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Die Heeresreform vor dem Landtage; Ministerwechsel.

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Theile bewußt. Der damalige Präsident des Abgeordnetenhauses gab die Versicherung, daß das Haus „sich der unbedingten rückhaltlosen Hingebung unseres Volkes an seinen weltgeschichtlichen Beruf erinnern werde, vermöge deren unser Volk nie geschcut habe, selbst das Leben muthig einzusetzen, damit ihm das Leben gewonnen werde."

Die Vorschläge, welche die Regierung machte, um Preußens Wehrkraft zu erhöhen, fanden in der Hauptsache die Billigung des damaligen Abgeordnetenhauses. Da jedoch die Verhandlungen über einzelne Punkte der Heereseinrichtung, besonders über die Dauer der Dienstzeit und über die künftige Stellung der Landwehr nicht alsbald zum Ziele führten, so bewilligte die Landesvertretung in den Jahren 1860 und 1861 wenigstens vorläufig die Mittel zur Aufrechthaltung und Vervollständigung der neuen Einrichtungen.

The jedoch eine weitere volle Verständigung erreicht war, wurde durch neue Wahlen die Zusammenseßung des Abgeordnetenhauses bedeutend verändert: während bis dahin die Mehrheit des Hauses mit dem Ministerium des Fürsten Hohenzollern Hand in Hand zu gehen bereit war, gewann bei jenen Wahlen die sogenannte Fortschrittspartei die Oberhand, welche fich an den freisinnigen Bestrebungen des Ministeriums nicht genügen ließ, sondern umfassendere und raschere Umgestaltungen der Staatseinrichtungen herbeiführen wollte. Darüber gerieth das Abgeordnetenhaus bald mit der Regierung in Streit. Das Ministerium lös'te im März 1862 das Abgeordnetenhaus auf. Gleich darauf aber trat ein Wechsel im Ministerium selbst ein, zu dessen Vorsitzenden der König den Prinzen zu Hohenlohe-Ingelfingen berief.

Durch einen Erlaß an das Staats-Ministerium sprach sich der König (am 19. März 1862) über seine Absichten unter den damaligen Berhältnissen aus.

„Ich halte," sagte er,,,unabänderlich fest an den Grundsätzen, welche Ich am 8. November 1858 dem Staats-Ministerium eröffnet und seitdem wiederholt vor dem Lande kund gegeben habe; sie werden, richtig aufgefaßt, auch ferner die Richtschnur Meiner Regierung bleiben. Aber die daran geknüpften irrthümlichen Auslegungen haben Verwickelungen erzeugt, deren glückliche Lösung die nächste Aufgabe Meiner gegenwärtigen Regierung ist. In weiterer Ausführung der bestehenden Verfassung soll die Gesetzgebung und Verwaltung von freisinnigen Grundsäßen ausgehen. Es kann aber ein heilbringender Fortschritt nur gedacht werden, wenn man, nach besonnener und ruhiger Brüfung der Zeitlage, die wirklichen Bedürfnisse zu befriedigen, und die lebensfähigen Elemente in den bestehenden Einrichtungen zu benußen weiß.

Es ist Meine Pflicht und Mein ernster Wille, der von Mir beschworenen Verfassung und den Rechten der Landesvertre tung ihre volle Geltung zu sichern, in gleichem Maße aber auch die Rechte der Krone zu wahren und sie in der ungeschmälerten Kraft zu erhalten, welche für Preußen zur Erfüllung seines Berufes nothwendig ist und deren Schwächung dem Vaterlande zum Verderben gereichen würde."

Des Königs Absichten wurden jedoch fürerst in weiten Kreisen verkannt. Die Fortschrittsvartei gewann durch die neuen Wahlen im Mai 1862 ein

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Verfassungsstreit: Berufung des Ministers von Bismard.

noch entschiedencres Uebergewicht im Abgeordnetenhause und begegnete dem neuen Ministerium von vorn herein mit offen ausgesprochenem Mißtrauen.

Die Spannung zwischen der Regierung und der Landesvertretung wurde besonders unheilvoll für die weiteren Verhandlungen über die Reorganisation des Heeres. Das neue Abgeordnetenhaus trat in entschiedenen Gegensatz gegen die bisherige Durchführung der neuen Heereseinrichtungen überhaupt, und verweigerte (im September 1862) alle Ausgaben für dieselben. Das Herrenhaus aber versagte dem Beschlusse des Abgeordnetenhauses und demgemäß dem ganzen Staatshaushaltsgefeße, wie das Abgeordnetenhaus das, felbe verändert hatte, seine Zustimmung, und es kam daher ein solches Geset für das Jahr 1862 gar nicht zu Stande.

