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Besuch in England; Ridlehr nach Berlin.

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Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft werden wieder aufleben und die Wunden Heilen, die langes Leiden schlug.“

Dem Heere dankte der König für seine Treue und Tapferkeit, den FeldHerren lohnte er auf würdige Weise. Wie Blücher zum Fürsten Wahlstatt, so wurden York, Bülow, Gneisenau und Tauenzien zu Grafen ernannt (York mit dem ehrenden Beinamen von Wartenburg, Bülow mit dem Beinamen von Dennewit). Zugleich befahl der König, daß alle Theilnehmer am Befreiungskampfe eine Kriegsdenkmünze aus dem Metalle eroberter Kanonen erhalten, die Namen aller im Kriege für König und Vaterland Gefallenen aber in den Kirchen ihres Kirchspieles auf einer Ehrentafel eingeschrieben werden sollten.

Besuch in England; die Rückkehr. Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm folgten, ehe sie in ihre Länder zurückkehrten, erst noch einer Einladung des Prinz-Regenten von England zu einem Besuche in London. Mit großer Herzlichkeit und unbeschreiblichem Jubel wurden die edlen Fürsten von dem ganzen englischen Volke aufgenommen; vorzüglich aber war der alte Blücher, welcher gleichfalls eine Einladung erhalten hatte, der begünstigte Bolksheld in jenen festlichen Tagen. Wo immer sich der greise Feldmarschall blicken ließ, konnte er sich der lauten, stürmischen Huldigungen des begeisterten Volkes nicht erwehren. Die Universität Oxford machte ihn zum Ehrendoctor; der alte Haudegen aber, der kaum richtig schreiben konnte, fand die Sache sehr spaßhaft und sagte: „Nu, wenn ich Doctor werden soll, so müssen Sie den Gneisenau wenigstens zum Apotheker machen, denn wir zwei gehören einmal zusammen!" Auch die Rückkehr des tapferen Heerführers nach Breußen war ein fortwährender Triumphzug.

Am 7. August 1814 hielt der König, umgeben von den Prinzen seines Hauses und den Feldherren seines Heeres, an der Spitze der Garden seinen feierlichen Einzug in Berlin unter tausendfach bewillkommendem Hurrah der begeisterten Bevölkerung Bei des Königs Ankunft wurde die ,,Victoria" auf dem Brandenburger Thore, welche von den Franzosen im Jahre 1806 weggeschleppt, jezt aber wieder herausgegeben und nach Berlin geschafft worden war, wieder enthüllt. Auf dem im Lustgarten errichteten Altare wurde unter freiem Himmel ein feierlicher Gottesdienst gehalten und unter Kanonendonner und Glockengeläute dem Herrn der Heerschaaren ein Lobgesang gesungen.

48. Der Wiener Congreß.

Die glänzende Congreß-Versammlung. Die Fürsten Europa's waren, wie erwähnt, übereingekommen, daß auf einem zu Wien abzuhaltenden allgemeinen Congresse die neue Gestaltung Europa's festgesezt werden sollte. Die Eröffnung dieser Versammlung war auf den 1. August bestimmt worden, doch fand sie erst am 1. November statt. Die ausgezeichnetsten Personen aller Länder strömten dort zusammen: Europa sah den Glanz seiner Throne und Höfe, seine größten Staatsmänner und Feldherren, die höchsten Blüthen der Bildung, der Schönheit, der Kunst und des Geschmackes auf einem Punkte versammelt, und abgesehen von der Wichtigkeit der Dinge, welche in Wien

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Der Wiener Congreß; Preußens Anspruch auf Sachsen.

verhandelt werden sollten, bot die Kaiserstadt ein seltenes Schauspiel glänzenden geistigen und geselligen Verkehres.

Außer den Kaisern, Königen und Fürsten, welche in Person bei dem mächtigen Congresse erschienen, waren die bedeutendsten der Gesandten und Minister: der Cardinal Consalvi (für den Papst), Fürst Metternich (für Desterreich), Graf Nesselrode (für Rußland), Lord Castlereagh und Wellington (für England), Talleyrand (für Frankreich); von Seiten Preußens waren der zum Fürsten erhobene Staatskanzler Hardenberg und der ausgezeichnet begabte, geistreiche Minister Wilhelm von Humboldt (Bruder des berühmten Gelehrten Alexander von Humboldt) erschienen; einen gewichtigen Einfluß übte außerdem durch sein vertrautes Verhältniß zum Kaiser Alexander der Freiherr von Stein.

