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Ruf: Es lebe Se. Majestät der Kaiser!" ausbrach. Außer dem Armeemarsch mit den Themen unserer beiden Nationallieder wurde auch der bekannte Pariser Einzugsmarsch aus dem Jahre 1814 gespielt, denen dann das Abendgebet und der Abmarsch mit dem Zapfenstreich folgte. Der Kaiser war mit dem König von Württemberg wiederholt am Fenster erschienen.

Die während des Tages mit jeder Stunde eingehenden Nachrichten aus Paris lauteten nicht günstig. Die scheußliche Ermordung eines früheren Polizei-Beamten und besonders alle dieselbe begleitenden, wahrhaft empörenden Umstände die Mißhandlung ganz unverdächtiger Personen, das Wegschleppen der Kanonen vom Plaße Wagram zur Place royale durch Nationalgarden und Marine-Mannschaften, selbst die Ermahnung der Behörden und die Androhung des Generals Vinoy, wenn die Nationalgarde nicht ihre Pflicht thun sollte, schienen wenigstens eine sehr gereizte Stimmung und Aufregung für den Einmarsch in Aussicht zu stellen. Man mußte also auf Alles vorbereitet sein und war es. In Belleville war während der ganzen Nacht unermüdlich Sturm geläutet worden, ohne indessen einen besondern Erfolg hervorgebracht zu haben. Auch am Bau von Barrikaden soll es nicht gefehlt haben, ebenso wenig in den Clubs und Cafés an den außerordentlichsten Vorfäßen und Beschlüssen. Immerhin waren diese Nachrichten und die Artikel der Zeitungen vom 28. Febr. wohl dazu angethan, um alle Vorsichtsmaßregeln und wohl auch Befürchtungen zu rechtfertigen. Es war doch möglich, daß einer französischen Drohung auch einmal eine That folgen konnte, obgleich bisher wenig Grund zu einer solchen Annahme vorgelegen. Die Versailler schworen aber Stein und Bein, daß die Pariser nie einen deutschen Soldaten nach Paris hineinlassen würden; aber auch wirklich, und diesmal sogar ganz gewiß nicht! Wegen dieser sich so schauerlich anhörenden Aussichten und Drohungen hat jedoch kein Deutscher unruhig geschlafen; im Gegentheil sah Alles ungemein schmuck, frisch und zuver fichtlich aus. Zum Uebergang der Truppen über die Seine waren mehrere Pontonbrücken geschlagen worden, denn die interimistischen Laufbrücken, welche man über die gesprengten Bogen der Sèvres und St. CloudBrücke gespannt, waren für Cavallerie und Artillerie noch nicht brauchbar. Der Marsch über diese ungemein starken, doppelten und auf großen SeineTransportschiffen gebauten Pontonbrücken hatte schon früh begonnen, so daß bei trübem, aber nicht kaltem oder nassem Wetter die 30,000 Manu um 10 Uhr bereits in zwei Treffen auf dem großen Rennplaße des Bois de Boulogne, mit der Front, gegen Westen, also gegen die Seine, Paris im Rücken, aufmarschirt standen. Der rechte Flügel der Aufstellung lehnte sich an die bekannte, mit Epheu bewachsene Boulogner Mühle und hatte die Tribünen für die Pferderennen vor sich. Der Kronprinz, der das Commando über die in Parade-Aufstellung stehenden Truppen

