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Schutz- und Trußbündnisse mit Süddeutschland.

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dazu zu benutzen, der nationalen Verständigung mit Süddeutschland underweilt die Wege zu bahnen. In solcher Absicht versagte es sich die preußische Regierung, den süddeutschen Staaten erhebliche Gebietsabtretungen oder son stige Bedingungen, welche die Wiederanknüpfung eines nationalen Bandes hinterher erschweren könnten, aufzuerlegen: dagegen sollten auch durch diese Friedensverhandlungen neue Grundlagen für eine ersprießliche nationale Entwickelung Gesammtdeutschlands gesichert werden. Gegen Ende August kamen die Friedenschlüsse mit den süddeutschen Staaten zu Stande. Baiern trat an Preußen nur einige Landstriche (Orb und Gersfeld) ab, welche zur Abrundung des südlichen Gebietes des mit Preußen zu vereinigenden Kurfürstenthums Hessen erforderlich waren, Hessen-Darmstadt überließ an Preußen die frühere Landgrafschaft Hessen-Homburg und das ausschließliche Bejagungsrecht der früheren Bundesfestung Mainz, auch sollte die nördlich des Main gelegene hessische Provinz Oberhessen in den Norddeutschen Bund treten. Würtemberg und Baden, welche gänzlich im Süden des Main liegen, wurden Gebietsabtretungen gar nicht auferlegt. Sämmtliche Staaten aber übernahmen die Zahlung von mehr oder minder erheblichen Kriegskosten an Preußen. Als diese Friedensbedingungen bekannt wurden, erregte die Mäßigung und Milde derselben vielfach Befremden. Es wurde behauptet, daß die füddeutschen Staaten diese mäßigen Bedingungen nur dem Einflusse fremder Mächte, Rußlands oder Frankreichs zu danken hätten: in Frankreich rühmte später sogar ein Staatsmann, daß Baiern nur durch die Anlehnung an Frankreich so gut weggekommen sei. Fast Niemand aber ahnte damals, daß der wichtigste Theil des Friedensschlusses in geheimen Verträgen bestand. Als dieselben später bekannt wurden, erkannte und verstand Jedermann, warum Preußen so mild verfahren war. „Beseelt von dem Wunsche, das künftige Verhältniß der Fürsten und ihrer Staaten möglichst innig zu gestalten“ (so heißt es in den Verträgen), hatten Preußen und die jüddeutschen Regierungen ohne Weiteres Schuß- und Trußbündnisse abgeschlossen. Sie gewährleisteten sich gegenseitig die Unverleßlichkeit des Gebietes ihrer Länder und verpflichteten sich, im Falle eines Krieges ihre volle Kriegsmacht zu diesem Zwecke einander zur Verfügung zu stellen. Dem Könige von Preußen wurde für solchen Fall der Oberbefehl über sämmtliche Truppen der süddeutschen Staaten übertra gen. So war, noch ehe selbst der Bund norddeutscher Staaten ins Leben getreten war, die enge Verbindung mit Süddeutschland gesichert: die Mainlinie, welche die Grenze des Norddeutschen Bundes bezeichnen sollte, war, Dank der Vorsorge und Thatkraft der preußischen Regierung, von vorn herein keine Grenzscheide für die nationale Einigung; diese sollte vielmehr für ganz Deutschland auf festerem Grunde ruhen, als je zuvor. Der Friede mit Sachsen kam erst am 21. Oktober zu Stande. Sachsen welches mehr als irgend ein anderer Staat zum Ausbruche des Krieges beigetragen und sein Heer unverweilt mit der österreichischen Armee zum Kampfe gegen Preußen vereinigt hatte, war durch den Prager Frieden vor dem Schicksale bewahrt worden, welchem Desterreich alle seine übrigen Bundesgenossen in Norddeutschland überlassen hatte. Indem aber Preußen einwilligte, daß Sachsen in seinem bisherigen Besißstande und Umfange er

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Friede mit Sachsen; Einverleibung der eroberten Länder.

