Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

458

Aufstand in Posen; das beursche Parlament.

blos in die Kasernen zurückzugehen, in Folge irrthümlicher Anordnungen, über deren Urheber man nicht ins Klare gekommen ist, ganz aus der Stadt entfernt wurden. So konnte denn in Berlin sehr bald eine zügellose Volksherrschaft die Oberhand gewinnen, unter deren Einfluß alle wohlmeinenden Absichten der Regierung und alle Bestrebungen der gemäßigten Bürger vereitelt wurden. Durch das Drängen zahlreicher Deputationen sah sich der König bewogen, am 22. März die Berufung einer constituirenden National versammlung zu verheißen, welche eine neue Verfassung für den preußischen Staat berathen sollte; eine nochmalige Sigung des vereinigten Landtages im April 1848 diente nur dazu, der Nationalversammlung die Wege zu bahnen. Es wurde der Beschluß gefaßt, dieselbe durch unbeschränkte Urwahlen zu bilden, an welchen alle Preußen ohne Unterschied des Standes, der Einsicht und der Bildung gleichen Antheil haben sollten.

Aufstand in Pofen. Ehe jedoch die Nationalversammlung zusammentrat, wurde die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Regierung noch nach anderen Seiten in Anspruch genommen. In Posen war in Folge der allgemeinen politischen Aufregung eine Empörung der polnischen Bevölkerung ausgebrochen. Schon im Jahre 1846 war dort eine Verschwörung entdeckt worden, welche zugleich auch in Krakau und Galizien zum Ausbruche kommen sollte; man hatte dieselbe damals im Keime unterdrückt, jezt aber hoffte die polni sche Bevölkerung des Großherzogthums bei der eingetretenen Erschütterung der Regierung leicht erreichen zu können, was zuvor mißlungen war. Die Fahne der Empörung wurde überall aufgepflanzt, die preußischen Wappen abgerissen, die Behörden verjagt und blutige Excesse gegen die deutsche Bevölkerung begangen. Nachdem von Seiten der preußischen Regierung die Mittel friedlicher, versöhnlicher Einwirkung vergeblich angewandt waren, er hielten bedeutende Truppenmassen den Befehl, in Posen einzurücken, und nach eimigen mörderischen Gefechten wurde der Aufstand von den braven Truppen unterdrückt. Der Hauptanführer Mieroslawski entfloh, um sich anderweitig an den europäischen Revolutionskämpfen zu betheiligen.

Das deutsche Parlament. Inzwischen hatte der König vergeblich den Versuch gemacht, die Entwickelung der deutschen Verhältnisse in seine Hand zu nehmen. Wie er von jeher eine persönliche warme Begeisterung für die Sache der deutschen Einigung gehabt, so wollte er jezt zur Rettung Deutschlands sich an die Spiße des Gesammtvaterlandes stellen; aber die revolutio nären Volksführer in Süddeutschland wollten von einem Deutschland mit einem kräftigen preußischen Könige an der Spiße Nichts wissen, schon waren ihre Hoffnungen viel weiter vorgeschritten und auf die Gründung einer deut schen Republik gerichtet. Die Häupter der sogenannten Volkspartei aus allen Gegenden waren in Frankfurt am Main zusammengekommen, hatten dort ein sogenanntes Vorparlament gehalten und beschlossen, daß eine allgemeine Nationalversammlung berufen werden sollte, um eine neue Reichsverfassung nach demokratischen Grundsägen einzuführen. Diese deutsche National versammlung kam in der That am 18. Mai 1848 in Frankfurt zusammen: sie zählte unter ihren Mitgliedern zwar viele der bedeutendsten Männer Deutschlands, aber zugleich eine große Anzahl der wildesten Demagogen. Anfangs gelang es der gemäßigten Partei, unter dein angesehenen und kräftigen

Die preuß. Nationalversammlung; Wiederaufrichtung der Königl. Macht. 459

Heinrich von Gagern manche wichtige Beschlüsse zur Förderung der äußeren Ordnung in den deutschen Ländern durchzusetzen und einen fürstlichen Reichsverweser in der Person des Erzherzogs Johann von Desterreich zu ernennen. Bei den Berathungen der Versammlung trat aber immer mehr ein tiefer Zwiespalt der Ansichten und eine gänzliche Zersplitterung der Parteien hervor, und die Zeit wurde mit endlosen Meinungskämpfen fruchtlos hingebracht. Immer leidenschaftlicher und gewaltsamer wurden die Auftritte, bis am 18. September die demokratische Volksmasse in Frankfurt sich geradezu in Aufruhr gegen die Gemäßigteren in der Versammlung erhob, wobei die beiden preußischen Volksvertreter, Fürst Lichnowsky und General von Auerswald, durch schnöden Meuchelmord einen gräßlichen Tod fanden. Diese scheußlichen Vorgänge wurden jedoch für viele Besserdenkende in ganz Deutschland ein warnendes Denkzeichen zu endlicher Ermannung und kräftiger Gegenwehr: von dem Tode Auerswald's und Lichnowsky's begann fast überall eine entschiedenere Gegenwirkung gegen das demokratische Treiben, welches dort in seiner nackten Gemeinheit schreckend hervorgetreten war. Bald ermannte sich vorzüglich auch Preußen wieder, wo inzwischen die heimische Nationalversammlung gleichfalls einen traurigen Verlauf genommen hatte.