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übernommen hatte, traf um 101⁄2 Uhr auf dem Paradeplaß ein, wo ein großer Theil der deutschen Fürsten und die Suiten sich bereits verjam melt hatten. Unter dem Morgengruß und dem Hurrah der Truppen an den Fronten entlang reitend, inspicirte der Kronprinz die inzwischen geordneten Linien. Die sämmtlichen im Kaiserlichen Hauptquartier noch anwesenden Prinzen des Königlichen Hauses und die deutschen Fürsten hatten. sich mit ihren ebenso zahlreichen als glänzenden Gefolgen vor der Mühle eingefunden und erwarteten hier die Ankunft des Kaisers, welcher über die Suresne-Brücke nach dem Bois de Boulogne kam und vor dem hintern Eingang der Renntribüne zu Pferde stieg. Noch am Tage vorher hieß es, eine rheumatische Beschwerde gestatte dem Kaiser das Reiten nicht, heute lehrte der Augenschein das Gegentheil. So begrüßte die ganze Truppenaufstellung unter präsentirtem Gewehr, gerührtem Spiel und Hurrahruf den siegreichen Kriegsherrn. Die Truppen massirten sich dann von der Mühle von Norden nach Süden und marschirten die Infanterie in aufgeschlossenen Bataillons - Colonnen - vorbei, um sofort den Marsch durch das Bois de Boulogne nach Paris anzutreten, und zwar sowohl durch die Avenue de la grande Armée, als durch die Avenue de l'Impératrice, um auf dem Plaße beim Arc de Triomphe zusammenzutreffen, durch welchen dann der Einzug in die Champs élisées erfolgen sollte.

General Lieutenant v. Kamecke hatte schon dem Kaiser und Könige bei dem Eintreffen auf dem Rennplaße gemeldet, daß der Einmarsch der Quartiermacher unter dem Schuße des 1. Bataillons 2. nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 (Major Heye) 1 Escadron des 2. hefsischen Husaren-Regiments Nr. 14 (Rittmeister v. Colomb) und einer Batterie am frühen Morgen ohne alle Störung erfolgt sei. Eine Feldwache war bis zur Place de la Concorde vorgeschoben und beim Arc de Triomphe ein Zug Husaren aufgestellt, wo sich, um den Einmarsch zu erwarten, der Chef des Stabes, Graf Waldersee, der Major vom Ingenieur-Corps, Peters, und der Rittmeister Graf Bismarck-Bohlen vom 1. Bataillon (Berlin) 2. Garde-Landwehr-Regiments, versammelt hatten. Das ganze Boulogner Gehölz und die dasselbe einfaffenden Straßen bis zur Enceinte waren wie ausgestorben, alle Bäume auf Kartätschenschußzweite von den Bastions niedergehauen, Spuren abgeräumter und eingeevneter Schanzen und Barrikaden überall zu bemerken. Innerhalb der Enceinte und bis zum Arc de Triomphe herrschte aber um Mittag durchaus keine solche Leere und solche Trauer, wie die Zeitungen sie verkündigt hatten, im Gegentheil hatten sich überall zahlreiche Gruppen Neugieriger gebildet, welche sich um die Quartier machenden Detachements drängten. Den Pflastertretern sah man allerdings die Neigung an, Lärm zu machen.

Um 1 Uhr rückten nun die Truppen ein: 3 Armee-Corps -Commandos und deren Stäbe, 3 Divisions - Commandos und deren Stäbe, 6 Brigade Commandos und deren Stäbe, 14 Regiments-Commandos und

