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Mit solchem Hoch- und Uebermuthe ging das kaiserliche Frankreich in den Krieg, der nun Freitag, am 15. Juli dem Senat und dem geseßgebenden Körper als beschlossen, verkündet wurde. Ollivier verlas in der leztern Sigung eine, im Ministerrathe am 14. beschlossene Auseinandersetzung, in welcher es heißt:

Die Art und Weise, in welcher Sie die Erklärungen vom 6. Juli aufgenommen haben, gab uns die Gewißheit, daß Sie unsere Politik billigten und daß wir auf Ihre Unterstüßung rechnen konnten. Wir begannen hierauf Ver handlungen mit den auswärtigen Mächten, um ihre Vermittelung in Anspruch zu nehmen, damit Preußen die Rechtmäßigkeit unserer Beschwerden anerkenne. Wir haben Nichts von Spanien verlangt, dessen Empfindlichkeit wir nicht reizen wollten. Wir haben nicht mit dem Fürsten von Hohenzollern verhandelt, weil wir denselben durch den König von Preußen gedeckt hielten. Wir haben es unterlassen, Beschwerden über andere Gegenstände mit dieser Angelegenheit zu vermischen.

Der größte Theil der auswärtigen Mächte bewundert mit mehr oder weniger Wärme die Gerechtigkeit unserer Beschwerden.

Der preußische Minister des Auswärtigen entgegnete hierauf, daß er die Angelegenheit nicht kenne und das Cabinet von Berlin derselben vollständig fremd bleibe. Wir wendeten uns sodann an den König selbst. Der König, obwohl er zugestand, daß er den Prinzen von Hohenzollern zur Annahme der Candidatur ermächtigt habe, behauptete jedoch, daß er den Verhandlungen zwischen den Hohenzollern und Spanien fremd geblieben sei, daß er als Chef der Familie, nicht aber als Souverän gehandelt habe; er gestand jedoch zu, daß er die Ange legenheit dem Grafen v. Bismarck mitgetheilt habe. Wir konnten diese Antwort nicht als befriedigend annehmen, wir konnten diese feine Unterscheidung zwi schen Familien Oberhaupt und Souverän nicht gelten lassen. Inzwischen em. pfingen wir vom spanischen Gesandten die Nachricht von der Verzichtleistung des Hohenzollern. Während wir die Angelegenheit mit Preußen verhandelten, kam uns die Verzichtleistung des Prinzen Leopold von einer Seite, wo wir sie nicht erwarteten, und dieselbe wurde uns am 12. Juli durch den spanischen Botschafter überreicht.

Wir verlangten, daß der König sich dieser Verzichtleistung anschließe, wir verlangten, daß er sich verpflichte, wenn die Krone neuerlich den Hohenzollern angeboten würde, die Genehmigung zur Annahme derselben zu versagen. Unsere Forderung war eine gemäßigte, und in ebenfalls gemäßigten Ausdrücken formu. lirt. Wir schrieben an Benedetti, er möge betonen, daß wir keinen Hinter gedanken hegten und keinen Vorwand suchten. Der König weigerte sich, die von uns geforderte Verpflichtung einzugehen und erklärte Benedetti, er wolle sich für diesen sowie für jeden andern Fall die Freiheit vorbehalten, die Verhältnisse zu Rathe zu ziehen. Troßdem brachen wir aus Friedensliebe die Unterhandlungen nicht ab. Um fo größer war unsere Ueberraschung, als wir gestern erfuhren, der König von Preußen habe sich geweigert, Benedetti zu empfangen, und die preußische Regierung dies amtlich mitgetheilt. Zu gleicher Zeit erhielten wir die Nachricht, der preußische Botschafter v. Werther habe seine Abberufung empfangen; wir erfuhren auch, daß Preußen rüste. Unter diesen Umständen wäre es ein Vergessen unserer Würde und eine Unklugheit gewesen, keine Vorbereitun gen zu treffen. Wir haben uns bereitet, den Krieg, den man uns anbietet, aufzunehmen, indem wir Jedem seinen Antheil an der Verantwortlichkeit hierfür überlassen. Seit gestern haben wir die Reserven einberufen, und wir werden Maßregeln ergreifen, um die Intereffen, die Sicherheit und die Ehre Frankreichs zu wahren

