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sollten, so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlachtfeld um 8 Uhr früh und begegnete Moltke, der mir entgegen kam, um meine Einwilli gung zur vorgeschlagenen Capitulation zu erhalten, und mir zugleich anzeigte, daß der Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery gekommen sei. Da derselbe mich zu sprechen wünschte, und sich in der Nähe ein Schlößchen mit Park befand, so wählte ich kies zur Begegnung. Um 10 Uhr kam ich auf der Höhe vor Sedan an; um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit der vollzogenen Capitu lations - Urkunde; um 1 Uhr seßte ich mich mit Friß in Bewegung, von der Cavallerie-Stabswache begleitet. Ich stieg vor dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegen fam. Der Besuch währte eine Viertelstunde; wir waren Beide sehr bewegt über dieses Wiedersehen. Was ich Alles empfand, nachdem ich noch vor 3 Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben.

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Nach dieser Begegnung beritt ich von 23 bis 28 Uhr die ganze Armee vor Sedan.

Der Empfang der Truppen, das Wiedersehen des decimirten GardeCorps, das Alles kann ich Dir heute nicht beschreiben; ich war tief er griffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.

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Nun lebe wohl mit bewegtem Herzen am Schluffe eines solchen. Briefes. Wilhelm."

Ueber den Antheil des sächsischen Armee Corps an diesem Siege ist folgendes mitzutheilen: Die Schlachttage von Neuart, Beau mont und Sedan sind besonders für die Corps der unter dem Com mando des Kronprinzen von Sachsen stehenden 4. Armee thatenreich und ruhmvoll gewesen. Nachdem durch die Gefechte vom 29. und 30. August die in angestrengten Märschen der Armee des Marschalls Mac Mahon nachgeeilte Maasarmee die Absicht der Franzosen, den Marschall Vazaine zu entsehen, erfolgreich vereitelt hatte, gelang es am 1. Sept. den im Einklang wirkenden Armeen der beiden Kronprinzen von Preußen und von Sachsen, die bei Sedan cernirte französische Armee in einer glänzend geführten Schlacht vollständig zu schlagen. Das sächsische (12.) ArmeeCorps begann den Kampf gegen Mac Mahon, welcher bis zu seiner am Morgen erfolgten Verwundung die feindlichen Kräfte commandirte, bei Douzy nach 5 Uhr und hatte 3-4 Stunden lang die Anfangs heftigen Gegenstöße des Feindes auszuhalten, bis endlich das auf weitem Umwege in dessen Flanke geführte preußische Garde-Corps, dann eine baierische Armee. Abtheilung unterstüßend eingreifen konnte. Nun wurden die Franzosen von der auf den umliegenden Höhen trefflich postirten Artillerie stark mitgenommen, über die Dörfer Bazeilles und la Moncelle immer weiter östlich um Sedan zurückgedrängt, bis endlich, etwa um halb 1 Uhr Mittags, der Kronprinz von Preußen sie über Floing her von der andern Seite angriff und bei Illy beide kronprinzliche Armeen zur

Vernichtung des wie im Keffel eingeschlossenen Feindes sich die Hand reichten. Wohl 20,000 Gefangene wurden während dieser so ausgezeich net geführten Schlacht gemacht. Der Rest mußte sich bekanntlich am Tage darauf ergeben.

Zu seiner Rechtfertigung ließ General v. Wimpffen, der Unterzeichner der Capitulation von Sedan, sehr ausführliche Darlegungen der Beweg gründe seines Handelns veröffentlichen. Ein franz. Blatt sagt darüber:

„Nach der Niederlage bei Beaumont sollte man Sedan nur berühren, um sich dort mit Lebensmitteln und Munition zu versehen und die Kranken, Verwundeten und Marschunfähigen zurückzulassen; das war die Meinung des Generals. Man mußte unverweilt den Rückzug fortseßen und sich in südlicher Richtung von dem Plage entfernen. Falls man um ein Uhr Mittags abmarschirte, hatte man noch 4-5 Stunden Vorsprung vor den Preußen, die heranrückten, um uns den Weg abzuichneiden, und dies Vorhaben in der That am 31. August um 5 Uhr Abends mit einem Corps von 80,000 Mann ins Werk gesezt hatten. Nachdem die Preußen diese Bewegung vollendet, griffen sie am 1. September unseren rechten Flügel an, um uns gegen die frischen Truppen zu drücken, die unseren Abzug vom Plateau erwarteten, um ihre Massen gegen uns zu entwickeln. Einen Augenblick träumte General Wimpffen vom Siege, er wußte noch nicht, daß er mehr als 250,000 Feinde sich gegenüber habe. Am Abend wollte er sich einen Ausweg nach Belgien oder Carignan eröffnen und es wäre ihm dies ohne Zweifel gelungen, vorausgefeßt, daß der Feind, in Folge des Kampfes halb desorganifirt, seine Positionen auf dem Schlachtfelde behalten haben würde. Aber der Kaiser, welcher thatsächlich fortwährend das Obercommando führte, hinderte ihn daran und lähmte General Wimpffon's lezte Anstrengungen, in dem er die Preußen mit der Parlamentär-Flagge heranrief und an den König ein Schreiben richtete. Nachdem es in Folge dessen zwischen dem General und dem Kaiser und dessen Umgebung zu einer sehr lebhaften Auseinanderseßung gekommen, überreichte der General dem Kaiser sein Entlassungsgesuch. Der Kaiser wollte dasselbe nicht annehmen und ant wortete darauf mit folgendem Schreiben:

