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Zollbund und Zollparlament.

fassungswert aufzurichten, dessen weitere Entwickelung wir mit Zuversicht der Zukunft überlassen können.

Die Zeit ist herbeigekommen, wo unser Deutsches Baterland durch seine Gesammtkraft seinen Frieden, sein Recht und seine Würde zu vertreten im Stande ist.

So darf denn der erste Reichstag des Norddeutschen Bundes von seiner Thätigkeit mit dem erhebenden Bewußtsein scheiden, daß der Dank des Vaterlandes ihn begleitet und daß das Werk, welches er aufgerichtet hat, sich unter Gottes Beistand segenbringend entwickeln wird für uns und für künftige Geschlechter.

Gott aber wolle uns Alle und unser theures Baterland segnen!"

Die Verkündigung der Bundesverfassung erfolgte, nachdem die Landesvertretung in allen einzelnen Staaten ihre Zustimmung zu derselben ge geben hatte, am 24. Juni 1867.

Der Minister-Präsident Graf von Bismard wurde vom Könige zum Kanzler des Norddeutschen Bundes ernannt und wandte seine ganze staatsmännische Thatkraft nunmehr der Befestigung und weiteren Ausbil dung der neugeschaffenen Einrichtungen zu.

Bereits hatte er sein Streben auch darauf gerichtet, durch die Wiederaufrichtung des Deutschen Zollvereins ein enges wirthschaftliches Band und eine neue Grundlage nationaler Gemeinschaft zwischen dem Norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten zu schaffen. Am 8. Juli 1867 wurde ein neuer Vertrag mit Baiern, Württemberg, Baden und Hessen abgeschlossen, durch welchen nicht blos der frühere Zollvereinigungsvertrag wieder in Kraft gesezt, sondern auch mit den Bedürfnissen und neuen Einrichtungen Deutschlands in Einklang gebracht wurde, indem die Gesetzgebung in Zollangelegenheiten einer gemeinsamen Vertretung des Deutschen Volkes übertragen wurde. In dem neuen Zollbunde wurde dem Könige von Preußen dieselbe leitende Stellung in Bezug auf die gemeinsamen wirthschaftlichen Angelegenheiten übertragen, wie er sie im Nordbunde auszuüben hatte, das Zollparlament aber wurde durch den Zutritt süddeutscher Abgeordneter zum Norddeutschen Reichstage gebildet.

Bergeblich versuchten die Widersacher Preußens in Süddeutschland die Annahme der mit dem Norddeutschen Bunde geschlossenen Verträge, besonders der Schuß- und Truzbündnisse mit Preußen zu hintertreiben: die feste Haltung der süddeutschen Regierungen und die wachsende Einsicht der süddeutschen Bevölkerung, daß für sie nur in der Verbindung mit dem Norddeutschen Bunde ein fester Halt zu finden sei, halfen das erste Widerstreben überwinden, und das Jahr 1867 ging nicht zu Ende, ohne daß dem deutschen Volke die Zuversicht gegeben worden, daß eine innige Lebensgemeinschaft zwischen dem Norden und Süden nicht blos zu Schuß und Truß, sondern auch für die Pflege friedlichen Gedeihens gesichert sei.

Das Zollparlament trat am 27. April 1868 zum ersten Male in Berlin zusammen: eine seiner ersten Arbeiten war die Erneuerung des Zoll- und Handelsvertrags mit Desterreich. Beim Schlusse der ersten Session durfte König Wilhelm die Ueberzeugung aussprechen, daß dieselbe dazu gedient habe, das gegenseitige Vertrauen der deutschen Stämme

Innere Entwickelung Preußens.

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and ihrer Regierungen zu kräftigen und manche Vorurtheile zu zerstören oder doch zu mindern, die der einmüthigen Bethätigung der Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande im Wege gestanden haben: „Sie werden Alle," so schloß der König, „die Ueberzeugung in die Heimath_mitnehmen, daß in der Gesammtheit des deutschen Volkes ein brüderliches Gefühl der Zusammengehörigkeit lebt, welches von der Form, die ihm zum Ausdrucke bient, nicht abhängig ist, und welches gewiß in stetigem Fortschreiten an Kraft zunehmen wird, wenn wir allseitig bestrebt bleiben, in den Vordergrund zu stellen, was uns eint, und zurücktreten zu lassen, was uns trennen lönnte."

In Preußen und in Deutschland entwickelten sich die Verhältnisse in hoffnungsvoller Weise.

