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Erkrankung des Königs; der Prinz von Preußen als Stellvertreter.

Liebe ein weithin leuchtendes Beispiel zu geben: die Königin Elisabeth blieb hierin hinter keiner ihrer Vorgängerinnen zurück. Die Muster-KrankenAnstalt Bethanien in Berlin, sowie zahlreiche mildthätige Anstalten, die auf ihre Anregung errichtet worden, zeugen von dem reichen Segen frommer Gesinnung auf Preußens Thron.

Erkrankung des Königs; Stellvertretung durch den Prinzen von Preußen (1857). Friedrich Wilhelm IV. hatte im Laufe des heißen Sommers und Herbstes 1857 noch eine vielseitige und anstrengende Thätigkeit entwickelt, hatte bei großen Truppenübungen in der Provinz Sachsen eine Anzahl deutscher Souveräne um sich versammelt, dann nach einem Badeaufenthalt in Böhmen noch einen Besuch in Wien beim Kaiser von Desters reich gemacht, als sich auf der Rückkehr von dort zuerst in Dresden bedenkliche Anzeichen einer drehenden Erkrankung zeigten. Nach der Heimkehr zu seinem Lieblingsaufenthalte Sanssouci verfiel er im Anfange Octobers einem schweren Leiden, welches durch mehrfache Gehirnschläge seinem Leben ein rasches Ende bringen zu sollen schien: nach einigen Wochen gewann er zwar einige Lebenskraft wieder und das Leiden nahm einen milderen Charakter und regelmäßigen Verlauf an, aber zugleich stellte sich heraus, daß eine völlige Genesung in näherer Zeit nicht zu erwarten war.

Da es nach der Vorschrift der Aerzte erforderlich war, daß der König fich fürerst auf drei Monate von den Regierungsgeschäften zurückzöge, so forderte derselbe am 23. October 1857 durch einen vom gesammten Staatsministerium mitunterzeichneten Erlaß seinen Bruder, den Prinzen von Preußen, auf, seine Stellvertretung in der oberen Leitung der Staatsgeschäfte zunächst für diesen Zeitraum zu übernehmen. Indem der Prinz von Preußen dies am 24. October bekannt machte, fügte er hinzu:,,In Beziehung auf die von des Königs Majestät Mir aufgetragene und von Mir übernom mene Stellvertretung erkläre Ich hiermit, daß es Wein fester Wille ist, unter gewissenhafter Beobachtung der Landesverfassung und der Landesgeseze, nach den Mir bekannten Intentionen Seiner Majestät Meines Königlichen Bruders und Herrn so lange die Regierungsgeschäfte zu führen, als Se. Majestät dies für erforderlich erachten.... Ich bitte Gott, daß Er Mir die Kraft und den Segen verleihen möge, diese Stellvertretung zur Zufriedenheit Sr. Majestät des Königs und zum Heile des Landes zu führen."

Der Auftrag zur Stellvertretung wurde von drei zu drei Monaten er neuert. Im Frühjahre begab sich der König auf Anrathen der Aerzte mit seiner Gemahlin zu einem längeren Aufenthalte nach Tegernsee in Südbaiern.

Einsetzung der Regentschaft (1858). Da auch nach der Rückkehr von Tegernsee im Herbste 1858 die Gesundheit des Königs die Uebernahme der Regierungsgeschäfte nicht zuließ, die Aerzte vielmehr erklärten, daß sich der Zeitpunkt einer vollständigen Genesung auch nur annäherungsweise nicht bestimmen lasse, so hielt man den Fall für eingetreten, in welchem nach der Verfassung vom 31. Januar 1850 eine Regentschaft eingesetzt werden muß. Der bezügliche Artikel 56 der Verfassung bestimmt:

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Wenn der König minderjährig oder andauernd ver hindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige voll

Uebernahme der Regentschaft durch den Prinzen v. Preußen; Eidesleistung d. Regenten. 479

jährige Agnat, welcher der Krone am nächsten steht, die Regentschaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter Sizung über die Nothwendigkeit der Regentschaft beschließen."-

Der König selbst erließ am 7. October 1858 die Aufforderung an den Brinzen von Preußen zur Uebernahme der Regentschaft:

