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Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861).

52. Friedrich Wilhelm als Kronprinz.

Friedrich Wilhelm IV., des vorigen Königs ältester Sohn, war am 15. October 1795 geboren. Unter der treuen mütterlichen Pflege der trefflichen Königin Luise entwickelten sich in ihm frühzeitig die reichen Anlagen einer bevorzugten Natur; besonders war es der frommen Fürstin eine rechte Herzenssache, die Keime ächter Gottesfurcht in ihren Kindern zu beleben und zu kräftigen.

Die Ausbildung Friedrich Wilhelm's fällt großentheils in die Zeit vaterländischer Trübsal und Noth, durch welche das Herz der edlen Königin so tief bekümmert und zuletzt gebrochen wurde: in jener schweren Prüfungszeit hat der junge Kronprinz eine geistige Weihe für seinen künftigen Beruf erhalten, wie sie selten einem Fürsten zu Theil geworden ist. Wie Friedrich Wilhelm III. selbst und seine fromme Gemahlin in Folge der harten Schläge des Schicksals nur noch mehr veredelt und in wahrer Gottergebenheit und Glaubenszuversicht gehoben wurden, so ist gewiß auch für die königlichen Kinder die Trübsal jener Tage eine Quelle reichen geistlichen Segens geworden. Die erhabene Seelengröße, welche das treffliche Königspaar in der schweren Prüfung bekundete, mußte auch auf die jungen Herzen der Ihrigen einen läuternden und kräftigenden Einfluß üben und den Grund zu einer sittlich ernsten und tief religiösen Richtung legen, welche sich in der That in dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm jeder Zeit bewährt hat. Ueberdies wurde durch die bittere Noth jener Zeiten die ernste Fürsorge der Königin Luise, welche vorzüglich die Zukunft des Vaterlandes tief im hingebenden Herzen trug, gerade auch dahin geleitet, der Erziehung und Ausbildung des Kronprinzen für seine dereinstige hohe Bestimmung die gewissenhafteste Aufmerk samkeit zu widmen. Ihm wollte sie die feurige Vaterlandsliebe einpflanzen, von der sie selbst beseelt war, in ihm alle die Eigenschaften und Tugenden entwickeln, durch die er einst sein Volk beglücken könnte.

Die ersten Mittheilungen, welche wir aus der Jugendzeit Friedrich Wilhelm's IV. haben, sind sämmtlich mit der Erinnerung an die Königin Luise innig verwebt: fürwahr die herrlichste Aegide, unter welcher je ein Fürst in die Geschichte eingeführt worden.

Frühzeitig, schon vor der Niederlage der preußischen Waffen, versäumte die Königin keine Gelegenheit, das deutsche Gefühl des königlichen Knaben gegen die Fremdherrschaft zu entzünden. Es war kurz nach der Verlegung des preußisch-anspachischen Gebietes, welche die Niederlage der Desterreicher bei Ulm herbeiführte, als die königliche Familie in Paret den zehnten Ge

Einfluß der Königin Luise auf die Erziehung des Kronprinzen.

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burtstag des Kronprinzen feierte. Derselbe erhielt damals als Festgeschenk Hut und Degen und erschien zum ersten Male in Uniform vor der Königin. Tief bewegt richtete sie an ihn jene bereits erwähnten Worte:,,Ich hoffe, mein Sohn, daß an dem Tage, wo Du Gebrauch machst von diesem Rođe, Dein einziger Gedanke der sein wird, Deine unglücklichen Brüder zu rächen.“

Wie ergreifend die edle Fürstin nach dem Unglücke von Jena zu ihren Sehnen gesprochen, wie sie dieselben angefeuert, ihre Kräfte zu entwickeln, um dereinst das Vaterland von der Schande und Erniedrigung zu befreien, wie sie dieselben vor der Entartung jenes Zeitalters gewarnt, und sie aufgefordert, sich des Namens als Enkel des großen Friedrich würdig zu zeigen, — das ist bereits bei der Darstellung von Luisens Leidenszeit näher mitgetheilt. Dort ist auch erwähnt, wie sie nach dem Tilsiter Frieden ihren liebsten Trost im trauten Familienkreise, in der Liebe ihres Gemahls und in der Sorge für ihre Kinder fand. Das Bild, welches sie damals ihrem Vater von dem Wesen des Kronprinzen entwarf, müssen wir hier als die erste Nachricht über Friedrich Wilhelm wiederholen:

,,Der Kronprinz ist voller Leben und Geist," schreibt die Königin im Jahre 1808.,,Er hat vorzügliche Talente, die glücklich entwickelt und gebildet werden. Er ist wahr in allen seinen Empfindungen und Worten und feine Lebhaftigkeit macht Verstellung unmöglich. Er lernt mit vorzüglichem Erfolge Geschichte, und das Große und Gute zieht seinen idealischen Sinn an sich. Für das Wißige hat er viel Empfänglichkeit, und seine komischen, überraschenden Einfälle unterhalten uns sehr angenehm. Er hängt vorzügkich an der Mutter, und er kann nicht reiner sein, als er ist. Ich habe ihn sehr lieb und spreche oft mit ihm davon, wie es sein wird, wenn er einmal König ist.“

Je mehr der Kronprinz sich von den Grenzen der Kindheit entfernte, in desto höherem Grade erregte seine Erziehung die mütterliche Theilnahme und Borsorge. Sein erster männlicher Erzieher war der Geheimerath Delbrück, welcher mit strenger Gewissenhaftigkeit die Entwickelung des reich begabten Brinzen leitete und besonders in Uebereinstimmung mit dem Streben der föniglichen Aeltern den Grund eines innigen christlichen Glaubens zu befestigen bemüht war. Als jedoch Friedrich Wilhelm das dreizehnte Jahr erreicht hatte, schien es der Königin, als bedürfe der Prinz, der mit großer Lernbegierde, mit lebhafter und fruchtbarer Einbildungskraft rasch vorgeschritten war, und dessen geistiger Lebendigkeit die etwas trockene Art des bisherigen Lehrers nicht mehr entsprach, einer anderen Leitung. Sie wurde hierin durch den Rath des Freiherrn von Stein bestärkt. Derselbe schrieb damals: „Soll der Kronprinz zu seinem zukünftigen Berufe gebildet werden, so ist es mit der allgemeinen Erziehung zu einem sittlichen und unterrichteten Manne nicht hinreichend, sondern es muß frühzeitig seine Aufmerksamkeit auf die Kenntniß der Geschichte der Nationen und ihrer Beherrscher, auf die Ursachen ihrer Größe und ihres Verfalles geleitet werden, durch einen Mann, der mit diesen Ideen vertraut ist und damit Welt- und Menschenkenntniß verbindet, der einen Reichthum von Ideen besitzt, die er mittheilt und dadurch den Geist des Zöglings belebt und auf ihn wirkt." Die Wahl fiel auf den Brediger der französischen Gemeinde zu Berlin, Ancillon. Derselbe war

Hahn, preuß. Gesch.

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450 Des Kronprinzen Erzieher; seine Confirmation; Theilnahme an den Feldzügen.

ein Mann von kräftigem, sehr gebildetem Geiste und von Adel und Würde in seiner ganzen Haltung; sein Ausdruck war beredt und glänzend, seine Unterhaltung anregend und geistreich. Stein hoffte, daß er durch die Stärke seines Charakters Einfluß auf den Prinzen gewinnen und ihn durch den Reichthum seines Geistes anziehen würde. Seine Erwartungen sind reichlich in Erfüllung gegangen und der Kronprinz ist seinem Lehrer für die lebendige, geistige Anregung, die er von ihm erhalten und unter deren Einfluß sich seine schönen Gaben hoffnungsvoll entfalteten, in dankbarer Liebe ergeben geblieben.

In einer bedeutungsschweren Zeit, am 20. Januar 1813, zwei Tage vor der Abreise des Hofes nach Breslau, fand zu Potsdam die Confirmation des Kronprinzen statt. Der würdige Bischof Sack, welcher bereits Friedrich Wilhelm III. getauft, unterrichtet, eingesegnet und getraut hatte, war auch der Lehrer des Kronprinzen im Christenthume und baute auf dem in früher Jugend gelegten ernsten Grunde fort. Bei der Prüfung seines königlichen Zöglings richtete er an denselben auch die Frage:,,Was soll der Glaube an Gottes allweise und allgütige Weltregierung in einer dunkeln Zeit, wie die gegenwärtige, auf Sie wirken?" und nach kurzer Sammlung antwortete der siebzehnjährige Prinz aus der Fülle seines fromm bewegten Herzens:,,Dieser Glaube soll und wird mich erheben, stärken und kräftigen. Fest und ruhig glaube ich an den, der zum Uebermuthe spricht: Bis hierher und nicht weiter! Hier sollen sich legen deine stolzen Wellen.""" Ich glaube an den Algerechten, der den Frommen das Licht lässet aufgehen in der Finsterniß und Freude den redlichen Herzen. Das Morgenroth eines besseren Tages bricht an. Ich hoffe mit freudiger Zuversicht, der allmächtige gnädige Gott wird mit meinem königlichen Vater, seinem Hause und treuen Bolke sein. Amen!"