In den neuen Provinzen Preußens erfolgte die Ueberleitung zu den Einrichtungen der Preußischen Monarchie, nach der ausdrücklichen Verheißung des Königs „unter Schonung berechtigter Wünsche und Eigenthümlichkeiten,“ ohne jedoch den durch die Einheit des Staates und seiner Interessen bedingten Anforderungen Eintrag zu thun. Schon am 1. Oktober 1867 fonnten die neuen Provinzen durch den Zutritt zur Landesvertretung in die volle Theilnahme an dem politischen Leben Breußens aufgenommen werden, und bald zeigte sich, daß das Bewußtsein der neuen Staatsgemeinschaft bereits in weiten Kreisen der Bevölkerung Wurzel geschlagen hatte. Die thörichten Versuche des vormaligen Königs Georg von Hannover, der sich in Hießing bei Wien niedergelassen hatte, durch die Hoffnung auf Wiederherstellung des Welfenthrons in Hannover eine feindliche Erregung der hannoverschen Bevölkerung gegen die preußische Herrschaft zu nähren, scheiterten an dem gesunden Sinne des Voltes. Nur eine geringe Zahl von Hannoveranern ließ sich zu einer Welfischen Legion anwerben, welche dazu bestimmt war, mit Hülfe des Auslandes, besonders Frankreichs, den König Georg nach Hannover zurückzuführen; nachdem jedoch die Hoffnung auf eine nahe Unterstüßung Frankreichs mehr und mehr geschwunden war, wurde die Welfische Legion, obwohl sie heimlich fortbestand, sowie die unpatriotischen und ohnmächtigen Bestrebungen, welche ihre Sonderhoffnungen auf die Stüße des Auslandes gegen Deutschland gerichtet hatten, mehr und mehr nur noch zu einem Gegenstande der Berachtung des ganzen deutschen Volkes.

Die inneren Einrichtungen des Norddeutschen Bundes erhielten eine immer erfreulichere und hoffnungsvollere Entwickelung. Der erste Reichstag löste in den Seffionen von 1867 bis 1870 im Vereine mit der Regierung zum großen Theile die Aufgabe, die wesentlichsten Bestimmungen der Bundesverfassung durch Ausführungsgesete in dem politischen und bürgerlichen Leben des Volkes zur Geltung zu bringen. Alle wichtigen Folgen des in der Verfassung verkündeten gemeinsamen deutschen Indigenats, die Freiheit der Niederlassung, die gemeinsame Staats- und Bundesangehörigkeit u. s. w. kamen alsbald zur Verwirklichung, durch eine BundesGewerbe-Ordnung wurden der freien Bewegung gewerblicher Thätigleit neue, dem gesammten Bunde gemeinsame Bahnen eröffnet. Die Führung einer Norddeutschen Bundesflagge, der Schutz der deutschen Schiff

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Entwicklung des Norddeutschen Bundes.

fahrt durch Gesandtschaften und Konsulate des Bundes wurden durch Geseze und durch Verträge geregelt. Die Organisation des Bundesheeres auf den alt bewährten Grundlagen der preußischen Heereseinrichtungen wurde allseitig vollendet und die Bundes-Kriegs-Marine kräftig entwickelt, um der nationalen Wehrkraft Deutschlands auch zur See die gebührende Be deutung zu sichern. Die Bollendung und feierliche Weihe des ersten deutschen Kriegshafens, welcher den Namen Wilhelmshafen erhielt (1869), gab Zeugniß von der Thatkraft, mit welcher jenes Ziel verfolgt wurde und von der lebendigen Theilnahme, welche die Nation dieser Aufgabe widmet. Die Herstellung gemeinsamer Rechtseinrichtungen wurde in allen Beziehungen in Angriff genommen, auf wichtigen Gebieten, namentlich durch Vereinbarung eines einheitlichen Strafrechts zur Ausführung gebracht. Ein gemeinsames Handelsgesetzbuch und die Einrichtung eines obersten Bundesgerichtshofes für Handelssachen sicherten die einheitliche Entwickelung des Deutschen Handelsrechts.

Mit gutem Grunde durfte König Wilhelm beim Schlusse des Reichstages im Mai 1870 darauf hinweisen, daß die großen Erfolge, welche im Wege freier Verständigung der Regierungen und der Volksvertreter, unter sich und mit einander, in verhältnißmäßig kurzer Zeit gewonnen wurden, dem deutschen Volke die Bürgschaft der Erfüllung der Hoffnungen gäben, welche sich an die Schöpfung des Bundes knüpfen, indem sie bewiesen, daß der deutsche Geist, ohne auf die freie Entwickelung zu verzichten, in der seine Kraft beruht, die Einheit in der gemeinsamen Liebe Aller zum Vaterlande zu finden weiß.