halten blieb, mußte es andererseits dafür sorgen, daß hierdurch die Abrundung und die Sicherheit des preußischen Machtgebietes in Norddeutschland keine Beeinträchtigung erfahre. Das eigene Bestehen eines Königreichs Sachsen war nur unter der Bedingung zulässig, daß die sächsische Regierung fortan in allen politischen Beziehungen nur die Wege Preußens und des Norddeuts schen Bundes gehen kann, und daß alle militärischen Kräfte und wichtigen Punkte Sachsens in jeder Beziehung zur Verfügung des Norddeutschen Bundes stehen. Dies wurde durch den Friedensvertrag erreicht. Durch denselben trat der König von Sachsen für sich und seine Nachfolger dem Bündnisse der Norddeutschen Staaten bei. Auf den Grundlagen der Heereseinrichtungen des Norddeutschen Bundes sollte eine völlige Neubildung des sächsischen Heeres erfolgen, welches einen untrennbaren Theil des Norddeutschen Bundesheeres unter dem Oberbefehle des Königs von Breußen bildet. Auf Grund einer besonderen militärischen Vereinbarung wurde die Festung Königstein den Preußen übergeben und die Besatzung des Königreichs Sachsen mit Ausnahme Dresdens (wo eine gemeinschaftliche Garnison unter einem preußischen Gouverneur eingesetzt wurde) einstweilen und bis zur Neubildung der sächsischen Armee preußischen Truppen über tragen. Außerdem zahlte Sachsen 10 Millionen Thaler Kriegskosten. Das Wichtigste an diesem Vertrage war, daß Sachsen durch denselben durchaus auf das baldige Zustandekommen des Norddeutschen Bundes hingewiesen war, da es nicht früher wieder eine eigene Armee erhalten konnte. Die Durchfüh rung des Bundes war hierdurch für Sachsen mehr als für jeden anderen Staat ein unabweisliches Bedürfniß geworden. Der bedeutendste der norddeutschen Staaten war in seinem eigenen Interesse unmittelbar auf die Ber wirklichung der preußischen Pläne hingewiesen; die preußische Regierung hatte sich an dem früheren eifrigsten Gegner eine sichere Stüße für ihre weiteren Verhandlungen geschaffen. Durch das Verhalten der sächsischen Regierung hat sich diese Zuversicht in vollem Maße bewährt.

Die Vereinigung der eroberten Länder mit der preußischen Monarchie. Durch den Prager Frieden war dem Könige von Preußen völlig freie Verfügung über die in Norddeutschland eroberten Landestheile über lassen. Desterreich hatte alle von Preußen in dieser Beziehung zu treffenden Bestimmungen und Besitveränderungen im Voraus anerkannt. König Wil helm beschloß, jene Länder mit der preußischen Monarchie zu vereinigen. In einer Botschaft an die Landesvertretung kündigte er diese Absicht (am 16. August) mit folgenden Worten an:

„Die Regierungen des Königreichs Hannover, des Kurfürstenthums Hessen und des Herzogthums Nassau, sowie die freie Stadt Frankfurt haben sich durch ihre Theilnahme an dem feindlichen Verhalten des ehema, ligen Bundestages in offenen Kriegszustand mit Preußen versezt. Sie haben sowohl die Neutralität, als das von Preußen unter dem Versprechen der Gewährleistung ihres Länderbestandes ihnen wiederholt und noch in letter Stunde angebotene Bündniß abgelehnt, haben an dem Kriege Desterreichs mit Preußen thätigen Antheil genommen und die Entscheidung des Krieges über sich und ihre Länder angerufen. Diese Entscheidung ist nach Gottes Rathschlusse gegen sie ausgefallen. Die politische Nothwendigkeit zwingt

Einverleibung der eroberten Länder.

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Uns, ihnen die Regierungsgewalt, deren sie durch das siegreiche Vordringen Unserer Heere entkleidet sind, nicht wieder zu übertragen. Die genannten Länder würden, falls sie ihre Selbstständigkeit bewahrten, vermöge ihrer geographischen Lage bei einer feindseligen oder auch nur zweifelhaften Stellung ihrer Regierungen der preußischen Politik und militärischen Action Schwierigkeiten und Hemmnisse bereiten können, welche weit über das Maß ihrer thatsächlichen Macht und Bedeutung hinausgingen. Nicht in dem Verlangen nach Ländererwerb, sondern in der Pflicht, Unsere ererbten Staaten vor wiederkehrender Gefahr zu schüßen, der nationalen Neugestaltung Deutschlands eine breitere und festere Grundlage zu geben, liegt für Uns die Nöthigung, das Königreich Hannover, das Kurfürstenthum Hessen, das Herzogthum Nassau und die freie Stadt Frankfurt auf immer mit unserer Monarchie zu vereinigen. Wohl wissen Wir, daß nur ein Theil der Bevölkerung jener Staaten mit uns die Ueberzeugung von dieser Nothwendigkeit theilt. Wir achten und ehren die Gefühle der Treue und Anhänglichkeit, welche die Bewohner derselben an ihre bisherigen Fürstenhäuser und an ihre selbstständigen politischen Einrichtungen Inüpfen. Allein Wir vertrauen, daß die lebendige Betheiligung an der fortschreitenden Entwickelung des nationalen Gemeinwesens in Verbindung mit einer schonenden Behandlung berechtigter Eigenthümlichkeiten den unvermeidlichen Uebergang in die neuere größere Gemeinschaft erleichtern werde.“

