte Existenz der Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Gemeinwesens gewährleistet; somit ist nicht nur den unter die Kategorie „öffentliche Ruhe und Ordnung" fallenden Delikten, sondern überhaupt allen Delikten ohne Ausnahme das Kriterium der Gefährdung und Schädigung des Gemeinwesens, also der öffentlichen Ruhe und Ordnung", in Rücksicht auf ihre antisoziale Bedeutung eigentümlich.

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Von einer Identität des Begriffes „öffentliche Ruhe und Ordnung" mit dem des Rechtsfriedens kann daher keine Rede sein; der erstere ist ein Gesamtbegriff, der so und so viele verschiedene Handlungen als verbotene kennzeichnet, wie Störung des Hausfriedens, Verletzung oder Gefährdung von Personen und Sachen, Mißachtung von Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit u. s. w., der letztere dagegen ist ein Rechtsgut, das eines besonderen Schutzes seitens des Strafgesetzes bedarf. Man braucht nicht näher zu erörtern, daß aus einer Zusammenfassung von solchen Gütern ganz verschiedener Art zu einem Gesamtbegriff „öffentliche Ruhe und Ordnung" nie ein Gesamtgut werden kann, daß daher diesem Begriff kein Platz in den modernen Strafgesetzgebungen gebührt, und daß derselbe mit dem Begriff des Friedens als einem besonderen Rechtsgut nicht identifiziert werden darf.

Infolgedessen drängt sich die Frage auf, was wohl die Ursache dieser Lücke in dem geltenden Strafgesetze ist, dieses in die Augen springenden Mangels an deutlichen und besonderen Bestimmungen über den Schutz des Friedens, der in gleicher Weise wie andere Rechtsgüter grundsätzlich und nicht nur akzessorisch einen besonderen Rechtsschutz in jeder modernen Gesetzgebung genießen müßte?

Ist es vielleicht die falsche, mit den Forderungen der modernen Wissenschaft kollidierende Systematik, die keine Einteilung der Delikte in einzelne Kategorien nach den gemeinschaftlichen Verletzungsobjekten kennt von denen eines eben das Rechtsgut des Friedens ist, oder sind es Rücksichten auf die historische Vergangenheit der österreichischen Gesetzgebung bezüglich ihrer Stellung zum Rechtsgut des Friedens?

Wenn wir einen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage suchen, so müssen wir uns der Judikatur, als Vertreterin der Praxis, und der Literatur, als Vertreterin der Theorie, zuwenden. Die den obigen Quellen entnommenen Informationen werden, wenn sie auch keine definitive Lösung bieten, doch die zum Ziele führende Bahn weisen.

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