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sehen und zwar auf Befehl eines geheimen Comité's, welches sich das Recht bei legt, allein die Gewalt auszuüben. Ein Theil der Nationalgarde verweigert so der Autorität des Generals Aurelles de Paladines, welcher in so hohem Grade würdig ist, an Eurer Spiße zu stehen, die gebührende Anerkennung; sie verfolgt den Zweck, eine Regierung zu bilden, welche der durch das allgemeine Stimmrecht auf legalem Wege gebildeten Regierung feindselig gegenübertritt. Diese Männer, welche Euch schon so viel Schlimmes zugefügt haben, die Ihr selbst am 31. Oktober auseinandersprengtet, als sie vorgaben, Euch gegen die Preußen zu vertheidigen, die doch nur vorübergehend in Euren Mauern erschienen, und deren definitiver Abzug nur durch die Unordnungen in der Stadt hinausgeschoben wird diese Männer find es, welche jezt die Geschüße richten, deren Feuer Eure Häuser und Euch vernichten würde. Diese Männer sind es, welche die Republik compromittiren, anstatt sie zu vertheidigen, denn wenn sich in der öffent, lichen Meinung Frankreichs die Ansicht befestigt, daß Unordnung eine nothwen dige Begleiterin der Republik ist, dann dürfte es bald um die Republik geschehen fein. Glaubt ihnen nicht, höret auf uns, die wir Euch die Wahrheit in vollster Aufrichtigkeit sagen. Die Regierung, welche durch die gesammte Nation eingesezt ist, wäre schon längst im Stande gewesen, sich der Geschüße wieder zu be mächtigen, welche ja doch augenblicklich Niemand anders bedrohen als Euch selbst; der Regierung würde es nicht schwer geworden sein, dem Arm der Gerechtigkeit jene schuldbeladene Menschen zu übergeben, welche nicht davor zurückbebten, auf den Krieg mit dem auswärtigen Feind den Bürgerkrieg folgen zu lassen, aber der Regierung lag daran, eine Frist zu gewähren, innerhalb deren die Menschen, welche selbst betrogen wurden, sich lossagen konnten von denen, welche sie betrü gen. Durch diesen Stand der Dinge ist eine Wiederaufnahme des Handelsverkehrs unmöglich gemacht. Die Kaufläden stehen leer, die Aufträge, welche von allen Seiten kommen müßten, sind gegenwärtig suspendirt; unsere Arme ruben müßig; der Credit will noch immer nicht wiederkehren, die Capitalien, deren die Regierung bedarf, um das Land von dem Feinde zu befreien, halten sich zögernd fern. In Eurem eigenen Intereffe, im Interesse der Hauptstadt und des ganzen Landes ist die Regierung nunmehr entschlossen, zu handeln. Jene verbrecherischen Menschen, welche es als ihre Absicht aussprachen, eine besondere Regierung zu constituiren, werden jezt dem Arm der Gerechtigkeit überliefert werden. Die geraubten Geschüße werden nach den Arsenalen zurückgeführt werden. Um diesen Akt, der ebenso dringend von der Gerechtigkeit wie von der Vernunft geboten wird, zu vollbringen, rechnet die Regierung auf Eure Unterstützung. Mögen die guten Bürger sich von den schlechten trennen, mögen fie der öffentlichen Gewalt zu Hilfe eilen, statt ihr Widerstand zu leisten; so wird es ihnen gelingen, der Hauptstadt um so rascher Gedeihen und Wohlstand zurückzugeben. So werden fie einen wichtigen Dienst der Republik_leisten, welche durch die Fortdauer der Unruhen in der allgemeinen Meinung Frankreichs zu Grunde gerichtet würde. Wir richten an Euch diese Worte, weil wir Euren gesunden Verstand, Eure Weisheit, Euren Patriotismus würdigen; aber nachdem wir diese Ankündigung haben ergehen lassen, werdet Ihr uns nur beistimmen, wenn wir jezt zur Anwendung der Gewalt unsere Zuflucht nehmen; denn um jeden Preis und ohne auch nur einen Tag zu verlieren, müssen wir jezt dafür Sorge tragen, daß ein Zustand der Ordnung und des allgemeinen Wohlbefindens vollständig und unerschütterlich wieder hergestellt wird.

