Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[blocks in formation]

dem Süden überwachen. Als gegen Mitte December südlich von Dijon bei Nuits feindliche Abtheilungen in bedeutender Stärke vorrückten, beschloß General von Werder einen umfassenden Angriff gegen dieselben über Nuits auf Beaune. Er schickte General von Glümer mit der badenschen Division vor, welche am 17. December den Feind, 12,000 Mann (vom Corps des Generals Cremer), in starker Stellung bei Nuits fand, ihn nach fünfstündigem, hartnäckigem Gefechte mit bedeutendem Verluste in südlicher Richtung zurückwarf und Nuits besette. Inzwischen wurden die Nachrichten aus dem Südosten Frankreichs beunruhigender. Man wußte, daß Garibaldi sein Corps in Autun organisirte und schäßte die Stärke desselben auf 20,000 Mann, ebenso stark war das Corps des Generals Cremer; sichere Anzeichen sprachen für die Ansammlung größerer Truppenmassen bei Besançon. Gleichzeitig aber traten die ersten Gerüchte von dem bevorstehenden Zuge Bourbaki's zur Entsetzung Belforts auf. General von Werder beschloß deshalb, Dijon aufzugeben und seine Truppen zunächst bei Vesoul zusammenzuziehen. In den letzten Tagen des Jahres ging jedoch die Nachricht ein, daß Bourbaki noch bei Bourges stehe, die weitere große Entscheidung auf dem östlichen Kriegsschauplate sollte erst einige Wochen später eintreten.

Die Kämpfe vor Paris. Die Einschließung von Paris war, wie erwähnt, am 19. September vollzogen worden; alle Anstrengungen Frankreichs waren seitdem darauf gerichtet gewesen, die Hauptstadt zu befreien, alle Anstrengungen der deutschen Heerführung darauf, die Versuche zur Rettung der Hauptstadt auf allen Seiten abzuweisen. Das große Hauptquartier war überzeugt, daß die fortgesette gänzliche Abschließung von Paris nach einigen Monaten die Unterwerfung der Hauptstadt und damit zugleich die Unterwerfung Frankreichs herbeiführen würde.

Außer der Cernirung hätte nur noch ein Weg zur Erreichung dieses Zieles in Betracht kommen können: der des gewaltsamen Angriffs gegen Paris. Die Aussicht auf das Gelingen eines solchen Angriffs gegen die durch sturmfreie Forts und eine sturmfreie Ringmauer geschüßte starke Festung war indeß äußerst gering. So mangelhaft die Organisation der feindlichen Streitkräfte noch war, so genügten dieselben doch, um hinter den Wällen und in den verbarrikadirten Straßen der Hauptstadt mit ihrer dreifachen numerischen Ueberlegenheit einen Widerstand zu leisten, welchen vielleicht das heldenmüthigste Sturmlaufen der bravsten Truppen nicht zu brechen vermochte. Die Folgen eines abgeschlagenen Angriffs aber wären unberechenbar gewesen, sie hätten vielleicht alle bisher errungenen großen Resultate in Frage gestellt, während mit der Einschließung der Weg eingeschlagen wurde, auf welchem man langsam aber sicher zum Endziele gelangte. Es konnte sich nur noch fragen, ob man sich damit begnügen sollte, die Cernirung so lange durchzuführen, bis Hunger, Ermattung und vielleicht innere Zerwürfnisse die Uebergabe veranlaßten; oder ob man unter Aufrechthaltung der Einschließung zugleich auf einem oder mehreren Punkten zum förmlichen Angriffe übergehen sollte.

Die Vorbedingung für jedes Vorgehen zum wirklichen Angriffe gegen die Hauptstadt war die Heranführung eines entsprechenden Belagerungs

[blocks in formation]

parks. Aber damit konnte nicht eher begonnen werden, als bis Toul ge nommen und der Eisenbahnbetrieb bis nahe bei Paris eröffnet wurde. Und auch dann konnte der Transport nur sehr langsam erfolgen; denn die einzige Eisenbahnlinie, welche zu benutzen war, wurde durch den dringendsten Nachschub, besonders an Proviant, für die Armee auf längere Zeit hin in Anspruch genommen und es konnte daher der Transport eines Belagerungs-Trains von dem Umfange, wie er zum Angriffe gegen Paris erforderlich war, nur sehr allmälig bewirkt werden.

