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eines jeden der Gefangenen ausgesprochen, als sie in die Galerie geführt wurden und die Treppe hinunterstiegen; zu beiden Seiten gingen, so viel ich sehen konnte, Wachen der Föderirten, die die Gefangenen insultirten und sie mit Schimpfwörtern tractirten. So wurden meine unglücklichen Gefährten von dem Spott und Hohngelächter dieser Elenden begleitet bis hin zu dem Hofe; dort fand die Execution statt. Herr Darboy trat vor und sprach, sich an seine Mörder wendend, einige Worte der Verzeihung; zwei von diesen Leuten näherten sich dem Prälaten, knieeten angesichts ihrer Kameraden nieder und baten um Vergebung. Die Andern aber stürzten auf diese los und stießen sie mit Hohn und Spott zurück.

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Père Allard mußte sich an die Mauer stellen; er wurde zuerst erschoffen; dann kam Herr Darboy an die Reihe. So wurden die Gefangenen füfilirt. Alle haben die größte Ruhe und den größten Muth gezeigt."

Der Aufstand in Paris war endlich nach 72 tägiger Dauer unter allen Schrecken und Gräueln des Bürgerkrieges zu Boden geworfen. Am Osterfeste hatte der ernste Angriff der Regierungstruppen auf die französische Hauptstadt begonnen und zur Feier des Pfingstfestes verkündete die Regierung zu Versailles, daß sie den Sieg über die Meuterer nach eintägigem Kampfe in Paris selbst errungen hatte. Die Sieger hielten. ihren Einzug durch aufgehäufte Leichen und durch den Schütt, der von ehemals herrlichen Stadttheilen übrig geblieben war; denn die Aufrührer hatten ihr Werk gekrönt und, nachdem sie gegen Gesetz und Regierung, gegen Ordnung und Sitte, gegen Eigenthum und Freiheit ihrer Mitbürger gewüthet, schließlich den Massenmord gegen unschuldige Gefangene ausgeführt, und Prachtbauten der heiligen Stadt" den Flammen über liefert.

Frankreich hat Gräuelscenen erlebt, hinter denen alle Schreckensbilder der Vergangenheit weit zurückbleiben. Das unglückliche Land zahlte die Buße für schwere und lang angehäufte Frevel.

Nachdem die Regierungs-Truppen zunächst vom Süden und Südwesten ohne erhebliche Kämpfe in das Innere von Paris eingerückt waren, drängten sie die Meuterer allmälig in ihre leßten Verschanzungen zurück. Auch den Montmartre gaben die Lehteren ohne großen Widerstand Preis; aber schließlich hielten sie nicht allein zu einem Verzweiflungskampfe Stand, sondern bezeichneten mit Brandstiftung und Mord den Untergang ihrer Schreckensherrschaft. Durch rothe Zettel verbreiteten sie, daß sie bis zum. Aeußersten entschlossen seien und die Stadt eher verwüsten als übergeben würden. In der That führten sie die Drohung aus. Schlimmer als die rohesten Horden steckten sie die herrlichsten Bauwerke durch Petroleum. in Brand, so daß an ein Löschen nicht zu denken war und die schönsten Stadttheile in einen Aschenhaufen verwandelt wurden. Schon am 25. Mai erfuhr man, daß die Tuilerien niedergebrannt seien.

Am 26. Mai wurde nach Versailles berichtet: Die Insurgenten sind

nunmehr in Belleville und auf den Buttes de Chaumont zusammenge drängt, von wo aus fie fortfahren, Petroleumbomben auf die Stadt zu schleudern und neue Feuersbrünste zu verursachen. Von monumentalen Gebäuden sind zerstört: die Tuilerien, die Häuser des Finanz-Ministeriums, der Polizei-Präfektur, des Rechnungshofes, die Kajerne am Quai d'Orjai,

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das Stadthaus u. f. w. Gerettet wurden die Ministerien der Marine, des Innern, des Aeußern, der Landwirthschaft, das Panthéon, die Sainte Chapelle, die Schule der schönen Künste, die Bank von Frankreich und das Gebäude des Grundcredits; die Kirchen blieben größtentheils un versehrt."

Dagegen war die berühmte Vendômesäule bereits am 16. Mai auf Befehl der Commune zerstört worden. Ein Bericht meldet über diesen Act des Vandalismus Folgendes:

Die Säule auf dem Vendôme-Plaß fiel heute Nachmittag um 52 Uhr. Ein unwirksamer Versuch, dieselbe niederzureißen, fand um

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3 Uhr statt, aber ein Block gab nach, und viel Zeit ging verloren, um die Ziehmaschinerie in Ordnung zu bringen. Ehe die Säule fiel, bestieg der auf dem Vendôme-Plaß das Commando führende Oberst Mayer dieselbe und schwenkte eine kleine Trifolore. Mit dem Rufe: Es lebe die Commune" zerriß er dann die Fahne und befestigte den Flaggenstock

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an das die Säule umgebende Gitter. Auf dem Plaße concertirten mehrere Capellen. Viele Mitglieder der Commune sahen vom Balkon des Justiz ministeriums dem Schauspiele zu. Als die Taue zum zweiten Male um die Säule gebunden waren, begannen die Kapellen die Marseillaise zu spielen, und Aller Augen richteten sich auf die bronzene Masse. Plēs. lich erhob sich der Schrei: „Sie fällt!" und langsam beugte sich die riesige Säule der Rue de la Paix zu. Beim Fallen brach sie in der Luft in mehrere Stücke und fiel in vier Theilen auf das Sand- und Düngerbett nieder. Ein lauter, dumpfer Schall wurde hörbar, und gewaltige Staubwolken stiegen in die Höhe. Oberst Mayer stieg jezt auf das leere Piedestal und schwenkte begeistert eine rethe Fahne. Ein anderes Mitglied der Commune hielt eine Rede, in welcher er Napoleon beschimpfte, dessen Statue zu seinen Füßen lag. Dem Vernehmen nach hat kein Unfall stattgefunden. Die Rue de la Pair war mit Menschen gedrängt voll, aber sowohl dort wie auf dem Plaze zeigte sich beim Falle der Säule nur geringer Enthusiasmus."