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Ew. Königliche Hoheit und Liebden haben Mir in dem seit Meiner Erkrankung verflossenen Jahre durch Meine Stellvertretung in den Regierungsgeschäften eine große Beruhigung gewährt, wofür Ich Ihnen auf das Janigste danke. Da Ich aber nach Gottes Rathschluß durch den Zustand Meiner Gesundheit jezt noch verhindert bin, Mich den Regierungsgeschäften zu widmen, die Aerzte auch für den Winter Mir eine Reise nach südlicheren Gegenden verordnet haben, so ersuche Ich bei dieser Meiner immer noch fortdauernden Verhinderung, die Regierungsgeschäfte Selbst zu führen, Ew. Königliche Hoheit und Liebden, so lange bis Ich die Pflichten Meines Königlichen Amtes wiederum Selbst werde erfüllen können, die Königliche Ge walt in der alleinigen Verantwortlichkeit gegen Gott, nach bestem Wissen und Gewissen in Meinem Namen als Regent ausüben und hiernach die erforderlichen weiteren Anordnungen treffen zu wollen. Von den Angelegenheiten Meines Königlichen Hauses behalte Ich diejenigen, welche Meine Person betreffen, Weiner eigenen Verfügung vor.“

In Folge dieser Aufforderung seines königlichen Bruders und unter Berufung auf die erwähnte Bestimmung der Verfassung übernahm der Prinz von Preußen durch einen Erlaß des Staatsministeriums vom 9. October 1858 die Regentschaft und berief sogleich den Landtag der Monarchie zu einer außerordentlichen Session. Der Prinz führte seitdem den Titel: Prinz von Preußen, Regent.

Am 20. October traten die beiden Häuser des Landtages im weißen Saale des königlichen Schlosses zur Eröffnung der außerordentlichen Session zusammen.

Eine allerhöchste Botschaft von demselben Tage legte den beiden Häusern des Landtages die Gründe und die Documente in Betreff der Nothwendigkeit der Regentschaft vor und forderte sie auf, diese Nothwendigkeit auch ihrerseits der Verfassung gemäß anzuerkennen. Der Landtag sprach in vereinigter Sitzung beider Häuser am 25. October mit Einstimmigkeit die Nothwendigkeit der Regentschaft aus. Darauf fand am 26. October die feierliche Eidesleistung des Regenten auf die Verfassung im weißen Saale des Schlosses statt. Der Regent dankte den Häusern für die patriotische Einmüthigkeit ihres Beschlusses, durch welche sie einen erhebenden Beweis gegeben, was preußische Vaterlandsliebe in verhängnißvollen Augenblicken vermöge. „Sie haben,“ fuhr er fort, „durch die Einstimmigkeit Ihres Beschlusses — davon bin Ich überzeugt das Herz unsers theuern Königs und Herrn in der Ferne erquickt. In Mir aber haben Sie die schmerzlichen Gefühle, mit welchen Ich die Regentschaft übernahm, wesentlich gemildert und die Zuversicht gestärkt, daß es mir gelingen werde, während der Dauer Meiner Regentschaft die Ehre und das Wohl des theuern Vaterlandes zu dessen Heil und Segen zu

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Reise des Königs nach Rom; deffen fortwährendes Leiden.

fördern. Das walte Gott." Hierauf leistete der Regent den Eid auf die Verfassung.

Somit war die Regentschaft des Prinzen von Preußen auf Grund der Aufforderung des Königs und in allen von der Verfassung vorgeschriebeneu Formen eingesetzt.

55. Friedrich Wilhelm's IV. Lebensende.

Des Königs letzte Leidensjahre. König Friedrich Wilhelm IV. sollte von den schweren Leiden, mit welchen Gott ihn heimsuchte, nicht wieder ge nesen: über drei Jahre währte die Prüfung des frommen Königspaares.

Bald nach der Einsetzung der Regentschaft hatte der König wieder eine Reise nach südlicheren Gegenden angetreten. Das Ziel derselben war Rom. Er brachte den Winter von 1858 auf 1859 unter dem milden italienischen Himmel zu, bis die Vorboten des dort im Frühjahre 1859 ausbrechenden Krieges ihn nöthigten, über Triest und Wien der Heimath wieder zuzueilen.

Seitdem sollte der König seinen alten Lieblingssit Sanssouci nicht mehr verlassen: unter der hingebenden Pflege und in der steten innigen Gemeinschaft der Königin Elisabeth weilte er dort, bis ihn Gott nach zwei schweren Jahren abrief.

Der Seelsorger, welcher dem Königspaare während jener lezten Prüfungsjahre besonders nahe stand, hat von dein Seelenzustande des Königs in seiner Krankheit denkwürdige Mittheilungen gemacht, aus welchen klar hervorleuchtet, wie in jenen Tagen des Dunkels dennoch des Königs verborgenes Leben in Gott sich vor Allem deutlich und gewiß bezeugte.

