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Einrücken der Deutschen in Rheims.

Die Franzosen, welche ungefähr 12,000 Mann stark unter dem General Erea in Rheims standen, hatten bereits in der Nacht vom 4. auf den 5. September diese Stadt verlassen. Man hatte zuerst die Absicht, Rheims zu vertheidigen und dasselbe in eine Art von Belagerungszustand gesezt. In Folge der Gefangennahme der Armee Mac Mahon's hatte man aber die Ideen geändert, und es war noch Palikao, welcher den Befehl zum Rückzuge gab. Gleich nach Abzug der Franzosen, um 21⁄2 Uhr, trafen die ersten deutschen Reiter, zwei preußische Husaren, ein und sprengten durch einen Theil der Stadt hindurch. Um 7 Uhr kamen fünf preußische Husaren vor Rheims an, die Menge schloß jedoch das Gitterthor und die Husaren sprengten wieder ab. Um 10 Uhr wurde dem Maire gemeldet, daß eine Schwadron Husaren im Anzuge sei. Derselbe begab sich sofort an das Thor Berthemy und verlangte den Offizier, der fie commandirte, zu sprechen, drückte diesem den Wunsch aus, daß man die Stadt schonen und ihr nicht die Schande anthun möge, fie nur mit einer jo kleinen Truppenzahl zu beseßen. Dies wäre auch schon deshalb gut, weil die Arbeiterbevölkerung sehr erregt sei und gegen eine so kleine Truppe feindlich auftreten könnte, während ein stärkeres Truppencorps auf keinen Widerstand stoßen werde. Der Offizier gab seine Zustimmung, jedoch unter der Bedingung, daß der Maire Alles aufbiete, das Volk zu beruhigen. Um 3 Uhr erschien nun die ganze Schwadron, welcher der Maire die Stadt übergab. Bald darauf rückte das HauptCorps heran, das aus 25,000 Mann bestand.

Die Stadt Rheims, in welche der König dann am 5. September seinen Einzug gehalten, ist der Sammelpunkt von fünf Eisenbahnen, deren zwei über Epernay oder Soissons nach Paris führen, während die drei anderen, von Laon, Rethel und Verdun-Chalons kommend, im Nordwesten der Stadt mit jenen im einzigen dortigen Bahnhofe sich vereinen. Rheims, die alte Krönungsstadt der französischen Könige, zählt 60,600 Einwohner und ist Siß einer großen Zahl weltlicher und geistlicher Behörden, namentlich des Erzbischofs.

Der König Wilhelm bewohnte hier den erzbischöflichen Palast dicht neben der Kathedrale und dieselben Zimmer, welche Karl X. bei seiner Krönung im Jahre 1825 bewohnte. Nach einigen Vorbereitungen an den Eingängen zu der ganz offenen Stadt zu urtheilen, namentlich auf der Seite gegen Rethel und Sedan, schien die Militärbehörde eine Ver theidigung beabsichtigt zu haben. Es fanden sich neben der Chauffee schnell aufgeworfene Erdwerke und in den äußersten Häusern Schieß scharten. Zur That ist es nirgend gekommen. Die Ankunft des Königs mit dem großen Hauptquartier von Rethel her erfolgte so schnell, daß erst Raum für die Einquartierung geschafft werden mußte; denn das

6. Armee-Corps war bereits am 4. eingerückt und hatte die ganze Stadt belegt. Am 7. Sept. war das 6. Corps bereits wieder abgerückt, wie denn überhaupt nach und nach alle bei Sedan gewesenen Truppen durch Rheims gegen Chateau-Thierry und Meaur vorrückten, wofern sie nicht über Soissons gingen.

Die deutschen Soldaten wurden von den Wirthen gut und freundlich aufgenommen; ebenso kamen der Maire und der Munizipalrath den Anordnungen der preußischen Commandanten bereitwillig entgegen.

Der Bundeskanzler hatte den Redacteuren der dortigen Ortszeitungen mittheilen lassen, sie möchten ganz in ihrer bisherigen Art und Weije fortfahren, nur in Mittheilungen von Nachrichten über Bewegungen der Truppen, der Zahl und Bezeichnung vorsichtig sein. Im Uebrigen stände es ihnen frei, ihre Meinungen nach wie vor zu vertreten; man werde ihnen keinerlei Hinderniß bereiten. Das Civil Tribunal hatte sich bei dem Grafen Bismarck beklagt, daß man Soldaten auch in das Gerichts. gebäude einquartiert und dadurch die Administration der Justiz unmög, lich gemacht habe. Se. Excellenz sagte seine Verwendung bei der Militär-Behörde zu, und erklärte bei dieser Gelegenheit, das Tribunal möge fortfahren, ganz in der bisherigen Weise Recht zu sprechen, ohne Rückficht auf die eben jetzt vorgehenden politischen Veränderungen in der Hauptstadt, da der König Wilhelm keineswegs die Absicht habe, fich irgendwie in die inneren Angelegenheiten der Nation zu mischen. Das Tribunal möge in dieser Beziehung ganz nach seiner Ueberzeugung verfahren.

