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eine Abwechselung erfuhren, daß junge Mädchen zwölf schwarz-weiße Tauben aus den Parterrefenstern des Hauses dem Kaiser entgegenflat tern ließen.

Die Truppen erfreuten sich auf ihrem Marsche in der Königgräßer. Straße nicht nur fortwährend der lebhaftesten Zurufe des zahlreichen Pu blikums, welches Spalier bildete und alle Fenster und die Tribünen erfüllte, sondern erhielten von demselben auch, so viel und so gut es anging, Erfrischungen aller Art. So oft der Zug auf kurze Zeit halt machte, wurde den Truppen aus den Häusern Wein, Bier und ein Imbiß ver abreicht, und während die Truppen marschirten, wurden ihnen nicht nur Kränze und Blumen, sondern auch in Papier gewickelte Eßwaaren zugeworfen.

Von dem Potsdamer bis zum Brandenburger Thor erinnerten die Aufschriften auf den Schildern an den Flaggenmasten an die zweite Periode des Krieges. Man las dort die Schlachtennamen: Beaune la Rolande, Loigny, Poupry, Beaugency, Marchenoir, Vendome u. s. w. Eroberte Geschüße waren zu beiden Seiten der Siegesstraße aufgestellt.

Der Plaß vor dem Brandenburger Thore war durch starke 60 Fuß Hohe Siegessäulen, welche unter einander durch vielfache Laubgewinde verbunden waren, umschlossen. Ein jeder Mast zeigte auf seiner Spize einen großen preußischen Adler in goldenem Lorbeerkranze; auf hohem Sockel umgaben ihn 4 Bären als Wappenschildhalter, reiche Fahnen und Banner bildeten darüber eine wirksame Dekoration. Die 6 Masten waren den Siegen der deutschen Heere über die Armeen der französischen Republik gewidmet, und zwar von der Siegesstraße eintretend in den also gebildeten Kreis, rechts der erste Mast den Schlachten von Amiens und St. Quentin, sowie den Gefechten und Kämpfen von Bapaume, Péronne, Robert le diable, an der Hallue; zur Linken weiter gehend, der zweite Mast den Schlachten von Orleans und le Mans, sowie denen von Loigny und Poupry, Beaugency, Marchenoir und Azay; der dritte Mast: Pon. tarlier und Chateau de Jour, Montbéliard, Frahier und Pasques; der vierte Mast: Belfort und Alençon, Dôle, Dijon, an der Lisaine. Der fünfte und sechste Mast bezogen sich auf die Kämpfe vor Paris und seinen Forts. Es fanden sich daran noch folgende Namen: am fünften Petit Bicêtre, Meudon, Chatillon, Chevilly, Brie-Champigny-Villiers, Mont Avron; am sechsten le Bourget, Stains, Epinay, Mont Valérien, Malmaison, St. Cloud.

Zwischen beiden Masten hing ein großes rothes Banner herab, auf dem mit goldenen Lettern Versailles und Paris verzeichnet standen.

Durch das reich mit Festons, Guirlanden und Kränzen geschmückte Brandenburger Thor hindurch führte die Siegesstraße auf den Pariser Play, ven hierab bis zu ihrem Ende im Lustgarten entwerfen und aus. geführt vom Professor Gropius.

Zu beiden Seiten des geräumigen Plates erhoben sich große

Tribünen, deren Grundriß eine halbe, der Länge nach durchschnittene Ellipse war. Dadurch, daß man die oberen Reihen der nach der Peri pherie aufsteigenden Sißbänke noch einmal durch eine sich scharf abseßende Erhöhung von den mittleren und unteren abgelöst hatte, gewann das Ganze die architektonisch gegliederte Gestalt eines offenen Amphitheaters. Der gesammte in Roth und Weiß drapirte Bau ward rings von zahl. reichen Masten mit Fahnengruppen zusammengehalten und von Silber schildern mit dem schwarzen Adler und dem Bären überragt. Etwas weiter vorgeschoben, mehr nach der Mitte des Plates zu, befand sich das Podium für die Ehrenjungfrauen, und am Eingange in die Linden erhob sich unter einem säulengetragenen Baldachin die Bühne für Magistrat und Stadtverordnete, deren Hauptdekoration das eiserne Kreuz bil dete in der alten und neuen Gestaltung, dieses alte berühmte Zeichen. unter welchem schon die Väter siegten, und welches der König am 19. Juli 1870 in seiner ganzen Bedeutung wiederaufleben ließ.

