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Rückkehr nach Berlin; Aufenthalt in Coblenz.

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folgte er mit ernster, lebendiger Aufmerksamkeit der Entwickelung der vaterländischen Verhältnisse.

Durch die Ereignisse des Jahres 1849 wurde der Prinz von Neuem in volle, thätige Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten hineingezogen. Gegenüber den revolutionären Bewegungen, welche das Scheitern der Bejirebungen für eine deutsche Reichsverfassung in Süddeutschland hervorrief, sollte der Prinz sich zum ersten Wiale als Feldherr bewähren, indem der König ihm den Oberbefehl über sämmtliche zur Dämpfung des Aufruhrs ent= sandten preußischen Truppen übertrug. Im Juni begab er sich zunächst nach Mainz und von da zu den nach der baierschen Pfalz marschirenden Truppen, die ihn mit Jubel empfingen. Begleitet von seinem Neffen, dem kühnen Brinzen Friedrich Karl, leitete er mit raschem Erfolg alle Operationen zur Befreiung der Pfalz und rückte sodann bei Germersheim über den Rhein, um auch das Großherzogthum Baden der Gewalt des Aufruhrs zu entreißen. In einer Reihe von Gefechten bei Ubstadt, Durlach u s. w. gab der prinzliche Oberfeldherr im heftigen Feuer durch freudigen Muth ein anfeuerndes Beispiel für seine ihm begeistert folgenden Truppen. Am 25. Juni zog der Brinz bereits in die badensche Hauptstadt Karlsruhe ein und wurde von den Bewohnern freudig aufgenommen, während die Führer der Aufständischen sich in die Festung Rastatt begaben, wohin nach weiteren für sie unglücklichen Gefechten sich auch ein großer Theil des Insurgentenheeres zurückzog. Die nunmehr erfolgende Belagerung von Rastatt wurde theilweise vom Prinzen selbst geleitet: am 23. Juli ergab sich die Festung auf Gnade und Ungnade, und noch an demselben Tage rückten die Preußen in dieselbe ein.

Am 18. August kehrte der Großherzog von Baden in seine Hauptstadt zurück, geleitet von dem Prinzen von Preußen, dem er als dem Wiederhersteller und Begründer der Ordnung und des Gesezes in Baden öffentlich Dant fagte.

Der Prinz behielt den Oberbefehl über die preußische Occupationsarmee in Baden; außerdem wurde ihm jezt aufs Neue die Stellung eines Militärgouverneurs von Rheinland und Westphalen übertragen. Zunächst aber kehrte er nach Berlin und Potsdam zurück, wo er von seinem königlichen Bruder, wie von der Bevölkerung und namentlich von der Armee begeistert empfangen wurde.

Der König ehrte auf mannigfache Weise die kriegerischen Verdienste des Prinzen von Preußen; zur steten Erinnerung an den Feldzug in Pfalz und Baden ließ er im Park des Prinzen zu Babelsberg ein Monument aufstellen.

Des Prinzen von Preußen Thätigkeit bis zur stellvertreten= den Regierung. In den Jahren seit 1850 hatte der Prinz von Preußen als Gouverneur von Westphalen und Rheinlanden seinen dauernden Aufenthalt größtentheils in Coblenz. Auch die Prinzessin, seine Gemahlin, folgte ihm dahin, und Coblenz wurde der Mittelpunkt eines Lebendigen geistigen Verkehrs, durch welchen der prinzliche Hof daselbst wesentlich dazu beitrug, das patriotische Bewußtsein der verhältnißmäßig erst kurze Zeit zu Preußen gehörigen Rheinlande und deren Anhänglichkeit an das hohenzollernsche Fürstenhaus zu stärken und zu beleben.

Der Prinz selbst wurde freilich durch die Pflichten seiner Stellung und

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Der Prinz von Preußen als Regent.

durch besondere Aufträge, die ihm zu Theil wurden, öfter von Coblenz abberufen. Namentlich waren es auch in dieser späteren Lebenszeit die militärischen Angelegenheiten, die seine Theilnahme in Berlin und anderwärts in Anspruch nahmen: im Auftrage des Königs hatte er wiederholt großen russischen Truppenübungen in Warschau beizuwohnen, im Jahre 1853 rief ihn die Inspection der österreichischen Bundestruppen nach Wien, außerdem wurde ihm der Vorsitz in mehrfachen Commissionen zur Berathung von Heeresreformen übertragen. Im Jahre 1854 ernannte ihn der König in Anerkennung seiner militärischen Verdienste zum General-Oberst der gesammten Infanterie. Das am Neujahrstage 1857 gefeierte fünfzigjährige militärische Dienstjubiläum des Prinzen wurde die Veranlassung zu den ehrendsten Huldigungen, die ihm von der gesammten Armee und nicht minder aus allen sonstigen Schichten des Volkes dargebracht wurden.

