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2 bis 300 Menschen denselben durch einen Wagen zu sperren; dieser wurde jedoch mit großer Ruhe von den Soldaten weggeschafft, ein Zug Cavallerie ging mitten durch das Thor und im Uebrigen vollzog sich nun der Einmarsch ohne jede Störung. In den Champs Elysées wartete eine außerordentliche zahlreiche Menschenmenge der ankommenden Truppen. Dieselbe verhielt sich meistens ruhig und gemessen. Nur auf dem Con

cordienplatz trieben Banden von Gassenjungen und Blousenmänner ihr Wesen. Sie zogen umher und riefen noch immer: à Berlin, à Berlin! (nach Berlin, nach Berlin!) Diese und ähnliche Kundgebungen hatten jedoch einen mehr kindischen als gefährlichen Charakter. Dagegen wandte sich die Volkswuth gegen Jeden, der es wagte, sich mit den Truppen irgendwie in freundlichere Beziehungen zu setzen oder ihnen irgend eine Auskunft zu geben. Auch waren einzelne Deutsche, welche sich aus dem Gebiete der Truppen entfernten, der rohesten Mißhandlung und Lebensgefahr preisgegeben.

Am zweiten Tage sollte eine zweite Abtheilung der vor Paris lagernden Truppen in die Stadt geführt werden, und zwar das Gardecorps, die Garde-Landwehr und das Königs-Grenadier-Regiment. Der Kaiser hielt über diese Truppen am 2., Vormittags, wiederum bei Longchamps Revue ab. Inzwischen war jedoch die Mittheilung über die Bestätigung des Friedensvertrages im Hauptquartiere eingetroffen und es erging demzufolge am Nachmittage des 2. der Befehl an die Truppen, die Hauptstadt am anderen Morgen bis 11 Uhr wieder zu verlassen. Gleichzeitig aber war von Versailles Vorsorge getroffen, daß sämmtlichen Truppen vor Paris noch Gelegenheit gegeben werden solle, Paris zu sehen, indem die Soldaten truppweise ohne Schußwaffen in die Stadt geführt wurden. In großen Zügen trafen die Truppen in Paris ein, am Nachmittage bewegten sich wohl 50,000 Mann in den elyseeischen Feldern. Auch der Kronprinz machte am Nachmittage nur in Begleitung eines Adjutanten eine Fahrt nach Paris und durch die von den Truppen besetzten Stadttheile und wurde überall mit freudigen Zurufen begrüßt.

Der Ausmarsch der Truppen aus Paris erfolgte am 3. März. Das ganze deutsche Corps zog bei seinem Abmarsch durch den Triumphbogen der Champs Elysées. Der Befehlshaber der Besaßungstruppen, General Kameke, hatte sich dort mit seinem Stabe aufgestellt. Jedesmal wenn eine Compagnie vor dem Triumphbogen ankam, stieß sie drei Hurrahs aus. Gegen 11 Uhr war das Defilé zu Ende.

Die Verkündigung des Friedens. Kaiser Wilhelm vollzog am 2. März 1871 zu Versailles den Friedens-Präliminar-Vertrag und richtete darauf sofort folgendes Schreiben an die Kaiserin-Königin zu Berlin:

So eben habe 3ch den Friedensschluß ratificirt, nachdem er schon gestern in Bordeaux von der Nationalversammlung angenommen worden ist.

So weit ist also das große Werk vollendet, welches durch siebenmonatliche siegreiche Kämpfe errungen wurde; Dank der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer des unvergleichlichen Heeres in allen seinen Theilen und der Opferfreudigkeit des Vaterlandes.

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Berkündigung des Friedens. Rückkehr des Kaisers Wilhelm.

Der Herr der Heerschaaren hat überall unsere Unternehmungen sichtlich gesegnet und daher diesen ehrenvollen Frieden in Seiner Gnade gelingen lassen. Ihm sei die Ehre! Der Armee und dem Vaterlande mit tief erregtem Herzen Meinen Dank!

Die öffentliche Verkündigung dieser Mittheilung fand in Berlin am 3. März, Mittags, vom Königlichen Palais aus, in feierlicher Weise statt. Am Nachmittag fand ein feierlicher Dankgottesdienst in allen Kirchen statt. Am Abend feierte Berlin die Sieges- und Friedensbotschaft mit einer allgemeinen Illumination. Ebenso wurde in ganz Deutschland das Friedensfest in der würdigsten und erhebendsten Weise begangen.