Mit hochherzigem Vertrauen fügte der König hinzu: „Diese Erfolge, gewonnen durch treue und angestrengte Arbeit auf dem Gebiete der Wohl fahrt und der Bildung, der Freiheit und der Ordnung im eignen Lande, gewähren auch dem Auslande die Gewißheit, daß der Norddeutsche Bund in der Entwickelung seiner innern Einrichtungen und seiner vertragsmäßigen nationalen Verbindung mit Süddeutschland, die deutsche Volkskraft nicht zur Gefährdung, sondern zu einer starken Stüße des allgemeinen Friedens ausbildet, welcher die Achtung und das Vertrauen der Völker wie der Regierungen des Auslandes zur Seite stehen.“

König Wilhelm durfte in der Reinheit und Redlichkeit seines eigenen fürstlichen Strebens und Bewußtseins so sprechen; aber sein Vertrauen zu dem gleichen Streben anderer Regierungen sollte unmittelbar darauf schwer getäuscht werden.

Die allmälige und dem endlichen Ziele immer mehr entgegenreifende Einigung und nationale Kräftigung Deutschlands hatte längst die Eifersucht Frankreichs erweckt und sollte nicht zur Erfüllung gelangen, ohne daß zuvor in einem letzten und entscheidenden Kampfe das Widerstreben des alten Erbfeindes der deutschen Nation überwunden war.

Frankreich und die deutsche Einheit.

62. Der Krieg gegen Frankreich.

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Frankreichs Stellung zu Preußen und Deutschland. Schon seit dem Jahre 1866 hatte Frankreich mit Eifersucht auf die Entwickelung der deutschen Verhältnisse geblickt. Kaiser Napoleon III., welchem es geglückt war, im Verein mit England durch den Krieg in der Krim Rußlands Macht für eine Zeit lang zu lähmen und durch den italienischen Krieg Desterreichs Einfluß in Italien zu verdrängen, hatte der deutschen Verwickelung nach dem dänischen Kriege mit der stillen Hoffnung zugesehen, daß Desterreich und Preußen einander nur gegenseitig schwächen würden, und daß er alsdann der Schiedsrichter zwischen denselben und damit zugleich der Herr über Europa sein würde. Er hatte Desterreich heimlich zum Kampf gegen Preußen ermuntert und sich einen Antheil am Siegespreise auf Kosten Deutschlands im voraus ausbedungen, während er gleichzeitig auf Seiten Preußens seine Neutralität zur Vergrößerung Frankreichs auf Kosten der Nachbarstaaten zu verwerthen bedacht war. Es gelang ihm freilich nicht, von preußischer Seite irgend ein Zugeständniß in solcher Richtung zu erlangen. Napoleon aber mochte mit Zuversicht darauf rechnen, daß Preußen, Falls es überhaupt als Sieger aus dem Kampfe hervorginge, doch jedenfalls so geschwächt sein würde, daß es nicht umhin könnte, Frankreich nachträglich große Zugeständnisse zu machen. Um so größer war die Bestürzung der französischen Regierung, als Preußen in einem Feldzuge von wenigen Wochen Desterreich und seine Verbündeten vollständig besiegte und nach dem entscheidenden Siege von Königgräß noch in voller Kraft, ja mit größerer Heeresmacht, als beim Ausbruch des Krieges, dastand. Kaiser Napoleon beeilte sich, auf Desterreichs Anrufen, den Frieden von Nicolsburg zu vermitteln, nachdem Desterreich sich zunächst dazu hatte verstehen müssen, Venetien zu Gunsten Italiens an den Kaiser Napoleon abzutreten. Für Frankreich selbst hoffte Napoleon aber einen Lohn aus Preußens Hand zu empfangen, und trat alsbald mit Anträgen wegen einer Landabtretung an Frankreich hervor. Im August 1866 legte der franzöfische Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, einen vom Kaiser Napoleon genehmigten Vertragsentwurf vor, nach welchem die im Jahre 1814 von Frankreich zurückeroberten deutschen Gebietstheile Preußens, Baierns und Hessens auf dem linken Rheinufer wieder mit Frankreich vereinigt werden sollten. Für den Fall der Ablehnung dieser Forderungen wurde eine Kriegsdrohung hinzugefügt.

