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von einer ganz seinen Zwecken dienenden Gesellschaft („zehnte December“) empfangen wird. In Lyon hatte er bei einer Tafelrede (17. Aug.) alle Staatsstreichgerüchte ausdrücklich in Abrede gestellt: „der Erwählte von sechs Millionen vollstreckt des Volkes Willen, verräth denselben aber nicht."

Während Napoleon hier den Genügsamen spielte, trat er einige Wochen später in Caen schon entschiedener auf und verhehlte es nicht, daß er seine Präsidentschaft sehr gern verlängert sehen möchte. Die Be wegung machte im Napolecnischen Interesse große Fortschritte, und es wurde nicht nur bei Bürgern und Landleuten, sondern vorzüglich in dem Heere für Napoleons Wünsche gewühlt, wobei die Decembriseurs, die Mitglieder oben erwähnter Gesellschaft sich besonders thätig zeigten, ja fie verlangten, als zwei Drittheile der Departements-Räthe sich für Verfassungsrevision erklärt hatten, zehnjährige Präsidentschaft Louis Napoleons, 6 Mill. jährliche Civilliste und das Tuilerien-Schloß als Residenz. Daneben ließen Truppen den Kaiser hochleben, wogegen 16. Bataillone bei einer Musterung am 10. Oct. 1850, schweigend an Napoleon vorüber zogen. Der ständige Ausschuß der Kammer beklagte in einer amtlichen Resolution jene aufrührerischen Zurufe und tadelte den Kriegsminister, der sie geduldet. Die Minister traten bis auf 4 zurück, ebenso wurde Changarnier, der die Kaiserrufe als disciplinwidrig gerügt hatte, der Stelle als Befehlshaber sämmtlicher Milizen der ersten Division entsetzt. Diese Entsetzung brachte die Kammer in Aufregung, die zwar zunächst beschwigtigt wurde, aber immer von Neuem wieder austrach, da die monarchischen Strebungen des Staatsoberhauptes je länger, desto mehr hervortraten.

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Ehe das am 27. October 1851 eingetretene Ministerium die Verfassungsrevision in die Hand nahm, leitete sie Napoleon selbst bei einer Tischrede in Dijen ein, äußerte sich aber in seiner Botschaft vom 11. November ausführlicher, mit der Erklärung, daß er die Versammlung nicht angreifen werde.

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Dennoch beging Louis Napoleon am 2. December das Verbrechen des doppelten Hochverraths, indem er im Namen des französischen Volkes die Gesetzgebungs Versammlung auflöste, was er nicht durfte, das allgemeine Stimmrecht eigenmächtig wiederherstellte, das französische Volk vom 14. bis 21. December in seine Comitien berief. Mit diesem Staatsstreich wurde natürlich der Belagerungszustand verbunden. Verhaftungen der hervorrrgendsten Kammer-Mitglieder, Verbannungen folgten und was noch schlimmer als Alles, es wurde ein Blutbad in Paris angerichtet und gegen Wehrlose und ganz Unschuldige von einer trunkenen Soldateska gewüthet. Der aber, der all das Unheil angestiftet, saß feige in seinem Zimmer, zitternd den Nachrichten des Gelingens seiner auf schwerem Meineide ruhenden Pläne entgegen harrend. Zwei Aufrufe, einer an das Volk, der andere an das Heer begleiteten die Gewaltthat. Als Grundlage einer neuen Verfassung schlag der Urheber dieses Staats

streiches, Louis Napoleon, der nun seine Jugendträume erfüllt sah, unter anderm vor: ein auf zehn Jahre ernanntes, verantwortliches Oberhaupt, eine gesetzgebende, aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgehende Körperschaft und eine zweite Versammlung als ausgleichende Gewalt. Schließ. lich wurde die Komödie des Plebiscite aufgeführt, das den Staatsstreichh billigen sollte. Der Papst und der russische Kaiser Nicolaus hatten den ,Retter der Gesellschaft" besonders beglückwünscht, der nun bald der Erwählte von 7 Mill. 481,636 Stimmen, damit zehnjähriger Präfident und Beauftragter zur Entwerfung der neuen Verfassung war. Diese erschien am 14. Januar 1852. Als die neuen Kammern, die willfäh rigen Werkzeuge des Gewalthabers, eröffnet wurden, betheuerte ihnen dieser, daß er gar nicht daran denke, sich zum Kaiser zu machen, obgleich dies von vornherein das Ziel seines Strebens war.

