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rüttung der Staaten nicht durch einzelne Fehltritte und Vergehen der Fürsten, nicht durch zufällige Auflehnungen der Völker herbeigeführt wurde, sondern baß das Uebel tiefer lag, daß es der Geist des Abfalls von Gott und von jeiner sittlichen Ordnung gewesen, welcher die Throne und die Völker in den Strudel des Verderbens und an den Rand des Abgrundes geführt hatte. Die Staatskunst der vorigen Jahrhunderte, wie sie sich besonders in Frankreich ausgebildet, war eine unsittliche, blos auf kluger Berechnung des äußern Vortheils begründete gewesen, und das Beispiel einer frivolen Lebensanschauung war von oben herab immer mehr durch alle Schichten der Bes völkerung verbreitet worden. Die schlimmen Früchte solchen sittlichen Verfalls waren nun in dem äußeren Verderben der Throne und in der Züchtigung der Böller durch die Greuel der Revolution und den Druck der Tyrannei warnend für alle Zeiten hervorgetreten.

Die edeln Fürsten, welche durch ihren innigen Bund dem über Europa verhängten Verderben endlich Einhalt gethan, besonders Preußens König und sein Freund Kaiser Alexander, hatten von Anfang an jenen tieferen Grund der allgemeinen Zerrüttung ins Auge gefaßt, und ichon als sie sich zum ersten Male die Hand zum brüderlichen Bunde reichten, geschah es nicht blos für die Wiederherstellung eines leidlichen äußeren Zustandes der Staaten, sondern in dem lebendigen Bewußtsein, daß sie höhere, ernstere Pflichten gegen Gott und gegen ihre Völker zu erfüllen hätten. Seitdem war durch alle ihre zemeinschaftlichen Handlungen, durch alle ihre Pläne und Verträge, in Potsdam, Kalisch und in Tepliß, der feste Vorsatz und Grundgedanke hindurchgegangen, daß sie eine neue. bessere, sittlichere Ordnung der Dinge in Europa wieder herstellen wollten. Der ächt ritterliche, hochherzige Alexander, der einer fast schwärmerischen Begeisterung für hohe Ideen fähig war, wurde durch den Freiherrn von Stein, der seit der gegen ihn erlassenen Achterklärung bis zum Wiener Congreß unaufhörlich den größten und wohlthätigsten Einfluß auf denselben ausübte, in jener erhabenen Anschauung von seinen Herrscherpflichten ungemein bestärkt, und als er nach Napoleon's Unglück in Rußland sich an die Spitze seiner Armee stellte, um zu dem großen Bernichtungskampfe auszuziehen, geschah es in der festen Abficht, Europa's Zustände auf christlichen Grundlagen neu und dauernd zu befestigen. Der frommen Denkungsart und dem sittlichen Ernste Friedrich Wilhelm's entsprachen solche Pläne vollkommen, und Kaiser Franz ließ sich unschwer zur Beistimmung gewinnen. So schlossen denn die drei Fürsten noch in Paris am 26. September 1815 den sogenannten heiligen Bund. Derselbe sollte an die Stelle der bisherigen, nur auf Weltklugheit und Eigensucht begründeten Politik eine christliche Staatsweisheit treten lassen, die Vorschriften der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens sollten fortan sowohl bei der inneren Verwaltung der Staaten, wie auch bei ihren Beziehungen unter einander zu Grunde liegen. Die Fürsten verpflichteten sich, die höchsten und heiligsten Zwecke der Völker und Regierungen immer zur Richtschnur ihrer Handlungen zu machen. Sie gelobten,,,gemäß den Worten der heiligen Schrift, die allen Menschen befiehlt, sich als Brüder zu lieben, durch die Bande der wahren und unauflöslichen Liebe verbunden zu bleiben, sich stets Beistand und Hülfe zu leisten, ihre Unterthanen als Familienväter zu be

Hahn, preuß. Gesch.

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Die Verwaltungseinrichtungen.

herrschen, die Religion, den Frieden und die Gerechtigkeit aufrecht zu erhal ten. Sie betrachten sich nur als Glieder einer und derselben christlichen Nation, von der Vorsehung beauftragt, die Zweige einer Familie zu regieren." -- Alle anderen Fürsten, welche diesen Grundsägen beizutreten ge= neigt wären, sollten in den Bund aufgenommen werden. In kurzer Zeit traten außer dem Könige von England und dem Papste alle Fürsten Europa's demselben bei.