Alle diese Erwägungen waren maßgebend für die Entschließungen, welche für den Angriffsplan gegen Paris gefaßt wurden. Hätte man sicher annehmen dürfen, daß die Verproviantirung der Hauptstadt höchstens für 10 Wochen ausreichte, so würde man sich mit der Cernirung begnügt und auf die Heranführung eines Belagerungsparks von vornherein verzichtet haben. Da jedoch jene Vorfrage zweifelhaft erschien, so wurde beschlossen, unter Aufrechterhaltung der Einschließung alle Vorbereitungen dahin zu treffen, daß nöthigen Falles zum wirklichen Angriffe geschritten werden könnte.

Die Streitkräfte, mit welchen die Einschließung am 19. September ausgeführt wurde, betrugen zunächst nur 122,000 Mann Infanterie und 24,000 Mann Kavallerie und konnten für die Aufrechterhaltung der Cernirung auf längere Zeit unmöglich ausreichen: es kam dabei wenig mehr als ein Infanterist auf jeden Fußbreit der Cernirungslinie. Im Laufe des September und October wurden von den bei Sedan zurückgebliebenen und anderweitig freigewordenen Kräften noch das 11. Corps und das 1. baiersche Corps und die Garde-Landwehr-Division herbeigezogen. Gegen Ende October hatten die zur Einschließung von Paris und zur Sicherung nach außen verfügbaren Kräfte eine Stärke von etwa 200,000 Mann Infanterie, 33,794 Mann Kavallerie und 270 Geschüße, wovon jedoch das 1. baiersche Corps, die 17. und 22. Division (etwa 36,000 Mann) und 2 Kavallerie-Divisionen bald nach der Loire abrückten.

Die Vertheidiger von Paris waren nach der Einschließung mit sichtbarem Eifer bemüht, ihre Streitkräfte zu vervollkommnen und zu ergänzen. Die Armirung und Verstärkung der Werke schritt rasch vorwärts und wo das Terrain und der Gegner es irgend gestatteten, wurden rasch aufgeworfene Werke und Batterien vor die Linie der Forts geschoben und zwischen den Forts, zur Verbindung derselben, errichtet. Die Organisation, Bewaffnung und Ausrüstung der Truppen wurde verbessert, die Nationalgarde durch Errichtung neuer Bataillone noch vermehrt, den Mängeln der Ausbildung nach Möglichkeit abgeholfen. Zahlreiche kleine Unternehmungen gegen die deutschen Vorposten sollten offenbar dem letteren Zwecke dienen. Die Artillerie der Forts und der vorgeschobenen Batterien beschoß fast unausgesezt die Vorposten. Hatte dieses Feuer auch nur wenig Wirkung, zumal sich die Truppen bald dagegen zu decken lernten, so erschwerte doch die fortgesette Beunruhigung durch ein Feuer, welches nicht beantwortet werden konnte, die Aufgabe der Cernirungstruppen auf die Dauer sehr. Diese widmeten sich in den ersten Wochen der Cernirung mit besonderem Eifer der Befestigung ihrer Positionen. Diese Arbeiten, während der

[blocks in formation]

ganzen Zeit der Einschließung fortgesetzt, erreichten bald einen hohen Grad der Vollkommenheit. Größere und kleinere Erdwerke, Geschütz-Emplace ments, Schützengräben, Barrikaden, Blockhäuser, Verhaue 2. erstanden in großer Zahl, Dörfer, Mauern, einzelne Gehöfte und Häuser, die im Einschließungsbereiche lagen, wurden mit allen Mitteln der Kunst befestigt, andere, die das Schußfeld behinderten oder dem Feinde als Stützpunkt dienen konnten, zerstört; aus gleichem Grunde legte man ganze Waldstrecken nieder, nach allen Seiten wurden zahlreiche und gute Communikationen hergestellt, schützende Brustwehren und Unterkunftsräume, zum Theil selbst bombensicher eingedeckt, für die Vorposten errichtet, an geeig neten Punkten Observatorien eingerichtet und die wichtigsten derselben mit den Hauptquartieren, so wie diese untereinander telegraphisch verbunden — kurz, es wurde Alles aufgeboten, um die Cernirungslinie undurchdringlich zu machen.

Der erste größere Ausfall wurde von der Pariser Garnison am 30. September gegen die Front des 6. Armeecorps unternommen. Nach sehr heftigem mehrstündigem Feuer der Forts brachen Morgens 6 Uhr starke feindliche Colonnen gegen Chevilly und Choish vor. Um 8 Uhr war dieser Angriff durch die 12. Infanterie-Division auf allen Punkten abgeschlagen. Dasselbe Schicksal hatte ein zweiter Angriff, welchen der Feind nach abermaliger heftiger Beschießung um 9 Uhr gegen Chevilly richtete. Auf französischer Seite nahmen an dem Ausfall mindestens zwei Divisionen vom Corps Vinoy Theil; die Verluste derselben waren beträchtlich.

