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wohin auch die Nationalversammlung von Bordeaux verlegt worden war. Die eigentlichen Leiter der Pariser Revolution handelten im Geiste und nach den Weisungen der über alle Länder Europas verbreiteten „internationalen Arbeiter - Association", deren Streben auf die Umstürzung der gesammten Grundlagen der bisherigen staatlichen und sitt= lichen Ordnung gerichtet ist; für die Masse der Aufständischen war aber der nächste Zweck, wie gesagt, sich im Besize der Vortheile und der Macht zu sichern, welche ihnen die Zeit der Belagerung gebracht hatte. Zu diesem Zwecke verlangten sie eine völlig selbstständige Regierung der „Commune“ von Paris in Verbindung mit gleichen Gewalten in allen anderen Städten, die freie Wahl und Absetzung aller Führer der Nationalgarde, die absolute Beseitigung alles Militärs in Paris und dergleichen mehr. Am 26. März fanden die Wahlen für die Commune statt, am 28. März wurde die Regierung der „Commune" feierlich proclamirt; durch Beschlagnahme öffentlicher Kaffen und durch allseitige gewaltthätige Erpressungen verschaffte sich dieselbe die Mittel für ihre Willkürherrschaft. Die Regierung in Versailles fonnte die Revolution um so weniger alsbald bemeistern, da auch die Truppen in den Forts (soweit sie nicht noch auf der Nordseite von den Deutschen besetzt waren) gemeinsame Sache mit den Aufständischen machten. Nur das Fort des Mont Valérien blieb in der Gewalt der Regierung. Bevor dieselbe aber weiter einzuschreiten_ver= mochte, mußte sie erst größere und zuverlässigere militärische Kräfte zu vereinigen bedacht sein.

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Die deutsche Reichsregierung gewährte der französischen Regierung hierbei die entschiedenste Unterstützung: die Stellung Deutschlands war vor Allem durch die Fürsorge für die Ausführung der mit der Regierung Frankreichs vereinbarten Friedenspräliminarien und für die Erfüllung der damit Seitens Frankreichs übernommenen Verpflichtungen bedingt.

Die deutsche Regierung erleichterte der französischen Regierung be= sonders die Sammlung einer starken Truppenmacht bei Versailles. Frankreich durfte nach dem Friedensvertrage außer der Garnison von Paris nur Truppen hinter der Loire halten. Es war ein wichtiges Zugeständniß Seitens der deutschen Regierung, daß sie die Vereinigung einer bedeutenden Armee bei Versailles gestattete. Zum Oberbefehlshaber der lezteren wurde der Marschall Mac Mahon berufen. Aber es währte lange, bis die Truppen von Versailles mit der Hoffnung auf Erfolg vorgehen konnten, da sich inzwischen die Commune durch das Zuströmen revolutionärer Kräfte aus allen Ländern verstärkte und ungehindert ihre Schreckensherrschaft übte.

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Die Freiheit und das Leben, ebenso wie das Eigenthum der Bürger waren der absoluten Willkür preisgegeben, Geld und Geldeswerth, Nahrungsmittel und aller sonstige Besitz wurde von bewaffneten Volkshaufen Namens der Commune oder nach eigener Begier aus den Privathäusern mit Gewalt weggenommen, ein Schuß war nirgends vorhanden, ein Widerstand nicht möglich. Der Erzbischof von Paris und die angesehensten Geistlichen wurden ohne Grund verhaftet, die Kirchen und die Grabdenkmäler beraubt, die Gottesdienste geschlossen und verboten. Jeder

704 Die Commune in Paris. Friedensverhandlungen in Frankfurt. mann konnte auf die Anklage des Ersten Besten verhaftet und im willkürlichsten Verfahren verurtheilt werden. Tausende flohen, Tausende dagegen wurden mit Gewalt zurückgehalten, zumal alle Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, welche zum Waffendienst für die Commune gezwungen wurden.

