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Friedrich's des Großen Tod; die Landestrauer.

In warmen Nachmittagsstunden ließ er sich auch in seinen leßten Tagen gern an die Sonne hinaustragen. Einst hörte man ihn, den Blick auf die Sonne gewandt, ausrufen:,,Bald werde ich dir näher kommen!"

Gegen die Mitte August schien eine schlimme Wendung der Krankheit die nahe Auflösung des Königs zu verkünden. Am 15. August schlummerte er wider seine Gewohnheit bis 11 Uhr, besorgte aber darauf die Cabinets geschäfte mit derselben Geistesgegenwart und Frische wie in seinen rüstigen Tagen. Am folgenden Morgen verschlimmerte sich der Zustand auf bedenkliche Weise, die Sprache stockte, das Bewußtsein schien aufzuhören. Die Cabinetsräthe wurden nicht mehr gerufen; wohl aber der Commandant von Potsdam, welchem der König noch seine militärischen Befehle für den Tag ertheilen wollte. Man bemerkte, wie er sich anstrengte, um sich zu sammeln, er wollte das Haupt aus dem Winkel des Lehnstuhls herausarbeiten, das matte Auge mehr öffnen, die Sprachorgane in Bewegung setzen; aber alle Anstrengung war vergebens, durch einen klagenden Blick gab er zu verstehen, daß es nicht mehr möglich sei. Auch dieser Tag verging jedoch, ohne daß der sieche Körper sich auflös'te. Die Nacht war gekommen, es schlug 11 Uhr. Vernehmlich fragte der König, was die Glocke sei. Als man es ihm gesagt, erwiderte er: „Um 4 Uhr will ich aufstehen.“ Ein trockener Husten beflemmte ihn und raubte ihm die Luft. Der eine von den anwesenden Dienern, der Kammerlakai Strüßti, faßte ihm niederkniend unter die Arme und hielt ihn aufrecht, um ihm Erleichterung zu verschaffen. Allmälig veränderten sich jedoch des Königs Züge, das Auge wurde matter und gebrochener, dann wurde der Körper ruhig, nach und nach schwand der Odem. Einige Stunden nach Mitternacht starb Friedrich in des Lakaien Armen. Nur der Arzt und noch zwei Kammerdiener waren Zeugen seines Todes. Es war am 17. August 1786.

Als seine Seele geschieden war, eilte der Minister von Herzberg, dem Thronfolger die erschütternde Botschaft mitzutheilen. Friedrich Wilhelm IL erschien alsbald, um dem großen Verstorbenen das Opfer seines gerechten Schmerzes darzubringen. Nachdem das Gesicht des Dahingeschiedenen in Gyps abgeformt worden, legte man ihm die Uniform des ersten Bataillons Garde an. Um 11 Uhr erhielten die Offiziere der Potsdamer Garnison die Erlaubniß, in das Trauerzimmer zu treten. Sie vergossen tausend, tausend Thränen, als sie ihren Herrn und Vater so vor sich sahen; in gleicher Wehmuth standen unter ihnen des neuen Königs Söhne, der Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Ludwig. Abends 8 Uhr wurde der König von zwölf Unteroffizieren in einen eichenen Sarg gelegt und auf einem achtspännigen Leichenwagen nach dem Schlosse in die Stadt gebracht. Alle Straßen von Potsdam waren mit Menschen überfüllt, aber die Stille der Mitternacht und des Todes lag auf dem Volke, welches sonst seinen König immer so jubelnd begrüßt hatte. Nur hier und da wurde ein schwer verhaltenes Schluchzen laut.

Am 18. August war die theure Leiche im Schlosse ausgestellt; ruhig finnender Ernst sprach aus den erbleichten Zügen. Krückstock, Degen und Schärpe lagen übers Kreuz auf einem Taburett neben ihm. Tausende waren auf die Trauerkunde vom Lande, aus Berlin und aus den nächsten Städten herbeigeeilt; wahre Trauer erfüllte alle Herzen, wie am Sarge, so im ganzen Lande, wohin immer die schwere Kunde kam. Alle durchbebte der entfeßliche