..General, Sie können nicht Ihren Abschied nehmen, wenn es sich noch darum handelt, die Armee durch eine ehrenvolle Capitulation zu retten. Ich nehme Ihre Entlassung nicht an. Sie haben den ganzen Tag Ihre Schuldigkeit gethan. Thun Sie es ferner. Es ist dies ein Dienst, den Sie dem Lande leisten werden. Der König von Preußen hat einen Waffenstillstand angenommen. Ich erwarte seine Vorschläge. Zweifeln Sie nicht an meiner Freundschaft. Napoleon." "

Der General, nunmehr überzeugt, daß kein anderrs Mittel bleibe, die Armee zu retten, entschloß sich endlich, an der Spiße der Armee zu bleiben, deren Loos zu theilen und seinen Namen unter jene Capitulation

zu sehen, ein entseßlicher Act, der mit unverdientem Unglück, mit einer unvorhergesehenen Katastrophe eine so schöne militärische Laufbahn endigte.

Oberfeldherr, ohne es zu sein, bekämpft in seinen Ideen, in seinen Anordnungen durch einen Souverän, dem man den Gehorsam noch nicht zu verweigern wagte, schlecht unterstüßt durch entmuthigte Generale, deren Namen ich aus Scham für sie verschweige; namentlich durch Generale, die mittelst ihres Einflusses auf den Kaiser diesen bewogen, sich dem Abzuge der Truppen zu widerseßen, mußte der brave General Wimpffen endlich, nachdem er laut protestirt hatte, sich selbst zum Heile der Armee aufopfern."

Es ist die natürliche Folge aller großen Katastrophen, daß schließlich Niemand die volle Verantwortlichkeit für dieselben übernehmen will.

Ueber die erste Zusammenkunft des Königs mit dem Kaiser Napoleon wird berichtet: Graf Bismarck und General v. Moltke waren den Abend, nachdem der Kaiser brieflich seinen Degen unserem Könige übergeben, zu dem Zwecke von Unterhandlungen über die Capitulation der in Sedan zusammengedrängten Armee Mac Mahon's nach dem Städtchen Donchery, 5 Kilometer von Sedan, gegangen und dort die Nacht geblieben, während der König nach Vendresse zurückgekehrt war. In Donchery kam früh gleich nach 6 Uhr der General Reille, der am Abend vorher den Brief überbracht, in welchem Napoleon sich zum Ge fangenen stellte, in das Quartier des Bundeskanzlers mit der Mittheilung, der Kaiser wolle ihn sprechen. Graf Bismarck kleidete sich sogleich an und setzte sich zu Pferde, um nach Sedan zu reiten. Auf dem Wege dahin traf er schon den Kaiser 3 kilometer von Donchery bei Frenois auf der Chauffee in einem zweispännigen Wagen, in dem außer ihm 3 höhere Offiziere saßen, während 3 andere ihn zu Pferde begleiteten. Es befanden sich darunter Reille, Castelnau, der Fürst de Moskwa und Vaubert. Der Bundeskanzler stieg sogleich ab und fragte, was Seine Majestät befehlen, wobei der Kaiser und seine Offiziere die Müßen ab. nahmen, welchem Beispiele der Bundeskanzler folgte. Der Kaiser fragte nun, ob er nicht den König sprechen könnte. Es wurde ihm erwidert, daß dies unmöglich, da der König sich in Vendreffe, zwei Meilen von Frenois, befinde. Dann erkundigte er sich, wo er bleiben könne, was darauf hindeutete, daß er nicht nach Sedan zurückkehren wollte, weil er in Folge seiner Ergebung entweder von Seiten der Armee Unannehmlichkeiten schon erfahren hatte oder zu erfahren fürchtete. Der Graf bot ihm dann sein Quartier in Donchery an, indem er hinzufügte, daß er es sogleich räumen werde. Der Kaiser nahm das Anerbieten an, aber ein paar hundert Schritt vor der Stadt ließ er halten und fragte, ob er nicht in dem weingelben Hause, welches dort links hart über der Straße steht, bleiben könne. Der Bundeskanzler sagte ihm, dasselbe sehe sehr ärmlich aus, erhielt aber die Antwort, das schade nicht, und der Kaiser und sein Gefolge stiegen ab, worauf jener sich mit Graf Bismarc

die Hintertreppe hinauf in ein kleines einfenstriges Zimmer mit einem fichtenen Tisch und zwei Binsenstühlen begaben und hier eine einstündige Unterredung hatten. Inzwischen hatte der Bundeskanzler nach der Stadt gefchickt und Moltke gebeten, herauszukommen. Man recognoscirte nun die Gegend nach einem genügenden Unterkommen für den Kaiser und fand