Die letzten Jahre vor der Uebernahme der Regentschaft seitens des Prinzen von Preußen waren durch mehrere freudige Ereignisse für sein Haus bezeichnet, die zugleich allseitige Genugthuung im preußischen Volk erregten, vornehmlich die Vermählung seiner Kinder, der Prinzessin Luise und des Brinzen Friedrich Wilhelm. Von jeher war es bekannt, welche Sorg falt namentlich die hochbegabte Prinzessin von Preußen auf die Erziehung und Heranbildung ihrer Kinder verwandt hatte und wie diese Bemühungen durch treffliches Gedeihen derselben an edler Sinnes- und Gemüthsart, an ächter fürstlicher Würde und wahrhafter Liebenswürdigkeit belohnt worden waren. Desto herzlicher war die Theilnahme der ganzen Bevölkerung an den hoffnungsreichen Geschicken derselben. Die Prinzessin Luise vermählte sich in ihrem achtzehnten Lebensjahre (am 20. September 1856) mit dem Großherzog Friedrich von Baden.

57. Die Regentschaft 1858–1861*).

Die ersten Schritte des Regenten. Durch die Einsetzung der Regent schaft (im October 1858) war der Prinz von Preußen zum selbstständigen Leiter der Landesregierung berufen worden. Während er die vorhergehende ,,Stellvertretung“ ausdrücklich nur nach den ihm bekannten Intentionen des Königs geführt hatte, war ihm jezt nach dessen eigenen Worten und nach dem Sinne der Verfassung die königliche Gewalt,,in der alleinigen Verantwortlichkeit gegen Gott nach bestem Wissen und Gewissen" übertragen. Der Prinz war mit dem Gange der Regierung in den lezten Jahren nicht in allen Beziehungen einverstanden gewesen: namentlich hatte er die Bestrebungen auf Wiederherstellung der alten ständischen Einrichtungen, sowie andererseits die strenge Handhabung der Regierungsgewalt, wie sie zunächst nach den revolutionären Bewegungen von 1848 allerdings nothwendig gewesen war, in der Art ihrer Ausführung nicht durchweg gebilligt. Als er nun die selbstständige Führung der Regierung antrat, berief er alsbald ein neues Ministerium, von dessen Mitgliedern er eine volle Uebereinstimmung mit seinen eigenen An

*) Die stellvertretende Regierung und die Einsetzung der Regentschaft f. oben 6. 478-480.

Ansprache an das Staatsministerium.

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fichten über die Bedürfnisse des Landes vorausseßte. Der frühere Minister des Innern von Westphalen war bereits wegen Meinungsverschiedenheit über die Einsetzung der Regentschaft aus dem Amte geschieden, der Minister-Präsident von Manteuffel und die meisten übrigen Minister wurden bald darauf in Gnaden entlassen. An die Spiße des neuen Ministeriums berief der Regent (5. Novbr. 1858) den Fürsten Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, welcher seit seiner freiwilligen Abtretung der Sigmaringenschen Lande im preußischen Militärdienste, zuletzt als General in Düsseldorf gelebt und zum Prinzen von Preußen schon lange in engen freundschaftlichen Beziehungen gestanden hatte.

Als der Regent das neue Ministerium zum ersten Male um sich versammelte, bezeichnete er in einer bedeutsamen Ansprache die Gesammtrichtung seiner Regierungsabsichten. Die Entlassung des vorigen Ministeriums und die Berufung von Männern, welche theilweise zu den entschiedenen Gegnern desselben gehört hatten, war vielfach als ein Anzeichen einer völlig veränderten Richtung der Regierung aufgefaßt worden, und es hüpften sich daran hier und da übertriebene Erwartungen in Bezug auf eine bevorstehende Umgestaltung der öffentlichen Verhältnisse. Dem Regenten war daran gelegen, dem gegenüber seine wirklichen Absichten klar anzudeuten und jenen unberechtigten Auffassungen von vorn herein entgegenzutreten. Dies geschah namentlich durch jene Ansprache an das Staatsministerium. Er hob zuvörderst hervor, daß er die Schwere des Augenblickes, in welchem er die ersten Räthe der Krone zum ersten Male um sich versam mele, um so tiefer empfinde, weil ein unglückliches Verhängniß ihn in seine Stellung berufen habe. Die Pietät gegen seinen schwer heimgesuchten König und Herrn habe ihn lange schwanken lassen, wie Manches, das er unter dessen Regierung wahrgenommen, in eine bessere Bahn wieder überzuleiten sei, ohne feinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, Sorgfalt und Treue, mit welcher sein allergnädigster Herr die Regierung geführt, zu nahe zu treten.