Man einigte sich ohne große Schwierigkeiten über den Grundsatz, daß die legitimen Fürstenhäuser auf ihre in Folge der Revolution oder franzö fischer Gewaltthat verlorenen Throne wieder eingesezt, die republikanischen Staatsformen aber, wo irgend möglich, abgeschafft werden sollten. Dagegen machte die Vertheilung der wieder eroberten Länder in Deutschland und Italien, sowie die Feststellung einer neuen Verfassung für Deutschland sehr große Schwierigkeiten.

Preußens Anspruch auf Sachsen war es der die längsten und heftigsten Unterhandlungen veranlaßte. Nach den Verträgen von Kalisch und Teplitz sollte die preußische Monarchie in ihrem Bestande vor 1806 hergestellt werden, zugleich mit möglichst günstigen Grenzen für die Vertheidigung des Landes. Preußens bedeutendste Staatsmänner hielten nun im Einverständnisse mit Herrn von Stein dafür, daß die Vereinigung des ganzen königlich sächsischen Gebietes mit Preußen zur Abrundung des Staates unbedingt wünschenswerth sei, und es wurde diese Forderung beim Wiener Congresse um so entschiedener geltend gemacht, als Rußland seinerseits ganz Polen, mithin auch die ehemaligen preußisch-polnischen Besißungen in Anspruch nahm. Preußen stieß jedoch auf den heftigsten Widerspruch nicht blos beim Könige von Sachsen, sondern auch von Seiten Baierns und anderer deutschen Staaten, welche das mächtige Aufblühen der preußischen Monarchie von jeher mit besonderer Eifersucht betrachtet hatten. Dieselben fanden bereitwillige Unterstüßung bei den französischen Staatsmännern, welche diese Mißhelligkeiten geschickt benutzten, um durch geheime Intriguen und Verbindungen den Einfluß ihres soeben gedemüthigten Landes wieder zu erheben. Rußland war geneigt, Preußens Ansprüche auf Sachsen zu unterstützen, um den Preis, daß Friedrich Wilhelm den Plänen Alexander's in Bezug auf Polen nicht entgegenträte, aber Desterreich und England verbanden sich mit den Gegnern beider Mächte, und die gegenseitige Gereiztheit war schon so weit gediehen, daß England, Frankreich und Desterreich ein geheimes Bündniß gegen Rußland und Preußen schlossen, als plötzlich die Kunde der neuen Gefahren, welche noch einmal von Napoleon drohten, eine Einigung der Mächte herbeiführte. Rußland sah sich genöthigt, auf den alleinigen Besitz des gesammten Polens, Preußen auf die ungetheilte Erwerbung des Königreiches Sachsen zu verzichten; der König von Sachsen aber mußte in die Abtretung des Großherzogthums Warschau an Rußland

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und in eine Theilung Sachsens zu Gunsten Preußens willigen. Preußen, welches nach allseitigen Zusagen den Werth seiner Besizungen vor 1806 zurückerhalten sollte, trat aufs Neue die Herrschaft über fast alle seine ehemaligen Gebiete links der Elbe an, es verzichtete dagegen auf einen Theil seiner früheren polnischen Erwerbungen in Südpreußen und NeuOstpreußen, auf Anspach und Baireuth, sowie auf Ostfriesland, erhielt aber zum Ersage für diese Abtretungen die Hälfte des Königreiches Sachsen, das Großherzogthum Berg am Rheine und eine Reihe blühender Gebiete an beiden Ufern des Rheinstromes, besonders die ehemaligen Trierschen und Kölnischen Besitzungen.

Die Wiener Schlußacte, durch welche die Einigung über die wesentlichsten Punkte der neuen Ländervertheilung erfolgte, wurde am 9. Juni 1815 unterzeichnet, nachdem die einzelnen Staaten besondere Tractate über die gegenseitigen Abtretungen unter einander geschlossen hatten.

Die Ländergebiete, welche Preußen auf Grund der Wiener Congreßacte theils wiedergegeben wurden, theils neu zufielen, waren im Einzelnen folgende:

Zwischen Elbe und Rhein erhielt Preußen fast alle im Tilsiter Frieden abgetretenen Lånder wieder, mit Ausnahme von Ostfriesland, Hildesheim und Goslar, eines kleinen Streifens vom Münsterland und von der Grafschaft Lingen. Diese Gebiete wurden mit dem gleichfalls wiederhergestellten Königreiche Hannover vereinigt.

