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Tie zwerte Theilung Polens.

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war, fich die Ansichten geändert hatten. Nach der Beendigung des Türkenkriegs schien Rußlands Machterweiterung nicht mehr so drohend, mit Desterreich war Preußen in ein enges Bündniß getreten, und die ganze Sorge der preußischen Regierung war auf die Bekämpfung des revolutionären Geistes gerichtet, welcher von Frankreich aus die Völker zu ergreifen drohte. Nun hatten aber auch in Polen die Vertheidiger der neuen Verfassung sich theilweise zu den revolutionären Ideen Frankreichs hingeneigt, und nach und nach traten in den Versammlungen und Clubs der sogenannten patriotischen Partei Anzeichen hervor, welche auf den Einfluß der französischen Jakobiner schließen lassen mußten. Friedrich Wilhelm sagte sich daher geradezu von ihrer Sache los. Die Patrioten verzweifelten jedoch nicht. Kosziusko, ein tapferer Edelmann, welcher in Amerika unter dem Freiheitshelden Washington ge fochten, trat an die Spitze des auf allen Seiten begeistert aufstehenden Volkes und widerstand bei Dubienka ruhmvoll der russischen Uebermacht. Aber die inneren Parteiungen und der Wankelmuth des Königs Stanislaus lähmten Kosziusto's Kraft, welcher nach vergeblichen Anstrengungen mit seinen eifrigsten Anhängern das Vaterland verließ. Rußland hatte nun ganz Polen in seiner Gewalt und bot Preußen eine neue Theilung des ohnmächtigen Landes an. Breußen ging darauf ein und ließ seinerseits ein Heer in Polen einrücken. In einer öffentlichen Erklärung vom 6. Januar 1793 hob Friedrich Wilhelm besonders die Gefahr hervor, welche von der Verbreitung des französischen Demokratismus in Pelen durch die Grundsäße der jakobinischen Clubs seinen eigenen Ländern gedroht habe. Im Begriff, einen neuen Krieg gegen die Revolution in Frankreich zu führen, dürfe er nicht den Revolutionärs in seinem Rücken freie Hand lassen, müsse vielmehr die Aufrührer unterdrücken helfen, Ordnung und Ruhe wiederherstellen und die Wohlgesinnten in seinen Schuß nehmen. Wohl hatte der König einiges Recht zu solcher Erklärung; denn so eben hatte eine polnische Deputation vor dem französischen Nationalconvent versichert, daß die ganze polnische Nation die jakobinischen Grundsäße theile, und die französischen Schreckensmänner hatten Kosziusko zum Ehrenbürger ernannt.

In der bald darauf erfolgten zweiten Theilung Polens (16. April 1793) erhielt Preußen die Städte und Gebiete von Danzig und Thorn (welche mit Westpreußen vereinigt wurden) und den größten Theil des früheren Großpolens, nämlich die vorher noch nicht in Besitz genommenen Theile der Wohwodschaften Posen, Gnesen, Inowraclaw, ferner Kalisch, Plock u. s. w. (welche unter dem Namen Südpreußen vereinigt wurden), endlich den Bezirk Czen sto chau (von der Wohwodschaft Krakau), im Ganzen über 700 Quadratmeilen mit mehr als einer Million Einwohner, wogegen es die litthauische Herrschaft Tauroggen an Rußland abtrat. Der polnische Reichstag mußte nothgedrungen seine Zustimmung zu der neuen Verkleinerung des Königreichs geben, aber das tief gekränkte Volk erhob sich noch einmal unter der Leitung des heimlich zurückgekehrten Kosziusto und seines Freundes Madalinski (1793).

Kosziusto, zum unumschränkten Befehlshaber ernannt, erließ von Krakau aus einen Aufruf ans Volk, zur Wiederherstellung der Freiheit und Wiedereroberung der entrissenen Landestheile. Ein erster Sieg der Patrioten trieb

Hahn, preuß. Gesch.