Wenn auch der heilige Bund die schönen Früchte christlicher Staatenregierung und herzlicher Eintracht nicht in dem Umfange gebracht hat, wie es die Stifter wünschten, wenn auch später mancher fremdartige, trübende Einfluß sich im Namen jener christlichen Grundsäße geltend machte und Viele mit Mißtrauen erfüllte, so haben doch die Begründer des Bundes sicherlich das wahre Wohl und Heil ihrer Völker nach bestem Wissen zu fördern beabfichtigt, und es war ein erhebender, für alle Zeiten denkwürdiger Vorgang, die Beherrscher Europa's in solcher Demuth ein christliches Bekenntniß ihrer Regentenpflichten ablegen zu sehen.

Die Verwaltungseinrichtungen unter Friedrich Wilhelm III. Für den trefflichen Fürsten, welcher auf Preußens Throne saß, war freilich kein Sporn von außen, kein Gelöbniß gegen andere Fürsten nöthig, um ihn das Beste seiner Unterthanen treu fördern zu lassen; er trug die Liebe zu denselben und die pflichttreue Sorge für ihr Heil im edeln, landesväterlichen Herzen. Was er in den Tagen der Noth und der Bedrückung begonnen, das sette er nach Preußens glorreicher Wiederherstellung mit gleicher Treue und Gewissenhaftigkeit fort. Ihm war es ein tiefer, heiliger Ernst, durch weise Ordnung aller öffentlichen Einrichtungen das Wohl seines Landes fest und dauernd zu begründen, und hierauf blieb in jeder Beziehung seine fürsorgliche Thätigkeit unablässig gerichtet. Der Staatskanzler Fürst von Hardenberg blieb sein vorzüglichster Rathgeber und Minister und seßte, wenigstens in den ersten Zeiten nach Beendigung des Krieges, die Bestrebungen seines Vorgängers, des Ministers von Stein, für die Verbesserung der Staatseinrichtungen fort.

Die preußische Monarchie, wie sie aus den letzten Friedensschlüssen neu hervorgegangen war, wurde (durch eine Verordnung vom 30. April 1815 wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden) in zehn, später acht Provinzen eingetheilt, jede Provinz wieder in zwei oder mehrere Regierungsbezirke (im Ganzen 25). Die acht Provinzen, wie sie bis zu den neuesten Eroberungen Preußens bestanden, waren:

1. Preußen mit den Regierungen für Ostpreußen zu Königsberg, für Litthauen zu Gumbinnen, für Westpreußen zu Danzig und Marienwerder.

2. Pommern mit den Regierungen zu Stettin, Stralsund und Cöslin.

3. Brandenburg mit den Regierungen zu Potsdam und Frank, furt.

4. Schlesien mit den Regierungen zu Breslau, Oppeln und Liegniz.

6. Posen mit den Regierungen zu Posen und Bromberg.

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6. Sachsen mit den Regierungen zu Magdeburg, Merseburg und Erfurt.

7. Westphalen mit den Regierungen zu Münster, Minden und

Arnsberg.

8. Rheinprovinz mit den Regierungen zu Koblenz, Köln, Düsseldorf, Aachen und Trier *).

In jeder Provinz leitet ein Ober-Präsident die allgemeinen Angelegenheiten der ganzen Provinz und überwacht die Thätigkeit der einzelnen Regierungen. In jedem der genannten Regierungsbezirke besteht eine Regierung, an der Spize derselben befindet sich ein Regierungs-Präsident. Jede Regierung hat zwei oder drei Abtheilungen, eine für die inneren (Landes- Polizei-, Gemeinde- u. a.) Angelegenheiten, eine für die Kirchen- und Schul- Angelegenheiten und eine für die Finanz- oder Domänen-, Forst- und Steuer- Angelegenheiten. Jede Abtheilung steht unter einem Ober- Regierungsrath, unter welchem die Regierungsräthe, Assessoren und Referendarien die einzelnen Zweige der Geschäfte bearbeiten. Wichtigere Sachen müssen im Collegium, d. h. in einer Sizung aller Mitglieder der Abtheilung, die wichtigsten im Plenum, d. h. in gemeinschaftlicher Sizung aller Abtheilungen, berathen werden. Jeder Regierungsbezirk ist in eine Anzahl Kreise getheilt, deren Verwaltung unter Aufsicht und Leitung der Regierung je einem Landrathe obliegt. Die besonderen Angelegenheiten der Städte werden unter Aufsicht des Landrathes oder der Regierung von den Magistraten (Bürgermeister und Stadträthe oder Rathmänner) unter Mitwirkung der Stadtverordneten, diejenigen der Dörfer von dem Ortsgerichte, welches aus dem Schulzen und Ortsvorstehern zusammengesetzt ist, besorgt.

