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Straße wurde, noch ehe ein Schuß fiel, überrannt und gefangen. Das 1. Bataillon des Regiments Nr. 107, welches dem an der Spiße be findlichen 2. Bataillon gefolgt war, wandte sich links gegen ein feind liches nahe am Dorfe stehendes Lager, und nach kurzem Feuergefecht floh die Besaßung nach dem südlichen Ende von Brie. Unweit der gespreng

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ten Marnebrücke, etwa bei der Kirche, stieß das inzwischen immer weiter geeilte 2. Bataillon des Regiments Nr. 107 auf starken Widerstand (die zahlreich Gefangenen sagten aus, es seien 12,000 Mann bei Brie gewesen), auch schien es, als dringe der Feind von Süden her gegen die Rückzugslinie der Bataillone vor. Es wurde daher das in Reserve gebliebene 3. Bataillon des Regiments Nr. 104 angewiesen, sich außerhalb des Dorfes links zu wenden, während das 2. Bataillon des Regiments

Nr. 107 nach der Marne zu sich ausbreitete und die zahlreichen Gehöfte und Gärten in Besitz nahm, um möglichst bald Anlehnung an den Fluß zu gewinnen und die Brückenstellen zu erreichen. Es war etwa 8 Uhr Morgens, als der größte Theil des Dorfes in unserer Hand, der in und seitwärts überfallene Feind verjagt war. Nur an den Brückenstellen und den zum Schuß derselben vorgelegten Barrikaden und Verstärkungen hatte sich derselbe zu halten und zu sammeln vermocht, und die dagegen unter nommenen Angriffe mußten um so mehr scheitern, als über die Brücken dem Feinde unaufhörlich Verstärkungen zugeführt wurden. Der erste Moment des Kampfes, fast gleichzeitig in Brie und Champigny durch Anfall des nichts ahnenden und überfallenen Feindes bezeichnet, ging zu Ende, die fast unwiderstehlichen Vortheile, welche diesem durch seine Forts, durch den Avron und die zahlreichen Feld- und MitrailleusenBatterien unter Fort Nogent der allein kämpfenden deutschen Infanterie gegenüber zu Gebote standen, traten in ihr Recht. Zunächst entstand dadurch, wenigstens auf dem rechten Flügel, eine Art von Gefechtspause, während welcher durch ununterbrochene, aus den Forts und allen umlic genden Festungsbatterien erfolgende Kanonade unsere Stellungen bis über Villiers, la Grenouillière und Coeuilly unter Feuer gehalten wurden.

Der Prinz Georg von Sachsen erwartete von 7 Uhr Morgens an bei Villiers die Meldungen von beiden Seiten; zu dieser Zeit hatte der selbe bei der Feldwache des 2. Jäger-Bataillons Nr. 13 westlich Villiers Gelegenheit, die feindliche Vedettenlinie etwa 600 Schritt vor diesem Ort, in welchen Chassepotgeschosse hineinschlugen, wahrzunehmen. Das Gros der 24. Infanterie- Division stand mit General-Lieutenant ven Nehrhoff am östlichen Ende des von 2 Bataillonen des 5. JufantericRegiment Nr. 104 und 3 Compagnien des 2. Jäger-Bataillons Nr. 13 besetzten Noisy-le-Grant. Die 4. schwere Batterie hatte vergeblich ver sucht, den Sturm auf Brie von einer Aufstellung im Park von Noisy aus zu unterstützen. Durch zu rasch sich verbreitende Tageshelle bloßge stellt, hatten sie nach wenigen Schüffen gegen die sich ansammelnden Massen unterhalb des Forts Nogent vor dem concentrischen Granatfeuer weichen müssen. Von den Reserven war um 29 Uhr Morgens das Schüßen-Regiment Nr. 108 von la Grenouillère an den östlichen Ausgang von Villiers herangezogen worden. An seine Stelle trat zu den beiden schweren Batterien der 4. Fuß-Abtheilung der Corps-Artillerie das 3. Bataillen Leib - Grenadier- Regiments Nr. 100. Die 3. Fuß-Abthei lung der Corps - Artillerie mit der leichten Batterie der 4. Abtheilung und 2 Munitionskolonnen stand westlich Champs.

Von 9 Uhr an wurde das Gefecht um und bei Champigny, in welches außer den Württembergern die 3. Infanterie-Division von unserer Seite und die bei Joinville übergegangenen Colonnen feindlicherseits eintraten, heftiger und nahm an Intensität immer mehr zu. General-Major