Ein anderer Regierungsbericht vom 28. Mai lautete: Unsere Truppen hatten gestern um die Buttes Chaumont und Belleville Stellung genommen und sind aller Hindernisse Herr geworden. Das Corps von Ladmirault überschritt das Bassin von Villette und erstieg alsdann die Buttes Chau, mont und die Höhen von Belleville, welche es bei Tagesanbruch beseßt hatte. Gleichzeitig setzte sich das Corps Douay vom Boulevard Richard Lenoir aus in Bewegung und griff die Position von Belleville an. Vincy nahm alsdann den Père Lachaise und die Mairie des 20. Arrondisse ments, sowie das Gefängniß la Roquette, wo wir 169 Geißeln gerettet haben; indessen hatten die Insurgenten bereits 64 davon erschessen, dar, unter den Erzbischof, den Pfarrer Deguerry und den Präsidenten Bonjean."

Am 28. Mai Abends und am 29. Mai früh wurden dann die leßten Widerstand leistenden Reste der Insurgenten an der Ringmauer hinter dem Père Lachaise aufgerieben, und das legte Häuflein der Empörer streckte zu Vincennes die Waffen.

Die Zerstörung der Tuilerien, des Louvre und des Stadthauses wird in der Geschichte vielleicht als der teuflischste Akt des Vandalismus, der je verübt worden, gebrandmarkt werden. Weder Gothen noch Vandalen oder Hunnen begingen jemals ein so gräßliches Verbrechen gegen die Ei vilisation. Nicht allein ist diese barbarische Verwüstung an Frankreich durch Franzosen, an Paris durch die Pariser verübt, sondern sie ist ohne gegründete Ursache geschehen; ihre Schwärze ist selbst nicht durch die Nothwendigkeit des Bürgerkrieges gemildert; sie ist ein Akt vorsätzlicher und teuflischer Bosheit. Es ist klar, die Brandstiftung wurde als bloßer Racheakt vorsätzlich beschlossen, als die Communisten sahen, daß ihre Sache verloren war.

Abschluß des Definitiv-Friedens in Frankfurt.

Als die Friedenspräliminarien von Versailles abgeschlossen wurden, durfte die deutsche Regierung von der Ueberzeugung ausgehen, daß die Regierung Frankreichs von dem aufrichtigen Willen erfüllt sei, rasch zum wirklichen Friedensschluß zu gelangen, und daß sie die Kraft befizen werde, die Ausführung deffelben zu sichern. Auf dieser Zuversicht beruhe ten die mannichfachen Rücksichten der Schonung, welche bei dem Abschlusse der Versailler Convention von deutscher Seite beobachtet wurden.

Auf einen raschen Abschluß des endlichen wirklichen Friedens mußte um so mehr gerechnet werden, als in dem vorläufigen Vertrage nach der beiderseitigen ausgesprochenen Absicht alle erheblicheren Fragen als bereits entschieden und demgemäß weitere grundsäßliche Streitigkeiten als ausge schlossen gelten durften, so daß für die Verhandlungen in Brüssel nur noch die nähere Bestimmung über die Ausführung der festgesetten Be dingungen im Einzelnen vorbehalten schien. Auch ließen die militärischen Anordnungen und Vorkehrungen nach dem vorläufigen Friedensschluffe erkennen, daß man von der Erwartung eines sehr baldigen festen Friedensschlusses ausging.

Durch den Pariser Aufstand und durch die Sorgen und Schwierig. keiten, welche derselbe der französischen Regierung bereitete, wurden die definitiven Friedensverhandlungen zunächst einigermaßen erschwert und verzögert.

So sehr die deutsche Regierung den Mangel an Voraussicht und Energie beklagte, welcher sich in dem Verhalten der Versailler Regierung kundgab, so hielt sie es doch für eine Ehrenpflicht, dieser Regierung, mit welcher fie soeben den Präliminarvertrag abgeschlossen hatte, und welche als der Ausdruck des augenblicklichen Volkswillens Frankreichs allseitig anerkannt war, die Durchführung ihrer Stellung und Aufgabe unter den neu entstandenen, inneren Schwierigkeiten soviel wie irgend möglich zu erleichtern und ohne unmittelbare Einmischung in die inneren Kämpfe Frankreichs doch die Hindernisse abzuschwächen, welche sich aus den Bestimmungen des Präliminarfriedens für die Bekämpfung des Pariser Aufstandes ergaben.

Einzig und allein durch die bereitwilligen Zugeständnisse der deutschen Regierung ist es der Versailler Regierung überhaupt möglich geworden, sich dort zu halten und zu vertheidigen und demnächst zum Angriff gegen Paris vorzugehen.

Indem Deutschland gestattete, daß, abweichend von dem PräliminarVertrage, neben der zahlreichen Armee, welche in Paris vorhanden war,

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