In jeder Provinz steht unter der Leitung des Oberpräsidenten ein Medicinal- Collegium, welches Gutachten und Rathschläge in Betreff der öffentlichen Gesundheitspflege abzugeben hat, außerdem befindet sich bei jeder einzelnen Regierung ein Regierungs- Medicinalrath, welcher die ärztlichen Einrichtungen des Bezirkes zu überwachen hat.

Während die Regierungs-Abtheilungen für Kirchen- und Schulangelegenheiten nur die Aufsicht und Leitung der Elementar- und Bürgerschulen ihres Bezirkes haben, stehen die höheren Lehranstalten der ganzen Provinz, inshesondere die Gymnasien und Schullehrer - Seminarien, unter einem Provinzial-Schulcollegium, dessen Chef wiederum der Oberpräsident ist.

Die evangelischen Kirchenangelegenheiten werden in jeder Provinz von einem Consistorium geleitet. Neben dem Consistorium wird die Aufsicht über die Kirchenangelegenheiten der Provinz durch einen Generalsuperintendenten, in kleineren geistlichen Bezirken durch Super

*) Zu diesen 8 Provinzen sind nach 1866 noch die Provinz SchleswigHolstein mit der Regierung zu Schleswig, die Provinz Hannover mit der Regierung zu Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Osnabrück und Aurich, und die Provinz Hessen-Nassau mit den Regierungen zu Cassel und Wiesbaden hinzugetreten; auch sind im Jahre 1877 aus der Provinz Preußen die beiden besonderen Provinzen Ostpreußen und Westpreußen gebildet worden. Die Hohenzollernschen Fürstenthümer bilden den Regierungsbezirk Sigmaringen.

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Der Staatsrath; die Militärverfassung.

intendenten geführt. Die katholischen Kirchenangelegenheiten leiten die Bischöfe und nach deren Anweisung in den einzelnen Bezirken die Erzpriester, Pröpste u. s. w. *).

Zur sorgfältigen Ausarbeitung der Gesetze und zur höchsten Berathung der Grundsäße, nach denen die Verwaltung stattfinden sollte, war schon früher der Staatsrath eingesetzt; durch eine Verordnung vom Jahre 1817 wurde derselbe neu und fest organisirt. Der Staatsrath sollte unter dem Vorsitze des Staatskanzlers bestehen: aus den Prinzen des königlichen Hauses, welche das achtzehnte Jahr zurückgelegt haben, aus einer Anzahl von Staatsdienern, welche durch ihr Amt selbst Mitglieder desselben sind und außerdem aus Staatsdienern, welche das besondere Vertrauen des Königs dazu beruft. Zum Geschäftskreise des Staatsrathes sollten gehören: alle Vorschläge zu neuen, oder zur Abänderung und Erklärung bestehender Geseze, alle Pläne und leitende Grundsätze zu Verwaltungsmaßregeln, ferner alle Streitigkeiten über den Geschäftskreis der Ministerien, sowie alle Sachen, welche der König in einzelnen Fällen an den Staatsrath verweisen will (z. B. Beschwerden der Unterthanen über die Minister u. s. m.).

Was die Militärverfassung**) des Landes betrifft, so hatte der König dieselbe schon am 3. September 1814 im Wesentlichen für die Dauer so festgestellt, wie sie von Scharnhorst ausgearbeitet und im Drange der Zeiten vorläufig eingeführt worden war. Die Grundlage derselben ist die allgemeine Dienstpflicht, der zufolge jeder Preuße, sobald er das zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, zum Dienste für die Landesvertheidigung verpflichtet ist. Die bewaffnete Macht zerfällt aber in das stehende Heer, die Landwehr (ersten und zweiten Aufgebots) und den Landsturm; jeder Dienstpflichtige wird auf drei Jahre zum Dienste im stehenden Heere herangezogen, gebildete junge Leute, wenn sie sich selbst bewaffnen und kleiden, nur auf ein Jahr (die einjährigen Freiwilligen). Jeder tritt, nachdem er die bestimmte Zeit im stehenden Heere gedient hat, zunächst auf zwei Jahre (neuerdings auf 4 Jahre) zur Kriegsreserve, dann zur Landwehr über, welche im ersten und zweiten Aufgebote die Männer bis zum 39. Lebensjahre umfaßt. Das stehende Heer ist zugleich die Bildungsschule für die Landwehr; jenes allein steht immer gerüstet und schlagfertig da, auch die Landwehr aber ist mit den Waffenübungen so vertraut und ihre Einberufung so geordnet, daß Preußen schon auf Grund der da maligen Einrichtungen zum Angriffe oder zur Vertheidigung in furzer Zeit eine Armee von mehr als 400,000 Mann wohlgerüsteter Truppen aufstellen konnte (nach der neuerdings eingetretenen Reorganisation und der jüngsten Erweiterung des preußischen Gebietes 6—800,000). Alles, was zur Ausrüstung dieser Truppen an Kleidungsstücken, an Waffen und Kriegsgeräth nothwendig ist, muß jederzeit vorräthig gehalten werden.

