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Wilhelm II.

70. Prinz Wilhelm.

Mit dem Tode Kaiser Friedrichs III. ging die Königs- und Kaiserkrone auf dessen ältesten Sohn, Kaiser Wilhelm II. über. Er war am 27. Januar 1859 zu Berlin in dem Unter den Linden gegenüber dem Zeughause belegenen Palais seiner Eltern geboren. Von der Kuppel des Königlichen Schlosses verkündeten Posaunen die Geburt des Prinzen mit der Melodie: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren!" Der alte Feldmarschall Wrangel, welcher sich alsbald zur Beglückwünschung eingefunden hatte, trat in die Pforte des Schlosses und rief der auf der Straße versammelten Menge zu:

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„Kinder, es steht allens jut; es ist 'n tüchtiger, derber Rekrut, wie man 'n verlangen tann."

Zur Erinnerung an die Geburt des Prinzen wurde auf Veranlassung der Eltern eine silberne Denkmünze geprägt, welche folgendermaßen beschrieben wird:

Auf der Vorderseite steht im Ausdruck lieblicher, mit Würde gepaarten Grazie im ganzen runden Felde ein Engel ganzer Figur, der das holde Kind auf den Armen trägt. Die Umschrift der Vorderseite ist folgende: Fr. W. V. Alb. Prinz v. Preuß. Geb. d. 27. Jan. 1859. Die Kehrseite zeigt innerhalb eines Rahmens die Brustbildnisse J. J. K. K. H. H. des Prinzen und der Prinzessin Friedrich Wilhelm, die sich Angesichts gegenüberstehen. Das Bild wird von einem Adler auf ausgebreiteten Schwingen getragen. Ueber dem Bilde halten zwei Engel die preußische Königskrone. Die Umschrift lautet: Fr. Wilh. Prinz v. Preuß. Vict. P. Fr. W. V. P. P.-R. V. G. B. U. J. Die Denkmünze hat zwei Zoll Durchmesser und fast die doppelte Stärke eines Zweithalerstückes und ist aus gediegenem Silber.

Am 5. März fand in der Kapelle des von dem Großvater, dem damaligen Prinz-Regenten, späteren Kaiser Wilhelm I., bewohnten Palais die Taufe des Prinzen statt. Er erhielt die Namen: Friedrich Wilhelm Victor Albert. Anfänglich wurde er nach seinem ersten Taufnamen Frit" gerufen, erst in späteren Jahren entschlossen sich seine Eltern, ihn nach dem

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zweiten Taufnamen „Wilhelm“ zu benennen, und der Kaiserliche Großvater wollte, wie er bei der Großjährigkeitserklärung kund that, daß der Enkel auch einst als Kaiser seinen Namen, den Namen „Wilhelm" tragen solle.

Der Lebensgang des Kaisers als heranwachsenden Prinzen fiel in die Zeit des Aufschwungs Preußens und Deutschlands. An ihm zogen die großen Ereignisse vorüber, welche die Gründung des Deutschen Reiches herbeiführten.

Bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres hatte ein Fräulein von Dobeneck als Erzieherin die Aufsicht über den jungen Prinzen. Ums Jahr 1865 wurde die Gräfin Fanny Reventlow als Obergouvernante der Kronprinzlichen Kinder berufen, jedoch hatte Prinz Wilhelm mit Beginn des fiebenten Lebensjahres in dem Hauptmann von Schroetter von der GardeArtillerie einen militärischen Erzieher erhalten, an dessen Stelle später (1867) der Premier-Lieutenant O’Danne vom Grenadier- Regiment König Friedrich Wilhelm IV. und nach dem Kriege 1870/71 der General-Major von Gottberg trat. Ein junger Volksschullehrer ertheilte dem Prinzen den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen, und von zwei Damen, Mademoiselle Daccourt und Miß Byny, wurden ihm die Anfangsgründe im Französischen und im Englischen gelehrt. Vom Jahr 1866 ab kam als Civilgouverneur der später zum Geheimen Oberregierungsrath ernannte Dr. Hinzpeter hinzu und blieb in dieser Stellung bis zur Großjährigkeit des Prinzen. Der von dessen Vater, dem Kronprinzen, vorgeschriebene Plan für den wissenschaftlichen Unterricht war demjenigen der Gymnasien angepaßt. Ganz besondere Fürsorge wurde auch der körperlichen Erziehung und Ausbildung des Prinzen gewidmet. Die letztere war erschwert durch eine Schwäche seines linken Armes. Sein Erzieher Dr. Hinzpeter sagt darüber in der von ihm kurz nach Antritt der Regierung Kaiser Wilhelms veröffentlichten Skizze seines Lebensganges: Durch eine Verlegung bei der Geburt, welche eine unheilbare Schwäche des linken Arms zur Folge gehabt, war seiner physischen und psychischen Entwickelung ein ganz eigenthümliches Hinderniß bereitet, welches zu beseitigen alle Kunst und Sorgfalt unfähig bleiben mußten, wenn nicht das Kind schon in ungewöhnlicher Energie des Willens dabei mitwirkte. Es galt, das natürliche Gefühl körperlicher Unbeholfenheit und der damit unvermeidlich verbundenen Zagheit zu überwinden. Es war für ihn eine eminente moralische Leistung, ein ausgezeichneter Schüße, Schwimmer und Reiter, der kühne, unerschrockene Mann zu werden, der jezt für den nicht unwahrscheinlichen Fall eines Attentats vor allem den einen Wunsch hegt, daß ihm noch genug Kraft bleibe, um den Mörder zu packen und abzustrafen. - Nie ist in die preußische Armee ein junger Mann eingetreten, der physisch so wenig geeignet erschienen, ein brillanter und schneidiger Reiterofficier zu werden, als der junge Prinz Wilhelm. Als er es aber geworden war, als er sein Husarenregiment seinem scharffritisirenden Großvater vorgestellt, und von seinem als kavalleristische Autorität so gefürchteten Onkel das bezeichnende, fast einer Abbitte gleichlautende Lob geerntet: „Du hast es gut gemacht! Ich hätte es nie geglaubt!" da hatte er sich durch redliche, das gewöhnliche Maß weit übersteigende Arbeit an sich selbst den Anspruch auf eine über sein Alter hinaus

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gehende gebietende Stellung erworben, da er sich selbst zu gebieten, sich selbst zu heben, eine natürliche Schwäche zu einer Quelle von Kraft und Energie zu verwandeln verstanden."

Der Erziehung der kronprinzlichen Kinder war, so schreibt Dr. Hinzpeter weiter, den Anschauungen der Eltern gemäß die Aufgabe gestellt, im Gegensatz zur Tradition dem Interesse für das bürgerliche Leben den Vorrang vor dem militärischen in dem heranwachsenden Prinzen zu verschaffen. Die verschiedensten Mittel wurden dazu angewandt und alle sich bietenden Gelegenheiten benutzt; die ungewöhnliche Verpflanzung des Prinzen nach Kassel geschah zum guten Theil auch von diesem Gesichtspunkte aus. Museen und Fabriken, Werkstätten und Bergwerke wurden eifrigst besucht und studirt; aber neben der regen Sympathie an dem Schul-, Studenten- und Volksleben wuchs das angeborene militärische Interesse kräftig empor, bis es sich einen breiten Plaß im Träumen, Denken und Handeln erworben." Der Wille seiner Eltern, die hergebrachten Schranken der abgesonderten Prinzenerziehung nicht einzuhalten, den Prinzen vielmehr mitten in das Leben hineinzustellen, ihn mit dem praktischen Leben möglichst viel in Berührung zu bringen, wurde von seiner Jugend ab konsequent zur Durchführung gebracht, zuerst durch gemeinschaftliches Spiel mit den Bürgerkindern Potsdams und des in der Nähe gelegenen kronprinzlichen Gutes Bornstedt.

Am 1. September 1874 fand in der Friedenskirche zu Potsdam die Einsegnung des Prinzen in Gegenwart seiner Großeltern, seiner Eltern, vieler Gäste und zahlreicher Altersgenossen durch den Hofprediger Heym statt. In dem Glaubensbekenntnisse, welches er hierbei ablegte, gelobte er: in kindlichem Glauben Gott ergeben zu bleiben sein Leben lang, auf ihn seine Hoffnung zu setzen, ihm stets für seine Gnade zu danken. Er glaube an Jesum Christum, seinen Heiland, durch den er von der Sünde erlöset sei. Ihn, der ihn so sehr geliebt, wolle er wieder lieben, und diese Liebe bestätigen und bethätigen durch seine Liebe zu den Eltern, zu den treuen Großeltern, den Geschwistern und Verwandten, aber auch zu allen andern Menschen." Er schloß mit besonders erhobener Stimme: „Ich weiß, schwere Aufgaben warten meiner, aber dies soll meinen Muth stählen und nicht niederdrücken.“