Die preußische Nationalversammlung. Bei den Urwahlen, durch welche die preußische Nationalversammlung gebildet wurde, hatten die demokratischen Wühler kein Mittel unversucht gelassen, keine blendende Vorspiegelung und Verheißung gespart, um die unerfahrenen Volksmassen für sich zu gewinnen; den Arbeitern und Handwerkern hatten sie allerlei Hirngespinnste von besseren,,socialen“ Zuständen, den Bauern die Befreiung von mancherlei Abgaben an die Gutsherren zugesagt, wenn nur erst die demokratischen Ansichten zur Herrschaft gelangten. So war es ihnen gelungen, in großer Zahl als Volksvertreter gewählt zu werden. Der revolutionäre Sinn der auf solche Weise entstandenen Versammlung bekundete sich von vorn herein in der ausdrücklichen „Anerkennung der Revolution," sowie in der Verwerfung aller von der Regierung zur Wiederherstellung der Ordnung beabsichtigten Maßregeln. Unter den Augen der Versammlung durfte die Pöbelherrschaft in Berlin ungehindert überhand nehmen; am 14. Juni fand sogar ein frevelhafter Einbruch der Volkshaufen in das Zeughaus statt, wobei Verbrecherhände sich nicht nur an den Waffen, sondern auch an den vaterländischen Siegeserinnerungen vergriffen. Die Abgeordneten der Nationalversammlung selbst, insoweit sie nicht ganz den Neigungen des Pöbels willfahrten, sahen fich öffentlichen Mißhandlungen ausgesezt. Die demokratische Mehrheit der Vertreter aber ging in ihren Berathungen immer entschiedener darauf aus, alle Grundpfeiler der Ordnung und des monarchischen Regimentes in Preußen zu erschüttern.

Die Wiederaufrichtung der Königlichen Macht (November 1848). Der König, mehr und mehr überzeugt, daß die weiteren Berathungen der Versammlung unter solchen Umständen nur zum Verderben des Landes gereichen könnten, beschloß endlich, dem unseligen Treiben durch kräftiges Einschreiten ein Ziel zu sehen, und sah sich nach Männern um, welche Muth und Thatkraft besäßen, diese Absicht durchzuführen. Seine Wahl fiel auf den dem

460

Auflösung der Nationalversammlung; Octropirung einer Berfassung. königlichen Hause nahe stehenden General Grafen von Brandenburg, im Kriege schon als wackerer Offizier, seitdem immerdar als tüchtiger, ehrenfester Mann bewährt, zuletzt commandirender General in Schlesien, und auf den Freiherrn Otto von Manteuffel bis dahin Director im Ministerium des Inneren. Jener trat als Ministerpräsident an die Spiße der neuen Verwaltung, während neben ihm Freiherr von Manteuffel als Minister des Inneren sich die Befestigung der öffentlichen Zustände durch energischen Widerstand gegen die demokratische Unterwühlung des Staates zur besonderen Aufgabe stellte. Gleich entschlossene Collegen fanden sie an dem Cultusminister von Ladenberg, sowie an dem Kriegsminister von Strotha, zu denen bald der Handelsminister von der Heydt hinzutrat.