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Schlag des erlittenen Verlustes. „Ein König war gestorben, der, was er auch Menschliches an sich trug, weit, weit hervorragte über die gewöhnlichen gefrönten Häupter, der gerade so lange, wie sein großer Geistesverwandter, Karl der Große, 46 Jahre, am Ruder gesessen, mit einer Kraft, mit einem Blicke, mit einem Willen, wie, so lange die Geschichte denkt, wenigen Sterblichen eigen waren. Friedrich war nicht mehr, welcher die Zierde und der Stolz, der Vater und Erzieher, der wohlthätige Freund und Genius seines Volkes gewesen. In diesem Sinne hatte Preußen eine wahre Landestrauer, und mit Preußen wurde die ganze Welt, von den Thronen bis in die Hütten, von der großen Trauerkunde tief ergriffen.“

Am Abend des 18. August wurde die Leiche feierlich nach der Garnisonkirche in Potsdam gebracht und am 9. September daselbst beigesetzt, indem Friedrich's Nachfolger den früher bestimmten Ort auf der Terrasse von Sanssouci nicht für würdig hielt. Die Gedächtnißrede wurde im ganzen Lande über die Stelle 1 Chron. 18, 8 gehalten:,,Ich habe Dir einen Namen gemacht, wie die Großen auf Erden Namen haben“.

Das Testament. In seinem Testamente durfte sich der König das erhebende Zeugniß geben:,,Seitdem ich zur Handhabung der öffentlichen Geschäfte gelangt bin, habe ich mich mit allen Kräften, welche die Natur mir verliehen hat, und nach Maßgabe meiner geringen Einsichten bestrebt, den Staat, welchen ich die Ehre gehabt habe zu regieren, glücklich und blühend zu machen. Ich habe Geseze und Gerechtigkeit herrschen lassen; ich habe Ordnung und Pünktlichkeit in die Finanzen gebracht, ich habe in die Armee jene Mannszucht eingeführt, wodurch sie vor allen übrigen Truppen Europa's den Borrang erhalten hat."...

Das Testament schließt mit heißen Segenswünschen für Friedrich's theures Baterland.

„Meine leßten Wünsche in dem Augenblicke, wo ich den letzten Hauch von mir gebe, werden für die Glückseligkeit meines Reiches sein. Möge es stets mit Gerechtigkeit, Weisheit und Nachdruck regiert werden, möge es durch die Milde seiner Geseze der glücklichste, möge es in Rücksicht auf die Finanzen der am besten verwaltete, möge es durch ein Heer, das nur nach Ehre und edlem Ruhme strebt, der am tapfersten vertheidigte Staat sein! O möge es in höchster Blüthe bis an das Ende der Zeiten fortdauern!"

Fünftes Buch.

Von dem Tode Friedrich's des Großen bis auf unsere

Tage.

40. Friedrich Wilhelm II. (1786–1797).

Friedrich Wilhelm als Kronprinz. Es war keine geringe Rolle, der Nachfolger Friedrich's des Großen zu sein: selbst sehr begabte und tüchtige Fürsten würden Mühe gehabt haben, sich mit Ruhm auf dem Throne zu behaupten, welchen so eben ein König von so erhabenem Geiste und Willen verherrlicht hatte. Wenn es seinem Erben Friedrich Wilhelm nicht gegeben war, unter den Fürsten Preußens eine der glorreicheren Stellen einzunehmen, wenn in seinem Verhalten manche Schwäche und Verirrung zu beklagen ist, so darf wenigstens sein guter redlicher Wille in den wichtigsten Zweigen des Staatslebens nicht verkannt werden. Seine Regierung fiel aber in jene Zeit, wo der Sturm der Revolution die alte Ordnung der Dinge in Europa erschütterte, wo es daher für die Regenten und Staatsmänner doppelt schwierig war, die Wege einer weisen und umsichtigen Politik zu finden und zu wandeln.