In Begleitung des Generallieutenants von Gottberg und seines Erziehers, des Dr. Hinzpeter, nahm der Prinz vom Winter 1874 ab in Kassel den Aufenthalt zum Besuch des dortigen Gymnasiums. Der Director desjelben, Dr. Vogt, hatte auf die die Aufnahme des Prinzen betreffende Anfrage geantwortet: Er betrachte den Wunsch der Eltern als Befehl, erwarte aber von dem prinzlichen Zöglinge in seiner Anstalt die unbedingte Uebernahme derselben Pflichten und Beachtung derselben Ordnung und Zucht, wie von jedem anderen Schüler und er könne keine Unterschiede zulaffen. Diese Forderungen entsprachen durchaus dem Willen der kronprinzlichen Eltern und es wurde ihnen von dem Prinzen in jeder Beziehung entsprochen. Zu Ostern 1875 wurde Prinz Wilhelm nach Prima versetzt, im Januar 1877 bestand er mit Auszeichnung die Maturitätsprüfung. Bei der Entlassung der Abiturienten kamen drei Denkmünzen aus der zu Ehren des 1802 verstorbenen Rektors errichteten „Karl Ludwig Richter - Stiftung“

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an die drei fleißigsten und würdigsten Primaner zur Vertheilung. Die eine derselben wurde dem Prinzen Wilhelm zugetheilt.

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Zwei Tage nach abgelegter Reiseprüfung vollendete Prinz Wilhelm das achtzehnte Lebensjahr und erreichte damit nach Artikel 54 der preußischen Verfassungsurkunde die Volljährigkeit. Dieser Tag wurde im Königlichen Hause festlich begangen, insbesondere durch die Investitur (Aufnahme) des Prinzen in den hohen Orden vom Schwarzen Adler. Kurz darauf, am 9. Februar 1877, wurde der Prinz bei dem 1. Garde Regiment zu Fuß, dem er hergebrachtermaßen bereits seit Zurücklegung des zehnten Lebensjahres, zuerst als Seconde-Lieutenant, seit einem Jahre als Premier-Lieutenant _angehörte, zu aktiver Dienstthätigkeit eingereiht. Der Kaiser, welcher den Prinzen dem Kommandeur des Regiments überwies, schloß seine Ansprache an den Prinzen mit den Worten: „Nun gehe hin und thue Deine Pflicht, wie sie Dich gelehrt werden wird. Gott sei mit Dir!" Der Prinz that bei der 6. Compagnie des Regiments regelmäßig seinen Dienst. Daneben studirte er unter Leitung der Lehrer der Potsdamer Kriegsschule die verschiedensten Fächer der Militär- und Kriegswissenschaften, bis er im Herbst desselben Jahres nach Bonn übersiedelte, um auf dortiger Hochschule dem Studium durch zwei Jahre, vornehmlich dem der Staats- und Rechtswissenschaften, obzuliegen. Neben diesen beschäftigte er sich noch mit anderweiten Fächern, u. A. hörte er Vorlesungen über Geschichte der Philosophie, Physik, Chemie, Geschichte des 19. Jahrhunderts, Reformationsgeschichte, Kunstgeschichte und Literaturgeschichte. Wie schon oben bemerkt, lag es aber in dem Wunsche der Eltern, daß der Prinz die Zeit seines Universitätsbesuchs auch dazu verwendete, größere Fühlung mit dem Leben zu gewinnen, Hierzu trug es bei, daß in der freien Zeit öfters Ausflüge in die benachbarte schöne Rheingegend unternommen wurden, dabei aber auch der Prinz an den studentischen Vergnügungen vielfachen Antheil nahm und sich insbesondere auch, soweit angängig, an dem corpsstudentischen Leben betheiligte, deffen Erinnerungen er weiterhin als ihm werthvolle festhielt und pflegte.

Nach Vollendung seiner Universitätsstudien im Herbst 1879 kehrte der Prinz nach Potsdam zurück, um sich dort nun weiter für seinen militärischen Beruf vorzubereiten. Er übernahm im Frühjahr 1880 als Hauptmann und Compagniechef die Führung der 2. Compagnie des 1. GardeRegiments zu Fuß. Diese Zeit, in welcher die Gefühle des preußischen und deutschen Volkes nach den durch die grauenvollen Attentate auf den Kaiser verursachten schmerzlichen Bewegungen sich wiederum gehoben erwiesen durch die auf dem Berliner Congresse (Juni 1878) zur höchsten Anerkennung Europas gekommene machtvolle Stellung des deutschen Kaiserthums, war es, in welcher das Herz des Prinzen Wilhelm hingezogen wurde zu der deutschen Fürstentochter, die er zu seinem und des Vaterlandes Heil zur Lebensgefährtin sich erkor. Auf Einladung des Herzogs Friedrich zu Schleswig-Holstein - Sonderburg - Augustenburg war Prinz Wilhelm, der damals schon ein eifriger Jäger war, zur Auerhahnjagd nach Primkenau in Schlesien, dem Gut des Herzogs, gekommen und traf dort dessen Tochter, Prinzessin Auguste Victoria, wieder, welche er kurz zuvor am englischen Hofe kennen gelernt. Die jetzige Kaiserin, mit allen Vornamen: Auguste