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Die dritte Theilung Polens; Anspach und Baireuth.

auch die Hauptstadt Warschau zum Aufstande: die ganze russische Besazung wurde niedergemacht, die bekanntesten Anhänger Rußlands an den Galgen gehängt, Kosziusko rückte glücklich vor, während Madalinski im Rücken der Breußen den Aufstand schürte und sie hierdurch zum Rückzuge zwang. Bald aber rückte unter Rußlands erstem Feldherrn Suwaroff ein gewaltiges Heer in Polen ein, während auch die Preußen von Neuem vorgingen und Kosziusko bei Scelze (1794) besiegten; kurz darauf (10. October) wurde der polnische Freiheitsheld von Suwaroff bei Madziewie geschlagen und gefangen genommen. Mit dem Rufe Finis Poloniae (Polens Ende) war er verwundet vom Pferde gesunken, und seine düstere Ueberzeugung sollte bald bestätigt werden, denn schon am 9. November hielt Suwaroff nach blutigen und grausamen Scenen in der mit Sturm genommenen Vorstadt Praga seinen fiegreichen Einzug in Warschau und im März 1795 erfolgte durch Verträge zwischen Rußland, Preußen und Desterreich die dritte und lehte Theilung Polens. In dem (erst 1797 endgültig abgeschlossenen) Theilungstractate erhielt Preußen das Gebiet von Warschau und das Land links der Weichsel bis zum Palatinat Krakau an der schlesischen Grenze hin, sowie einige litthauische Woywodschaften links vom Niemen. Diese Er werbungen, im Ganzen wieder etwa 1000 Quadratmeilen und eine Million Einwohner umfassend, erhielten den Namen Neu-Ostpreußen.

Polen war durch selbstverschuldete Schwäche und durch innere Unordnung ein Opfer fremder Gewaltthat geworden. Wenn Preußen sich bei der Vernichtung der polnischen Selbstständigkeit betheiligte, so wirkte außer den erwähnten Gründen sicherlich auch die Rücksicht mit, daß andernfalls Rußland allein oder Rußland mit Desterreich die leichte Beute an sich gerissen hätten. Jedenfalls aber hat die preußische Regierung vom Augenblicke der Erwerbung der polnischen Lande an mit allem Eifer dahin gestrebt, ihre neuen Unterthanen den Verlust der nationalen Selbstständigkeit durch Erhöhung ihrer bürgerlichen Wohlfahrt vergessen zu machen. Große Summen sind seitdem immer von Neuem auf die Emporbringung der polnischen Provinzen verwandt worden. Der Landmann, seit Jahrhunderten von dem Edelmanne unterdrückt, fühlte zum ersten Male wieder den wohlthuenden Schuß der Gesetze und bürgerlichen Freiheit, die Bildung des armen, verwilderten Volkes wurde auf alle Weise verbessert, der Gewerbfleiß geweckt und unterstüßt.

Friedrich Wilhelm II. hatte noch durch eine andere Ländererwerbung das Gebiet Preußens erweitert. Der lezte Markgraf von Anspach und Baireuth war kinderlos und schloß im Jahre 1791 in Uebereinstimmung mit den alten Hausverträgen ein Abkommen mit dem Könige von Preußen, nach welchem er demselben bald darauf (1792) noch bei Lebzeiten die Regierung in jenen Fürstenthümern, den alten Erblanden des brandenburgischen Hauses, abtrat. Friedrich Wilhelm übertrug die Verwaltung der neu erworbenen Provinz, nachdem er dieselbe durch Patent vom 3. Januar 1792 in Besitz genommen, dem Freiherrn von Hardenberg, welcher dort seine hohe Begabung für die Regierungsgeschäfte glänzend bekundete. Der Uebergang der Fürstenthümer an Preußen wurde auch Veranlassung, daß der von den früheren Markgrafen gestiftete rothe Adlerorden erneuert und nächst sem schwarzen Adlerorden zum zweiten Ritterorden der Monarchie erklärt wurde.

Friedrich Wilhelm's II. Tod; Folgen seiner Regierung.

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Friedrich Wilhelm's Ende. Seit dem polnischen Feldzuge von 1794 war des Königs Gesundheit wankend, im August 1797 kehrte er von der Brunnenkur zu Pyrmont kränker als zuvor nach Potsdam zurück, seitdem bezog er das Marmorpalais am sogenannten heiligen See, wo er dem Tode mit starken Schritten entgegenging. Am 15. November hatte er mit seiner Gemahlin und dem Kronprinzen die leßte Unterredung, am 16. November 1797 in früher Morgenstunde verschied er, in einem Alter von 53 Jahren nach 11jähriger Regierung.