Der Friede, welchen Deutschland errungen hatte, erfüllte in der That alle Hoffnungen, alle Wünsche Deutschlands. Als der Krieg dem deutschen Volke aufgedrungen worden, hatte es denselben mit der klar bewußten Absicht aufgenommen, durch denselben, wenn Gott ihm den Sieg verliehe, vor Allem Bürgschaften eines künftigen dauernden Friedens zu erlangen. Zwei große Friedensbürgschaften sollte der Krieg uns bringen: Deutschlands Einigung zu einem mächtigen Reich, und die Wiedergewinnung der alten deutschen Grenzlande gegen Frankreich, deren Verlust unsere Schwäche in den letzten Jahrhunderten begründet hatte.

Die Rückkehr. Unmittelbar nach der Bestätigung des Friedensvertrags schickte sich Kaiser Wilhelm an, Versailles zu verlassen, nachdem er vom 5. Oktober an über 5 Monate lang in der alten französischen Königsstadt residirt hatte. Welch eine Fülle der erhabensten Erinnerungen knüpfte sich für den greisen Monarchen an diesen Zeitraum, Erinnerungen nicht blos an den glorreichen Verlauf eines Krieges ohne Gleichen und an einen nicht minder glorreichen Friedensschluß, sondern dort im alten franzö sischen Königsschlosse war die Herrlichkeit des deutschen Reiches in der Person des Königs wieder erstanden.

Graf Bismarc eilte dem Kaiser voraus in die Heimath, wo ihn bereits wichtige Aufgaben für den Reichstag erwarteten.

Der Kaiser trat am 7. März die Rückkehr nach der Heimath an. Unter herzlichem Abschiede von den Offizieren und Truppen verließ er Versailles, um zunächst auf dem Schlachtfelde von Villiers eine Heer= schau über die baierschen, sächsischen und württembergischen Truppen zu halten, nach welcher er warme Worte des Dankes und der Anerkennung an den Oberbefehlshaber der Maasarmee, den Kronprinzen von Sachsen und an die versammelten Commandeure richtete. Der Kaiser hatte auch die I. Armee in Rouen und Amiens zu besichtigen gedacht, wegen eines Unwohlseins mußte er diese Reise aufgeben, statt seiner ging der Kronprinz dorthin, er selbst kehrte über Nancy und Meg nach der Heimath zurück.

Beim Scheiden aus Frankreich erließ der Kaiser folgenden Armeebefehl (von Nancy am 15. März):

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Soldaten der deutschen Armee! Ich verlasse an dem heutigen Tage den Boden Frankreichs, auf welchem dem deutschen Namen so viel neue kriegerische Ehre erwachsen, auf dem aber auch so viel theures Blut geflossen ist. Ein ehrenvoller Frieden ist jest gesichert und der Rückmarsch

Empfang des Kaisers. Die Kaiserin Augusta.

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der Truppen hat bereits begonnen. Ich sage Euch Lebewohl, und danke Euch nochmals mit warmem und gehobenem Herzen für Alles, was Ihr in diesem Kriege durch Ausdauer und Tapferkeit geleistet habt. Ihr kehrt mit dem stolzen Bewußtsein in die Heimath zurück, daß Ihr einen der größten Kriege siegreich geschlagen habt, den die Weltgeschichte je gesehen, daß das theure Vaterland vor jedem Betreten durch den Feind geschützt worden ist und daß dem Deutschen Reiche jetzt Länder wiedererobert worden sind, die es vor langer Zeit verloren hat. Möge die Armee des nunmehr geeinten Deutschlands dessen stets eingedenk sein, daß sie sich nur bei stetem Streben nach Vervollkommnung auf ihrer hohen Stufe erhalten kann, dann können wir der Zukunft getrost entgegensehen.“

Der Empfang des Kaisers in der Heimath war überall ebenso herzlich wie glänzend. Um dem siegreich heimkehrenden Fürsten beim ersten Betreten der deutschen Grenzmark den Zoll der Dankbarkeit darzubringen, hatten sich über 400 rheinische Städte und Landgemeinden vereinigt, dem Kaiserlichen Kriegsherrn einen goldenen Lorbeerkranz darzubringen.