Wenn er sich jetzt habe entschließen können, einen Wechsel in den Räthen der Krone eintreten zu lassen, so sei es geschehen, weil er bei allen von ihm erwählten Ministern dieselbe Ansicht getroffen, welche die seinige sei: daß nämlich von einem Bruche mit der Vergangenheit nun und nimmermehr die Rede sein solle. Es solle nur die sorgliche und bessernde Hand angelegt werden, wo sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeige. Von allen Berufenen werde anerkannt, daß das Wohl der Krone und des Landes unzertrennlich sei, daß die Wohlfahrt beider auf gesunden, fräftigen, conservativen Grundlagen beruhe. Diese Bedürfnisse richtig u erkennen, zu erwägen und ins Leben zu rufen, das sei das Geheimniß der Staatsweisheit, wobei man sich von allen Extremen fern halten müsse. Die Aufgabe werde in dieser Beziehung keine leichte sein, denn im öffentlichen Leben zeige sich seit Kurzem eine Bewegung, die, wenn sie theilweise erklärlich sei, doch andererseits bereits Spuren von absichtlich überspannten Ideen kund gäbe, denen durch ein eben so besonnenes, als geseßliches und selbst energisches Handeln entgegen getreten werden müsse. Versprochenes müsse man treu halten, ohne sich der bessernden Hand dabei zu entschlagen, nicht Versprochenes müsse man nöthigen Falls muthig verhindern. Vor Allem sei vor der stereotypen

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Ansprache an das Staatsministerium.

Phrase zu warnen, daß die Regierung sich fort und fort treiben lassen müsse, liberale Ideen zu entwickeln, weil sie sich sonst von selbst Bahn brächen. Gerade hierin müsse sich die Staatsweisheit zeigen. Wenn in allen Regierungs handlungen sich Wahrheit, Geseßlichkeit und Consequenz ausspreche, so sei ein Gouvernement stark, weil es ein reines Gewissen habe, und mit diesem habe man ein Recht, allem Bösen kräftig zu widerstehen.

An diese allgemeineren Grundsäge knüpfte der Regent kurze Andeutungen über die Richtung der Verwaltung im Einzelnen. In den inneren Ber hältnissen sei man seit 1848 von einem Extreme zum anderen geworfen worden von einer Gemeindeordnung, die ganz unvorbereitet Selbstverwal tung einführen sollte, sei man zu den alten Verhältnissen zurückgedrängt wor den. Daran müsse die bessernde Hand angelegt werden, aber vorerst müsse man bestehen lassen, was eben erst wieder hergestellt sei, um nicht neue Unsicherheit und Unruhe zu erzeugen. Als eine der schwierigsten und zugleich zartesten Aufgaben der Regierung bezeichnete der Regent die kirchliche Zunächst müsse zwischen beiden christlichen Confessionen eine vollständige Parität herrschen. In der evangelischen Kirche kündigte er die Aufrechthaltung und Weiterbeförderung der Union unter aller billigen Berücksichtigung des confessionellen Standpunktes als seinen festen Willen und Entschluß an. In der Beurtheilung alles Kirchenwesens sei ins Auge zu fassen, daß die wahre Religiosität sich im ganzen Verhalten des Menschen zeige; von den höheren Ständen sei das Beispiel kirchlichen Sinnes zu geben. Der katholischen Kirche seien ihre Rechte verfassungsmäßig festgestellt, Uebergriffe über diese hinaus seien nicht zu dulden. Die Armee habe Preußens Größe geschaffen und dessen Wachsthum erkämpft; ihre Vernachlässigung habe eine Katastrophe über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden sei durch die zeit gemäße Reorganisation des Heeres, welche die Siege des Befreiungskrieges bezeichneten. Aber eine vierzigjährige Erfahrung habe auch jezt darauf auf merksam gemacht, daß Manches, was sich nicht bewährt habe, geändert werden müsse. Dazu gehören ruhige politische Zustände und Geld, und es würde ein schwer sich bestrafender politischer Fehler sein, wollte man mit einer wohlfeilen Heeresverfassung prangen, die im Momente der Entscheidung den Erwartungen nicht entspräche. Preußens Heer müsse mächtig und angesehen sein, um, wenn es gelte, ein schwerwiegendes politisches Gewicht in die Wagschale legen zu können. Endlich in Bezug auf die Stellung nach außen müsse Preußen mit allen Großmächten im freundschaftlichen Vernehmen stehen, ohne sich fremden Einflüssen hinzugeben und ohne sich die Hände frühzeitig durch Tractate zu binden. In Deutschland müsse Preußen moralische Eroberungen machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen Elemente und durch Ergreifung von Einigungs- Elementen, wie der Zollverein es sei, der jedoch einer Reform bedürfe. Die Welt müsse wissen, daß Breußen überall das Recht zu schützen bereit sei. Ein festes consequentes und wenn es sein müsse, energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klugheit und Besonnenheit, müsse Preußen das politische Ansehen und die Machtstellung verschaffen, die es durch seine materielle Macht allein zu erreichen nicht im Stande sei.