Schon bot der „Prinz - Präsident", wie er sich nun nennen ließ, Alles auf, Volk und Heer an das werdende Kaiserreich zu gewöhnen. Alte Napoleonische Erinnerungen wurden in Menge wachgerufen, die Truppen wieder mit Adlern feierlich beschenkt, „nicht als eine Drohung gegen das Ausland, sondern als das Symbol der Unabhängigkeit, als die Erinnerung an eine Heldenzeit. Zur schnelleren Förderung des längst gehegten Planes erschienen Anfangs Juli schon zahlreiche Eingaben um Wiederherstellung des Kaiserthums, in welchen Strebungen die Bezirksrathe, ja viele Bewohner der Departements, Napoleon fortwährend fleißig gleichfalls unterstüßten. Die Kaiser Kundgebungen nahmen kein Ende, und der Kaiser-Candidat stellte sich am 20. Sept. 1851 in Lyon freiwillig, anscheinend noch etwas schüchtern, dar. Kaum drei Wochen später (7. Oct.) war er in Bordeaur schon dreister, und auf einem von der dortigen Handelskammer ihm gegebenen Festmahle sprach er die Worte: Gewisse mißtrauische Personen sagen: das Kaiserreich ist der Krieg, id aber sage: das Kaiserreich ist der Frieden (l'empire c'est la paix). Es ist der Frieden, denn Frankreich will ihn, und wenn Frankreich zufrieden ist, ist die Welt ruhig. Der Ruhm knüpft sich wohl an das Erbe, aber nicht der Krieg. In Zeiten des Uebergangs, wo allenthalben neben vielen Elementen des Wohlstands so viele Ursachen des Todes keimen, kann man in Wahrheit sagen: Wehe dem, der zuerst in Europa das Zeichen eines Zusammenstoßes gäbe, dessen Folgen unberechenbar sind." Diese Folgen eines freventlich heraufbeschwornen Zusammenstoßes hat dieser Abenteurer auf dem Throne, 19 Jahre später zu seinem unverbesserlichen Schaden herbeigeführt und das „Wehe" auf sich herabgerufen.

Bei seiner Rückkehr nach Paris, am 16. October, erklärte er sich zur Wiederaufrichtung des 36 Jahre zuvor, wie man damals meinte, auf immer vernichteten Kaiserthums bereit, am 19. erschien schon das Decret, das den Senat anwies, am 4. November einen dahin gehenden Beschluß zu entwerfen, den das Volk durch die Abstimmung gutheißen

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sollte. Am 7. November kam der Beschluß zu Stande, Napoleon nahm die neue Würde an, wobei er an die 1801 gesprochenen Worte seines Dheims erinnerte. Das am 21. und 22. November in ganz Frankreich zur Schein-Abstimmung gelangende Plebiscit lautete: Das französische Volk will die Wiederherstellung der Kaiserwürde in der Person Ludwig Napoleon Bonapartes mit Erblichkeit in seiner unmittelbaren rechtmäßigen oder adoptirten Nachkommenschaft und giebt ihm das Recht, die Thronfolge-Ordnung in der Familie Bonaparte zu regeln, wie es im Senatsbeschluffe vom 7. November bestimmt ist. Am 1. December Abends wurde in öffentlicher Sigung des Gesetzgebungskörpers verkündet, daß das Napoleonische Kaiserthum mit 7 Mill. 824,189 gegen 253,145 Stimmen angenommen sei. Senat und gesetzgebender Körper überbrachten dem Kaiser die Botschaft, der, wie er sagte, mit der Krone den Namen Napoleon der Dritte" annahm. Meine Herrschaft", sagte er, datirt nicht von 1815, sondern von diesem Augenblick... Empfangen Sie hier den Schwur, daß mir kein Opfer zu groß sein wird um des Vaterlandes Gedeihen zu sichern, daß ich den Frieden aufrecht erhalten, der Ehre und Würde Frankreichs aber nichts vergeben werde." Noch nicht ein Jahr zuvor hatte derselbe Mann der einigen, untheilbaren Republik den Eid geleistet und ihn gebrochen. Dem Schwur von 1852 folgte ein russischer, italienischer, chinesischer, mericanischer und zuletzt ein deutscher Krieg. So hat Napoleon Frieden gehalten, bis er beim leßten Krieg Thron und Ehre eingebüßt! Am 2. December 1852, dem ersten Jahrestage des eigenen Staatsstreichs und dem zweiundvierzigsten der Schlacht von Austerliß erschien Napoleon III. von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation Kaiser der Franzosen" in Paris und ließ noch selbigen Tages seine Thronbesteigung den fremden Mächten anzeigen. England, noch 37 Jahre zuvor der erbittertste Gegner des alten Napoleon, Sardinien, Neapel, Spanien beeilten sich mit der Anerkennung, die noch vor Jahresschluß eingegangen waren. Die Nachfolger der einstigen Hauptbegründer der heiligen Allianz folgten schnell nach, am 5. Januar 1853 hatte Rußland, Tags darauf Preußen und ebenso Desterreich das neue Kaiserreich und den Napoleoniden anerkannt, den fie 1815 in Europas Acht und Aberacht erklärt hatten. So ändern sich die Zeiten und die Menschen in ihnen. Europa sollte aber bald das Walten des neuen Napoleons, der „Verstellung geübt sein Leben lang" kennen lernen.