Am 17. wurden die 56 Kanonen, welche bisher auf dem Vogesenplaz standen, von der Nationalgarde nach Belleville geschafft, um sie vor der befürchteten Wegnahme Seitens der Behörden in Sicherheit zu bringen. Man war überall der Ansicht, daß die Regierung nunmehr ernstliche

Maßregeln ergreifen werde, um dem anomalen Zustande auf dem Montmartre und in einigen andern Vorstädten ein Ende zu machen. In mehreren Stadtvierteln war die Nationalgarde zusammengezogen worden. Die 17 Abgeordneten von Paris, welche vor einigen Tagen ein versöhnliches Manifest veröffentlichten, erließen einen erneuten Aufruf an die Na

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tionalgarde, in welchem dieselbe aufgefordert wurde, die zurückbehaltenen Kanonen der Behörde auszuliefern. Der Abgeordnete Schölcher hatte sich ganz besonders energisch in diesem Sinne ausgesprochen. In der Nacht vom 17. zum 18. entsandte die Regierung dann Truppenabthei lungen, welche die Stellungen des Montmartre beseßen sollten. Es ge

lang denselben auch ohne Conflict die Mehrzahl der Kanonen zu entfernen. Die Gendarmerie arretirte 400 Personen. Am 18. rückten die Nationalgarden Bataillone von Belleville vor das Gefängniß und befreiten ohne Conflict fämmtliche Gefangene. Die Nationalgarden waren in der Weise anmarschirt, daß fie die Gewehrkolben nach oben trugen. General Vinoy hatte Truppen um den Montmartre herum aufgestellt und in jeder der auf den Montmartre mündenden Straßen mit der Richtung auf den selben eine Mitrailleuse auffahren lassen. Auf Verlangen des Volkes ließen die Truppen es zu, daß die Mitrailleusen fortgeschafft wurden. Auf dem Montmartre fraternisirte die Linie mit der Nationalgarde. Auf dem Plaße Pigalle wollte ein Chasseur - Lieutenant sich von der ihn umdrängenden Menge losmachen und machte dabei eine drohende Bewegung mit dem Säbel. Das Volk fiel über ihn her und tödtete ihn. Auf beiden Seiten fielen darauf einige Flintenschüsse, welche mehrere Verwun dungen verursachten. Die Linientruppen verließen darauf ihre Stellungen und fraternisirten mit dem Volke, das sich zweier Mitrailleusen bemächtigte. Viele Bataillone der Nationalgarde zogen nach dem Montmartre, Alle die Gewehrkolben nach oben haltend, unter dem Rufe: „Es lebe die Republik!“

Im Laufe des 18. März zog die Militairbehörde dann die Truppen, sc weit möglich, aus den aufrührerischen Faubourgs zurück. Dem General Faron, welcher auf dem Montmartre mit einer Anzahl Truppen von den Aufständischen eingeschlossen war, gelang es sich durchzuschlagen, wobei seine Truppen, welche drei Barrikaden zu übersteigen hatten, von dem Bajonnet Gebrauch machen mußten. Ein Generalstabsoffizier wurde von den Aufständischen mit dem Bajonnet niedergestoßen. General Paturel wurde verwundet. Auf dem Montmartre, in den Faubourgs Belleville und St. Antoine wurden Barrikaden erbaut. Die Truppen hatten auf dem Montmartre 40 Geschüße genommen, von denen die Aufständischen fünf am Morgen wieder in ihren Besitz brachten, ohne daß die Linientruppen Widerstand leisteten. Ein großer Theil der Linientruppen warf jeine Waffen weg, und es dauerten die Fraternisirungen fort. Weitere Proklamationen Picard's, der die Nationalgarde aufforderte, zu den Waf fen zu eilen, um die Herrschaft der Geseze wieder herzustellen und die Republik vor Anarchie zu bewahren, blieben fruchtlos.