Dagegen erhielt Preußen als neuen Besitz in jenen Gegenden die westliche Hälfte des früheren Bisthums Münster (mit der Oberhoheit über die Grafschaften Steinfurt und Recklingshausen und über die Herrschaften Anholt, Gehmen, Rheda u. a.), sodann das vormals zu Köln gehörige eigentliche Herzogthum Westphalen mit der alten Grafschaft Arnsberg (und der Oberhoheit über die Grafschaft Wittgenstein), ferner mehrere ehemalige Besitzungen des Hauses Oranien, nämlich die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund, das Fürstenthum und frühere Bisthum Corvey, das Für).enthum Siegen u. a.

Die rheinischen Lande, welche ehemals zu Preußen gehört hatten (Geldern, Mörs und ein Theil von Cleve), wurden an dasselbe zurückgegeben; außerdem an neuen Besizungen: die Herzogthümer Jülich und Berg (vornehmlich als Ersaß für Anspach und Baireuth), sodann die Lande der vormaligen geistlichen Kurfürstenthümer Köln und Trier, sowie der freien Reichsstädte Köln und Aachen, Theile von Luremburg und Limburg, das Fürstenthum Arerberg und viele ehemals pfälzische, mainzische und rheingräfliche Besitzungen. (Diese neuen rheinischen Besizungen wurden mit den älteren zunächst in der Provinz Jülich-Cleve-Berg und dem Großherzogthume Niederrhein zusammengefaßt, später in der einen Rheinprovinz.)

Der an Preußen abgetretene Theil des Königreiches Sachsen, die gröBere Hälfte des sächsischen Staatsgebietes (373 Quadratmeilen) mit der kleineren Hälfte der Einwohner (845,000) umfaßte außer dem bereits 1813 burch Blücher wieder in Besitz genommenen Cottbuser Kreise die ganze Niederlaufit und fast die Hälfte der Oberlausit, ferner den Wittenberger ober Kur-Kreis (auf welchem die alte sächsische Kur haftete), der Thüringer

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und Neustädter Kreis, die ehemaligen Hochstifter Merseburg und Naumburg-Zeit, vom Meißener Kreise Torgau, Finsterwalde u. a., vom Leipziger Kreise Deligsch, Eilenburg, Düben, Zörbig u. a., bas Fürstenthum Querfurt mit Jüterbogk, den sächsischen Antheil von Mans, feld, die Grafschaften Henneberg und Barbh und die Landeshoheit über die Herrschaft Solms- Baruth, über die Grafschaft Stolberg u. f. w. (Der größere Theil dieser sächsischen Erwerbungen wurde zu einem preußis schen Herzogthume Sachsen zusammengefaßt und mit den älteren preußischen Besitzungen vom Saalkreise bis zum Herzogthume Magdeburg und der Altmark hin als Provinz Sachsen vereinigt, während die Lausißen theils mit Brandenburg, theils mit Schlesien verbunden wurden.)

Von ehemals polnischen Gebieten erhielt Preußen Danzig und Thorn und deren Gebiete, sowie die westpreußischen Kreise Kulm und Michelau zurück, ferner den größten Theil des Netz districtes und den westlichen Theil von Südpreußen, aus welchem nebst dem Neg gebiete das Großherzogthum Posen gebildet wurde.

Endlich erhielt Preußen noch Vorpommern mit der Insel Rügen. Dieser vormals noch bei Schweden verbliebene Theil von Pommern war 1814 für Norwegen an Dänemark abgetreten worden. Preußen tauschte denselben gegen das ihm auf dem Wiener Congresse bestimmte Herzogthum Lauenburg von Dänemark ein und gelangte somit endlich nach Jahrhunderten in den vollen Besitz von ganz Pommern.

Nach dem Abschlusse aller Tauschverträge, die in Folge der Wiener Verhandlungen noch abgeschlossen wurden, betrug das preußische Staatsgebiet (welches durch den Tilsiter Frieden auf 2867 Quadratmeilen mit etwa 5 Millionen Einwohnern beschränkt worden war) wiederum 5086 Quadrat meilen mit etwa 10,400,000 Einwohnern. Im Jahre 1806 freilich hatte Preußen (mit Einschluß von Hannover) eine kurze Zeit 6224 Quadratmeilen und nahe an 11 Millionen Einwohner gezählt und zu Anfang des Jahres 1807 nach der Rückgabe Hannovers an England noch 5655 Quadratmeilen mit noch 9,700,000 Einwohnern. Wenn jedoch das wieder vergrößerte Staatsgebiet auch diese letzte Ausdehnung an Quadratmeilen nicht erreichte, so waren die neugewonnenen Besitzungen in Sachsen, Pommern und am Rheine doch an Zahl der Einwohner und an Werth des Bodens, wie an Entwickelung aller Culturverhältnisse den aufgegebenen Länderstrecken in Polen weit überLegen.