von Reißenstein hatte Villiers noch mit 6 Compagnien, hauptsächlich im Park stehend, besetzt, außerdem befand sich dort die auf Feldwache befindlich gewesene 4. Compagnie 2. Jäger-Bataillons Nr. 13. Die immer mehr anwachsenden feindlichen Massen drohten Brie auch von der Rückseite völlig zu umfassen. Um diesem vorzubeugen und die dort hart bedrängten beiden Bataillone 8. Infanterie-Regiments Nr. 107 zu degagiren, erhielt das erste Schüßen-Bataillon hinter Villiers um 9 Uhr 45 Minuten den Befehl, an Villiers vorbei auf Brie vorzugehen. Gleich zeitig erhielt General v. Nehrhoff die Weisung, in dieselbe Lücke zwischen Noisy und Villiers ebenfalls ein Bataillon vorzuschicken, wozu das 3. Bataillon des Regiments Nr. 107 mit dem Führer der 48. InfanterieBrigade, Obersten v. Tettau, sich in Bewegung sezte. Leßterer erhielt den Auftrag, mit den schon im Gefechte begriffenen Theilen seiner Brigade auch die Führung der vom Schüßen-Regimente engagirten Abtheilungen zu übernehmen. Das 1. Schüßen-Bataillon stieß früher, als man vermuthete, nachdem es kaum den legten Abschnitt seitwärts Villiers pasfirt hatte, auf den Feind, der die Compagnie-Colonnen in der linken Flanke befeuerte. Es wurde dadurch, troß des Befehls, auf Brie zu gehen, genöthigt, eine Frontveränderung nach Süden vorzunehmen, welcher das bald nachgesandte 2. Schüßen-Bataillon dann folgte. Der Uebermacht trogend, ging das Bataillon unter Hurrah von Abschnitt zu Ab. schnitt vor und drängte den Feind von der Weinbergshöhe zurück. Auf der folgenden, unmittelbar über der Marne liegende Höhe sette er sich jedoch fest und schien sich den beiden Schützen-Bataillonen gegenüber nach und nach auf 4 Regimenter oder 2 Brigaden zu verstärken. Ver. luste in mehr als gewöhnlicher Höhe waren die Folgen der zum Granatfeuer getretenen verheerenden Infanteriesalven. Es lagen ganze Schüßengruppen hinter kleinen Deckungen und Abschnitten, und vom RegimentsCommandeur, Obersten Freiherrn v. Haufen, aufgefordert, weiter vorwärts zu gehen, wurde demselben nur zu bald die schmerzliche Ueberzengung, daß es Verwundete oder Todte waren.

Es mochte etwa 11 1hr Morgens sein. Die Meldungen vom äußersten rechten Flügel aus Brie kamen spärlich, besagten aber alle, daß der Ort noch im Besiz des 8. Infanterie-Regiments sei, wie dieses auch bis Nachmittags der Fall gewesen ist. Aber das terrassenförmig zur Marne abfallende Terrain gestattete fast nirgend eine Uebersicht. Mel dungen erforderten beträchtliche Zeit, und es konnte erst nach dem Gefecht das Detail festgestellt werden.

Zu der Zeit, wo die Offensive an den Brückenbarrikaden zum Stehen gekommen, waren bereits die meisten der wenigen, den beiden Batail lonen von St. Privat und Sedan noch übrig gebliebenen Offiziere todt oder verwundet. Das ganze 8. Regiment rückte mit 34 Offizieren in den Feldzug, verlor bei St. Privat 17, bei Sedan 8 und am 2. Decem

ber 12 von den bei dem 1. und 2. Bataillon befindlichen 17 Offizieren. Es wäre auch frischen und vollständig mit Führern befeßten Bataillonen die Wegnahme der durch steigende Uebermacht vertheidigten Brückenstellen unmöglich gewesen, aber an das seiner Offiziere beraubte, dezimirte Häuf lein trat jezt die Frage heran, was zu thun. Vor sich die Unmöglich. keit des Vorgehens, hinter sich den verschmähten Rückzug, blieb nichts übrig, als das gewonnene Terrain, den größten Theil des Dorfes, zu behaupten. Die der Lifière Nahebefindlichen zogen sich an die links vorgehenden Abtheilungen heran. Das Gros blieb im Dorfe, und ihre Degagirung wurde durch das sich immer mehr um Villiers und Champigny concentrirte Gefecht weiter hinausgeschoben. Dabei begann die Munition zu mangeln, und der Versuch, solche heranzuführen, mußte wegen des den Weg zwischen Noisy und Brie in allen Richtungen freu zenden Feuers aufgegeben werden. Weniger dieses mörderische Feuer, als die schon am 1. December ausgesprochene Absicht, keine größeren Abthei lungen an den Besitz von Brie zu wagen, welche unter allen Umständen in ein nachtheiliges Gefecht verwickelt werden mußten, veranlaßten den Prinzen Georg, dem General von Nehrhoff den Befehl zu ertheilen, den Major v. Bosse direkt nicht weiter zu unterstüßen, diesen vielmehr anzuweisen, nöthigenfalls Brie wieder zu räumen. Aber auch der Feind, im Dorfe nicht mehr bedrängt, zog allmälig seine Colonnen hinter dem Dorfe weg nach Süden, und es entstand in Brie auf beiden Seiten von Mittag an eine Art von Stillstand, welchen der Major v. Boffe mit dem größeren Theile der übrig gebliebenen Mannschaft benußte, um sich mit seiner Division wieder zu vereinigen, ohne dabei von dem Feinde, der ebenfalls Brie frei ließ, irgendwie gedrängt zu werden. Eine andere kleinere Abtheilung hatte sich in den Gehöften des weitläufig gebauten Dorfes festgesetzt und blieb darin bis 5 Uhr Nachmittags, wo sie durch erneutes Vorgehen des Feindes von der Brücke her abge. schnitten wurde.