Der preußische Staat war während dieser Regierung in Bezug auf das Ländergebiet von 3393 bis auf 5307 Quadratmeilen, an Einwohnerzahl von 5,380,000 bis auf 8,687,000 angewachsen. Friedrich Wilhelm's Herrschaft wird jedoch nicht zu Preußens guten Zeiten gerechnet; das Vertrauen und Ansehen in Deutschland und in Europa, welches Friedrich der Große errungen hatte, war unter seinem Nachfolger zum Theil erschüttert, der Schatz verausgabt und eine bedeutende Schuldenlast auf die Monarchie gehäuft worden; was aber das Schlimmste war, auch das rechte Vertrauen des Volkes zur Regierung war gelähmt. Hierzu hatte vor Allem der Einfluß der Günstlinge des Königs und seiner langjährigen begünstigten Freundin, der Gräfin Lichtenau, viel beigetragen. Willig glaubte man in weiten Kreisen selbst viele böswillig erfundene Erzählungen über das angebliche Treiben der unbeliebten Günstlinge des Königs, welchen überdies ein großer Antheil an der Zersplitterung der Staatsgelder zur Last gelegt wurde. So erregte es denn ein gewisses freudiges Aufsehen, als sofort nach des Königs Tode die Gräfin Lichtenau verhaftet wurde, weil man sie in Besiß großer, zu Unrecht erworbener Schäße und bedenklicher Geheimnisse glaubte. Die Untersuchung ergab jedoch kein derartiges Resultat, und hatte ihre Freilassung mit einer Pension zur Folge. Den König und seinen Günstlingskreis aber trifft sicher, lich der begründete Vorwurf, daß sie durch die bei Hofe eingeführte üppige Lebensweise ein verführerisches Beispiel für die Bewohner Berlins und für das ganze Land gaben.

Friedrich Wilhelm III. (1797-1840).

41. Friedrich Wilhelm als Kronprinz; seine Thronbesteigung.

Friedrich Wilhelm's Jugendzeit. Friedrich Wilhelm III., der älteste Sohn des vorigen Königs, hatte am 3. August 1770 zu Potsdam das Licht der Welt erblickt, in einem schlichten Bürgerhause, wo sein Vater Friedrich Wilhelm als Kronprinz ein Absteigequartier hatte. Der große Friedrich saß damals noch auf dem Throne; er begrüßte den neugeborenen Prinzen als dereinstigen Thronerben mit herzlichen Freudenthränen und bewahrte demselben stets eine große Theilnahme, um so mehr, als Friedrich Wilhelm schon als Kind tüchtige Eigenschaften des Herzens und Willens erkennen ließ.

Sowie Friedrich Wilhelm das Knabenalter erreicht hatte, wurde ihm ein Erzieher in der Person des Geheimenrathes Behnisch gegeben. Die Wahl war nicht durchaus glücklich zu nennen; zwar diente des Lehrers strenger Ernst dazu, dem jungen Prinzen ein treues Pflichtgefühl, sowie Fleiß und Ordnungssinn mitzutheilen, aber andererseits war Behnisch's kränkliches und oft mürrisches Wesen nicht dazu geeignet, einen frischen, freien und zuverfichtlichen Sinn bei dem Zöglinge aufkommen zu lassen, vielmehr wurde derselbe durch den Erzieher ängstlich, schüchtern und unsicher in seinem Benchmen gemacht. An und für sich hatte es Friedrich Wilhelm schon als Kind durchaus nicht an Festigkeit gefehlt: davon zeugt auch jene oft erzählte Scene mit Friedrich dem Großen. Der alte König hatte dem Großneffen, der in seiner Stube spielte, den Ball weggenommen, der kleine Prinz bestand aber mit solcher Festigkeit auf seinem Eigenthume und gutem Rechte, daß der König ihm den Ball lächelnd mit den Worten zurückgab: „Du wirst Dir Schlesien nicht wieder nehmen lassen." Nicht minder erfreute den alten Fürsten die Aufrichtigkeit des jungen Friedrich Wilhelm. Einst ließ er ihn eine Fabel von Lafontaine überseßen und belobte ihn wegen der Geläufigkeit, mit welcher er dies ausführte. Der Knabe bemerkte jedoch, daß er die Fabel erst vor Kurzem bei seinem Lehrer übersezt habe, worauf ihm Friedrich mit noch größerer Freude die Wangen streichelte und dabei sagte: „So ist's recht, lieber Frit; immer ehrlich und aufrichtig. Wolle nie scheinen, was Du nicht bist; sei stets mehr, als Du scheinst." Friedrich Wilhelm hat selbst oft gesagt, wie diese Ermahnung einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht, und wie ihm Verstellung und Lüge jeder Zeit zuwider gewesen. In der leßten Unterredung, welche er mit dem großen Friedrich an der Pyramide bei Sanssouci hatte, schloß dieser seine Ermahnung mit den Worten: „Nun Friz, werde was Tüchtiges. Es wartet Großes auf Dich. Ich bin am Ende meiner Tage und