,,Das Ministerium der rettenden That," wie es später benannt wurde, trat am 9. November ins Amt und begann sofort damit, daß es die Situngen der Nationalversammlung, um die Berathungen derselben dem Einflusse des Berliner Straßenpöbels zu entziehen, von Berlin nach Brandenburg verlegte. Die Versammlung bestritt der Regierung das Recht zu diesem Schritte und verlangte vom Könige die Entlassung des Ministeriums. Die Minister, wie der König selbst, blieben jedoch bei dem einmal gefaßten Beschlusse. Als nun die demokratischen Mitglieder der Versammlung den Bersuch machten, der Regierung zum Troße ihre Sizungen in Berlin zu halten, und die Berliner Bevölkerung zum Theil für sie Partei ergriff, erhielt der General von Wrangel den Befehl, mit der um Berlin versammelten Truppenmacht einzurücken, um die bedrohte Ruhe zu sichern. Die unbefugten Sizungen der Abgeordneten wurden mit Waffengewalt aufgehoben; zulegt faßten dieselben jedoch noch den hochverrätherischen Beschluß der Steuerverweigerung. Schon war aber im besseren Theile des Volkes ein Bewußtsein darüber erwacht, wohin das geseß- und zuchtlose Treiben dieser Nationalversammlung führen müßte; in der Steuerverweigerung erkannte man vollends den Versuch zu einer Auflösung der ganzen staatlichen Ordnung. Als nun das Volk sich zugleich überzeugte, daß es dies Mal der Regierung selbst mit dem Widerstande Ernst sei, da fand sich überall die Kraft und Entschlossenheit wieder, dem schmachvollen Zustande endlich ein Ziel zu sezen: mit Freuden schaarten sich alle Wohldenkenden von Neuem um die Regierung und erklärten sich öffentlich zur Unterstüßung der Krone und des muthvollen Ministeriums bereit. Dieses konnte aus dem Verhalten des Volkes klar erkennen, daß die Zeit zu kräftigem Handeln gegen die Umsturzpartei gekommen sei.

Da sich die Abgeordneten zur Zeit der Wiedereröffnung der Sizungen in Brandenburg nicht zahlreich genug einfanden, so schritt der König zur Auflösung der Nationalversammlung, zugleich aber machte er eine aus cigener Machtvollkommenheit gegebene (octroyirte) Verfassung (vom 5. December 1848) bekannt. Dieselbe war nach den freisinnigsten Grundsägen verfaßt, doch sprach der König zugleich das Vertrauen und die Zuver sicht aus, daß die neu zu berufenden Kammern Alles in der Verfassung mik dern würden, was dem Anschen und der Kraft des Königthums ungebührliche Schranken auferlege. Die weise Mäßigung dieses Verfahrens der Regierung

Ablehnung der deutschen Kaiserwürde.

461

machte im Lande den günstigsten Eindruck, und überall fingen die Hoffnungen der redlichen Bürger sich neu zu beleben an.

Ablehnung der deutschen Kaiserwürde (1849). Die angebahnte bessere Zeit sollte jedoch erst noch durch manche neue Anstrengung erkämpft werden. Die Volksvertretung, welche auf Grund der octroyirten Verfassung in zwei Kammern gebildet wurde, bestand zum Theil wiederum aus revolutionär gesinnten Mitgliedern, welche nicht geneigt waren, die vom Könige gehegte Hoffnung auf eine heilsame Revision der Verfassung zu erfüllen. Der weitere Verlauf der deutschen Angelegenheiten aber führte vollends einen Bruch der Regierung mit der Versammlung herbei.

Die Kämpfe über die deutsche Verfassung waren im Frankfurter Parlamente immer heftiger und verwirrter geworden: endlich nach langwierigen Verhandlungen hatte man eine Reichsverfassung festgestellt, welche einen so demokratischen Charakter an sich trug, daß damit eine kräftige, geordnete Regierung allen Besonnenen unmöglich erschien. Zuletzt wurde jedoch (mit einer Mehrheit von nur vier Stimmen) die Einsetzung eines erblichen Reichsoberhauptes mit dem Titel Kaiser der Deutschen und die Uebertragung der Kaiserwürde auf den König von Preußen beschlossen. Bei der Annahme dieser Würde aber sollte sich der König auch zur unveränderten Annahme und Beobachtung jener demokratischen Verfassung verpflichten. Viele auch der getreuesten Diener des Fürsten waren der Ansicht, daß er vor Allem den ihm angetragenen bedeutsamen Beruf zum Heile Preußens und Deutschlands ergreifen müsse und daß sich dann wohl Mittel und Wege finden lassen würden, die demokratischen Fesseln der Verfassung abzustreifen. Der König aber erblickte in dem Antrage der Frankfurter Versamm lung eine Frucht der revolutionären Entwickelung der deutschen Verhältnisse, er hielt es überdies seiner königlichen Ehre und Würde zuwider, eine Verfassung anzunehmen und zu beschwören mit dem heimlichen Entschlusse, dieselbe dann wieder umzustürzen, endlich erkannte er es auch als Pflicht gegen die übrigen deutschen Fürsten, nicht ohne gemeinsame Verständigung mit denselben zu handeln. Aus diesen Gründen beschloß er die Ablehnung der deutschen Kaiserwürde (April 1849).