Um 9 Uhr Abends schon traf die Meldung ein, daß General Vinoy sich auf das linke Seineufer zurückgezogen und es ausschließlich der Nationalgarde überlassen habe, die Ordnung wieder herzustellen. Die Nationalgarde hatte sich an verschiedenen Punkten gesammelt. Auf den Boule vards zahlreiche Gruppen; die Läden waren geschlossen, seit 6 Uhr war der Omnibusverkehr eingestellt. Ununterbrochen wurden Barrikaden ge baut. Die Generale Lecomte und Clement Thomas waren von den Insurgenten auf dem Montmartre gegen 4 Uhr Nachmittags nach einem summarischen Verfahren erschossen worden.

Bald hatten die Aufständischen sich auch des Stadthauses bemächtigt, woselbst auch ein Centralfomité der Nationalgarde" seinen Siß genom men hatte. Dasselbe bestand aus folgenden Mitgliedern: Ajsi, Bellevray, Ferrat, Babek, Moreau, Dupont, Varlin, Boursier, Mortier, Gouhier, Valette, Jourde, Rousseau, Lullier, Blanchet, Grollard, Baron, Jeresme, Holse, Pougeret, und hatte zwei vom 19. März datirte Proklamationen erlassen. Die erste lautete:

Bürger! Das Volk von Paris hat das Joch abgeschüttelt, welches man ihm aufgelegt hat. Ruhig und unerschütterlich in seiner Kraft hat es ohne Furcht und ohne Provokation die schamlosen Thoren erwartet, welche die Republik antasten wollten. Diesmal haben unsere Brüder von der Armee nicht die Hand an Heiligthümer der Freiheit legen wollen. Dank Allen! Möget Ihr und ganz Frankreich jezt die Grundlagen zu einer Republik legen, die mit Allem, was sie bringt, freudig begrüßt wird. Nur eine solche Regierung kann für immer die Aera der Invasionen und der Bürgerkriege abschließen. Der Belagerungszustand ist aufgehoben. Das Volk von Paris wird in seinen Comitien zusammentreten, um die Communalwahlen zu vollziehen. Die Sicherheit aller Bürger ist durch die Unterstüßung der Nationalgarde verbürgt.

In der anderen Proklamation hieß es:

Ihr habt uns mit der Vertheidigung von Paris und mit der Vertheidi. gung Eurer Rechte beauftragt, wir sind uns bewußt, diese Mission, unterstüt durch Euren Muth und Eure Kaltblütigkeit, erfüllt zu haben. Wir haben die Regierung, welche uns soeben verrathen hat, vertrieben, unser Mandat ist erlo schen. Wir geben es Euch zurück, denn wir wollen nicht darnach trachten, die Stelle Derjenigen einzunehmen, welche ein Volkshauch umgestürzt hat. Bereitet Euch vor, vollziehet sofort die Communalwahlen und gewährt es uns als einzige Belohnung, daß wir erleben dürfen, Euch die wirkliche Republik begründen zu sehen. Bis dahin handeln wir im Namen des Volks.

Die Aufständischen zegen auf dem Stadthause die rothe Fahne auf und umgaben es mit Barrikaden.

Die Regierung hatte darauf folgende, von den in Paris anwesenden Ministern Dufaure, Favre, Picard, Simon, Pothuau und Leflô unterzeichnete, vom 19. März datirte Proklamation erlassen:

Nationalgarden der Stadt Paris! Ein Comite, welches den Namen „Cen tralcomité" angenommen, hat sich einer gewissen Zahl von Kanonen bemächtigt, hat Paris mit Barrikaden bedeckt, auf die Vertheidiger der Ordnung Feuer ge geben, Gefangene gemacht und hat endlich mit kaltem Blute die Generale Lecomte und Thomas ermordet!

Welche Männer sind Mitglieder dieses Comites? Niemand kennt dieselben, Niemand kann auch nur angeben, zu welcher Partei sie gehören. Sind es Com munisten, oder Bonapartisten, oder Preußen? Sind sie hervorgegangen aus einer dreifachen Coalition? Wer sie aber auch sein mögen, sie sind die Feinde der Stadt Paris, welche sie der Plünderung überliefern, sie sind die Feinde Frank reichs, welches sie den Preußen überliefern, sie sind die Feinde der Republik welche sie dem Despotismus überliefern. Die verabscheuungswürdigen Verbrechen, welche jene Männer begehen, benehmen Denjenigen, welche es wagen sollten, ihnen zu folgen oder sie zu dulden, jede Entschuldigung. Wollt Ihr die Ver antwortlichkeit für die Mordthaten und Verbrechen, die sich noch steigern werden, auf Euch nehmen? Dann bleibt in Eurer Behausung. Wenn Euch aber an Eurer Ehre und an Euren heiligsten Interessen gelegen ist, so schaart Euch um die Regierung, um die Republik und die Nationalversammilung!