Wir haben längere Zeit bei dem Manne verweilen müssen, der die Geschicke Europas zu lenken sich anmaßte, können deshalb die nun folgenden, sein Walten bekundenden Ereignisse nur kürzer behandeln.

Rußlands Stellung zu der Türkei war schon seit 1829 vorwiegend herrschend geworden, und stets war der Kaiser von Rußland, Nicolaus I., bestrebt, im Orient, auch in seiner Eigenschaft als Haupt der griechischen

Christen festen Fuß zu fassen und die Pläne seiner Großmutter Katha. rina II. auf die Türkei zu verwirklichen. Im Jahre 1853 fand sich wieder ein Anlaß, mit der letzteren anzubinden, und auf russischer Seite wurde die Absicht laut, Constantinopel von russischen Truppen beseßen zu laffen. Zur bessern Verwirklichung zog Nicolaus England ins Intereffe, und dem Gesandten schilderte er die Türkei als den „kranken Mann", dessen Auflösung unaufhaltsam sei. Aus der bei dieser Gelegenheit zu machenden Beute bot er England Egypten und Candien an. England ging auf die russischen Vorschläge nicht ein, ebensowenig Napoleon, den Nicolaus bereits auf eine Vergrößerung in Deutschland anwies. Nicolaus ließ sich troß dieser Ablehnung nicht irre machen, sandte vielmehr im Febr. 1853 den Admiral Fürsten Mentschikoff nach Constantinopel, der auch äußerlich eine Verachtung türkischen Wesens bekunden (in feierlicher Rathsversammlung im Oberrock erscheinen) mußte, und ganz ungerechte, einer Mitherrschaft Rußlands in der Türkei gleichkommende Forderungen stellte. Diese hatte die Türkei (Mai 1853) vollständig abgewiesen, und sich um Schuß an England und Frankreich gewandt. Die Großmächte waren insgesammt gegen Rußland, und Napoleons Rüftungen sehr ernst gemeint. Der Franzosenkaiser wußte troß der Wühlereien des Russenkaisers England auf seine Seite zu ziehen und schließlich, unter Palmerstons Ministerium, ein Schuß- und Trußbündniß mit dem alten Gegner einzugehen. So standen zum ersten Male Frankreich und England zusammen. Der, nach einem gescheiterten europäischen Vermittlungs. Congreß, im October 1853 ausgebrochene Krieg, der sogenannte Krimkrieg, in welchem Frankreich, England, die Türkei, dann auch Sardinien thätig, Desterreich hinterhältig gegen Rußland standen, Preußen allein eigentlich neutral blieb, endete, nachdem die Ruffen wiederholentlich an der Alma, bei Balaclava und Inkerman besiegt worden waren, mit der Erstürmung Se= bastopols am 10. September 1855. Die Festung hatte mit seltener Zähigkeit widerstanden, was daraus allein schon hervorgeht, daß die Beschießung 322 Tage (vom 17. Oct. 1854 ab) gedauert hat.