Als der König nach dem ersten schweren Anfalle seiner Krankheit, so berichtet jener Zeuge, aus langem bewußtlosen Zustande erwachte, wurde sein wiederkehrendes Bewußtsein an dem Ausrufe bemerkbar: „Gott, erbarme dich meiner!" An dieses Gebet knüpfte sich die erste Hoffnung seines weiteren Erwachens. Zunächst lag er jedoch meistens in tiefem Schlummer und nur in einzelnen Momenten trat ein Erwachen ein.

In einem dieser Momente hatte die Königin, die unausgeseßt an seinem Lager weilte, den Muth, ihm den Anfang des 116. Psalms laut vorzulesen in den Worten: „Das ist mir lieb, daß der Herr meine Stimme und mein Flehen höret. Stricke des Todes hatten mich umfangen und Angst der Hölle hatte mich betroffen, ich kam in Jammer und Noth; aber ich rief an den Namen des Herrn: o Herr, errette meine Seele!" Der König richtete sich auf und hörte aufmerksam zu. Als sie dann fortfuhr: Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr thut dir Gutes; denn du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, meinen Fuß vom Gleiten, mein Auge von den Thränen!" da sagte er: „Es ist genug, ich habe verstanden, ich danke dir.“ Von nun an las ihm die Königin täglich kurze Gebete aus den Pfal. men vor, solche, die, wie sie wußte, der König auch früher vorzugsweise geliebt hatte.

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Seine körperlichen Kräfte nahmen täglich zu: nach seiner äußeren Erscheinung war er wieder gesund; was ihm fehlte, das war der richtige Ausbruck seiner Gedanken. Er freute sich, seine alten Diener und Freunde wieder

Der König in seiner letzten Leidenszeit.

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zu sehen, und beklagte, daß er ihnen nicht ganz ausdrücken könne, was seine Seele bewege. Die Königin verstand ihn am besten und wenn er sie als Dolmetscherin seiner Gedanken zur Seite hatte, war er beruhigt und zufrieden.

Anfangs war der Glaube, die Hoffnung, das Gebet des Königs auf Genesung, auf völlige Genesung gerichtet. Sein von Gott ihm anvertrautes Amt, seine Regierung, sein Haus, sein Volk, die Ausführung so vieler großartiger Gedanken für Staat und Kirche, die seine Seele bewegt hatten, und die ihm bei fortschreitender Besserung wieder zum Bewußtsein kamen, ließen ihn voll unruhiger Sehnsucht auf Genesung hoffen. Er hielt sich daran, daß Gott Gebete erhört, daß wir einen Gott haben, der hilft und der vom Tode

errettet.

Auch in der leßten, dunkelsten Zeit des schweren Leidens des Königs, wo ein Theil seiner Glieder gelähmt wurde und die Sprache mehr und mehr zu versagen schien, war sein geistiges Leben in Glauben, Hoffnung und Liebe noch unverkennbar. Wer den stillen sonntäglichen Gottesdiensten in Sangsouci beiwohnte, der wurde ergriffen von der regen Theilnahme des Königs, wie er, so lange das Wort und die freie Bewegung der Glieder ihm noch einigermaßen zu Gebote stand, jeden Theil des Gottesdienstes mit Zeichen seines Verständnisses begleitete. Bei dem Sündenbekenntnisse legte er mit tiefer Bewegung die Hand auf seine Brust, bei der Absolution sprach er sein: Amen, bei den Perikopen und bei der kurzen Verkündigung des göttlichen Wortes unterbrach er sehr häufig den Vortrag mit den Worten: Herrlich! herrlich!

Als der Geistliche im letzten Leidensjahre einst mit dem Könige ausdrücklich darüber redete, daß die Hoffnung seiner Genesung doch wohl in einem anderen und höheren Sinne erfüllt werden möchte, da war es deutlich, daß er selbst auf irdische Genesung nicht mehr hoffte und daß der Gedanke an den Ted schon längst seine Seele bewegt hatte. Er ließ sich besonders gern zur Friedenskirche fahren und an dem Punkte der Kirche halten, wo er, wie sich später ergab, sein und der Königin Begräbniß bestimmt hatte, und wenn er auf seinem Rollstuhle die Terrasse in Sanssouci auf- und abfuhr, verweilte er am liebsten an einer verborgenen Stelle derselben, wo nur die Friedenskirche sich dem Blicke darbietet. Hier war er still, ruhig, in sich versunken, kümmerte sich um seine Begleitung nicht, während er sonst beim Umherfahren es gern hatte, wenn man mit ihm sprach und ihm erzählte.