In der zweiten Hälfte April konnte Mac Mahon endlich mit größerer Kraft gegen Paris vorgehen. Unter dem Schuße des Mont Valérien gelang es den Truppen der Regierung, eine feste Stellung bei Neuilly zu gewinnen und unter erbitterten und blutigen Kämpfen allmälig, wenn auch sehr langsam vorzudringen. Heftiger als während der Belagerung durch die deutschen Truppen wurden die westlichen Stadttheile von Paris vom Mont Valérien aus beschossen und verwüstet, und immer sicherer wurde die Niederlage der Commune. In demselben Maaße aber erhöhten sich die Greuelthaten der Machthaber in Paris. Der Erzbischof und eine große Anzahl Gefangener wurden ermordet, die berühmtesten Paläste und öffent= lichen Gebäude durch Petroleum in Brand gesteckt und die ganze Stadt mit Mord und Brand bedroht. Der größte Theil der Pariser Bevölkerung sehnte den Augenblick der Befreiung von dieser Gewaltherrschaft herbei, ohne die Kraft und den Muth zu besitzen, sich gegen dieselbe zu erheben. Die Regierungstruppen rückten endlich im Mai von mehreren Seiten erfolgreich gegen die Ringmauer vor. Seitens der deutschen Besatzung in den Forts auf der Nordseite wurde den Operationen derselben möglichst Vorschub geleistet, und dieser Unterstützung hatte es die Regierung in Versailles wesentlich zu danken, daß sie gegen Mitte Mai die Hauptstadt von der blutigen Herrschaft der Commune befreien konnte.

Der Frankfurter Friede. Während aber das vertrauensvolle Entgegenkommen der deutschen Regierung vom ersten Augenblicke an der französischen Regierung die Möglichkeit verschafft hatte, den Kampf gegen Paris aufzunehmen, und Frankreich vor noch tieferer Zerrüttung zu bewahren, zeigte die Versailler Regierung befremdlicher Weise einen sehr geringen Eifer, den Friedensvertrag nach seinem Geiste zu erfüllen und den Abschluß des schließlichen vollen Friedens zu beschleunigen. Vielmehr trat in den zu Brüssel stattfindenden weiteren Verhandlungen mehr und mehr das Bestreben hervor, die im Präliminarvertrage bereits festgestellten Verpflichtungen Frankreichs, namentlich in Betreff der Zahlung der Kriegsentschädigung wieder in Frage zu stellen oder abzuschwächen. Die deutsche Regierung aber war nicht gewillt, eine Verdunkelung oder Verzögerung des Friedenswertes zuzulassen. Fürst Bismarck gab daher der Regierung in Versailles zu erkennen, daß er gegenüber den mannigfachen Zugeständnissen, welche ihr gewährt worden, ein größeres Entgegenkommen Behufs baldigen Abschlusses des definitiven Friedens beanspruche, und daß nur um diesen Preis eine weitere Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der französischen Regierung zu erwarten sei. Die Regierung in Versailles erkannte, daß sie nur durch eine erneute und durchgreifende Verständigung mit Deutschland die Schwierigkeit ihrer eigenen Lage bewältigen und dem vollständigen Ruin Frankreichs vorbeugen könne. Sie beantragte eine Zusammenkunft des

Friedensverhandlungen in Frankfurt.

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Ministers Jules Favre mit dem Fürsten Bismarck in Frankfurt a. M., auf welche Letterer bereitwillig einging.

Fürst Bismarck setzte bei den Verhandlungen in Frankfurt erneut sein ganzes persönliches Ansehen ein, um alle Zweifel und Bedenken, welche gegenüber den Präliminarien noch möglich erscheinen konnten, endgültig zu beseitigen und alsbald zum vollen Friedensschlusse zu gelangen. Er erreichte diesen Zweck, indem er der französischen Regierung seinen Entschluß zu erkennen gab, im Falle des Scheiterns der endgültigen Verständigung der Ungewißheit dadurch ein Ende zu machen, daß die deutschen Truppen Paris entweder durch Einverständniß mit der Commune oder durch Gewalt einnähmen und dann im Besitz dieses Pfandes von der Versailler Regierung forderten, daß sie, den Bestimmungen des Präliminarfriedens entsprechend, ihre Truppen hinter die Loire zurückzöge und in dieser gegenseitigen Verfassung die weitere Verhandlung über den Frieden fortgesetzt würde.

Die französische Regierung konnte in dieser Lage um so weniger zögern, die Hand zum vollen Friedensschlusse zu bieten, als Fürst Bismarc zugleich durch den entgegenkommenden Geist bei den Verhandlungen von Neuem den Beweis gab, daß die deutsche Politik es nicht auf die Erniedrigung und weitere Zerrüttung Frankreichs abgesehen hatte, daß vielmehr durch den Friedensschluß Frankreich selbst die Hand gereicht werden sollte, um ihm die Rückkehr zu einer festen Staatsordnung, zu innerem Frieden und Gedeihen zu erleichtern.