Nachdem der Landtag durch ein Gesetz vom 20. September seine Zustimmung zur Bereinigung der genannten Länder mit der preußischen Monar chie gegeben hatte, fand am 6. und 8. October in Hannover, in Kurhessen, in Frankfurt a. M. und in Nassau die feierliche Verkündigung der Königlichen Besizergreifungs - Patente statt. Gleichzeitig ergingen Proclamationen an die Bewohner der neuen Landestheile. In dem Aufrufe für Hannver sagte der König:

,,Durch das Patent, welches Ich heute vollzogen habe, vereinige Ich Euch, Einwohner der hannoverschen Lande, mit Meinen Unterthanen, Euren Nachbarn und deutschen Brüdern. Durch die Entscheidung des Krieges und durch die Neugestaltung des gemeinsamen deutschen Vaterlandes nunmehr von einem Fürstenhause getrennt, dem Ihr mit treuer Ergebenheit angehangen, tretet Ihr jegt in den Verband des Nachbarlandes, dessen Bevölkerung Euch durch Stammesgemeinschaft, durch Sprache und Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen befreundet ist. Wenn Ihr Euch nicht ohne Schmerz von früheren, Euch lieb gewordenen Verhältnissen lossagt, so ehre Ich diesen Schmerz, und würdige denselben als eine Bürgschaft, daß Ihr und Eure Kinder auch Mir und Meinem Hause mit Treue angehören werdet. Ihr werdet die Nothwendigkeit des Geschehenen erkennen. Denn sollen die Früchte des schweren Kampfes und der blutigen Siege für Deutschland nicht verloren sein, so gebietet es ebenso die Pflicht der Selbst= erhaltung, als die Sorge für die Förderung der nationalen Interessen, Hannover mit Preußen fest und dauernd zu vereinigen. Und wie schon Mein in Gott ruhender Herr Vater es ausgesprochen nur Deutschland hat gewonnen, was Preußen erworben. Dieses werdet Ihr mit Ernst erwägen, und so vertraue Ich Eurem deutschen und redlichen Sinne, daß Ihr

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Der Machtzuwachs Preußens.

Mir Eure Treue ebenso aufrichtig geloben werdet, wie Ich zu Meineın Bolle Euch aufnehme.“

In ähnlicher Weise sprach der König zu den Bewohnern der übrigen neuen Landestheile.

Die Einverleibung Schleswig-Holsteins (vorbehaltlich der späteren Entscheidung über die nördlichen Districte von Schleswig) konnte, da dieselbe mit dem endgültigen Abschlusse der Verhandlungen mit Defterreich zusammenhing, erst etwas später erfolgen. Am Weihnachtstage 1866 vollzog der König das betreffende Gesetz und ebenso die Bestimmungen wegen Vers einigung der vormals baierschen und hessen-darmstädtischen Gebiete mit der preußischen Monarchie. Am 24. Januar 1867 wurde das Königliche Besizergreifungs-Patent in Schleswig-Holstein, kurz darauf in Homburg u. s. w. verkündet.

Preußens Siegespreis war der gebrachten Opfer werth: durch den ruhmreichen Feldzug war Größeres für Preußen und Deutschland errungen, als durch irgend einen der glänzenden Siegeszüge der preußischen Geschichte. Eine Reihe der wichtigsten Erfolge war gleichzeitig davon getragen, jeder für sich schon ein gewaltiger Siegespreis, in ihrem Zusammenhange aber von der durchgreifendsten Bedeutung für Preußens und Deutschlands Machtstellung. Preußen selbst hatte eine Ausdehnung und Ab. rundung gewonnen, durch welche es seine Stellung als Großmacht fortan in jeder Beziehung leichter und nachdrücklicher geltend machen kann; Preußen vereinigte ferner ganz Norddeutschland bis an den Main durch einen engen militärischen und politischen Bund zu einer thatkräftigen deutschen Macht; Preußen war endlich die alleinige leitende Großmacht in Deutschland geworden.