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Victoria Friederike Luise Feodora Jenny ist am 22. October 1858 auf Schloß Dolzig bei Sommerfeld als ältestes Kind des Herzogs Friedrich und dessen Gemahlin Herzogin Adelheid, geborenen Prinzessin zu HohenloheLangenburg, geboren. Der Vater, von vielen Seiten als der legitime Nachfolger des verstorbenen Königs Friedrich von Dänemark für die Herzog= thümer Schleswig und Holstein anerkannt, fügte sich, als durch den Prager Frieden die Herzogthümer an Preußen fielen, in die Verhältnisse. Fr nahm nach Verkauf von Dolzig in Schloß Primkenau bei Sprottau seinen Wohnsit. In dortiger Kirche wurde die Prinzessin Auguste Victoria am 22. Mai 1875 durch Pastor Meißner confirmirt. Der Vater segnete sie dabei unter Hinweis auf den Familienspruch: „Ohne des Herrn Gunft ist all unser Thun umsonst.“ Die bei wiederholter Wiederbegegnung in reiner inniger Liebe entbrannte Neigung der jugendlichen Herzen fand die Billigung der Eltern und Großeltern. Herzog Friedrich erlebte leider nicht mehr das eigentliche Verlöbniß, indem er ganz plötzlich am 14. Januar 1880 an einem Herzschlag verschied. Die Verlobung fand am 14. Februar in Gotha, wo Herzogin Friedrich längeren Aufenthalt genommen hatte, in aller Stille statt, die öffentliche Verkündigung mit Rücksicht auf die Trauer um den Vater erst am 2. Juni im Neuen Palais zu Potsdam. Die Kunde der Verlobung wurde überall in Deutschland mit großer Freude und wärmsten Segenswünschen aufgenommen, die erneut des Lebhaftesten laut wurden, als im folgenden Jahr 1881 am 27. Februar in Berlin die feierliche Vermählung des prinzlichen Brautpaares folgte.

Der gesegneten glücklichen Ehe sind folgende Kinder entsprossen: der Kronprinz Wilhelm, geb. den 6. Mai 1882, Prinz Eitel Friedrich, geb. den 7. Juli 1883, Prinz Adalbert, geb. den 14. Juli 1884, Prinz August Wilhelm, geb. den 29. Januar 1887, Prinz Oscar, geb. den 27. Juli 1888, Prinz Joachim, geb. den 17. December 1890, Prinzessin Victoria Luise, geb. den 13. September 1892. Dr. Hinzpeter sagt: Seine Familie ist für Kaiser Wilhelm II. die unentbehrliche Basis seines Lebens, das Zusammensein mit Frau und Kindern ist ihm unabweisbares Bedürfniß; ihre Zuneigung erfüllt sein Leben, und die Sorge um sie erwärmt sein Herz.“

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Die weitere militärische Laufbahn des Prinzen war folgende: Am 16. September 1881 wurde er zum Major befördert und bald darauf mit dem Commando eines Bataillons im 1. Garde - Regiment zu Fuß betraut. Für die Sommer- und Herbstmonate im Jahre 1884 wurde ihm die Führung einer Batterie des 1. Garde-Feldartillerie-Regiments und im Frühjahr 1885 die Führung einer Schwadron des Garde - Husaren - Regiments übertragen. Zum Commandeur dieses Regiments wurde er am 16. October 1885 ernannt. Zu seinem Geburtstag 1888 wurde der Prinz zum Generalmajor und Commandeur der 2. Garde - Infanterie - Brigade befördert, in welcher Stellung er sich noch befand, als er am 15. Juni desselben Jahres oberster Kriegsherr wurde. Langsamer als irgend ein anderer Hohenzoller hat Kaiser Wilhelm die militärische Laufbahn durchmessen, sein Großvater war mit 21, sein Vater mit 26 Jahren Generalmajor, er wurde erst im 29. Lebensjahr hierzu befördert und ist daher, wie König Friedrich Wilhelm III. einmal von sich sagte, gar nicht Excellenz geworden." Alle, die mit ihm und unter

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