Die preußische Regierung wies jedoch das dreiste Ansinnen mit Entschiedenheit zurück. König Wilhelm erklärte, daß auch nicht ein Fuß breit deutscher Erde" an Frankreich abgetreten werden solle. Der französischen Kriegsdrohung aber begegnete Preußen damit, daß alle Einleitungen getroffen wurden, um nöthigen Falls einen Theil der noch in Böhmen stehenden Armeen sofort an den Rhein werfen zu können. Gegenüber dieser festen Entschlossenheit zog Frankreich seine Anträge fürs Erste zurück, um fie bald darauf in anderer Gestalt, aber mit ebenso geringem Erfolge zu erneuern. Als Kaiser Napoleon fich überzeugt hatte, daß an eine Ver größerung Frankreichs auf Kosten Deutschlands mit Preußens Hülfe nicht

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Die Luxemburgische Frage.

zu denken sei, versuchte er wiederum Frankreich durch anderweitige Ber größerung eine Genugthuung zu verschaffen. Schon in früheren Jahren hatte man von französischer Seite versucht, Preußen für Pläne beiderseitiger Vergrößerung zu gewinnen, wobei für Frankreich (Falls deutsches Gebiet nicht zu erreichen war) bald Luxemburg, bald Belgien ins Auge gefaßt wurde. Die preußische Regierung hatte sich jedoch niemals dazu verstanden, auf derartige Vorschläge und Anträge näher einzugehen.

Nachdem nun auch jezt wieder die Hoffnung für Frankreich geschwunden war, auf deutscher Seite einen Ausgleich und Ersatz für die durch Preußens Vergrößerung vermeintlich eingetretene Störung des europäischen Gleichgewichts zu finden, gedachte Kaiser Napoleon sich einen solchen Ersatz selbstständig durch die Erwerbung Luxemburgs zu verschaffen.

Das Großherzogthum Luxemburg, welches der König von Holland als einen besonderen Staat beherrschte, hatte bis 1866 zum Deutschen Bunde gehört und in Folge dessen eine preußische Besatzung in der Festung Luxemburg als Bundesfestung gehabt.

Nach der Auflösung des früheren Deutschen Bundes konnte der König von Holland nicht genöthigt werden, für Luxemburg dem neu errichteten Norddeutschen Bunde beizutreten. Preußen stellte eine solche Forderung nicht, weil es, wie Graf Bismarck erklärte, den Souveränen weder Gewalt, noch Zwang anthun, noch auch den Zunder, welcher den europäischen Frieden bedrohte, vermehren wollte. Die preußische Regierung nahm lediglich eine freie Verständigung über die künftige Stellung Luxemburgs, namentlich über die frühere Bundesfestung Luxemburg in Aussicht. Das preußische Besatzungsrecht in derselben beruhte zunächst eben auf dem ge lösten Verhältnisse Luxemburgs zum Bunde, die darüber abgeschlossenen Verträge bestimmten jedoch, daß dabei „das Interesse der vereinigten Ber theidigung Preußens und Luxemburgs" maßgebend sein sollte. Als daher von Seite des Königs von Holland und der Bevölkerung Luxemburgs der Wunsch hervortrat, den bisherigen Vertrag aufzugeben, mußte die preußische Regierung darauf Bedacht nehmen, zur Sicherung der deutschen Grenzen, insoweit dieselbe bis dahin durch die Feste Luxemburg gewährt war, einen entsprechenden Ersatz zu verlangen. Bevor es jedoch zu bestimmten BerHandlungen hierüber gekommen war, gelangte die Angelegenheit durch die Absichten Frankreichs auf Luxemburg in eine veränderte Lage.

Zwischen dem Kaiser Napoleon und dem Könige von Holland hatten vertrauliche Verhandlungen über die Abtretung des Großherzog, thums Luxemburg an Frankreich gegen eine Geldentschädigung stattgefunden. Die preußische Regierung trat diesem Vorhaben, gestüt auf die einmüthige Stimme Deutschlands, entgegen, entschlossen, unter keinen Umständen zuzugeben, daß die bis dahin zur Vertheidigung Deutschlands eingerichtete Festung fünftighin ein Mittel zur Bedrohung Deutschlands wer den könnte.

Um die Angelegenheit wo möglich auf friedlichem Wege berzulegen, wandte Preußen sich zunächst an die europäischen Mächte, welche den früheren Vertrag über Luxemburg mit unterzeichnet hatten. Demzufolge kam es zu gemeinsamen Conferenzen in London mit dem ausgesprochenen Zwecke,

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