Aus der Militärfrage entstand nunmehr ein Verfassungsstreit, indem der Forderung der Verfassung, daß der Staatshaushalt für jedes Jahr durch ein Gesetz (d. h. durch Uebereinstimmung des Königs und beider Häuser des Landtags) festgestellt werden solle, nicht genügt war und zunächst nicht genügt werden konnte.

Ministerium Bismarck. König Wilhelm hatte inzwischen, da der Prinz Hohenlohe sich wegen Krankheit zurückzuziehen wünschte, den bisherigen Gesandten in Paris v. Bismarck, einen Mann von seltener Geistes- und Thatkraft, an die Spitze seines Ministeriums berufen. Derselbe erklärte beim Schlusse der Landtags-Session, die Regierung könne den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses nicht beitreten. Sie würde sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig machen, wenn sie die auf Grund der früheren Bewilligungen der Landesver tretung ausgeführte Umformung der Heeres-Verfassung, mit Beeinträchtigung der Machtstellung Preußens, rückgängig machen wollte. — Die Regierung befinde sich in der Nothwendigkeit, den Staatshaushalt ohne die in der Verfassung vorausgesezte Unterlage führen zu müssen. Sie sei sich der Verantwortlichkeit in vollem Maße bewußt, die für sie aus diesem beklagenswerthen Zustande erwachse; sie sei aber ebenso der Pflichten eingedenk, welche ihr gegen das Land obliegen, und finde darin die Ermächtigung, bis zur ges setzlichen Feststellung des Etats die Ausgaben zu bestreiten, welche zur Er haltung der bestehenden Staatseinrichtungen und zur Förderung der Landeswohlfahrt nothwendig seien, indem sie die Zuversicht hege, daß dieselben seiner Zeit die nachträgliche Genehmigung des Landtages erhalten werden. Der Minister fügte den Ausdruck der Zuversicht hinzu, daß auf dem Grunde der gemeinsamen Hingebung für die Macht und Würde der Krone und für das Wohl des Vaterlandes auch die jezt hervorgetretenen Gegenfäße ihre Ausgleichung finden werden.

Die,,budgetlose Regierung," zu welcher die Regierung sich genöthigt sah, wurde jedoch von dem Abgeordnetenhause als ein willkürliches Abgehen von der Verfassung und als eine Verlegung der Rechte der Landesvertretung aufgefaßt. Der Gegensatz gegen das Ministerium kam in der Landtags-Session von 1863 so weit, daß das Abgeordnetenhaus in einer Adresse an den König erklärte: das Haus lehne jede Mitwirkung zur Politil der Regierung nach innen und nach außen ab.

Die Verhandlungen über die endliche Regelung der Heeresreform blie

Auswärtige Politik; Feldjäger in Kurhessen; Aufstand in Polen. 505

ben auch damals fruchtlos. Bald aber sollten die neuen Einrichtungen der Armee sich in einer Kriegsprobe glänzend bewähren.

Die auswärtige Politik. Die Heeresreform war nach des Königs Hlar ausgesprochener Absicht dazu bestimmt, Preußen in den Stand zu seßen, wenn es gelte, ein schwer wiegendes Gewicht in die Waagschale der Entscheidungen zu werfen. Dieses Zweckes blieb sich die Regierung stets bewußt; namentlich war der Minister von Bismarck in voller Uebereinstimmung mit dem Könige mit dem festen Entschlusse ins Amt getreten, das Ansehen der preußischen Krone auch nach außen zu dem alten Glanze zu erheben. Vom ersten Augenblicke ließ er erkennen, daß es ihm Ernst damit war, den naturgemäßen Einfluß Preußens überall mit erhöhter Kraft zur Geltung zu bringen und in Deutschland wie in Europa das Bewußtsein zu erwecken, daß Preußen in den deutschen, wie in den europäischen Dingen die ihm gebührende Machtstellung im vollsten Maße wieder in Anspruch nehme.

Ein Vorspiel gewissermaßen zu der einflußreichen Wirksamkeit des Ministeriums Bismard war die eben so rasche, wie wirksame Erledigung des alten Verfassungsstreites in Kurhessen. Preußens Rathschläge zur Beilegung der immer wiederkehrenden Wirren zwischen dem Kurfürsten von Hessen und seinem Volke waren von Ersterem bis dahin stets zurückgewiesen oder wenigstens nicht befolgt worden. Da schickte Herr von Bismarď bald nach seinem Eintritte ins Ministerium statt eines Gesandten einen einfachen Feldjäger nach Kassel, um in einer Depesche Preußens Forderungen zur Beilegung des Streites kurz und bündig kund zu thun. Gleichzeitig wurden die militärischen Anordnungen getroffen, um nöthigen Falls Kurhessen von preußischen Truppen beseßen zu lassen. Aber schon drei Tage nach Ankunft des Feldjägers in Kassel waren Preußens Forderungen erfüllt und damit dem langjährigen Streite in Kurhcssen ein befriedigendes Ende gemacht.