*) Bezüglich der Drganisation der allgemeinen Landesverwaltung und bezüglich der Militärverfassung sind während der Regierungszeit König Wilhelms I. mehrfache Veränderungen eingetreten.

**) Vergl. dort die betreffenden Abschnitte.

Das preußische Heer; Provinzialstande.

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Nur im Falle der äußersten Noth soll zur Vertheidigung im Innern des Landes der Landsturm aufgerufen werden, welcher alle dienstfähigen Männer bis zum 60. (jezt zum 45.) Lebensjahre umfaßt, aber nicht regelmäßig bewaffnet ist.

Was die preußische Armee aber vor anderen auszeichnet, ist der Geist der Ehre und wirklicher geistiger und sittlicher Zucht, welcher in derselben gepflegt wird. Offiziere sollen, ohne Rücksicht auf Geburt und Stand, nur diejenigen werden, welche neben praktischer Dienstkenntniß auch eine gewisse geistige und wissenschaftliche Bildung nachgewiesen haben und gegen deren sittliche Führung kein Bedenken vorliegt; auch für die gewöhnlichen Soldaten aber ist das Heer eine Pflanzstätte guter Gewöhnung und Ausbildung. Ueberall ist dafür gesorgt, daß die mangelhaften Kenntnisse derselben ergänzt werden, und für Viele, die in der Kindheit vernachlässigt worden sind, werden erst die Dienstjahre eine Zeit rechter geistiger Erweckung und wenigstens nothbürftiger Bildung. Mit Recht steht daher das preußische Heer nicht nur wegen seiner Schlagfertigkeit und trefflichen Waffenübung, sondern auch wegen seines würdigen Geistes allgemein geachtet da und hat neuerdings in schweren Zeiten diese hohe Achtung gerechtfertigt.

Die Provinzialstände. Während nun der Ausbar der preußischen Staatseinrichtungen nach allen Seiten hin eifrig betrieben wurde, sollte auch dem lebhaften Wunsche derjenigen Genüge geschehen, welche mit Stein die Betheiligung des Volkes selbst an den öffentlichen Angelegenheiten erstrebt hatten. Schon von Wien aus erließ Friedrich Wilhelm (am 22. Mai 1815), wahrscheinlich auf den Rath Stein's, eine Verordnung über die zu bildende Repräsentation des Volkes. Der König sagte darin: „Die Geschichte des preußischen Staates zeigt zwar, daß der wohlthätige Zustand bürgerlicher Freiheit und die Dauer einer gerechten, auf Ordnung gegründeten Verwaltung in den Eigenschaften der Regenten und in ihrer Eintracht mit dem Volke bisher diejenige Sicherheit fanden, die sich bei der Unvollfemmenheit und dem Unbestande menschlicher Einrichtungen erreichen läßt. Damit sie jedoch fester begründet, die preußische Nation ein Pfand Unsers Bertrauens und die Nachkommenschaft die Grundsäße, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unsers Reiches mit ernstlicher Vorsorge für das Glüď Unserer Unterthanen geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer Urkunde, als Verfassung des preußischen Reiches dauerhaft bewahrt werden, haben Wir Nachstehendes beschlossen:

1. Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet werden.

2. Zu diesem Zwecke sind a) die Provinzialstände da, wo sie mit mehr oder minder Wirksamkeit noch vorhanden sind, herzustellen und dem Bedürfniß der Zeit gemäß einzurichten; b) wo gegenwärtig keine Provinzialstände vorhanden sind, solche anzuordnen.

3. Aus den Provinzialständen wird die Versammlung der Landesrepräsentanten gewählt, die in Berlin ihren Siß haben soll.

4. Die Wirksamkeit der Landesrepräsentanten erstreckt sich auf die Berathung über alle Gegenstände der Gesetzgebung, welche die persönlichen und Eigenthumsrechte der Staatsbürger mit Einschluß der Besteuerung betreffen."

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