Dies sind im Wesentlichen die Grundsäße, nach welchen der Prinz

Worte des Regenten bei Eröffnung des Landtags.

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Regent die Regierung zu führen entschlossen war. Das Land kam ihm dabei vertrauensvoll entgegen. Die bald nach Einsegung der Regentschaft eintretenden Neuwahlen zum Abgeordnetenhause waren als ein Ausdruck dieses Vertrauens anzusehen.

Als der Regent im Januar 1859 die beiden Häuser des Landtags zum ersten Male wieder um sich versammelte, begann er seine Thronrede mit fol genden Worten:

,,Die Stunde, in welcher ich Sie um den Thron vereinigt sehe und mit herzlichem Gruß willkommen heiße, erfüllt mich mit tiefem Ernste. Die Ausübung dieses königlichen Rechtes ruft noch lebhafter als sonst die schmerzvolle Erinnerung in mir wach an das schwere Leiden, von welchem nach Gottes unerforschlichem Rathschlusse unser allergnädigster König und Herr noch fortdauernd heimgesucht ist. Mit mir sendet sein treues Volk innige Gebete zu dem Allmächtigen, daß Er in Seiner Gnade unsern König unter einem milderen Himmel stärken und genesen lassen möge."

„Meine Herren! In voller Anerkennung der hohen Bedeutung Ihres Berufes fordere ich Sie auf, durch ihre Einsicht und Hingebung meine Regierung auf dem Wege zu unterstüßen, welchen ich im Hinblick auf Preußens Aufgabe, seine glorreiche Geschichte und die vaterländischen Traditionen betreten habe, und den ich unter Gottes Beistand mit Festigkeit in den von mir unverrückbar gezogenen Grenzen zu verfolgen entschlossen bin. Hierbei dem Könige die Rechte seiner Krone ungeschwächt zu erhalten, ist eine der Hauptaufgaben meiner Regentschaft.“

....

Am Schlusse seiner Rede sagte der Regent:

„Als ich vor wenigen Monaten von dieser Stelle zum ersten Male als Regent zu den Vertretern des Vaterlandes sprach, forderte ich dieselben auf, mit mir die Fahne Preußens hoch zu tragen. Auf dieser Fahne steht:

„Königthum von Gottes Gnaden, Festhaltung an Geseß und Verfassung, Treue des Volkes und des siegbewußten Heeres, Gerechtigkeit, Wahrheit, Vertrauen, Gottesfurcht."

Wohlan! Meine Herren! Helfen Sie mir diese Fahne hochtragen. Wer ihr folgt, der folgt mir. Dann werden wir auf Preußens Gegenwart mit demselben Stolz, wie auf seine glorreiche Vergangenheit blicken können, und auf spätere Geschlechter den altpreußischen Geist vererben, welcher in dem, wenn auch mit Wehmuth gemischten, dennoch begeisterten einmüthigen Rufe seinen Ausdruck findet: Seine Majestät der König lebe hoch!"

Der Krieg in Italien. Die erste Zeit der Regentschaft war durch wichtige europäische Ereignisse bewegt. In Italien entbrannte ein heftiger Kampf, indem der König von Sardinien Victor Emmanuel im heimlichen Einverständniß mit dem Kaiser der Franzosen Napoleon III. es unternahm, die Lombardei der österreichischen Herrschaft zu entreißen und zugleich die Bevölkerung der übrigen italienischen Staaten zum Aufstand gegen ihre Fürsten zu treiben, um ein einiges Italien unter seiner Herrschaft herzustellen. Der Prinz-Regent von Preußen war schon beim Beginn der Verwickelung bereit, Desterreich seine Unterstüßung zu gewähren, besonders um den droHahn, preuß. Gesch.

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