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Der Kronprinz u. Friedrich d. Gr.; die Confirmation, seine Erziehung. mein Tagewerk ist bald vollbracht. Ich fürchte, Du wirst 'mal einen schweren bösen Stand haben. Rüste Dich, sei firm! Denke an mich! Wache über unserer Ehre und unserem Ruhm. Begehe keine Ungerechtigkeit; dulde aber auch keine. Halte es stets mit dem Volke, daß es Dich liebe und Dir vertraue; darin nur allein kannst Du stark und glücklich sein.“ Er maß mich, so erzählt Friedrich Wilhelm weiter, mit festem Blicke von der Fußsohle bis zum Scheitel, reichte mir die Hand, füßte mich und sagte:,,Vergiß diese Stunde nicht!"

Bald nach Friedrich's Tode erhielt der junge Thronfolger den Grafen Karl von Brühl zum Gouverneur; den Confirmationsunterricht ertheilte ihm der Hofprediger Sack, von welchem er am 4. Juli 1787 eingesegnet wurde. Das von dem Prinzen damals ausgearbeitete Glaubensbekenntniß zeigt, daß des Geistlichen Hauptaugenmerk bei dem Religionsunterrichte auf die praktische Seite des Christenthums gerichtet war und daß er dem königlichen Jünglinge die Pflichten seines künftigen Berufes ernst und eindringlich vorgehalten hatte.

Der Unterricht des jungen Prinzen in den Wissenschaften wurde nicht so sorgfältig behandelt, wie man es hätte erwarten sollen; ihm selbst fehlte es nicht an einer tüchtigen geistigen Befähigung, noch an redlichem Willen und anhaltendem Fleiße, doch scheint die ihm ertheilte Anleitung weder in den alten Sprachen, noch in der Geschichte eine recht gründliche gewesen zu sein. In der deutschen Sprache und Literatur unterwies ihn der bekannte Schriftsteller Engel. Auch die Theilnahme an den Staatsgeschäften war selbst in den späteren Jahren für den Kronprinzen keine regelmäßise, und er verdankte es nur seinem eigenen ernsten Interesse für seinen künftigen Beruf, daß er denselben dennoch mit einer gewissen Sachkenntniß antreten konnte.

In den Jahren 1792 bis 1795 nahm der Kronprinz an den Feldzügen gegen Frankreich und gegen Polen Theil und zeichnete sich durch Tapferkeit und Unerschrockenheit aus, zugleich erwarb er sich durch seine herzliche Theilnahme und Menschenfreundlichkeit die Liebe und das Vertrauen des ganzen Heeres.

Luise, Friedrich Wilhelm's Gemahlin*). Zu jener Zeit, nach dem Feldzuge von 1792 war es, wo Friedrich Wilhelm das schönste Kleinod kennen lerute, welches ihm und mit ihm seinem Volke beschieden war, seine edle Gattin Luise. Dieselbe war am 10. März 1776 geboren, eine Tochter des Herzogs Karl Ludwig von Mecklenburg-Streliß, welcher damals noch als Feldmarschall in hannöverschen Diensten stand, im Jahre 1794 aber seinem Bruder in der Regierung des Herzogthums Mecklenburg folgte. Ihre Mutter war eine darmstädtische Prinzessin: dieselbe starb schon im Jahre 1782, der Herzog verließ nach ihrem Verluste Hannover, um in der Stille des Schloffes Herrenhausen Beruhigung und Trost zu suchen. Luise wurde mit ihren drei Schwestern der Obhut eines durch Geistesgaben ausgezeichneten Fräulein von Wolzogen übergeben, bis der Vater sich mit der Schwester seiner verewigten Gemahlin wieder verehelichte. Als auch diese durch den Tod ihm wieder entrissen wurde, zog er nach Darmstadt, wohin zur Erziehung der

*) Nach: Luise, Königin von Preußen, von Adami, 1851, welcher Schrift das von der Frau von Berg gezeichnete „Lebensbild“ zu Grunde liegt.

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