Der Ertrag und Gewinn für Preußen entsprach freilich nicht den Hoffnungen und den gerechten Erwartungen, welche man nach den heldenmi thigen Leistungen des Volkes für Europa's Befreiung hegen durfte. Es war namentlich zu beklagen, daß unser Vaterland bei dieser günstigen Gelegenheit nicht ein zusammenhängendes und abgerundetes Gebiet erhielt: Neid und Eifersucht der kleinen und der großen Nebenbuhler Preußens haben dies verhindert. Indem sie jedoch dahin wirkten, daß die preußische Monarchie lang hingestreckt die Gebiete des ganzen Nordens von Deutschland durchzieht, haben sie Preußen zugleich in die Nothwendigkeit gebracht, seinen Einfluß auf ganz Norddeutschland und auf Deutschland überhaupt zu richten. So haben sie vielleicht gerade für Preußens künftige Machtentwickelung unb

Die deutsche Bundesverfassung.

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Größe in Deutschland mehr gethan, als sie augenblicklich zu verhindern gedachten.

Die Verfassung des deutschen Bundes konnte gleichfalls nur mit den größten Schwierigkeiten auf dem Congresse neu festgestellt werden. An die Wiederherstellung des alten deutschen Reiches mit Kaiser und Reichsfürsten war nicht mehr zu denken: Preußen so wenig wie die übrigen souverän gewor denen Staaten hätten dazu ihre Zustimmung gegeben. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich zuletzt die deutschen Staaten zur Gründung eines unauflöslichen deutschen Bundes, dessen Geseze in der sogenannten deutschen Bundesacte (vom 8. Juni 1815) niedergelegt wurden. Die Hauptbestimmungen derselben waren folgende :

,,Des Bundes Zweck ist die Erhaltung der äußeren und inneren Sicher. heit Deutschlands, und die Unabhängigkeit und Unverleßlichkeit der deutschen Bundesstaaten. Alle Bundesglieder haben als solche gleiche Rechte. — Die gemeinsamen Bundesangelegenheiten werden durch eine Bundesversammlung besorgt, welche ihren Sit in Frankfurt am Main hat, und bei welcher Desterreich den Vorsiz führt. — Alle Bundesglieder versprechen, mit einander gegen jeden Angriff zu stehen, und wenn der Bundeskrieg erklärt ist, keine einseitige Unterhandlung mit dem Feinde einzugehen, noch einseitig Waffenstillstand oder Frieden zu schließen. - Ebenfalls wollen sie unter keinerlei Vorwand einander bekriegen, sondern ihre Streitigkeiten bei der Bundesversammlung vorbringen. Diese soll entweder vermitteln, oder richten und die streitenden Theile ihrem Ausspruche gehorchen u. s. w.

Der deutsche Bund umfaßt die souveränen Fürsten und freien Städte des ehemaligen deutschen Reiches: der Kaiser von Desterreich und der König von Preußen traten demselben in Bezug auf diejenigen ihrer Besißungen bei, welche vormals zum Reiche gehörten, ebenso der König von Dänemark wegen Holstein und Lauenburg, der König der Niederlande wegen Luxemburg. Preußen ließ später auf dem am 5. November 1816 eröffneten Bundestage erklären, daß folgende preußische Provinzen zum deutschen Bunde gehören sollten: Brandenburg, Schlesien, Pommern, Sachsen, Westphalen, JülichCleve Berg und Niederrhein, während Ost- und Westpreußen und Posen außerhalb des Bundes verblieben.

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Die zum Congresse in Wien versammelten Mächte würden sich, wie gesagt, über alle dort verhandelten Streitfragen schwerlich so bald geeinigt haben, wenn nicht eben plößlich die Nachricht, Napoleon sei von Elba ents wichen und in Frankreich wieder erschienen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel Alles mit Schrecken erfüllt und die Gemüther zur friedlichen Einigung gestimmt hätte.

49. Napoleon's Rückkehr von Elba; seine endliche

Ueberwindung.

Napoleon's Rückkehr (1815). Napoleon in seiner Verbannung von dem Gange der europäischen Ereignisse fortwährend unterrichtet, vernahm mit Freude und mit neu erwachender Hoffnung die Kunde von der Uneinigkeit ber Mächte, und gleichzeitig von der Unzufriedenheit, welche das unbesonnene

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