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nicht von anderer Beschaffenheit sei, als diejenige aller andern Länder. Eben so wenig fand ich bei Herrn Favre dafür ein Verständniß, daß die Rückgabe von Straßburg bezüglich des Ehrenpunktes keine andere Bedeutung als die von Landau oder Saarlouis haben würde, und daß die gewaltthätigen Eroberungen Lud wigs XIV. mit der Ehre Frankreichs nicht fester verwachsen wären, als diejenigen der ersten Republik oder des ersten Kaiserreichs.

Eine praktischere Wendung nahmen unsere Besprechungen erst in Ferrieres, wo fie sich mit der Frage des Waffenstillstandes beschäftigten und durch diesen ausschließlichen Inhalt schon die Behauptung widerlegen, daß ich erklärt hätte, einen Waffenstillstand unter keinen Umständen zu wollen.

„Als Motiv zum Abschluß eines Waffenstillstandes wurde in dieser Unterredung beiderseits das Bedürfniß anerkannt, der französischen Nation Gelegen heit zur Wahl einer Vertretung zu geben, welche allein im Stande sein würde, die Legitimation der gegenwärtigen Regierung so weit zu ergänzen, daß ein völkerrechtlicher Abschluß des Friedens mit ihr möglich würde. Ich machte darauf aufmerksam, daß ein Waffenstillstand für eine im siegreichen Fortschreiten begriffene Armee jederzeit militärische Nachtheile mit sich bringe, in diesem Falle aber für die Vertheidigung Frankreichs und für die Reorganisation seiner Armee einen sehr wichtigen Zeitgewinn darstelle, und daß wir daher einen Waffenstillstand nicht ohne militärisches Aequivalent (Gegenleistung) gewähren könnten. Als ein solches bezeichnete ich die Uebergabe der Festungen, welche unsere Verbindung mit Deutschland erschwerten, weil wir bei der Verlängerung unserer Verpflegungsperiode durch einen dazwischen tretenden Waffenstillstand eine Erleich terung dieser Verpflegung als Vorbedingung desselben erlangen müßten. Es handelte sich dabei um Straßburg, Toul und einige kleinere Pläße. In Betreff Straßburgs machte ich geltend, daß die Einnahme, nachdem die Krönung des Glacis vollendet sei, in kurzer Zeit ohnehin bevorstehe, und wir deshalb der militärischen Situation entsprechend hielten, daß die Besaßung sich ergebe, während die der übrigen Festungen freien Abzug erhalten würde. Eine weitere schwierige Frage betraf Paris. Nachdem wir diese Stadt vollständig eingeschlossen, konnten wir in die Seffnung der Zufuhr nur dann willigen, wenn die dadurch ermöglichte neue Verproviantirung des Plates nicht unsere eigene militärische Position schwächte und die demnächstige Frist für das Aushungern des Plazes hinausrückte. Nach Berathung mit den militärischen Autoritäten stellte ich daher auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs in Bezug auf die Stadt Paris schließlich folgende Alternative auf:

Entweder die Position von Paris wird uns durch Uebergabe eines dominirenden Theils der Festungswerke eingeräumt, um diesen Preis sind wir bereit, den Verkehr mit Paris vollständig preiszugeben und jede Verproviantirung der Stadt zuzulaffen.

„Oder die Position von Paris wird uns nicht eingeräumt, alsdann können wir auch in die Aufhebung der Absperrung nicht willigen, sondern müssen die Beibehaltung des militärischen status quo (bisherigen Standes der Dinge) vor Paris dem Waffenstillstand zu Grunde legen, weil sonst lezterer für uns ledig. lich die Folge hätte, daß Paris uns nach Ablauf des Waffenstillstandes neu verproviantirt und gerüstet gegenüber stehen würde.

„Herr Favre lehnte die erste Alternative, die Einräumung eines Theils der Befestigungen enthaltend, eben so bestimmt ab, wie die Bedingung, daß die Besabung von Straßburg kriegsgefangen sein sollte. Dagegen versprach er, über die zweite Alternative, welche den militärischen status quo vor Paris aufrechthalten sollte, die Meinung seiner Collegen in Paris einzuholen.

Das Programm, welches Herr Farre als Ergebnih unserer Unterredungen nach Paris brachte, und welches dort verworfen worden ist, enthielt demnach über künftige Friedensbedingungen gar nichts, wohl aber die Bewilligung eines

Waffenstillstandes von 14 Tagen bis 3 Wochen zum Behuf der Wahl einer Nationalversammlung unter folgenden Bedingungen:

1) In und vor Paris Aufrechthaltung des militärischen status quo.