Die eigene Vergrößerung Preußens war so erheblich, wie sie in der wunderbar glücklichen Geschichte des Landes noch niemals mit einem Schlage erreicht worden war. Die preußische Monarchie, welche bis zum Jahre 1866 5104 Quadratmeilen mit 19,304,843 Einwohnern umfaßte, erhielt nunmehr folgenden Zuwachs:

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mit 698 M. u. 1,923,492 Einwohnern,

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Gesammtzuwachs

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4,285,700

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so daß das ganze preußische Gebiet auf 6412 M. mit damals 23,590,543 Einwohnern anwuchs.

Preußen hatte also durch den siegreichen Feldzug beinahe den vierten Theil seines gesammten bisherigen Besitzstandes dazu gewonnen. Der Werth und die Bedeutung der neuen Erwerbungen wurden aber durch die Lage und Beschaffenheit der gewonnenen Länder noch unvergleichlich erhöht. Das preu= ßische Gebiet hatte bis dahin aus zwei getrennten Theilen ohne jeden unmit

Breußens Siegespreis; Heerschau vor Wien.

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telbaren Zusammenhang bestanden, mitten dazwischen liegend Hannover, Kurhessen u. s. w. Jezt hatte Preußen diese Länder, welche den Zusammenhang seiner östlichen und westlichen Provinzen störten, in sich aufgenommen und bildet nunmehr ein bestimmt abgerundetes, feft verbundenes Ländergebiet. Für Preußens Entwickelung zur See ist es ferner von hoher Bedeutung, daß nicht blos das einst von Friedrich dem Großen gewonnene, später mit Hannover vereinigte schöne Ostfriesland an der Nordseeküste wieder an Preußen gekommen, sondern gleichzeitig fast das ganze norddeuts sche Küstenland von Schleswig-Holstein bis nach Holland hin erworben worden ist. Während Preußen seine durch Friedrich den Großen geschaffene Stellung als Großmacht bisher nur durch die äußerste Anspannung aller Volkskräfte hatte aufrecht erhalten können, hat es jetzt durch die Ausfüllung und Abrundung seines Ländergebietes in Nord- und Mitteldeutschland erst die wahrhaft naturgemäße Grundlage einer Großmacht an Land und Leuten gewonnen. So groß aber schon dieser Erfolg ist, so ist doch größer und wichtiger noch die Befestigung und Erhöhung der Machtstellung Breußens in Deutschland und damit zugleich der nationalen Macht des deutschen Vaterlandes. Das Hinderniß, welches alle deutsche Entwickelung gelähmt hatte, Desterreichs Stellung in Deutschland und sein Widerstreben gegen Preußens Einfluß, war auf den Schlachtfeldern Böhmens endlich überwunden worden. Desterreich hatte seine hervorragende Stellung im deutschen Bunde gleichsam als die Fortsetzung seiner vormaligen deutschen Kaiserwürde angesehen, und würde dieselbe niemals freiwillig aufgegeben haben. Nur der niederschmetternde Schlag von Königgräß und die Bedrohung Wiens haben es dazu bewegen können, Preußens aufstrebender Kraft freien Spielraum in Deutschland zu lassen. In der nunmehr gesicherten neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung Desterreichs ist daher mit Recht die höchste Err ingenschaft, der edelste Siegespreis der preußischen Waffen erkannt worden. Preußen und Deutschland sind durch die großen Ergebnisse des Krieges von 1866 in eine neue Zeit selbstbewußter Kraft und Entwickelung eingetreten.

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Rückkehr des Königs und der Armee. Bevor König Wilhelm nach seinen Landen zurückkehrte, wollte er seine tapfere Armee noch einmal auf dem Schauplaze ihrer glorreichen Thaten sehen. Am 30. und 31. hielt er auf dem Marchfelde vor Wien große Heerschau. Ueberall begrüßten die Truppen ihren geliebten Kriegsherrn mit begeistertem Zurufe und empfingen mit Freude und Stolz die Zeichen der Anerkennung und des Dankes, die Se. Majestät ihnen zu Theil werden ließ. Nach der Heerschau richtete der König an die versammelten Generale folgende Worte: „Es ist Gottes Werk, was wir heute vor uns sehen — Gott allein die Ehre! Wir aber find Gottes Werkzeuge gewesen. Der unvergleichlichen Bravour Meiner herrlichen Armee und Ihrer ausgezeichneten Führung verdanke Ich, verdankt das Vaterland diesen glänzenden, so schnell beendeten, mit so ruhmreichen Ergebnissen gekrönten Feldzug. Noch einmal: Meine vollste Anerkennung und Meinen Königlichen Dank!"

Zulegt kam der König noch bei einigen Feldpredigern vorüber. Er wen dete um und sprach zu ihnen etwa wie folgt: „Meine Herren! Sie haben

Hahn, preuß. Gesch.

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