Um 122 Uhr verkündete ein Tusch des Musikcorps auf dem Parijer Plaß das Herannahen des Siegeszuges; 5 Minuten später traf der Kaiser und König am Brandenburger Thore ein. Der Jubel, welcher vom Pariser Platze aus dem Kaiserlichen Kriegsherrn entgegenschallte, gestaltete den Augenblick des Einreitens in die Haupt- und Residenzstaċt zu einem ewig denkwürdigen und war ein Moment von tiefergreifender Wirkung. Der Jubel verstummte, als der Kaiser an dem Podium ver der Tribüne rechter Hand Halt machte, um die Begrüßung der Ehren-Jung frauen entgegenzunehmen. Die Sprecherin derselben begrüßte den Kaiser mit folgendem, von Fr. Scherenberg verfaßten Gedicht:

Heil, Kaiser Wilhelm, Dir im Siegeskranze!
Wie keiner noch geschmuckt ein Heldenhaupt.
Heimführst Du Deutschlands Heer vom Waffentanze,
So glorreich, wie's der Kühnste nicht geglaubt.
Du bringst zurück in der Trophäen Glanze
Die Lande, einst dem deutschen Reich geraubt.
Durch Dich geführt, errangen Deutschlands Söhne
Germania uns in ihrer alten Schöne.

Nun grüßt der Jubel Dich von Millionen
Aus allen Himmeln, Ost, West, Süd und Nord,
Schlägt's deutsche Herz doch unter allen Zonen
Treu seine warmen Heimathspulse fort,
Und mit den unwelkbaren Lorbeerkronen
Bringst Du die Palme uns, als Friedenshort,
O, daß ihr Schatten Dich noch lange labe,
Dein Sämanns-Mühen reiche Ernte habe!

Hierauf wurde dem Kaiser ein Lorbeerkranz überreicht, den derselbe huldvoll und mit folgenden Worten annahm:

Es ist zu liebenswürdig von Ihnen, meine Damen, Mir einen so schönen Empfang zu bereiten, doch es sind noch viele Andere, die diesen Dank so recht eigentlich verdienen. Im Namen Derselben danke Ich Ihnen aufs Herzlichste.

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Einzug in Berlin. Empfang des Kaisers am Brandenburger Thor.

Als der Zug sich wieder in Bewegung seßte, bemerkte der Kaiser die längs der Tribüne zur Rechten auf einem Podium fißenden verwundeten Offiziere. Derselbe wandte sofort das Pferd und ritt zu denjelben, ihnen unter begeistertem Jubel der Zuschauer Lorbeerkränze überreichend und ihnen lebhaft dankend. Der Kaiser ritt die ganze Front der Offiziere hinunter und beg erst am gräflich Redernschen Palais wieder nach der Lindenpromenade, um dort unter dem Baldachin die ehrfurchtsvolle Begrüßung der städtischen Behörden entgegen zu nehmen. Die Ansprache, welche der Bürgermeister, Geheime Regierungs-Rath Hedemann in Vertretung des krankheitshalber auf Urlaub befindlichen Ober-Bürgermeisters Seydel an den Kaiser richtete, lautete:

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser!

Ew. Kaiserliche Majestät bringen an der Spiße des siegreichen Heeres dem deutschen Vaterlande die Palme des Friedens entgegen. Wir preisen Gott den Herrn, der Ew. Kaiserlichen Majestät schwere Wege behütete und all die Heldenberzen, die auf ihn vertrauten, im Kampf zur Abwehr wider einen übermüthigen Feind stählte zum Siege. Die Fürsten und Völker Deutschlands haben Ew. Kai ferlichen Majestät den Tribut des Dankes im freien Entgegenkommen gezollt. Vorüber ist die kaiserlose Zeit; das mächtige Fürstenhaus der Hohenzollern beginnt die neue Aera Deutscher Kaiser. Wir, die Bürgerschaft Ew. Kaiserlichen Majestät Haupt- und Residenzstadt, tragen die heilige Pflicht, in der Eintracht, Liebe und Hingebung an Ew. Kaiserliche Majestät und Dero angestammten Thron die Quelle vielhundertjähriger Wohlfahrt und großer Errungenschaften zu sehen. Den Fürsten Deutschlands und übrigen großzen Führern der Helden, unsern Brü. dern im heiligen Kampf für Deutschlands Ehre und Recht, bringen wir im Feft schmuck unserer Stadt Anerkennung, Ehre, Ruhm und Dank entgegen. Den Manen der verstorbenen Helden bleibt in der Geschichte Deutschlands unauslöich. licher Nachruhm gesichert. Die Thränen, welche die Opfer des Krieges in vollen Strömen den Augen ihrer Angehörigen entpreßten, sie werden von neuem das Vaterlandsgefühl befruchten, fie werden sich verwandeln in Thränen der Wehmuth und tröstlichen Theilnahme aller deutschen Herzen auf dem weiten Erden. runde, sich wandeln, so hoffen wir, in Thränen der Freude über das für Deutschland errungene Glück, fortan unter den Segnungen des Friedens, der Wohlfahrt aller Menschen zu dienen. Wachsame Hüter unserer von Gott geschaffenen, einem raubsüchtigen Feinde wieder abgerungenen Grenzen, werden wir allen Nachbarvölkern gute Nachbarn sein und mit ihnen den der Menschheit würdigen Kampf kämpfen nach Ebenbürtigkeit in Wissenschaft, Kunst und Industrie, zur Wohlfahrt Aller. Gott segne Eure Kaiserliche Majestät und das ganze Kaiserliche Haus nun und immerdar!