2) In und vor Meß Fortdauer der Feindseligkeiten innerhalb eines näher zu bestimmenden, um Meß gelegenen Umkreises.

3) Uebergabe von Straßburg mit Kriegsgefangenschaft der Besagung, von Toul und Bitsch mit freiem Abzug derselben."

So ließ Favre also die Geschicke sich erfüllen, und sie erfüllten sich schneller und verhängnißvoller, als er es vermuthete. Die billigen Bedingungen wies er ab, um Alles der Entscheidung durch die Waffen zu überlassen. Von den drei Pfändern, die Graf Bismarck verlangte, fielen zwei alsbald den deutschen Heeren zu: Toul und Straßburg.

Einnahme Toul's.

Die Wichtigkeit, welche Toul als Sperrpunkt der Eisenbahn zwischen Straßburg und Paris zukommt, hatte von Anfang an für eine starke Cerairung dieser Feste entschieden. Eine baierische Brigade unter General Thieren, 2 Escadrons und 2 Fußbatterien, Theile der III. Armee, hatten den Auftrag, die Stadt unter Beobachtung zu nehmen. Für die Angriffs Operationen der Belagerung, deren Beginn auf den 20. August festgesetzt war, wurde die Corpsartillerie des VI. preußischen Armeecorps und das 38. Jufanterie-Negiment unter Oberbefehl des Generallieutenants v. Gerden, Commandeurs der 11. Infanterie-Division, zur Verstärkung der Baiern detachirt. Das Terrain gestattete der Artillerie, für ihre Ge schüße die vortheilhafteften Stellungen zu wählen.

Die Auffahrt von Batterien, die stellenweise größere Schwierigkeiten darbot, wurde durch keinen Widerstandsversuch des Feindes gestört. Ohue einen Ausfall zu wagen, ließ die Besaßung Toul's die Baiern ungehindert ihre Feldstücke auf den circa 1000 Fuß hohen Berg St.-Michel transportiren, ein Manöver, welches die bairische Artillerie mit größter Sicherheit ausführte, das aber wohl kaum so ruhig hätte vor sich gehen können, wenn die Festung statt mit Soldaten der Mobilgarde mit regulären Truppen besezt gewesen wäre. Die Entfernung, von der aus die Geschütze gegen die Mauern zu spielen hatten, belief sich bei den preußischen Batterien auf circa 2500 Schritt; bei den bairischen war die Entfernung eine ungefähr gleiche, eher etwas geringere.

Da man diesseits entschlossen war, dem Feinde die mildesten Bedingungen zu gewähren, so wurden ver dem Beginn des Bombardements Capitulationsverhandlungen auf einer, für die französischen Truppen günstigen und ehrenvollen Grundlage eingeleitet. Es sollte der Besaßung freier Abzug mit allen militärischen Ehren und Wahl ihres Aufenthalts an jedem beliebigen Orte im Rücken unserer Armee zugesichert werden. Der Commandant von Toul war ein jüngerer Offizier, Schwadronschef Huc, den der Kaiser erst vier Wochen zuvor in die Stadt geschickt hatte, um die Operationen zur Vertheidigung derselben zu leiten. Da in der französischen

Armee die Sitte herrscht, daß der Festungscommandant mit den Parlamentären nicht in Verbindung treten darf, so wurde der Offizier, der sich in die Stadt begeben hatte, Oberst Arnold, an den Kriegsrath gewiesen. Der Beschluß desselben ging dahin, daß man die Uebergabe der Stadt verweigere.

Von dem Kronprinzen von Preußen war der Befehl ertheilt worden, die Stadt Toul soviel wie möglich zu schonen. Namentlich hatte die Artillerie, infolge ausdrücklicher Weisung, die berühmte Kathedrale Touls unversehrt zu halten.

Darauf wurde um 834 Uhr Morgens die Kanonade begonnen und das feindliche Feuer, für das übrigens an diesem Tage nur vier Ge schüße in Thätigkeit gesezt waren, bald zum Schweigen gebracht.