Am 13. October wurde ein Ausfall gegen das 2. baiersche Corps bei Chatillon mit Leichtigkeit zurückgewiesen. An demselben Tage wurde das frühere kaiserliche Schloß in St. Cloud von den Franzosen selbst ohne jede ersichtliche Veranlassung in Brand geschossen.

Am 21. October unternahm die Pariser Garnison mit etwa 12,000 Mann unter dem Schuße des Forts Mont Valérien einen Ausfall gegen die Vorposten der 10. Infanterie-Division bei La Malmaison und Buzanval, wurde jedoch nach mehrstündigem Gefechte, in welches auch einige von St. Germain herbeigeeilte Compagnien des 1. Garde-LandwehrRegiments eingriffen, unter den Augen des Königs mit beträchtlichem Verluste zurückgewiesen.

Le Bourget. Am 28. October früh Morgens wurde die in Le Bourget als Beobachtungsposten stehende Compagnie des Garde-Corps von bedeutender Uebermacht angegriffen und aus dem Dorfe zurückgedrängt, bevor sie Unterstützung erhalten konnte. Der Feind zog dann beträchtliche Verstärkungen an sich und richtete sich in dem Dorfe zu hartnäckiger Vertheidigung ein. Ein am 29. gemachter Versuch, ihn durch Artillerie-Feuer zu vertreiben, hatte keinen Erfolg. Da Le Bourget der einzige Beobachtungsposten vor der ausgedehnten Front des Garde-Corps war, auch die Gefahr vorlag, daß der Feind, im Besize dieses Ortes, sich mit schweren Batterien in der Höhe desselben etabliren und dadurch die Vertheidigungsstellung des GardeCorps ernstlich beunruhigen würde, so befahl der Kronprinz von Sachsen, das Dorf dem Feinde unter allen Umständen wieder zu entreißen. In Folge dessen griff der General-Lieutenant von Budrizki am 30. October Morgens

[blocks in formation]

das Dorf, nachdem dasselbe aus 5 Batterien beschossen war, mit 9 Bataillonen der 2. Garde-Infanterie-Division in drei Colonnen energisch an, drang von drei Seiten ein und warf nach mehrstündigem erbittertem Häuserkampfe, wobei er mit eigener Hand an gefährlichster Stelle die Fahne vorantrug, den Feind, der etwa 5000 Mann stark war, in AufLösung nach Paris zurück. Ueber 1200 Gefangene blieben in den Händen des Siegers, dessen eigner Verlust sich auf circa 400 Mann belief. Das Gefecht bei Le Bourget erhielt eine große Wichtigkeit durch die Bestürzung, welche der Ausgang desselben in Paris hervorrief. Der Feind verzichtete nun für längere Zeit auf jede größere Unternehmung.

Zu dem Eindrucke des unglücklichen Ausfalls kamen die ersten dunkeln Nachrichten von der Capitulation von Meß hinzu, um dem einsichtigeren Theile der Pariser Bevölkerung schon damals die hoffnungslose Lage der Hauptstadt und dadurch den Wunsch nach Beendigung des Widerstandes nahe zu legen. Deshalb fand auch Thiers, welcher aus Tours mit dem Vorschlage von Waffenstillstandsverhandlungen eintraf, bei der Regierung eine günstige Aufnahme. Aber die Friedenswünsche entsprachen nicht den Neigungen der untersten Volksklassen und ihrer Führer. Dieselben brachten es (wie oben erwähnt) in der Nacht vom 31. October zum 1. November zu einem förmlichen Aufstande, welcher allerdings nur vorübergehend den Sieg davon trug, dessen Einwirkung zur Einschüchterung der Regierung und der besonneneren Kreise der Bevölkerung aber sich auch weiter geltend machte. Die revolutionäre Arbeiterbevölkerung, welche später unter den selben Führern die Herrschaft der „Commune" begründete, hatte bei dem damaligen Aufstande den „Krieg bis auf's Aeußerste" auf ihre Fahne geschrieben und die Regierung hatte nicht den Muth, dieser Forderung zu widerstreben. Die Masse der bewaffneten Arbeiterbevölkerung von Paris führte während der Belagerung ein behaglicheres Leben als je; die Regierung bezahlte reichlich ihre Dienste in der Nationalgarde, die mit viel Müßiggang und wenig Gefahr verbunden waren und sorgte für ihren und ihrer Familien Lebensunterhalt. Ein so bequemes und sorgenloses Dasein war der Arbeiterbevölkerung zu anderen Zeiten nicht beschieden; fie hatte deshalb ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung des Widerstands und drängte unausgesetzt zum Kampfe, natürlich unter dem Vorbehalt, daß Andere ihre Haut zu Markte trügen. Eine Stärkung erhielt die Kriegs-Partei im November durch die Nachricht von dem Auftreten der Loire-Armee und von der Wiederbesetzung von Orleans durch dieselbe. Diese Nachricht belebte in hohem Maaße die Hoffnung auf den schließlichen Erfolg der vereinigten Anstrengungen der Hauptstadt und der Provinz.