Ollivier verlangt nun die Bewilligung eines Credits von 500 Millionen für den Kriegsminister und die Aushebung einer Altersklasse. Zwanzig Mitglieder, darunter Thiers, stimmten gegen die Dringlichkeit des Antrages. Thiers sprach ganz entschieden gegen den Krieg, jedoch die Kammer hörte ihn mit Ungeduld an. Ollivier antwortet Thiers und stellt die Behauptung auf, daß der Krieg nur darum nothwendig geworden sei, weil Preußen Frankreich zu demselben zwinge. Nach. giebigkeit würde Frankreich auf das Aeußerste herabwürdigen. In Erwiederung auf Ausführungen Gambetta's betont Ollivier nochmals die angeblich herausfordernde Haltung Preußens. Der Kriegsminister legt ein Decret vor, welches die gesammte Mobilgarde in Activität ruft. Die Dringlichkeit des Antrages wird einstimmig angenommen. Segris ver. langt einen Credit von 16 Millionen für den Marine Minister. Nach dem die Auseinandersetzung von Ollivier verlesen war, sprach noch der Herzog von Gramont. Er sagte, wenn wir länger gewartet hätten, so würden wir Preußen Zeit gegeben haben, seine Rüstungen zu vervoll. ständigen. Eine Thatsache ist ausreichend, die preußische Regierung hat alle Cabinette davon benachrichtigt, daß sie es ablehne, unseren Botschafter zu empfangen, und zwar ist dies geschehen, während man noch unterhandelte. Wenn sich in Frankreich eine Kammer fände, die dies ertragen wollte, so wollte ich nicht 5 Minuten länger Minister bleiben." Jules Favre verlangt Mittheilung der diplomatischen Actenstücke, beson. ders der preußischen Depesche, welche den auswärtigen Cabinetten die Mittheilung bezüglich Benedetti's macht. Buffet unterstüßt diese Forderung. Der Antrag Favre's wird jedoch mit 164 gegen 83 Stimmen ab. gelehnt. Die Kammer beschließt Abends 91⁄2 Uhr zu einer neuen Sitzung zusammenzutreten. In dieser wird das Lügengewebe weiter gesponnen. Talhouet berichtet Namens der Commission und theilt mit, daß die Commission den Kriegsminister angehört habe. Dieser habe die Dringlichkeit betont, die für das Kriegs- und Marine - Ministerium verlangten Credite zu bewilligen. Die Commission habe ferner den Minister Ollivier gehört, welcher diplomatische Noten und weitere Aufklärungen mitgetheilt hat. Die Commission habe einstimmig beschlossen, der Kammer die Bewilligung der von der Regierung verlangten Credite und Gefeßentwürfe zu empfehlen. Montpayrour spricht für den Antrag der Commission. Die Kammer wird unruhig und will sofort zur Abstimmung schreiten. Der Redner schließt mit den Worten: Der Krieg si nothwendig, um die Wiederkehr normaler Verhältnisse vorzubereiten. Gambetta fordert die Kammer auf zur ruhigen und kühlen Berathung und macht darauf auf. merksam, daß die gegenwärtige Politik Frankreichs verschieden sei von der im Jahre 1866. Redner weist auf die ungeheure Verantwortlichkeit der gegenwärtigen Abstimmung hin und sagt, daß es vor Allem nothwendig sei, das Vaterland zu schützen, man aber auch die Kammer von allen