Bald darauf gab ein Aufstand in Polen der preußischen Regierung Gelegenheit, ihre Selbstständigkeit und Entschlossenheit auch den größeren Mächten gegenüber zu bewähren. Als der Aufstand entbrannte (1863), schloß Preußen alsbald ein Abkommen mit Rußland, welches vorzugsweise darauf berechnet war, die preußisch-polnischen Grenzlande, Westpreußen, Posen und Oberschlesien vor jeder Hineinziehung in die Wirren der Revolution zu wahren. Die militärischen Anordnungen, welche dazu mit Rußland vereinbart wurden, fanden heftigen Widerspruch im preußischen Abgeordnetenhause; namentlich wurde die Besorgniß erregt, daß Preußen durch seine Haltung sich die Feindschaft aller übrigen Mächte zuziehen werde. England, Frantreich und Desterreich hatten sich allerdings vereinigt, um gemeinschaftlich für die Sache Polens zu wirken. Die preußische Regierung aber behauptete ihre Stellung mit voller Festigkeit, - und der Verlauf der Dinge rechtfertigte ihr Vorhaben. Während es ihr gelang, den Aufstand von den preußischen Provinzen abzuhalten, blieben dagegen alle Bestrebungen der übrigen Mächte zu Gunsten der Polen erfolglos und dienten nur dazu, dieselben durch trügerische Hoffnungen immer tiefer ins Verderben zu stürzen.

In den deutschen Angelegenheiten erwies sich kurz darauf die Festigkeit und das Selbstbewußtsein der preußischen Politik mit ebenso gutem Erfolge. Der Kaiser von Desterreich trat im Sommer 1863 völlig uner

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Fürstentag in Frankfurt; die Schleswig-Holsteinsche Frage.

wartet und ohne vorherige Verständigung mit dem König Wilhelm, obwohl dieser gerade damals in den österreichischen Staaten verweilte, mit einem Plane zur Reform des deutschen Bundes hervor, zu dessen Berathung er die Fürsten Deutschlands zu einem Fürstentage nach Frankfurt (am Main) berief. König Wilhelm erklärte auf die auch an ihn ergangene Einladung, daß es ihm zur Genugthuung gereiche, den Kaiser von Oesterreich mit sich in Uebereinstimmung zu wissen in Betreff des Bedürfnisses einer zeitgemäßen Umgestaltung der Bundesverfassung, welche ihm selbst jeder Zeit am Herzen gelegen habe; aber er lehnte die Mitwirkung zu den Plänen des Kaisers ab, weil er in denselben den Weg zur Erfüllung jenes Bedürfnisses nicht finden konnte. Der Minister von Bismarck sprach sich dahin aus, es sei der Würde des Königs von Preußen nicht entsprechend, sich nach Frankfurt zur Entgegennahme von Vorschlägen in Bundesangelegenheiten zu begeben, über welche der Rath Preußens nicht vorher gehört sei. Ueber die Sache selbst aber erklärte der preußische Minister schon damals, daß Preußen die Bürgschaften für eine Befriedigung der wahren Interessen und Bedürfnisse der deutschen Nation nur in einer wahren, aus directer Betheiligung der ganzen Nation hervorgehenden National-Vertretung finden könne. An PreuBens festem und ruhigem Widerstande scheiterte das übereilte Unternehmen Desterreichs. Unter den in Frankfurt versammelten deutschen Fürsten wurde bald das Bewußtsein lebendig, daß all ihr Rathen und Thun vergeblich sein müsse, wenn sie nicht Preußens Regierung für ihren Plan gewinnen könnten; sie entsandten deshalb den König von Sachsen an König Wilhelm, um diesen wo möglich noch zur Theilnahme am Fürstentage zu bewegen. Die preußische Regierung blieb jedoch dabei stehen, daß die Pläne Desterreichs unver einbar seien mit der berechtigten Stellung Preußens, wie mit den wirklichen Interessen und Wünschen des deutschen Volkes, und verharrte bei ihrer Weigerung. Die Folge war, daß das mit blendendem Glanze und großen Hoffnungen unternommene Werk erfolglos in sich selbst zerfiel. Es trat für Jeder mann klar hervor, daß ohne Preußen und vollends gegen Preußen Nichts für Deutschland durchgeführt werden könne.

Bald kam die Zeit, wo die preußische Politik sich auch in eigenen, folgenreichen Thaten bewähren sollte.