Dieser Schritt, welcher das ganze bisherige Wirken der Frankfurter Bersammlung vereitelte, wurde von der revolutionären Partei benußt, um in ganz Deutschland von Neuem eine heftige Aufregung zu erzeugen. Auch die preußische Zweite Kammer hielt sich für berufen, ihrer Mißbilligung über des Königs Entschluß Ausdruck zu geben; ihre Verhandlungen arteten darüber zu einer solchen Gereiztheit und Bitterkeit aus, daß sich die Regierung wiederum zu einem entscheidenden Schritte, zur Auflösung der Zweiten Kammer (27. April 1849) genöthigt sah. Um die Wiederkehr einer so revolutionär gesinnten Versammlung zu verhüten, wurde nunmehr auch die Aenderung des Wahlgesezes beschlossen.

Aufstände in Sachsen, in der Pfalz und in Baden (1849). Der Berlauf der deutschen Nationalversammlung war inzwischen nach der preußischen Ablehnung der Kaiserfrone immer gewaltsamer und verhängnißvoller geworden. Die revolutionäre Partei beschloß, die Reichsverfassung jedenfalls zur Geltung zu bringen, wäre es auch durch offene Auflehnung gegen die

462

Aufstand in Sachsen, in Baden und in der Rheinpfalz.

widerstrebenden Fürsten. Noch einmal wurden die Volksmassen in ganz Deutschland durch alle Mittel verführerischer Aufreizung bearbeitet, und in mehreren Staaten kam es zum offenen Aufstande, am gefährlichsten in Sachsen und Baden.

Friedrich Wilhelm aber hatte bald nach der Ablehnung der Kaiserwürde erklärt, daß er denjenigen Fürsten, welche in Folge dieses Schrittes von Empörung bedrängt würden, zur Unterdrückung derselben gern beistehen wolle. Als nun zuerst in Dresden wilder Aufruhr entbrannte, ließ er auf den Hülferuf der sächsischen Regierung sofort zwei Bataillone vom 24. Infanterie-Regiment und vom Alexander-Regiment einrücken. Dieselben hatten in Dresden drei heiße Tage durchzumachen, da sich die Rebellen in den Straßen und Häusern fest verbarrikadirt hatten und aus solch' sicherem Hinterhalte den erbittertsten, mörderischen Kampf gegen die Truppen führten. Nur mit der größten Mühseligkeit konnten die Preußen von Haus zu Haus mittelst Durchbruches der Mauern vordringen; als endlich am 9. Mai die Hauptbarrikaden durch die Truppen erstürmt waren, ergriffen die Insurgenten auf ein von den Führern gegebenes Zeichen sämmtlich die Flucht. So wie mit Hülfe der Preußen die Ruhe gänzlich wiederhergestellt war, verließen dieselben sofort das gerettete Nachbarland, welches den Dank für die erwiesene Wohlthat leider sehr bald vergaß.

Auch in Preußen selbst war es der Demokratie hier und da gelungen, das Volk zum Aufruhr zu verleiten: in mehreren Städten am Rheine, in Westphalen und in Schlesien, vorzüglich in Elberfeld und in Breslau, kam es zu blutigem Barrikadenkampfe. Doch überall gelang es den Truppen bald, die Empörung zu unterdrücken.

Am heftigsten aber entbrannte der Aufruhr in Baden und in der baierschen Rheinpfalz. Republikanische Sendlinge errichteten in Kaiserslautern in der Pfalz eine provisorische Regierung, in Kurzem sammelten sich dort eine große Anzahl geübter Barrikadenkämpfer, polnische und französische Flüchtlinge und raubsüchtiger Pöbel aus allen Gegenden, und rissen die ganze Pfalz mit sich fort. Selbst zwei baiersche Regimenter in Landau ließen sich zum schmachvollen Abfalle von der Fahne ihres Fürsten verführen. In Baden gelang es den Demokraten vollends, alle Gewalt an sich zu reißen. Vorzüglich hatte sich ihr Streben auf die Verführung des Militärs gerichtet. In der That gelang es ihnen, in Rastatt (am 11. Mai 1849) eine Soldatenempörung herbeizuführen, welche ihnen diese wichtige Bundesfestung in die Hände spielte. Bald wurde die Hauptstadt Karlsruhe gleichfalls vom Aufstande ergriffen, der Großherzog und sein Ministerium mußten fliehen, die radicalen Sieger aber richteten unter Struve und Brentano eine provis forische Regierung ein. Das Militär machte durchweg mit den Aufständischen gemeinsame Sache, die Offiziere wurden zum Theil ermordet, zum Theil entflohen sie. Aus allen Theilen Deutschlands, aus der Schweiz und aus Frankreich strömten die wildesten Demokraten, politische Flüchtlinge, Abenteurer und Freibeuter herbei, um an den weiteren Fortschritten und Erfolgen der badischen Revolution Theil zu nehmen, und von da aus, wie sie hofften, Dentschland weiter zu revolutioniren; an die Spiße der Aufständischen wurde

« ZurückWeiter »