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das hübsche Schlößchen Bellevue bei Frenois, wohin dann Napoleon unter Ehrenescorte einer Schwadron vom 1. Cüraffier Regiment etwa 3 Stunden nach seiner ersten Begegnung mit dem Bundeskanzler-ge bracht wurde, und wo später die Capitulationsbedingungen mit dem aus Sedan herausgeholten, höchstcommandirenden General Wimpffen (Mac Mahon war in der lezten Schlacht schwer verwundet worden) abgeschlos sen wurden und hierauf erst die Zusammenkunft zwischen dem Kaiser und unserem König stattfand, die Napoleon schon vorher verlangt hatte.

Der Bundeskanzler, Graf v. Bismarck, hat aus Donchery unter dem 2. September nachstehenden Bericht dem König erstattet:

Nachdem ich mich gestern Abend auf Ew. Königlichen Majestät Befehl hierher begeben hatte, um an den Verhandlungen über die Capitu lation theilzunehmen, wurden lettere bis etwa 1 Uhr Nachts durch die Bewilligung einer Bedenkzeit unterbrochen, welche General Wimpffen er. beten, nachdem General v. Moltke bestimmt erklärt hatte, daß keine andere Bedingung als die Waffenstreckung bewilligt werden und das Bombardement um 9 Uhr Morgens wieder beginner würde, wenn bis dahin die Capitulation nicht abgeschlossen wäre. Heat früh gegen 6 Uhr wurde. mir der General Reille angemeldet, welcher mir mittheilte, daß der Kaiser mich zu sehen wünsche und sich bereits auf dem Wege von Sedan hier. her befinde. Der General kehrte sofort zurück, um Seiner Majestät zu melden, daß ich ihm folgte, und ich befand mich kurz darauf, etwa auf halbem Wege zwischen hier und Sedan, in der Nähe von Frenois, dem Kaiser gegenüber. Se. Majestät befand sich in einem offenen Wagen mit drei höheren Offizieren und ebenso vielen zu Pferde daneben. Persönlich bekannt waren mir von letteren die Generale Castelnau, Reille und Moskwa, der am Fuße verwundet schien, und Vaubert. Am Wagen angekommen, stieg ich vom Pferde, trat an der Seite des Kaisers an den Schlag und fragte nach den Befehlen Sr. Majestät. Der Kaiser drückte zunächst den Wunsch aus, Ew. Königliche Majestät zu sehen, anscheinend in der Meinung, daß Allerhöchstdieselben sich ebenfalls in Donchery befånden. Nachdem ich erwiedert, daß Ew. Majestät Hauptquartier augen. blicklich drei Meilen entfernt, in Vendresse, sei, fragte der Kaiser, ob Ew. Majestät einen Ort bestimmt hätten, wohin er sich zunächst begeben jolle und eventuell, welches meine Meinung darüber sei. Ich entgegnete ihm, daß ich in vollständiger Dunkelheit hierhergekommen und die Gegend mir deshalb unbekannt sei, und stellte ihm das in Donchery von mir bewohnte Haus zur Verfügung, welches ich sofort räumen würde. Der Kaiser nahm dies an und fuhr im Schritt gegen Donchery, hielt aber einige hundert Schritt von der in die Stadt führenden Maasbrücke vor einem einsam gelegenen Arbeiterhause an, und fragte mich, ob er nicht dort absteigen könne. Ich ließ das Haus durch den Legationsrath Grafen Bismarck-Bohlen, der mir inzwischen gefolgt war, besichtigen; nachdem gemeldet, daß seine innere Beschaffenheit sehr dürftig und eng, das Haus aber von Verwundeten frei sei, stieg der Kaiser ab und forderte mich auf, ihm in das Innere zu folgen. Hier hatte ich in einem sehr kleinen, einen Tisch und zwei Stühle enthaltenden, Zimmer eine Unterredung von etwa einer Stunde mit dem Kaiser. Se. Majestät betonte vorzugsweise den Wunsch, günstigere Capitulations-Bedingungen für die Armee zu er halten. Ich lehnte von Hause aus ab, hierüber mit Sr. Majestāt zu unterhandeln, indem diese rein militärische Frage zwischen dem General

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