Der Kaiser erwiederte auf diese Ansprache Folgendes:

Ich spreche Ihnen zuni meinen Dank aus für das, was Sie Mir ge sagt haben im Allgemeinen und im Speciellen für Mich und für die Armee, die heute mit ihren Repräsentanten einzieht. Wir haben jo Grches erlebt, daß wir wissen, wem wir es verdanken; aber daß der Himmel uns Allen die Kraft und die Ausdauer gegeben hat, alle die Wobithaten als Ausbeute des Erlebten zu benußen, das verdanken wir allein der Treue sowohl der Truppen im Felde als auch des Volkes in der Heimath. Die wohlthätige Gesinnung, die das ganze Volk belebte und bejeclt hat, alle die Schäße und Güter, die wir ja jezt erst recht haben kennen lehen, die wollen wir nicht verscherzen, sondern als theures Gut für alle Zukunft uns bewahren.

Ich muß aber der Stadt Berlin jezt schon Meinen Dank aussprechen für den unbegreiflichen, wunderschönen, festlichen Empfang und die Gefühle, die Mir entgegengetragen find, natürlich für Mich sowohl wie für Mein Heer. Id) danke Ihnen, Meine Herren, und werde Ihnen Meinen Dank noch schriftlich aussprechen.

"

Der Bürgermeister Hedemann brachte darauf Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser" ein Hoch aus, das sich mit unaufhörlichen, begeisterten Jubelrufen die Linden entlang fortpflanzte.

Die Linden entlang waren in ihrer ganzen Ausdehnung mit Reihen von eroberten Kanonen und Mitrailleusen geschmückt.

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Wo die Wilhelmsstraße, die Schadow-, Neustädtische Kirch., Friedrich und Chalottenstraße die Linden durchschneiden, waren Triumphbogen eigenthümlicher Art errichtet. Je zwei solcher von Victorinengestalten gekrönter hoher Säulen, wie sie den Baldachin über der Tribüne der städtischen Behörden am Beginn der Linden trugen, bildeten jedes dieser Thore. Zwischen ihnen war je ein 20 Fuß breites, 15 Fuß hohes, auf Segeltuch ausgeführtes dekoratives Gemälde befestigt. Diese Bilder ver finnlichten in großen symbolischen Zügen die Hauptmomente jener durch den Krieg Deutschlands gegen Frankreich herbeigeführten glorreichen jüngsten Entwickelung des deutschen Vaterlandes. Den Stoff, welcher in ihnen künstlerisch gestaltet wurde, gaben einzelne vom Kaiser und Könige bei verschiedenen Anlässen während jenes Krieges ausgesprochene höchst bedeutende Worte. Für das erste Bild (an der Wilhelmsstraße), welches von Otto Knille ausgeführt worden war, boten jene das Motiv, die sich in der Verordnung vom 20. Juli 1870 bezüglich der Feier des Bettages am 27. Juli finden. Mein Volk wird auch in diesem Kampfe zu Mir stehen, wie es zu Meinem in Gott ruhenden Vater stand." Das Bild, in Form eines Teppichs gedacht, dessen in Gold ornamentirter Fond zu beiden Seiten der figürlichen Darstellung erschien, zeigte zur Linken vor düsterm, von Blißen durchzucktem Gewitterhimmel neben der Eiche die hehre blonde Gestalt der geldgerüsteten Germania, das gezückte Schwert in der Hand. Vor ihr die Vertreter des gewaffneten Volkes, Greise, Männer, Jünglinge und Knaben in malerischer, mittelalterlicher oder phantastischer Rüstung und Tracht, die Hände begeistert zum Schwur erhoben. Dem zweiten Bild, von Schaller gemalt, waren die Königlichen Worte zu Grunde gelegt: Ganz Deutschland steht einig zusammen, wie nie zuvor, 20. Juli 1870." Es schilderte allegorich in idealistischer Form die Ueberbrückung des Mains, also die Verbindung Nord- und Süddeutschlands. Beide waren in mächtigen Frauengestalten versinnlicht. Jenes eine blondere, dieses eine bräunlichere, durch Attribute und Wappenthiere und die Produkte, hier des Landbaues, dort des Meeres charakterisirt. Geniengestalten schlugen die verbindende Brücke über den trennenden Strom, der Baier und der Preuße schlossen sich auf derselben in herzlicher bundestreuer Liebe in die Arme. Anton von Wemer malte das

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