Der Kronprinz folgte dem Könige nach Breslau; mit Begeisterung nahm er an den Vorbereitungen zu Preußens ruhmvoller Erhebung Theil und mit freudigem Muthe begleitete er dann den hochherzigen Vater in den Krieg. Zuerst lernte er den Ernst der Schlachten in den Tagen von Groß-Görschen kennen. Während des böhmischen Feldzuges, wo des Königs lebendiges Eingreifen den Verbündeten den Sieg gegen Vandamme verschaffte, schrieb WilHelm von Humboldt aus dem Hauptquartiere: ,,Der Kronprinz ist beständig beim Könige, er entwickelt sich aufs allerbeste und behält stets seine naive Fröhlichkeit inmitten seiner sehr ernsten Theilnahme an den kriegerischen Ereignissen." Auch an dem Feldzuge in Frankreich nahm der Prinz mit seinem königlichen Vater Theil.

Nach der Wiederherstellung des Friedens war des Königs Sorgfalt in hohem Grade darauf gerichtet, seinen Thronerben immer tiefer in den Gang der Verwaltung einzuweihen. Schon damals war der Geist und Charakter des jungen Fürsten so weit gereift, daß ihm der König während seiner Abwesenheit zum Wiener Congreß mit vollem Vertrauen die Regierung übertragen konnte. Gleichzeitig aber erhielt er durch einen der ausgezeichnetsten damaligen Gelehrten und Staatsmänner, den berühmten Niebuhr, noch eine überaus segensreiche weitere Belehrung und Anregung für seinen hohen Beruf. Niebuhr, ein Mann von der seltensten Vielseitigkeit und Gründlich

Der Kronprinz und Niebuhr; Friedrich Wilhelm's Gemahlin.

451 leit des Wissens, der merkwürdigsten Klarheit des Denkens, der überraschendsten Lebendigkeit des Geistes, der großartigsten Tiefe der Auffassung und der edelsten und gediegensten ernst - religiösen Gesinnung, — war einer der bedeutendsten Geister jenes einflußreichen Kreises gewesen, der in Gemeinschaft mit dem Freiherrn von Stein die Wiedergeburt des Vaterlandes vorbereitet hatte. Ihn berief der König im Jahre 1814, um den Kronprinzen in der Finanz- und Verwaltungskunde zu unterrichten. Bei Friedrich Wilhelm's geistiger Frische und Lebendigkeit und bei einem Lehrer von Niebuhr's bohem, umfassendem Standpunkte blieb der Unterricht natürlich nicht streng auf den nächsten Gegenstand beschränkt, sondern Niebuhr übte in freiester Weise den größten, befruchtendsten Einfluß auf die treffliche Geistesentwickelung setnes königlichen Zöglings aus. Niebuhr's Lebensgeschichte sagt uns: er lernte den Prinzen in diesen Stunden näher kennen und innig lieben. Geist, Gefinnung und Charakter machten ihm denselben theuer. Niebuhr's Herz hing bis an sein Lebensende mit wahrhaft zärtlicher Liebe an ihm: und vielfältige Andeutungen zeugen davon, daß auch der Prinz ein Herz für ihn hatte. In einem seiner Briefe schreibt Niebuhr über den Kronprinzen:,,Ich freue mich, wenn der Tag kommt, zu ihm zu gehen. Er ist aufmerksam, nachfragend, voll Interesse und alle die herrlichen Gaben, womit die Natur ihn so reich ausgestattet hat, entfalten sich in diesen Stunden vor mir. — Sein fröhlicher Sinn thut tieferem Ernst keinen Eintrag, und sein Herz ist so tief bewegt, wie seine Phantasie leicht beflügelt. Er sucht Urtheil und Belehrung, ohne fich irgend einer Autorität hinzugeben. Ich habe nie eine schönere Jünglingsnatur gesehen."

Friedrich Wilhelm III. ließ den Kronprinzen auch durch die einzelnen Minister in die Geschäfte näher einführen; derselbe nahm ferner an den Arbeiten des Staatsrathes den thätigsten Antheil, ebenso an den Sitzungen des Staatsministeriums, in welchem er später den Vorsitz und hierdurch an der Verwaltung der wichtigsten Landesangelegenheiten den größten Theil erhielt.

Am 29. November 1823 vermählte sich Friedrich Wilhelm mit der Prinzessin Elisabeth Luise von Baiern. Der ihr vorangehende Ruf hoher weiblicher Würde, großer Bildung, Einsicht, Besonnenheit und edeln, herzlichen Wohlwollens wurde nach ihrem freudig begrüßten Erscheinen in Preußen aufs schönste bestätigt, und bald verbreitete sich besonders die Kunde von ihrem stillen christlichen Wohlthun, wie sie den Nothleidenden durch wohlüberlegte, zweckmäßige Unterstützung zu Hülfe kam, und wie ihr frommer Sinn sich vorzüglich auch der Pflege und Förderung der weiblichen Erziehungsanstalten juwendete.