Was von seinem inneren Leben bis zur Todesstunde am hellsten hervortrat auf dem dunkeln Grunde seines Leidens, das war seine Liebe. Wern schon in gefunden Tagen von Feindschaft, Bitterkeit und Kälte selbst bei den größten Kränkungen nichts zu erkennen war, so konnte davon auf seinem Krankenlager nicht die Rede sein. Vor allem gedachte er in Liebe seines Volkes. Mein Volk, ach mein Volk, rief er oft mit Inbrunst aus. Es war ihm eine Erquickung, wenn er hörte, daß sein Volk für ihn bete.

Er bewies seine Liebe oft auf die rührendste Weise gegen den engeren Kreis seiner Angehörigen. Gegen die jüngeren Glieder seines Hauses war er besonders zärtlich und herzlich. Auch seiner Dienerschaft, die ihm in wahr.

Hahn, preuß. Gesch.

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haftiger Treue ergeben war, machte seine unverkennbare Liebe den oft schweren Dienst leichter.

Das Verhältniß des Königs zur Königin, welches von jeher die allgemeinste Verehrung eingeflößt hatte, zeigte sich während der Leidenszeit vollends in seiner tiefen Junigkeit. Wenn der König traurig war in seiner Krankheit, die Königin wußte ihn am gewissesten aufzuheitern. Wenn die Königin noch ferne war und Niemand ihre Nähe erkannte, hatte das Ohr des Königs sie schon erkannt und vernahm schon im dritten Zimmer das Rauschen ihres Kleides und horchte, bis sie kam. Wenn Einer ein Wort aus seinem Munde hervorlocken konnte, so war sie es. In der lezten Zeit, als die Zunge des Königs schon wie gebunden war, vor einer seiner leßten Ausfahrten hatte er mehrere Stunden theilnahmlos dagesessen, und die Königin war im Begriff, vorauszufahren. Noch einmal ging sie zum Könige, um von ihm Abschied zu nehmen. „Hast Du denn kein Wort, kein Zeichen für mich?“ fragte sie ihn bewegt. Er antwortete nicht, wiewohl er eben so bewegt schien. Auf wiederholte Fragen keine Antwort. Schon will die Königin betrübt sich wegwenden. Da war es, als ob er alle seine Kräfte noch einmal zusammennähme, die Muskeln seines Gesichtes bewegten sich, er erhob sich vom Stuhle und laut und voll und deutlich rief er: „Meine theure, heißgeliebte Frau!" Es war fast sein leztes deutlich und voll ausgesprochenes Wort.

Des Königs Tod (2. Januar 1861). Drei Jahre hatte der König den Eindrücken des mit wiederholten kleinen Schlaganfällen verbundenen Gehirnleidens widerstanden: in bald kürzeren, bald längeren Zwischenräumen waren Gehirnreizungen eingetreten, welche das unaufhaltsame Fortschreiten der zerstörenden Krankheit anzeigten und jedesmal eine neue bleibende Stōrung der Empfindung, Bewegung und des Gedächtnisses zurückließen.

Im Dezember 1860 trat eine noch größere Abspannung und Schwäche hervor und der König nahm auffallend weniger Antheil an der Umgebung. Am heiligen Abende des Weihnachtsfestes stellte sich Erbrechen ein, das sich in der Nacht und am folgenden Tage wiederholte; dann folgte ein schlummersüchtiger Zustand, aus welchem der König nicht wieder erwachen sollte. Am Sylvesterabende gesellten sich die Zeichen beginnender Lungenlähmung hinzu.

Am 2. Januar 1861 früh um 12 Uhr 40 Minuten entschlief Friedrich Wilhelm IV. sanft und still in völliger Bewußtlosigkeit und ohne Todeskampf, umgeben von der Königin, die seit drei Tagen von seinem Sterbebette nicht gewichen war und unter heißen Thränen den Schweiß von seinem Angesichte wischte, von den Gliedern der Königlichen Familie, die den Sterbenden in Schmerz und Liebe umstanden, und von seinen weinenden Dienern. Als der Augenblick des Todes herannahte, fielen Alle auf die Kniee und beteten das Sterbelied:,,Wenn ich denn nun soll scheiden 2c.“ Als der König den letzten Athemzug that, war es, als wenn sein Angesicht sich verklärte.

König Friedrich Wilhelm IV. hatte schon mehrere Jahre zuvor folgende Anordnungen im Hinblicke auf seinen Tod eigenhändig niedergeschrieben: ,,Wie ich bestattet sein will." † † †

„Wenn Gott der Herr es gibt, daß ich meine irdische Laufbahn ruhig in der Heimath endige und wenn, um was ich Ihn auf Knieen und mit Inbrunst

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