Der Zug des Kaisers vom Rhein nach seiner Hauptstadt war ein Triumphzug im höchsten Sinne des Wortes. In Potsdam harrte die Kaiserin mit der Kronprinzessin und der Großherzogin Luise von Baden der Ankunft des Kaisers und des Kronprinzen, und es fand dort die erste herzliche Begrüßung der hohen Fürstenpaare nach so langer und bedeutungsschwerer Trennung statt.

Am 17. März fand die Ankunft des Kaisers in Berlin unter festlicher und begeisterter Begrüßung Seitens der Bevölkerung statt.

Die Kaiserin-Königin Augusta hatte während des Krieges mit dem lebendigsten und wirksamsten Eifer die ganze großartige Thätigfeit geleitet, mit welcher die preußischen Frauen und Jungfrauen den Siegeszug der Armee zu stüßen und zu fördern, Schmerzen zu lindern und Thränen zu trocknen beeifert waren; sie hatte ihr Streben zugleich darauf gerichtet, die patriotischen Frauen im ganzen deutschen Vaterlande zu gemeinsamem Wirken zu vereinigen.

Der Kaiser erließ noch von Nanch aus einen Dank an die Kaiserin, zugleich für das Central-Comité der deutschen Vereine zur Pflege der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger und alle Hilfsvereine.

Der Kaiser stiftete an seinem Geburtstage (22. März) ein Verdienst = kreuz für Frauen und Jungfrauen, wie es in der StiftungsUrkunde heißt: „in Anerkennung der großartigen, opferfreudigen Thätigkeit, welche die Frauen und Jungfrauen des gesammten Deutschlands dem Wohle der Kämpfenden und deren Angehörigen gewidmet und in der Absicht, hervorragenden Verdiensten auf diesem segensreichen Felde durch ein gemeinsames Zeichen die Dankbarkeit des Vaterlandes zu sichern."

64. Die Gründung des deutschen Kaiserreichs.

Inmitten des Kriegslaufs war als herrlichste Frucht der patriotischen Erhebung die deutsche Einheit zur Vollendung gelangt. Das Gefühl der

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Berhandlungen über einen Leutschen Bund.

Zusammengehörigkeit, welches durch gemeinsame Gefahr und durch gemeinfam erkämpfte Siege belebt worden, das Bewußtsein der Stellung, welche Deutschland zum ersten Male seit Jahrhunderten durch seine Einigkeit errungen hatte, die Erkenntniß, daß nur durch Schöpfung dauernder Insti tutionen das Vermächtniß dieser Zeit der Opfer und der Thaten gesichert werden könne, hatten schneller und allgemeiner, als noch kurz vorher denkbar erschien, das deutsche Volk und seine Fürsten mit der Ueberzeugung erfüllt, daß es zwischen dem Süden und Norden eines festeren Bandes bedürfe als der völkerrechtlichen Verträge. Diese Ueberzeugung führte bald nach Ausbruch des Krieges zu Verhandlungen über den Beitritt der füddeutschen Regierungen zum bisherigen Norddeutschen Bunde Behufs Begründung eines gemeinsamen deutschen Bundes. Die baierische Regierung gab zuerst, und zwar bald nach der Schlacht bei Sedan, den Wunsch zu erkennen, über ein Verfassungsbündniß sämmtlicher deutscher Staaten zu verhandeln. Der Präsident des Bundeskanzler-Amtes Minister Delbrüc begab sich demzufolge nach München, um dort die Verhandlungen einzuleiten. Nachdem inzwischen der Großherzog von Baden den einfachen Eintritt in den Norddeutschen Bund beantragt hatte, wurden die Verhandlungen mit sämmtlichen süddeutschen Regierungen im Hauptquartiere zu Versailles fortgeführt und gediehen im Laufe des November zum Abschlusse von Berträgen mit allen süddeutschen Regierungen. Die Verträge beruheten durchweg auf der Grundlage der Verfassung des Norddeutschen Bundes, nur mit denjenigen Aenderungen, welche durch die Erweiterung des Bundes, zumal durch den Eintritt größerer deutscher Staaten geboten waren. Das Wesen der Bundesverfassung blieb dabei in jeder Beziehung unberührt. In einer außerordentlichen Session des Reichstages, welche zum 24. November berufen war, wurden die Verträge zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt. Noch während der Berathungen trat jedoch eine neue wichtige Thatsache hinzu, welche den abgeschlossenen Verträgen eine erhöhte Bedeutung verlieh. Der König Ludwig von Baiern hatte ein Schreiben an den König Wilhelm gerichtet, durch welches er denselben bat, den Titel eines deutschen Kaisers anzunehmen. Das Schreiben lautete:

„Nach dem Beitritt Süddeutschlands zu dem deutschen Verfassungsbündniß werden die Ew. Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Ueberzeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesammtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden, welche Ew. Majestät im Namen des gesammten deutschen Vaterlandes auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausüben.

Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit mir bei Ew. Majestät in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führurz des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde."

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Nachdem sämmtliche deutsche Fürsten und freie Städte dem Antrag des Königs von Baiern zugestimmt hatten, wurde bei der Berathung der Verfassungsverträge die Bestimmung aufgenommen, daß der deutsche Bund den Namen, Deutsches Reich" und der König von Preußen als Haupt des Bundes den Namen „Deutscher Kaiser“ führen solle.

Nachdem die Verträge mit dieser Aenderung vom Reichstage genehmigt waren, beschloß derselbe folgende Adresse an den König:

„Auf den Ruf Ew. Majestät hat das Volk um seine Führer sich geschaart, und auf fremdem Boden vertheidigt es mit Heldenkraft das frevelhaft herausgeforderte Vaterland. Dank den Siegen, zu denen Ew. Majestät die Heere Deutschlands in treuer Waffengenossenschaft geführt hat, sieht die Nation der dauernden Einigung entgegen. Vereint mit den Fürsten Deutschlands naht der Norddeutsche Reichstag mit der Bitte, daß es Ew. Majestät gefallen möge, durch Annahme der deutschen Kaiserkrone das Einigungswerk zu weihen. Die deutsche Krone auf dem Haupte Ew. Majestät wird dem wieder aufgerichteten Reiche deutscher Nation Tage der Macht, des Friedens, der Wohlfahrt und der im Schutz der Gesetze gesicherten Freiheit eröffnen. - Das Vaterland dankt dem Führer und dem ruhmreichen Heere, an dessen Spitze Ew. Majestät heute noch auf dem erkämpften Siegesfelde weilt. Unvergessen für immer werden der Nation die Hingebung und die Thaten ihrer Söhne bleiben. Mächtig und siegreich hat sich das vereinte Deutschland im Kriege bewährt unter seinem höchsten Feldherrn, mächtig und friedliebend wird das geeinigte deutsche Reich unter seinem Kaiser sein."

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Diese Adresse wurde dem Könige durch eine Deputation des Reichstages am 18. December in Versailles feierlich überreicht. Der Präsident des Reichstages, Dr. Simson, sagte in seiner Ansprache an den König: Em. Majestät empfangen die Abgeordneten des Reichstages in einer Stadt, in welcher mehr als Ein verderblicher Heereszug gegen unser Vaterland ersonnen und ins Werk gesetzt worden ist. Nahe bei derselben sind - unter dem Druck fremder Gewalt die Verträge geschlossen, in deren unmittelbarer Folge das Reich zusammenbrach.

Und heute darf die Nation von eben dieser Stelle her sich der Zusicherung getrösten, daß Kaiser und Reich im Geist einer neuen lebensvollen Gegenwart wieder aufgerichtet und ihr, wenn Gott ferner hilft und Segen giebt, in Beidem die Gewißheit von Einheit und Macht, von Recht und Gesez, von Freiheit und Frieden zu Theil werden.“

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Der König erwiderte: Mit tiefer Bewegung hat Mich die durch Se. Majestät den König von Baiern an Mich gelangte Aufforderung zur Herstellung der Kaiserwürde des alten deutschen Reiches erfüllt. Sie, Meine Herren, bringen Mir im Namen des Norddeutschen Reichstages die Bitte, daß Ich Mich dem an Mich ergehenden Rufe nicht entziehen möge. Ich nehme gern aus Ihren Worten den Ausdruck des Vertrauens und der Wünsche des Norddeutschen Reichstages entgegen. Aber Sie wissen, daß in dieser so hohe Interessen und so große Erinnerungen der deutschen Nation berührenden Frage nicht Mein eigenes Gefühl, auch nicht Mein eigenes Urtheil Meinen Entschluß bestimmen kann. Nur in der einmüthigen

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