In der Theilnahme an den Regierungsgeschäften, im lebendigen Verfehre mit den bedeutendsten Männern der Wissenschaft, in der einsichtigsten, durch eine Reise nach Italien noch geförderten Beschäftigung mit der Kunst, in der Anregung und Beförderung alles geistigen und christlich - sittlichen Lebens, sowie in dem herzlichsten, rührendsten Familienleben kam die Zeit heran, welche Friedrich Wilhelm IV. nach dem seligen Heimgange seines allverehrten Vaters auf den Thron berief.

452 Die Thronbesteigung; Huldigungsreden ; des Königs Absichten f. d. Landesverfassung.

53. Regierung Friedrich Wilhelm's IV. bis zum Märzaufstande 1848.

Die Huldigung. Friedrich Wilhelm IV. bezeichnete seinen Regierungsantritt durch mehrere Beweise königlicher Milde, welche zugleich als Andeutungen einer heranbrechenden freieren Entwickelung des öffentlichen Lebens aufgefaßt wurden.

Die Hoffnungen, welche schon hierdurch erweckt wurden, steigerten sich zur lebhaftesten Begeisterung, als Friedrich Wilhelm IV. bei den Huldigungen in Königsberg und Berlin (am 10. September und am 15. October 1840) mit erhabenen, wahrhaft königlichen Worten das Bewußtsein von seinen hohen Regentenpflichten und den ernsten Willen aussprach, dieselben mit Gottes Hülfe zu erfüllen; als er gelobte,,,ein gerechter Richter, ein treuer, sorgfältiger, barmherziger Fürst, ein christlicher König zu sein,“ wie sein unvergeßlicher Vater; als er in Königsberg die schönen Worte sprach: ,,Bei uns ist Einheit an Haupt und Gliedern, an Fürst und Volk, im Großen und Ganzen, herrliche Einheit des Strebens aller Stände nach einem schönen Ziele: nach dem allgemeinen Wohle in heiliger Treue und wahrer Ehre!"— und in Berlin:,,Ich weiß zwar, und Ich bekenne es, daß Ich Meine Krone allein von Gott habe, und daß es Mir wohl ansteht, zu sagen:,,,,Wehe dem, der sie anrührt!"""— Aber ich weiß auch und bekenne es vor Ihnen Allen, daß Ich Meine Krone zu Lehen trage von dem Allerhöchsten Herrn, und daß Ich Ihm Rechenschaft schuldig bin von jedem Tage und jeder Stunde Meiner Regierung." ,,Ich gelobe, Mein Regiment in der Furcht Gottes und in der Liebe der Menschen zu führen, mit offenen Augen, wenn es die Bedürfnisse Meiner Völker, mit geschlossenen, wenn es die Gerechtigkeit gilt. — Ich will vor Allem dahin trachten, dem Vaterlande die Stelle zu sichern, auf welche es die göttliche Vorsehung durch eine Geschichte ohne Beispiel erhoben hat, auf welcher Preußen zum Schilde geworden ist für die Sicherheit und für die Rechte Deutschlands. In allen Stücken will Ich so regieren, daß man in mir den ächten Sohn des unvergeßlichen Vaters, der unvergeßlichen Mutter erkennen soll, deren Andenken von Geschlecht zu Geschlecht in Segen bleiben wird."

Des Königs Absichten für die Landesverfassung. Der vereinigte Landtag (1847). Wie aus des Königs Worten ein erhabener Geist und eine wahrhaft edle Denkungsweise hervorleuchteten, so bekunden auch seine Handlungen die trefflichsten Absichten für Preußens und Deutschlands heilsame Entwickelung. Hohe königliche Gedanken erfüllten des Fürsten Sinn, in mehr als einer Beziehung brachte er schöpferische Pläne mit auf den Thron.

Schon als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm der Ausbildung einer reichsständischen Verfassung für Preußen eine vorzügliche Beachtung gewid met; dasselbe Streben hielt er auch als König fest. Dabei war es freilich sein Grundsatz, nicht etwas ganz Neues zu schaffen, sondern die in Preußen seit alter Zeit vorhandenen Elemente einer allgemeinen Landesverfassung zu benutzen, zu entwickeln und zu vervollkommnen: er wollte aus den Provinzial ständen allmälig die allgemeinen Reichsstände herausbilden.

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