Die deutsche Artillerie beschränkte sich vorläufig auf eine Beschießung der Wälle. Ohne selbst irgend einen Verlust zu erleiden, setzte sie zunächst bis 11 Uhr das Bombardement fort. Da bis zu dieser Stunde nichts von einer weißen Fahne sichtbar wurde, durch die der Feind seine Neigung zur Capitulation fundgegeben hätte, so wurde die Richtung der Geschüße dahin geändert, daß der Kugelregen die Stadt selbst, mit Ausschluß jedoch des Doms und seiner Nachbarschaft bestrich. Die ersten Würfe hatten die Kasernen auszuhalten, von denen eine alsbald in Brand gerieth. Gegen 1 Uhr zündete das Feuer noch an einer zweiten Stelle, indem ein Fouragemagazin in Flammen aufging. Man hielt diesen Augenblick für geeignet, um dem Commandanten noch einmal die ursprünglichen Anträge auf friedliche Uebergabe der Stadt vorzulegen. Es schlossen sich bei dieser zweiten Sendung der Pfarrer des Dorfes Dommartin und ein dortiger Schloßbesißer dem preußischen Parlamentär, Oberstlieutenant v. Hartmann, von der Artillerie, an, um ihren Einfluß zu einem Vergleich aufzubieten. Commandant Huc berief sich von neuem auf den Kriegsrath, ter nicht weniger als zwei Stunden für seine Debatte bedurfte, jedenfalls also in sich getheilt war, schließlich aber doch für den Widerstand entschied. Als Antwort auf die abgeschlagene Capitulation nahmen die Geschüße das Feuer wieder auf und setzten es noch eine Stunde lang fort. Hierauf jedoch mußte für diesmal die Beschießung aufgegeben werden, da die preußischen Truppen, die an diesem Tage vor Teul zur Verwendung gekommen, vom Obercommando den Befehl erhalten hatten, sogleich am folgenden Tage dem Vormarsch der III. Armee auf Chalons zu folgen. Natürlich blieb ein Cernirungsdetachement vor der Stadt zurück; feine Aufgabe sollte sein, die Ankunft der von der Arrièregarde beorderten Reservegeschüße abzuwarten und dann die Uebergabe Teuls zu erzwingen.

Die Festung Toul besteht aus einfachen Fronten in Vaubanscher Manier ohne jede niedere Grabenflantirung, sie hat aber einen naffen Graben mit erweiterter Escarpe und ist sonach sturmfrei. Wiederholte Versuche, die Festung durch mehrmalige Beschießung zur Capitulation zu

zwingen, scheiterten an der Energie des Commandanten Huc. Inzwischen hatten die Landwehrtruppen unter Oberst von Hippel die Cernirung von Toul, wenn auch mit sehr schwachen Kräften, übernommen. Am 13. September löste die 17. Divifion unter dem Commando des General-Lieutenants von Schimmelmann, mit Feld Artillerie bedeutend verstärkt, die Landwehrtruppen ab, brachte die Vorposten bedeutend näher an die Festung, um dieselbe mehr und mehr auf sich selbst zu beschränken und den Verkehr mit den Vorstädten möglichst zu hindern. Es war diese Ope ration nicht ohne Verluste zu erreichen, da der Feind sich namentlich durch ein wohlgezieltes Wallbüchsenfeuer den Angreifer vom Leibe hielt. Eine Recognoszirung der Umgegend der Festung zeigte, daß dieselbe in einer kaum glaublichen Art und Weise von Mont Michel aus eingesehen werden konnte; auf dem Mont Michel hätten vom Feinde schon längst Werke errichtet sein müssen. Man ging preußischerseits sogleich vor, die schweren Feldbatterien auf dem Mont Michel zu stellen, eine Arbeit, die, so mühevoll sie auch war, von der Artillerie in einer Nacht geleistet wurde, so daß diese Geschüße am andern Morgen bereits ihr Feuer er öffnen konnten. Dasselbe richtete sich zunächst gegen die militärischen Etablissements der bedeckten Geschüßstände und gegen den auf der Ka thedrale aufgestellten Beobachtungsposten. Es war hierbei interessant, zu beobachten, mit welcher Präzision die Artillerie schoß, obgleich die Entfernung 1900 Schritt betrug. Die zweite Granate traf richtig die Plat. form der prächtigen Kirche und trieb den unbequemen Posten von seiner Stelle. In den nächsten Tagen, also etwa bis zum 18. September, war es die Aufgabe der gesammten Feldbatterien, welche sich inzwischen rings um die Festung aufgestellt hatten, einestheils die Besaßung zu beunruhigen, indem sie hin und wieder nach den Kasernen resp. den immer wieder auftauchenden Beobachtungsposten hinfeuerte, andererseits jedem Schuß aus der Festung zu begegnen, die Batterien derselben zum Schwei. gen zu bringen, was auch in kurzer Zeit gelang. Am 16. September waren durch höhern Befehl eine Brigade Infanterie, die hanseatischen Regimenter 75, 76, die Cavallerie, bis auf ein Regiment Dragoner und die sämmtlichen leichten Feldbatterien abbeordert worden; der verbleibende Rest war aber zur Eroberung der Festung zwingend, erachtet worden. Es blieben Infanterie: nur sieben Bataillone 89., 90. Regiments (Medlenburger), das 14. Jäger-Bataillon, eine Pionier-Compagnie, 3 schwere und 1 reitende Batterie und ein Cavallerie-Regiment, die 18. (mecklen lenburgschen) Dragoner. Die Cernirung der Festung mußte bei so ge. schwächten Kräften mit doppelter Vorsicht aufrecht erhalten werden; der Vorpostendienst der Truppen ward dadurch selbstredend mit großen Anstrengungen verbunden. Dieselbe mehrten sich jedoch ganz bedeutend, als die Belagerungs-Artillerie mit dem gesammten Belagerungstrain unter dem Commando des Oberst Barth vor Toul eintrafen und nunmehr auf