Als die beiden tapferen Bataillone am Morgen in Brie einbrachen, hatten sie in kürzester Zeit etwa 200 Gefangene zurückgeschickt. Wie sie eine der schwersten Aufgaben lösten, darüber hat der Feind geurtheilt. Im Centrum hielten die beiden Schüßenbataillone bis 12 Uhr Mittags ihre Positionen auf der Weinbergshöhe, durch wirksames Feuer dem Feinde beträchtlichen Verlust zufügend.

Hier trat kurz vor Mittag eine, die französische Kriegsführung erneut charakterisirende Episode ein. Eine feindliche Abtheilung in der ungefähren Stärke von 2 bis 3 Bataillonen winkte in einer Entfernung von circa 100 Schritten mit weißen Tüchern, Kopfbedeckungen und Gewehren. Das Feuer schwieg auf Augenblicke, einzelne Gruppen kamen herüber und gaben sich gefangen, andere standen zögernd und mißtrauisch zwischen beiden Tirailleur Linien. Der Oberst Freiherr von Hausen,

welchem die treulose Weise des Gegners im Laufe des Feldzuges bekannt geworden war, ritt nichtsdestoweniger bis ungefähr 50 Schritte vor die feindliche Linie und rief ihnen zu, daß das Feuer aufhören werde und sie Aufnahme finden würden. War es nun Mißverständniß, war es absichtliche Täuschung, oder erkannten sie die Schwäche der diesseitigen Abtheilung, genug, die Franzoseu begannen alsbald um so lebhafter zu feuern, und das Infanteriegefecht, durch einschlagende Granaten unterstüßt, begann mit größerer Wucht und in fast unmittel barer Nähe und verzehrte den Rest der noch gebliebenen und nicht unmittelbar zu ersetzenden Munition. Schon vorher war auch das 3. Schützen. Bataillon dem Regimente nachgeschickt worden, und dieses traf gerade rechtzeitig ein, um durch Besetzen der Weinbergshöhe die erschöpften im Kampfe begriffenen Bataillone ablösen zu können. Wenn auch eine anfangs unternommene theilweise Offensive des 3. Bataillons naturgemäß keinen Erfolg haben konnte, so wagte der Feind doch nicht, seine schüßende Höhe zu verlassen, und das Gefecht blieb bis zum allgemeinen Rückzug des Feindes, etwa 3 Uhr Nachmittags, stehend.

Das Schützen-Regiment, dem sich die 4. Compagnie 13. JägerBataillons von Villiers aus angeschlossen hatte, hatte die Offensive des feindlichen linken Flügels mit vielleicht fünffach geringerer Anzahl offensiv gebrochen. Die Verwendung der zahlreich zur Verfügung stehenden Artillerie in erster Gefechtslinie, d. h. vorwärts Villiers-Noisy, war unmöglich, weil die vorgelegenen Höhen nicht allein im wirksamsten und flankirenden Granatfeuer lagen, sondern auch namentlich deshalb, weil auf ihnen die Batterien nicht über 600 Schritt Schußfeld hatten; es wurde aber gegen. 11 Uhr die 7. schwere Batterie seitlich Villiers vorgezogen, um einen etwa nothwendig werdenden Rückzug der Schüßen aufzunehmen, und die 8. schwere Batterie nahm mit der Divisions-Artillerie der 24. Division Aufstellung südlich Noisy und vorwärts la Grenouillière. Beide ArtillerieAufstellungen wurden sehr bald vom Feinde erkannt und namentlich die 7. schwere Batterie stark beworfen.

Es bleibt noch übrig zu erwähnen, daß zwischen 11 und 12 Uhr Mittags das nach Villiers herangezogene 3. Bataillon des Leib-Grenadier-Regiments Nr. 100 (Major v. Süßmilch-Hornig) die Beseßung des vor dem Orte gelegenen Parkes übernahm, nachdem General-Major von Reißenstein gemeldet hatte, daß die dort postirten sechs Compagnien des 7. württembergischen Infanterie-Regiments dringend der Ablösung bedurften. Dieses Grenadier-Bataillon bildete von 121⁄2 Uhr an gemeinschaftlich mit dem 2. Bataillon des 42. Regiments unter Oberst v. d. Knesebeck die Bejaßung von Villiers.

Der Feind war bei der Ablösung des württembergischen 7. Infanterie-Regiments mit seinen Tirailleuren bis auf 300 Schritt an die Parkmauer herangekommen, und es gelang den ganz in der Stellung aufge

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