Friedrich Wilhelm II. war am 25. September 1744 geboren, als ältester Sohn des Prinzen August Wilhelm, Bruders Friedrich's des Großen, welchen dieser, auf eigene Nachkommen nicht rechnend, schon am 30. Juni 1744 mit dem Titel,,Prinz von Preußen" als Thronfolger bezeichnet hatte. Prinz August Wilhelm, welcher beim Rückzuge aus Böhmen nach der unglücklichen Schlacht bei Collin die bittersten Vorwürfe seines königlichen Bruders erfahren hatte, war seitdem (1757) aus dem Dienste geschieden und schon im folgenden Jahre (1758) zu Oranienburg gestorben. Sein Sohn Friedrich Wilhelm war hierauf zum Prinzen von Preußen ernannt worden. Derselbe hatte schon früher einen aus der französischen Schweiz gebürtigen Professor Beguelin zum Lehrer, den Oberstlieutenant von Bork zum Gouverneur er halten; er erwarb sich mannichfache gute Kenntnisse, war von Charakter mild, wohlwollend und gutmüthig, aber dabei etwas weich und den Lebensgenüssen zu sehr zugeneigt. Er vermochte nicht, sich selbst zu beherrschen, und machte es dadurch Anderen leicht, eine oft bedenkliche Gewalt über ihn zu gewinnen. Sein Oheim Friedrich, der gegen sich selbst so streng war, verlangte dasselbe auch von Anderen und mochte deshalb seinen Thronfolger nicht recht leiden;

Friedrich Wilhelm als Kronprinz; erste Schritte Friedrich Wilhelm's. 341

er mißbilligte das lockere Treiben desselben, und es entstand daher eine scheue, gegenseitige Zurückhaltung zwischen Beiden. Im Jahre 1765 wurde Friedrich Wilhelm mit Elisabeth Christine, der Tochter des Herzogs Karl von Braunschweig, verheirathet, aber ihre Ehe war unglücklich und wurde schon im Jahre 1769 wieder getrennt. Elisabeth lebte seitdem bis an ihren späten Tod in Stettin.

Friedrich Wilhelm verheirathete sich zum zweiten Male mit Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, mit welcher er sechs Kinder hatte. Doch auch diese Ehe war keine wahrhaft glückliche, weil Friedrich Wilhelm's Herz sich vielfach im unerlaubten Umgange mit anderen Frauen fesseln ließ, unter welchen die Tochter des Kammermusikus Enke, welche später zur Gräfin Lichtenau erhoben wurde, eine besonders große Rolle bis zu des Königs Tode spielte.

Um mit der Verwaltung und Rechtspflege bekannt zu werden, wohnte Friedrich Wilhelm seit 1768 den Sizungen des Kammergerichtes und des geheimen Ober-Tribunals bei und erhielt besonderen Unterricht von mehreren hohen Beamten; dagegen versäumte es Friedrich der Große, den Kronprinzen durch Betheiligung an den Regierungsgeschäften selbst in diese einzuweihen und durch anhaltende Beschäftigung seine Kraft zu stählen.

Die ersten Schritte des neuen Fürsten. Als Friedrich Wilhelm durch den Tod seines großen Vorgängers auf den Thron erhoben wurde, herrschte in Europa noch tiefer Friede, und der neue König konnte sich der inneren Regierung unbehindert widmen. Um den verstorbenen Fürsten in einem seiner treuesten Diener zu ehren, machte er noch am Sterbelager Friedrich's den Minister von Herzberg, welcher bei den späteren politischen Verhandlungen deffen größtes Vertrauen genossen hatte, zum Ritter des schwarzen Adlerordens. Die wichtigste That aber, wodurch Friedrich Wilhelm seinen Regierungsantritt bezeichnete, war die Abschaffung der Regie und des Tabats- und Kaffeemonopols. Zur großen Genugthuung des preus ßischen Volkes wurde die französische Finanzwirthschaft, deren Mängel und Uebelstände übrigens auch Friedrich der Große mehr und mehr eingesehen hatte, abgeschafft und die französischen Beamten entlassen. Dem Generaldirector der Regie ließ der neue König sogar den Proceß machen, doch konnte keine Veruntreuung der Staatseinkünfte gegen denselben erwiesen werden. Um den Ausfall, der in der Staatskasse durch die Aufhebung der Regie entstand, zu decken, wurden freilich manche neue Steuern auferlegt oder alte erhöht, so daß der Vortheil besonders für den armen Mann nicht eben bedeutend war. Um so größer war die Unzufriedenheit, als die Regierung später aus Geldverlegenheit doch das Tabaksmonopol wieder herstellte.

Friedrich Wilhelm's wohlwollender Sinn zeigte sich vorzüglich in der Milderung der großen Härte, mit welcher bis dahin die Soldaten behandelt wurden. Seit dem alten Dessauer war die Herrschaft des Stockes im preußischen Heere einheimisch gewesen; man hatte die größte Strenge für nöthig gehalten, um die aus allen Ländern geworbenen Leute im Zaume zu halten, und durch Furcht am Entlaufen zu hindern. Es war auf den Uebungsplätzen etwas ganz Gewöhnliches, daß höhere und niedere Offiziere schalten, stießen und schlugen, und auch auf den Wachtparaden kam es vor, daß gemeine

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Sorge für Volfsbildung; Schulwesen.