Der Friede zu Frankfurt wurde am 10. Mai abgeschlossen. Durch denselben wurden die Bestimmungen des Präliminarvertrags von Versailles hauptsächlich in folgenden Punkten abgeändert und ergänzt:

Was die Gebiets abtretungen betrifft, so war im Präliminarfrieden bestimmt, daß die Stadt und die Festungswerke von Belfort mit einem später festzusetzenden Rayon bei Frankreich verbleiben sollen. In Betreff dieses Rayons war nun im Frankfurter Frieden zunächst ein vorläufig abgegrenzter Umkreis festgehalten.

Die deutsche Regierung erklärte sich aber bereit, diesen Umkreis zu Gunsten Frankreichs zu erweitern unter der Bedingung, daß die französische Regierung andererseits in eine Aenderung der Grenzlinie an der luxemburgischen Grenze willigt, durch welche mehrere deutsch redende Gemeinden noch zu Deutschland kommen würden.

Die Interessen der Einwohner in dem von Frankreich abgetretenen Gebiete sollten nach Artikel V. des Präliminarfriedens durch den definitiven Frieden so günstig wie möglich geregelt werden, namentlich sollte auch der ungehinderten Auswanderung Nichts in den Weg gelegt werden. Durch den Frankfurter Frieden ist nun bestimmt, daß die Bewohner der abgetretenen Landestheile, welche Franzosen bleiben wollen, bis zum 1. October 1872 das Recht der Auswanderung behielten, ohne durch die Gesetze über die Militärpflicht darin gehindert zu werden. Auch sollten sie im Falle der Auswanderung ihren Grundbesitz in dem nunmehr deutschen Gebiete behalten können.

Hahn, preuß. Ceich.

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Ueber die Krieg sentschädigung war im Präliminarfrieden im Wesentlichen Folgendes bestimmt: Frankreich wird 5 Milliarden Francs zahlen, mindestens eine Milliarde im Laufe des Jahres 1871 und den ganzen Rest im Laufe dreier Jahre von der Bestätigung des Präliminarvertrages ab. - Im Frankfurter Frieden wurde dagegen Folgendes festge= setzt. Die Zahlung von 500 Millionen (der ersten halben Milliarde) erfolgt innerhalb von 30 Tagen nach der Wiederherstellung der Herrschaft der Regierung in Paris. Eine weitere Milliarde wird im Laufe des Jahres gezahlt und eine halbe Milliarde am 1. Mai 1872. Die ferneren drei Milliarden bleiben bis zum 2. März 1874 zahlbar; dieselben werden vom 2. März 1871 ab mit 5 pCt. verzinst und die Zinsen jährlich am 3. März gezahlt. Alle Zahlungen müssen an den bedeutendsten deutschen Handelsplätzen erfolgen, und zwar in Gold oder Silber oder in Bankbillets der englischen, der preußischen, der holländischen oder belgischen Bank oder in Wechseln erster Handlungshäuser.

In Betreff der Räumung des noch beseßten französischen Gebietes wurde bestimmt, daß nach der Zahlung der ersten halben Milliarde und nach Bestätigung dieses Vertrages nur die Departements der Somme, der unteren Seine und der Eure alsbald geräumt werden sollen, wogegen die weitere Räumung der Departements der Dise, Seine und Dise, Seine und Marne und des Seine-Departements nebst den Forts von Paris erst stattzufinden hätte, sobald die deutsche Regierung die Wiederherstellung der Ordnung in Frankreich und in Paris als ausreichend erachten würde, um die Erfüllung der Friedensbedingungen als gesichert anzusehen. Jedenfalls sollte diese Räumung nach Zahlung der dritten halben Milliarde erfolgen.

Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich waren im vorläufigen Frieden nicht in Betracht gezogen. Im endgültigen Friedensvertrage ist vorgesehen, daß, nachdem die bisherigen Handelsverträge durch den Krieg beseitigt worden, Deutschland und Frankreich sich in Betreff des Handelsverkehrs, namentlich in Betreff der Eingangs- und Ausgangszölle, des Transithandels, der Zollabfertigung u. s. w., gegenseitig so behandeln sollen, wie jeder der beiden Staaten die von ihm meistbegünstigten Nationen, insbesondere England, Belgien, Holland, die Schweiz, Desterreich und Rußland behandelt.