Actenstücken unterrichten müßte, welche geeignet seien, um sie völlig über die Vorgänge aufzuklären. Augenscheinlich sei es die Absicht der Regierung, auf den gesetzgebenden Körper die Verantwortlichkeit für den Krieg zu übertragen; die Regierung habe die Beweggründe ihrer Entschließung nicht genügend gerechtfertigt. Ollivier unterbricht den Redner und er flärt, er werde jede Verantwortlichkeit übernehmen. Gambetta fährt fort und stellt fest, daß die Regierung zwei sich widersprechende Anführungen abgegeben hat. Er müsse daher Mittheilung fordern, nicht allein von den Depeschen, welche das Cabinet an die diplomatischen Agenten Frankreichs im Auslande gerichtet, sondern auch von den Depeschen des Berliner Cabinets. Namentlich sei es wichtig, Kenntniß von der Depesche des Grafen Bismarck an alle eurpäischen Cabinette zu erhalten. Der Herzog von Gramont sagt, daß die Commission diese Depesche gesehen habe. Die Linke fordert Mittheilung. Gambetta fragt, ob die Depesche des Grafen Bismarck wirklich den europäischen Cabinetten mitgetheilt sei. Wenn die Depesche so ernst sei, so müßte man sie nicht nur der Kammer, sondern ganz Frankreich mittheilen. Ollivier antwortet, er begreife nicht, daß es so schwierig sei, eine Ehrensache einer gewissen Seite der Kammer verständlich zu machen, es liegt eine unbestreibare Thatsache vor, der gegenüber die Mittheilung des Wortlautes irgend einer Depesche nicht nothwendig sei, Ich kann nur wiederholen, daß wir die Mittheilung der in Rede stehenden Note von allen unjeren diplomatischen Agenten empfangen haben. Die Linke ruft: Geben Sie uns den Wortlaut! Ollivier ergreift wieder das Wort und beschwört die Kammer, doch eine jest so unzeitgemäßze Discussion zu schließen. Picard will nicht die Existenz der Note in Abrede stellen, verlangt aber dringend ihre Mittheilung. Grévy, versucht noch zu sprechen, die Kammer beschließt jedoch Schluß der Discussion. In der Abstimmung wird der für das KriegsMinisterium geforderte Credit von 500 Millionen mit 246 gegen 10, und der für das Marine-Ministerium von 16 Millionen, mit 248 gegen 1 Stimme bewilligt. Darauf wird der Gefeßentwurf, welcher die Ver seßung der Mobilgarde auf den Activstand beantragt, mit 243 Stimmen gegen eine, und der Geschentwurf, welcher den freiwilligen Eintritt in die Armee für die Kriegsdauer zuläßt, mit 244 gegen 1 Stimme angenommen und alsdann die Sizung vertagt.

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Die Note", deren Text Ollivier in der oben beschriebenen Sizung nicht hergeben wollte, existirt in der That als Note nicht. Es ist das bekannte Zeitungs-Telegramm, das wir auf Seite 90 mitgetheilt haben und das Ollivier und Geneffen nicht mittheilen konnten, weil ihre plumpe Täuschung sonst zu Tage getreten wäre.

Während Frankreich so dem Verderben entgegen eilte, verließ König Wilhelm am Morgen des 15. Juli mittels Extrazuges den Eurort Ems, 14 Tage früher als er beabsichtigt hatte. Abends zuvor war der König

in Coblenz, besuchte ein Concert und die Rheinanlagen. Allenthalben ward er enthusiastisch empfangen und bei seiner Abfahrt durch eine Auf. wartung des Kriegervereins überrascht, dem der König sagte: Ich freue mich der mir gewordenen Ueberraschung und hoffe, daß auch Ihr in jeder Beziehung wacker auf dem Plaße sein werdet." Bei der früh Morgens von Ems erfolgenden Abreise des Königs gab ein begeistertes Hochrufen der um das Curhaus versammelten Menge dem scheidenden Könige das Geleite. Hier verabschiedete sich derselbe mit den Worten: Hoffentlich auf Wiedersehen! Diese Hoffnung wird von ganz Ems getheilt, denn König Wilhelm hat hier alle Herzen gewonnen. Charakteristisch ist eine hier bekannt gewordene Aeußerung desselben. Er sagte: Gott ist mein Zeuge, daß ich den Krieg nicht will; wenn ich aber dazu sollte gezwungen werden, dann werde ich die Ehre Deutschlands wahren bis zum leßten Manne." Schon in der Nähe von Ems, auf darmstädtischen Gebiete, strömten Bürger und Landleute

herbei, um dem Könige ihre Sympathien zu be zeigen. Um 122 Uhr traf er in Kaffel ein, das er kurze Zeit vorher so freudig und fried. lich verlassen; er wurde von der Bevölkerung und den Behörden mit Begeisterung empfan gen. Der Oberbürger meister Nebelthau überreichte eine Ergeben. heitsadresse, auf welche der König erwiderte: ,Sie sehen mich, meine Herren, auf der Rückreise, um zu berathen und zu beschließen, was

Im Salonwagen.