Soldaten für leichte Vergehen geohrfeigt oder mit dem Stocke geprügelt, Gefreite und Unteroffiziere mit der blanken Klinge gefuchtelt wurden. Ein gefangene Deserteure mußten halbnackt zwischen den Spießruthen ihrer in zwei Reihen aufgestellten Kameraden hindurchgehen, oft mehrere Tage hinter einander; auch auf minder Schuldige wurde diese entehrende Bestrafung aus, gedehnt. Der General von Möllendorf, welcher unter Friedrich dem Großen Gouverneur von Berlin geworden war, hatte als solcher noch bei Friedrich's Lebzeiten ein Rundschreiben an das Offiziercorps erlassen, um dasselbe zu größerer Menschlichkeit in der Behandlung der Soldaten anzuhalten. „Der König," sagte er, hat keine Schlingel, Canaillen, Hunde und Kropzeug in seinen Diensten, sondern rechtschaffene Soldaten, was auch wir sind, nur daß uns das zufällige Glück höhere Chargen gegeben. Unter den gemeinen Sol daten find viele so gut, als wir, und vielleicht würden es manche noch besser als wir verstehen." Er verlangte, daß man die Soldaten mehr durch Erweckung des Ehrgeizes, als durch Tyrannei zur Erfüllung ihrer Pflichten anhalte. Derselbe Möllendorf wurde nun durch Friedrich Wilhelm zum Chef des neu gegründeten Ober-Kriegs-Collegiums (des späteren Kriegsministe riums) gemacht, und es erschien bald eine geschärfte Verordnung, wonach in der ganzen Armee die harte Behandlung der Soldaten, sowie viele Mißbräuche und Uebervortheilungen bei der Anwerbung beseitigt werden sollten. Leider wurde jedoch den gerügten Uebelständen noch nicht entschieden abgeholfen; erst Friedrich Wilhelm III. war es vorbehalten, die Menschlichkeit in ihre Rechte wieder vollständig einzusetzen.

Fürsorge für die Volksbildung. Am wichtigsten ist Friedrich Wilhelm's Fürsorge für die öffentlichen Bildungs- und Unterrichts-Anstalten geworden. Vor allem wandte er der Akademie der Wissenschaften in Berlin seine Aufmerksamkeit zu, welche von Friedrich dem Großen zwar sorglich ges pflegt und unterstüßt, aber vorzüglich mit französischen Gelehrten besezt wor den war. Jezt wurden auf Veranlassung des Ministers von Herzberg, welchen der König zum Curator der Akademie ernannte, besonders deutsche Dichter und Schriftsteller berücksichtigt, wie auch in jeder anderen Beziehung das Verdienst deutscher Gelehrten mehr, als früher, Anerkennung und Be lohnung fand.

Zur wirksamen Leitung und Beaufsichtigung aller Lehr- und Erziehungss Anstalten des Landes errichtete Friedrich Wilhelm eine höchste Unterrichtsbehörde, das Ober-Schul-Collegium, zu dessen Haupt der schon unter Friedrich mit dem Schulwesen beauftragte Minister Zedlig ernannt wurde. Das neue Collegium follte über alle Schulanstalten die Aufsicht führen, die selben an Ort und Stelle öfter revidiren, alle Schulplane sich vorlegen lassen, zweckmäßige Verbesserungen anordnen und vor Allem auf die Prüfung der Lehrer bedacht nehmen.,,Es könne ja," so schrieb Zedlig,,,nirgends ein Pfarrer oder Arzt angenommen werden, wenn solcher nicht von der Behörde geprüft sei, solle man nur allein das Wohl der künftigen Geschlechter jedem Pfuscher preisgeben dürfen? Was die Einrichtung der Schulen anbetreffe, so habe der Schulunterricht den Zweck, die Menschen besser und für ihr bürger liches Leben brauchbar zu machen. Demnach sei es Unrecht, den Bauer wie das Thier aufwachsen zu lassen; es sei Thorheit, den künftigen Schneider, Tischler,

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