Die militärischen Streitkräfte von Paris erfuhren inzwischen eine bedeutsame Vermehrung und Umformung, die gesammte Macht wurde in drei Armeen eingetheilt, die I. unter General Thomas (266 Bataillone), die II. unter General Ducrot (8 Infanterie- und 1 Kavallerie-Division in drei Armeecorps), die III. unter General Vinoy. Mit der II. Armee geoachte Trochu sich durch die Einschließungsarmee Bahn zu brechen, um dann im Verein mit einer von außen herbeirückenden Armee Paris zu

[blocks in formation]

entsetzen, während die beiden anderen Armeen die Vertheidigung der Werke fortsetzen sollten.

Ausfall und Gefecht bei Villiers. Zu derselben Zeit, wo Aurelles de Paladine sich anschickte, mit der Loire-Armee auf Paris zu marschiren, ergab sich aus sicheren Anzeichen, daß auch in Paris die größten Vorbereitungen zu einem bedeutenden Ausfall getroffen wurden. Schon zum 19. November war derselbe in Aussicht genommen, unterblieb aber damals; nur kleinere Ausfallversuche fanden in den nächsten Tagen statt, dagegen fort und fort das heftigste Feuer von den Forts. Am 29. November wurden die Ausfälle bereits bedeutender, besonders gegen das 6. Corps bei L'Hah, doch wurde der Feind siegreich zurückgewiesen.

Am 30. November erst, also zu derselben Zeit, wo Aurelles de Paladine von Orleans auf Fontainebleau vorzurücken beabsichtigte, wurde von Trochu mit aller Kraft vorgegangen, um einen Massendurchbruch durch die deutschen Armeen in östlicher und südöstlicher Richtung auf Meaux und Fontainebleau durchzusetzen. General Ducrot (einer von den zahlreichen Offizieren, welche ihr Ehrenwort, nicht wieder gegen Deutschland zu kämpfen, schmachvoll gebrochen hatten) kündigte diesen größten Ausfall mit einer feierlichen Proklamation an. Dieselbe begann mit den Worten:

,,Der Augenblick ist gekommen, um den eisernen Gürtel zu sprengen, welcher uns schon zu lange umschließt und uns in einem langwierigen und schmerzlichen Todeskampf zu ersticken droht! Euch ist die Ehre zugefallen, dieses große Unternehmen durchzuführen und ich bin davon überzeugt, Ihr werdet Euch derselben würdig zeigen.

Um eine Deffnung durch die Reihen des Feindes zu erzwingen, sind 400 Geschüße vom schwersten Kaliber bereit, Nichts wird ihrer Gewalt widerstehen, und um Euch in diese Oeffnung vorstürmen zu lassen, werdet Ihr Eurer mehr als 150,000 Mann sein, Alle gut bewaffnet und gut ausgerüstet, mit Munition über Bedarf versehen und, wie ich zuversichtlich hoffe, Alle von einem unwiderstehbaren Feuer beseelt. Siegt Ihr in dieser ersten Periode des Kampfes, so ist Euch der Erfolg gesichert, denn der Feind hat seine zahlreichsten und besten Soldaten nach den Ufern der Loire entsandt; die heroischen und erfolgreichen Anstrengungen unserer dor tigen Brüder werden sie daselbst festhalten.

Muth also und Vertrauen!

Was mich betrifft, so bin ich entschlossen, und ich schwöre es vor Euch und der ganzen Nation, nur tødt oder siegreich nach Paris zurückzukehren. Ihr könnt mich fallen, werdet mich aber nicht zurückweichen sehen. Im ersteren Falle stußt nicht, aber rächet mich.“

In der Nacht zum 30. November unterhielten alle Forts ein außer ordentlich heftiges Feuer. Am Morgen des 30. November fand zunächst abermals ein Angriff gegen das 6. Armeecorps statt, der jedoch merklich nur zur Täuschung über die Richtung des Hauptangriffs dienen sollte und in kurzem Kampfe zurückgewiesen wurde. Dagegen entwickelte der Feind von 9 Uhr an sehr bedeutende Kräfte gegen die württembergische Division und das 12. Armee-Corps. Die so eben erst eingerückten und mit der Dertlichkeit unbe

« ZurückWeiter »