Inzwischen war Nicolaus am 2. März 1855 gestorben und sein Sohn und Nachfolger Alexander II. zum Frieden geneigt, der am 30. März 1856 in Paris abgeschlossen wurde. Rußland trat nur einen winzigen Landstrich am linken Donau-Ufer, zunächst dem schwarzen Meere und die Donau-Mündungen ab, entsagte der einseitigen Schußherrlichkeit über die Donaufürstenthümer und die griechischen Christen in der Türkei. Der Frieden, welcher übrigens auch einige wichtige völkerrechtliche Fragen löste, war den Kriegsthaten nicht angemessen und höchstens geeignet, Napoleons Glanz zu vermehren, deffen Entfaltung sich bald neue Bahnen eröffneten. Auch in seinem Hause lächelte ihm das Glück. Der Kaiser hatte sich, da die Fürsten, wie er sagte, eine Heirathsblokade um ihn, den Empor tömmling" geschloffen, am 29. Januar 1853 mit der spanischen Gräfin,

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Eugenie von Teba, aus dem Hause Montijo verheirathet, und in dieser Ehe war ihm am 16. März 1856 furz vor dem Friedensschluffe ein Sohn geboren, der wenigstens die Hoffnung auf den Bestand der neuen Dynastie aufkommen ließ.

Ein neuer Anlaß zur Einmischung bot dem Kaiser Napoleon Italien dar, das nach der Revolution von 1848 und 1849 der grausigsten, durch Desterreich eingeleiteten Reaction verfallen war. In dem, von Desterreich beherrschten lombardisch venetianischen Reiche drückte eine schrankenlose Militärherrschaft, in Neapel und Sicilien die bodenloseste Willkür unter einem bis zum Wahnsinn grausamen König (Ferdinand II.). Nur das Königreich Sardinien (Piemont) war troß seiner, ihm von Desterreich beigebrachten Niederlagen, in einer glücklichen Lage und erfreute sich unter dem König Victor Emanuel einer volksthümlichen Regierung. Der sardinische Minister Graf Cavour, der schon auf dem Pariser Friedens-Congresse Italiens Forderungen, wenn auch vergebens geltend gemacht hatte, wußte sich Napoleon zu nähern, um dessen Gunst fich auch das auf Desterreich erzürnte Rußland bewarb. Der russische Gesandte in Turin schürte in Italien die Erregung wider Desterreich, und am 27. September 1857 kamen die Kaiser Napoleon und Alexander in Stuttgart zusammen, um über die Donaufürstenthümer und Italiens Zukunft zu berathschlagen, während die folgende Zusammenkunft des russischen Kaisers mit dem Kaiser Franz Josef von Desterreich in Weimar eben nur eine Höflichkeitsbezeigung war.

Inzwischen wurde in Italien, troß Besuchs und Amnestie des öfterreichischen Kaisers und troß der Bereifung des Kirchenstaats durch den Papst, nichts geändert, so daß die Unzufriedenheit immer mehr zunahm und die italienische Partei der That in Napoleon einen Verräther er blicte.

So kam es, daß ein eraltirter Italiener, Felix Orsini mit drei andern Landsleuten: Pieri, Gomez, Rudio und einem in London lebenden Franzosen Bertrand eine Verschwörung gegen Napoleons Leben anftiftete und am Abend des 14. Januar 1858, als der Kaiser mit seiner Gattin in das Opernhaus fahren wollte, auch ausführte. Der, dem der Mord. versuch galt, blieb, obschon birnenförmige Bomben geschleudert wurden, unverlegt, es lagen aber über 100 Todte und Verwundete auf dem Plaße. Die vier Italiener wurden festgenommen, und am 11. Februar richtete Orsini aus dem Gefängnisse ein Schreiben an Napoleon, daß er Italiens Unterdrückung durch Desterreich nicht dulden dürfe, ein Schreiben, das am 25. Februar in der pariser Amtszeitung veröffentlicht wurde. Orsini und Pieri wurden am 13. März hingerichtet. Am 31. März erschien in Turin ein zweiter, kurz vor der Hinrichtung geschriebener Brief Orfinis an Napoleon, worin diesem ein Zeugniß wahrhaft italienischer Gesinnung ausgestellt wurde.

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