Aus Versailles meldete zugleich die amtliche Regierungs - Zeitung unterm 19. März:

Sämmtliche Mitglieder der Regierung haben sich in Versailles versammelt. 10,000 Mann unter Commando Vinoy's find daselbst concentrirt, sämmtliche oberen Behörden, sowie die Chefs der Truppen sind in Versailles eingetroffen. Die Civil und Militair-Behörden werden nur die von der Regierung in Ver sailles gegebenen Befehle befolgen, widrigenfalls sie ihrer Stellung entsetzt werden. Der Stab des General Vinoy, welcher sich gestern nach der Militairschule zurück30g, hat sich heute Morgen mit Linientruppen und Gensd'armerie nach Versailles begeben. Die Nationalgarde ist die einzige bewaffnete Macht, welche sich gegen wärtig in Paris befindet. Die meisten Bataillone der Nationalgarde, welche sich bis jetzt auf den Straßen zeigen, scheinen den aufrührerischen Faubourgs anzuge hören. Der Barrikadenbau dauert fort, namentlich in der Rue des Martyrs, in der Avenue Trudaine auf der Chauffee Clignancourt, in einem Theile des Faubourg St. Denis, in der Rue Rechehouart, in der Umgegend des Stadthauses und im Faubourg St. Antoine. Der Verkehr der Omnibus und Fiaker ist eingestellt. Das Central-Comité der Insurgenten hat in jämmtlichen Mairien provisorische Commissionen eingesetzt, auch hat sich dasselbe sämmtlicher Ministerien und des Telegraphen bemächtigt. Die Municipalitätswahlen sollen für den 21. März angeseßt sein. An sämmtliche Präfekten, Generale, Generalprokuratoren und Maires ist von Versailles aus eine Proklamation gerichtet worden, in welcher betont wird, daß die Regierung, welche in Versailles ihren Siz hat, die einzig gesetzmäßige sei, daß sämmtliche Minister sich gegenwärtig daselbst versammelt beben, um in der Nähe der Chefs der erecutiven Gewalt und der National-Versammlung zu sein, und daßz endlich alle Diejenigen, welche der insurrektionellen Regierung folgen, als Rebellen angesehen werden sollen.

Nachdem die ersten Gewaltthaten der Aufständischen großen Schrecken in Paris verbreitet hatten, schien es, als sollten die Freunde der Ordnung, d. h. die besißenden Klassen, welche ihr Eigenthum bedreht sahen, sich zu einer festen Haltung ermannen. Die Nationalgarden in den wehlhaben den Theilen von Paris wurden zusammenberufen, um der Gewaltherrschaft der Arbeiterhaufen Widerstand zu leisten. Aber die lehteren feßten sich alsbald entschlossen in den Besit der wichtigsten Punkte auch in den vornehmeren Stadttheilen, und als die Freunde der Ordnung am 22. März sich zusammenschaarten, um eine Kundgebung für die Wiederherstellung der gefeßlichen Ordnung zu machen, wurden sie von den Aufständischen kurzweg mit Pelotonfeuer empfangen und zogen sich unter Verlust vieler Todten und Verwundeten ohne Weiteres wieder zurück.

Von der Regierung in Versailles war der Admiral Saiffet, ver Kurzem noch ein Vertrauensmann der entschiedenen Republikaner, zum Chef der Nationalgarde in Paris ernannt worden, um einige Festigkeit in die Haltung derselben zu bringen; mit ihm vereint wollten die erst kürzlich gewählten republikanischen Maires so die republikanischen Abgeordneten der Stadt, welche sämmtlich durch die jeßigen Vorgänge das Bestehen der Republik selbst gefährdet sahen, für die Wiederherstellung der Ordnung wirken. Aber in ihren Verhandlungen mit den Aufstän. dischen gaben sie nach und nach alle Forderungen derselben zu, und in

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