deren Stäbe. In der Front hatten diese Truppen in folgender Ordnung vom rechten Flügel gestanden: das Füs.-Bat. des 1. nass. Inf.-Regts. Nr. 87, das 3. Bat. heff. Füs.-Regts. Nr. 80, das Füs. Bat. 2. heff. Inf. Regts. Nr. 82, zwei Bats. des 2. naff. Inf.-Regts. Nr. 88 (ein Bataillon dieses Regiments war bereits am frühen Morgen in Paris einmarschirt), das 1. Bat. des 2. thüring. Inf.-Regts. Nr. 32, das 2. Bat. des 6. thüring. Inf.-Regts. Nr. 95, das 1. Bat. des 3. heff. Inf. Regts. Nr. 83, das 1. Bat. schlesw. Inf.-Regts. Nr. 84, ein Bataillon aus dem 11. Jäger und 11. Pien.-Bat. combinirt, 3 Bat. des 6., 3 Bat. des 7., 3 Bat. des 14., 3 Bat. des 15. Kgl. baier. Inf.Regts., 2. Bat. des 1. schles. Gren.-Regts. Nr. 10, 3. Bat. schles. Füs.Regts. Nr. 38, 3. Bat. des niederschles. Inf. Regts. Nr. 51, das 2. schles. Jäger-Bat. Nr. 6, Füs.-Bat. des 1. oberschles. Inf.-Regts. Nr. 22, Füs.-Bat. des 3. oberschles. Inf. Regts. Nr. 62, Füs.-Bat. des 4. oberschles. Inf.. Regts. Nr. 63, 1. Esc. des 2. heff. Huj.-Regts. Nr. 14, 1. Esc. des 1. heff. Hus. Regts. Nr. 13, die 2. und 5. leichte Batterie des heff. Feld-Art.-Regts. Nr. 11, 4. Esc. des 1. K. baier. Ulanen-Regts., 3. K. baier. Batterieen, 1. K. baier. Batterie und ein Sanitätszug, 2. Esc. des 2. schles. Drag. Regts. Nr. 8, 2. Esc. des 3. schles. Drag.-Regts. Nr. 15, 4. Batterien des schles. Feld-Art.-Regts. Nr. 6, 1 Feld-Lazareth.

So rückten die Truppen mit klingendem Spiel in die Enceinte ein. Mit ihnen die Königlichen Prinzen Carl, Albrecht und Adalbert und mehrere deutsche Fürsten. Graf Bismarck und viele fremdländische Offiziere wohnten dem Einmarsche bei. Die Truppen blieben einige Zeit lang in den Champs elysées aufgestellt und bezogen dann ihre Quartiere theils in öffentlichen Gebäuden, theils bei den Einwohnern.

Als die Spißen der ersten Truppen gegen das Triumphthor anrückten, versuchte ein Trupp von 2-300 Menschen eine Demonstration, die jedoch höchst kläglich ausfiel. Die Franzosen hatten einen Wagen vor dem Portal des Thores aufgestellt in der Absicht, den Zugang da durch zu verbarrikadiren. Am Wege standen die Reste eines Erdwerkes, das hier errichtet worden, um die Straße zu schließen. Von einem dieser Werke aus hielt ein Blousenmann, den Revolver in der Hand, eine Anrede an die Umstehenden, die er mit dem großen Worte schloß: „Les Prussiens n'entreront jamais". Da nun aber die Preußen mit ihren süddeutschen Bundesgenossen doch kamen, begnügte sich der französische Volksredner mit dem theatralischen Effect, den er hervorgebracht, und nahm einen eiligen Rückzug. Die Truppen würden kaum daran gedacht haben, das Portal des Arc de Triomphe zu betreten, da die Wege, die rechts und links vorbeiführen, fast zehnmal so breit sind. Der Wagen, der den Zugang schloß, machte sie erst aufmerksam; sie schafften das Hinderniß mit größter Ruhe bei Seite, ein Zug Cavallerie ging mitten durch das Thor, und im Uebrigen vollzog sich nun der Einmarsch ohne jede Störung.

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Der Kronprinz hatte am 1. März auf jeden Triumphzug verzichtet. Erst am 2. fuhr derselbe in Begleitung des Großherzogs von Baden und gefolgt von den persönlichen Adjutanten durch das Boulogner Gehölz und den Triumphbogen in die Stadt. Es war Nachmittags zwischen 2 und 4 Uhr, wo die Menge der Zuschauer ihre höchste Ziffer erreichte. Der Kronprinz fuhr durch die elyseeischen Felder nach dem Concordien

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plaz bis an den Garten der Tuilerien, dann an der Seine entlang über den Trocadero durch Passy zum Point du jour. Der Kronprinz, der während der Ausstellung von 1867 mit der Kronprinzessin längere Zeit in Paris verweilte, wurde vielfach von der Menge erkannt. C'est le prince Fritz", rief man, le fils de l'Empereur". (Das ist Prinz Friß, der Sohn des Kaisers). Welch mannichfach bewegter Anblick, der

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