59. Der Schleswig-Holsteinsche Krieg (1864).

Die Schleswig-Holsteinsche Frage. Durch den am 15. November 1863 erfolgten Tod des Königs Friedrich VII. von Dänemark kam die Angelegenheit der Herzogthümer Schleswig und Holstein, welcher Preußen und ganz Deutschland seit langer Zeit ein lebhaftes Interesse gewidmet hatten, in eine neue Lage. In Folge der früheren Berwickelungen in Bezug auf das Erbrecht in den Herzogthümern war im Jahre 1852 von den europäischen Mächten durch das „Londoner Protokoll“ eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß für den Fall des kinderlosen Ablebens des Königs von Dänemark der damalige Prinz Christian von Glücksburg Thronfolger in ganzen dänischen Reiche (mit Einschluß von Schleswig-Holstein und Lauen

Streit in Betreff der Schleswig-Holsteinschen Frage.

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burg) sein solle. Der Herzog von Augustenburg, welcher aus altem Erbrechte gleichfalls Ansprüche auf die Herzogthümer erhob, verzichtete gegen eine Geldsumme ausdrücklich auf seine vermeintlichen Rechte. Preußen und Desterreich hatten das Londoner Uebereinkommen gleichfalls unterzeichnet; - wogegen Dänemark sich den deutschen Mächten gegenüber auf das Bestimmteste verpflichtet hatte, die politischen Rechte der Herzogthümer Schleswig-Holstein zu achten, namentlich eine Verfassung einzuführen, durch welche die Selbstständigkeit und Gleichberechtigung der einzelnen Länder der dänischen Monarchie in der Art sicher gestellt wurde, daß kein Theil dem andern untergeordnet sei, daß leine Einverleibung Schleswigs in Dänemark eintrete, daß eine gleiche Berechtigung der deutschen und der dänischen Nationalität in Schleswig zur Geltung gelange, die Regierung Holsteins nach den rechtlich bestehenden, nur auf verfassungsmäßigem Wege abzuändernden Geseze erfolge. Diese Zusagen wurden jedoch von der dänischen Regierung sehr bald verlegt; dieselbe erließ im Jahre 1855 eine Gesammtverfassung für die dänische Monarchie, welche mit den erwähnten Bedingungen in geradem Widerspruche stand. Der deutsche Bund erklärte deshalb, daß diese Verfassung für die zum Bunde gehörenden Herzogthümer Holstein und Lauenburg nicht zu Recht bestehe, und drohete, da die dänische Regierung sich diesem Ausspruche nicht fügen wollte, im Jahre 1858 mit Bundes-Execution (gewaltsamer Vollstreckung der Bun desbeschlüsse). Da bequemte sich Dänemark zur Erfüllung eines Theils der gestellten Forderungen; andere blieben noch unerfüllt, aber die Bundes- Execution wurde einstweilen gehemmt und gerieth in Folge des im Jahre 1859 ausbrechenden Krieges in Italien vollends ins Stocken.

Als jedoch die dänische Regierung im Jahre 1863 mit der Einführung der erwähnten Gesammtverfassung weiter vorzugehen versuchte, erließ die preußische Regierung alsbald eine bestimmte Erklärung, daß weder der deutsche Bund, noch Preußen als europäische Großmacht das einseitige Zurücktreten Dänemarks von den übernommenen Verpflichtungen dulden könnten. Der Bund beschloß das Executionsverfahren gegen Dänemark wieder aufzunehmen. Die österreichische, die preußische, die sächsische und die hannoversche Regierung wurden mit der Bollstreckung beauftragt.

Nachdem die Bundes- Execution bereits eingeleitet war, starb plötzlich Der König Friedrich VII. von Dänemark, und Prinz Christian von Glücsburg folgte ihm als Christian IX. auf Grund des im Jahre 1853 zu Stande gekommenen dänischen Thronfolge - Geseßes.

König Wilhelm und der Minister von Bismard waren, als der Tod des vorigen Königs von Dänemark eintrat, von vorn herein entschlossen, die Schleswig-Holsteinsche Angelegenheit nunmehr zu Gunsten der Herzogthümer und Deutschlands zu einer dauernden Entscheidung zu bringen, und Alles daran zu setzen, um die Lösung der alten Streitfrage im Sinne deutscher Ehre und deutscher Macht herbeizuführen. Ueber den Weg aber, welcher hierzu einzuschlagen sei, traten die lebhaftesten Meinungsverschiedenheiten zwischen der preußischen Regierung und einem Theile des deutschen Volkes, sowie des preußischen Abgeordnetenhauses hervor. In ganz Deutschland entstand nämlich eine lebhafte Parteibewegung, welche die Regierungen dazu zu drängen versuchte, daß sie sich von dem Londoner Protokolle und den damit

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