Grund der vorhandenen Mittel zur Einrichtung der Depots und Anlage der Batterien geschritten werden konnte. Desgleichen bedurften die unter Leitung des Major Schumann vom Ingenienrcorps vorgenommenen Vorbereitungen für den Ingenieurangriff nicht unerhebliche Kräfte an Mannschaften. Der genannte Stabsoffizier war vor Toul bereits längere Zeit anwesend und hatte die eingehendsten Recogneszirungen unternommen. Nach seiner Anleitung hatte der Ober-Lieutenant Ströbel von der als Etappenbejeßung in Ecrouves befindlichen baierischen Pionier-Compagnie, mit großem Geschick die Sprengung einer Schleuse bewerkstelligt. Für die Angriffsfront indeß war dieje Sprengung noch nicht von dem ge wünschten Erfolg begleitet. Um die felgenden Arbeiten zu sichern, wur den die Vorposten bis auf die möglichste Nähe der Wälle vorgeschoben und sämmtliche Vorstädte in Besitz genommen. Das Einrichten daselbst wurde indeß vom Feinde durch Geschüßfener beunruhigt; derselbe schoß dieselben theilweise in Brand und brachte den Truppen namhafte Verluste bei. Am 21. September Abends wurden die Zwischendepots zum Batteriebau in ziemlicher Nähe der anzulegenden Batterien eingerichtet. Der Feind störte diese Arbeit nicht, und es konnten am 22. Abends 10 Batterien mit schwerem Geschüß erbaut werden. Wiederholt muß hervorgehoben wer den, welche bedeutende Leistung diese Arbeit bei so geringen Kräften war; 2 Bataillone Infanterie, außer der gesammten Artillerie und den Pionieren, waren zur Ausführung erforderlich gewesen und so waren nach dieser außerordentlichen Kraftanstrengung die Batterien am 23. früh im Stande, ihr Feuer zu eröffnen. Der Feind hatte zwar, wenn auch nicht lebhaft, das Feuer aus seinen Geschüßen erwidert, ausgenommen das Werfen mit Mörsern, dem von preußischer Seite nicht beizukommen war. mußte dieses Werfen indeß als eine Klugheitsmaßregel aufgefaßt werden, damit er sich für den letzten Moment seine Geschüße aufbehielt. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Commandirender des 13. Armee Corps, war in der Nacht zum 23. aus Rheims in Choloy einge troffen, um den lehten Stadien der Belagerung beizuwohnen. Der neben dem Mont Michel gelegene Mont Barine ward als Observationspunkt benust; dort hielt sich der Großherzog mit seinem Stabe, ebenso der General von Schimmelmann mit der 17. Division auf, um die Ent wickelung der Dinge zu beobachten. Die Batterien verfolgten den Morgen über ihre bestimmten Zwecke, die Breschbatterie wirkte zunächst als Demontirbatterie; indem sie in der Verfolgung ihres eigentlichen Zweckes durch eine Baum- und Häuserparzelle behindert wurde. Mehrere mili. tärische Etablissements und Magazine gingen in Feuer auf; auch konnte man bemerken, von welch' großem Erfolge das Feuer gegen die Porte de France war. Alle Maßregeln waren getroffen, um mit Hülfe aller nur verfügbaren Mannschaften in der Nacht zum 24. die durch Ingenieuroffiziere ihrer Lage nach bereits festgestellten Parallelen auszu

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