Inzwischen wurde auch die Verwaltungs-Einrichtung der Frankreich abgenommenen Landestheile weiter befestigt. Schon am 26. August war der Regierungspräsident v. Kühlwetter in Düsseldorf zum deutschen Civil. commissar im Elsaß ernannt worden. Am 29. erschienen die Aufrufe des zum Generalgouverneur von Lothringen eingesetzten preußischen Generals der Infanterie und General-Adjutanten v. Bonin, am 30. Aug. die des Generalgouverneurs im Elsaß, Generallieutenants Grafen Bismarck Bohlen (bisherigen Commandanten von Berlin), wonach aus den Departements Ober- und Niederrhein, aus den Bezirken Meß, Thionville (Diedenhofen), Saargemünd, Salzburg und Saarburg, ein neues Moseldepartement hervorging. Die Civilverwaltung wurde hier preußischen, baierischen, württembergischen höheren Beamten anvertraut, die Post auf deutschen Fuß gebracht (unter den Oberpostdirectoren Dr. Roßhirt aus Jena, Mießner aus Köslin u. s. w.). Der Siz des lothringischen Generalgouvernements war in Nanzig (Nancy), der des elfäfffischen anfangs in Hagenan, von Ende September ab in Straßburg. Um diese Zeit wurde auch für die seitdem in Besitz genommenen Landestheile ein neues Generalgouvernement in Rheims gebildet und der Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin zum Generalgouverneur bestellt.

Einnahme Laon's.

Wenige Tage nach dem Einzuge in Rheims capitulirte auch die Festung Laon (ausgesprochen Lān); doch wurde die Freude über diesen neuen Erfolg durch eine von den Franzosen verübte ruchlose Verrätherei getrübt.

Laon, einer der Hauptorte des Departements der Aisne, mit 10,500 Einwohnern, liegt auf einem vereinzelten, etwa 180 Metres hohen Hügel, welcher den Ardon, einen Zufluß der Ailette, beherrscht. Es ist der Kreuzungspunkt von vier Eisenbahnen. Die Citadelle beherrscht den im Norden der Stadt liegenden einzigen Bahnhof nebst der Vorstadt St. Marcel.

Am 9. September hatte sich Laon Truppen der unter dem Befehl des Herzogs Wilhelm v. Mecklenburg-Schwerin stehenden 6. CavallerieDivision ergeben. Tags zuvor hatte der Lieutenant v. Rohr mit einem Zuge des Ülanen-Regiments Nr. 15 den Commandanten der Citadelle zur Capitulation aufgefordert und dieser sich bis Nachmittag 4 Uhr Bedenkzeit ausgebeten. Als diese Meldung der Division zuging, wurde der Oberst v. Alvensleben mit der 15. Cavallerie-Brigade und der reitenden Batterie nach Laon gesandt mit einer diesseits aufgesetzten Capitulations Verhandlung. Dem Oberst von Alvensleben gegenüber machte der Commandant wieder Schwierigkeiten und bat sich endlich eine neue Bedenkzeit bis am 9. früh aus. Das Jäger-Bataillon Nr. 4 war noch nach Eppes herangezogen und eine Batterie des 4. Corps in St. Quentin eingetroffen. Am 9. früh 6 Uhr war die 14. Cavallerie Brigade und die 2. reitende Batterie ebenfalls nach Laon aufgebrochen. In Eppes meldete Oberst v. Alvensleben, daß die Capitulation abgeschloffen sei und die Citadelle mit allen Truppen und Armee-Material um 111⁄2 Uhr an die Division übergeben werden würde. Die Division rückte in Laon ein, die beiden Batterien fuhren vor der Stadt auf, neben denselben formirte sich die 14. Cavallerie Brigade, die 15. hatte alle Straßen um Laon schon besezt und blieb in ihrer Stellung. Das Jäger, Bataillon ließ eine Compagnie in den Vorstädten zur Beseßung derselben, zwei Compagnien marschirten auf dem Marktplatz von Laon auf und befeßten alle Ausgänge, die vierte Jäger-Compagnie marschirte mit dem Divifions Stabe und den beiden Brigade-Stäben nach der Cidatelle. Der Intendantur-Vorstand der Division und der Hauptmann Mann der reitenden Batterie kamen ebenfalls mit, ersterer zur Uebernahme der Vorräthe, leßterer zur Uebernahme der Festungsgeschüße nnd des Armee-Materials. Am Eingange der Citadelle stand eine Wache der Mobilgarde, welche sofort durch eine Section Jäger abgelöst wurde. Auf dem Hofe der Citadelle stand die Garnison derselben, bestehend aus 2000 Manu Mobilgarde und einem Zug Linien-Infanterie des 55. Regiments. Die