Fürst Bismarck sagte bei der Mittheilung über den Friedensschluß im deutschen Reichstage: „Ich glaube, daß hiermit dasjenige erreicht worden ist, was wir von Frankreich vernünftiger Weise und nach den Ueberlieferungen, die anderen Friedensschlüssen zu Grunde liegen, verlangen konnten. Wir haben unsere Grenzen durch die Landabtretung gesichert, wir haben unsere Kriegsentschädigungen soweit gesichert, wie es nach menschlichen Ver hältnissen überhaupt möglich ist. Ich habe das Vertrauen, daß es die Absicht der gegenwärtigen französischen Regierung ist, den Vertrag redlich auszuführen. Ich schließe mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß dieser Frieden ein dauerhafter und segensreicher sein, und daß wir der Bürgschaften, deren wir uns versichert haben, um

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gegen einen etwa wiederholten Angriff gesichert zu sein, auf lange Zeit nicht bedürfen mögen."

Die Siegesfeier. Nachdem der Friede endgültig geschlossen und gleichzeitig der Aufstand in Paris bewältigt war, konnte ein Theil der deutschen Truppen aus Frankreich heimkehren. Dieselben wurden überall mit der größten patriotischen Begeisterung empfangen.

Der feierliche Einzug in Berlin fand am 16. Juni in ähnlicher, nur noch weit glänzenderer Weise als im Jahre 1866 statt. Außer dem Gardecorps nahmen an demselben Deputationen sämmtlicher übriger Truppentheile des deutschen Heeres Theil. Die ganze fast eine Meile lange Siegesstraße, durch welche die Truppen zogen, war auf beiden Seiten von eroberten französischen Kanonen eingehegt, die 81 erbeuteten französischen Adler, Fahnen und Standarten wurden von Unteroffizieren aus allen Regimentern, die das Eiserne Kreuz erworben hatten, getragen. Unendlicher Jubel begrüßte den Kaiser, seine Feldherren und die Truppen auf der ganzen weiten Siegesstraße.

Den feierlichsten Abschluß fand das Siegesfest in der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelm's III. im Lustgarten. Dieselbe hatte am 3. August 1870 als am hundertjährigen Geburtstage des „Heldentönigs aus großer Zeit" stattfinden sollen; sie war wegen des Krieges verschoben worden, um nunmehr unter viel gewaltigeren Eindrücken stattzufinden.

Der Sohn Friedrich Wilhelm's III. fonnte an den Stufen des Denkmals die Siegeszeichen aus einem wunderbar glorreichen und erfolgreichen Kampfe niederlegen, - er konnte die Weihe des Denkmals als Kaiser des neuen, in nie gekannter Macht und Herrlichkeit wieder erstandenen deutschen Reiches vollziehen.

Es war ein tief ergreifender Moment von wahrhaft geschichtlicher Größe, als der Kaiser mit seinem Degen winkte und die Hülle des Denkmals fiel, in demselben Augenblicke aber alle Fahnen und Standarten an dem Denkmal gesenkt wurden, die Truppen präsentirten und Hurrah riefen, die Tambours ringsum schlugen und alle Musikchöre mit Heil Dir im Siegerkranz" einfielen, zugleich das Geläut aller Glocken und der Donner der Kanonen. Wohl noch niemals ist ein Denkmal in solcher Weise geweiht worden.

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Dem Siegeseinzuge folgte am 18. Juni ein Siegesdankfest in allen Kirchen Preußens. In dem Erlasse, durch welchen dasselbe angeordnet wurde, sagte Kaiser Wilhelm:

,,Durch Gottes Gnade ist dem schweren, vor einem Jahre über uns verhängten Kampfe jetzt ein ehrenvoller Friede gefolgt. Was wir bei dem Beginn des Krieges im gemeinsamen Gebete erflehten, ist uns über Bitten und Verstehen gegeben worden. Die Opfer der Treue, der todesmuthigen Hingebung Unseres Volkes auf den Schlachtfeldern und daheim sind nicht vergeblich gewesen. Unser Land ist von den Verwüstungen des Krieges verschont geblieben und die deutschen Fürsten und Völker sind in gemein

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