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dann, wenn des Vaterlandes Ehre angegriffen, zu thun sein wird. Aber, daß Sie mir hier eine solche Begrüßung zu Theil werden lassen und mir hier, in der Hauptstadt einer neuen Provinz, eine so patriotische Gesinnung entgegenbringen, thut meinem Herzen wohl und zeigt mir, wie ich mich auf Sie verlassen kann." Unter tausendstimmigen Hochs seßte der König seine Reise fort. Auch in Göttingen, wo der Zug um drei Uhr durch kam, war der Bahnhof schon eine Stunde vor der angekündigten Ankunft des Monarchen gefüllt. Als der Zug herannahte, brach ein begeistertes Hoch sich Bahn, welches mit weniger Unter

brechungen während der ganzen Dauer des Aufenthalts anhielt. Se. Majestät sprach freundlich und wohlwollend, aber auch fest und bestimmt den anwesenden Spißen des Militärs und der Behörden gegenüber sich aus und äußerte namentlich über die Lage: Der alte Uebermuth rege sich jenseits des Rheins wieder in unerträglicher Weise, man könne sich das Nebermaß des Uebermuths nicht mehr gefallen lassen; er wisse noch nicht, was aus der Sache werde, aber so viel könne er sagen, daß die Lage sehr ernst; der Empfang hier in Göttingen sei ihm erhebend, er hoffe darin ein Zeichen zu sehen, daß er Unterstüßung finden werde u. f. w. Unter nicht endenwollenden Zurufen der Menge verließ der Zug nach kurzem Aufenthalte von 5 bis 10 Minuten den Perron.

Nicht minder herzlich und begeistert war der Empfang in Münden bei Göttingen, wo der königliche Held bei dem Vorüberfahren am Bahnhofsterrain aus seinem Salonwagen sah und grüßend mit gewohnter Liebenswürdigkeit dankte.

In Magdeburg donnerten Hochs durch die Lüfte, und sie erneuerten sich, als der König auf eine Viertelstunde den Wagen verließ. Um 82 Uhr fuhr der Monarch auf dem Bahnhofe in Potsdam ein, wo sich die Prinzen Karl und Friedrich Karl eingefunden hatten. Von Berlin aus waren dem Könige der Kronprinz, Graf Bismarck und General von Moltke bis Brandenburg entgegengefahren.

Gleich nach 9 Uhr fuhr der König in den bekränzten Bahnhof Berlins, wo der Empfang wirklich nicht herzlicher und enthusiastischer sein konnte. Hunderttausende harrten in den geschmückten Straßen des Herrschers, dessen Fahrt bis zum Palais einem wahren Triumphzuge glich. Der Bahnhof selbst war dicht gedrängt. Bald nach 8 Uhr erschienen von den hier anwesenden Ministern Staatsminister Delbrück, Camphausen, Graf Jhenpliz, Staatssecretair v. Thile, ferner der Herzog Wilhelm von Mecklenburg, Feldmarschall Graf Wrangel, mehrere Generale, die Spitzen der städtischen Behörden: Oberbürgermeister Seydel, Bürgermeister Hedemann, Stadtverordneten-Vorsteher-Stellvertreter Winckelmann und das älteste Mitglied der Stadtverordneten Versammlung Amtmann Seidel, der stellvertretende Polizei-Präsident Geh. Rath Lüdemann 2c. Um 9 Uhr traf der Zug mit dem Könige und seinem Gefolge, unter dem auch der General ven Roon, in dem Perron ein, mit stürmischem Hurrah von der Menge empfangen. In das nicht enden wollende Hurrah mischten sich abwechselnd die Rufe: Nieder mit Frankreich!" Der König grüßte freundlichst nach allen Seiten, nahm von mehreren jungen Mädchen Blumensträuße entgegen und betrat dann den Wartesalon, wo er die Begrüßung der städtischen Behörden empfing. Dann bestieg der Monarch den vor dem Bahnhof harrenden Wagen. (Wir geben hier des Königs Bild und Namensunterschrift, lettere getreu nach einem, am 20. Sept. 1870 im Hauptquartier Ferrières ver Paris unterschriebenen Erlasse.) Die Fahrt

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