Capitulation erfolgte auf Grundlage der von Sedan. Sämmtliche Offiziere, welche ihr Ehrenwort gaben, nicht mehr gegen Deutschland zu fechten, wurden entlassen. Die Waffen wurden niedergelegt, und die Mobilgarde, nachdem sie ebenfalls verpflichtet war, nicht mehr gegen DeutschLand zu fechten, wurde ebenfalls entlassen, die Section Linien-Infanterie dagegen unter Escorte nach der Stadt abgeführt. Ein großer Theil der Offiziere, sowie der französische Commandant blieben noch im Hofe der Citadelle zurück, als, nachdem der leßte Mann der Mobilgarde das Thor der Citadelle passirt hatte, kurz hintereinander zwei furchtbare Detonationen erfolgten. Das Pulvermagazin, auf das wahrscheinlich sämmtliche Bomben und Granaten gebracht waren, sowie alle Patronen und wahr. jcheinlich noch eine Mine gingen in die Luft. Das Magazin stand am Rande des Hofes der Citadelle. Alle im Hofe der Citadelle anwesenden Personen, sowie die darin aufgestellte Compagnie Jäger wurden unter Schutt und Trümmern beinahe begraben. Die Bomben und umherfliegenden Steine und Mauerstücke flogen in die Stadt, die Vorstädte und weit darüber hinaus. Die Verwüstung war furchtbar. Fast alle im Hofe der Citadelle anwesenden Personen wurden theils getödtet, theils leichter oder schwerer verlegt.

Nach einem Schreiben des bei der Explosion verwundeten Herzogs Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin an seine Gemalin ist festgestellt, daß Unteroffiziere der Artillerie des Forts die Pulverkammer in die Luft gesprengt haben. Ob dies mit oder ohne Wissen des Commandanten, General Theremin d'Ham geschehen, bleibt fraglich, doch muß jedenfalls Alles zum Sprengen vorbereitet gewesen sein. Die Verluste giebt der Herzog an: 1 Offizier todt, 8 Offiziere verwundet, von Unteroffizieren und Mannschaften 34 todt, 63 verwundet, 7 Pferde getödtet. Der der Festung zunächst liegende Theil der Stadt ist eingestürzt oder zertrümmert. Der Verlust der Mobilgarden (400) und der Einwohner kann auf 7—800 angenommen werden.

Die kaiserliche Regierung sollte die militärische Niederlage nur zwei Tage überleben. Napoleon hatte, als er sich dem Könige als Gefangener ergab, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er weder den Oberbefehl über die Truppen, noch die Regierungsgewalt mehr in Händen habe, indem er letztere bereits der Kaijerin als Regentin übergeben hatte. Seine Minister hatten bis zur leßten Entscheidung den wahren. Stand der Dinge dem Volke trügerisch vorenthalten. Als nunmehr Alles verloren und die Verhüllung der Wahrheit nicht mehr möglich war, sank am 4. September unter den Trümmern des aufgeführten Lügen. gebäudes die kaiserliche Regierung selbst dahin.

Kaum hatten die Minister das große Unglück, welches Frankreich betroffen eingestanden, so erschienen Volkshaufen im Sigungsjaale des

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gefeßgebenden Körpers mit dem Rufe: Es lebe die Republik". Die Berathungen wurden geschlossen. Die Führer der republikanischen Partei aber, darunter der in Freiheit gefeßte Rochefort, gingen mit den zusammengerotteten Volksmaffen nach dem Stadthause und seßten sich selber als provisorische Regierung ein. Ohne jeden Versuch des Wider

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standes wich Palikao mit den übrigen Ministern dieser Regierung, welche alsbald den Senat und den gesetzgebenden Körper außer Thätigkeit seßte und alle Gewalt an sich nahm. In einem Aufruf an das französische Volk und an die Armee sagte die neue Regierung, daß ihr Zweck und Ziel einzig und allein die nationale Vertheidigung sei, die Republik habe im Jahre 1792 Frankreich von der feindlichen Invasion befreit, das solle auch jest ihre Aufgabe sein.

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Am 5. September brachte die amtliche Zeitung der französischen Republik die Bekanntmachung von der Einseßung der letzteren. Die Regierung der National-Vertheidigung", wie sich die provisorische Re gierung nannte, hatte aus fich folgendes Ministerium gebildet: General Trochu, Vorsißender und militärischer Vollmachtträger für die NationalVertheidigung; Favre, Auswärtiges; Gambetta, Inneres; Fourichon, Kriegs.

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