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Friedrich Wilhelm's Lebenswerk.

mächtigen Staate erhoben. Er hatte den Umfang des Landes um ein Drit theil vermehrt (von 1370 auf 1930 Quadratmeilen), die Bevölkerung um eben so viel (bis auf etwa 1,500,000 Einwohner), die Einkünfte um das Vierfache (von 500,000 Thaler auf 24 Millionen), das Heer völlig neu errichtet und um das Sechsfache vermehrt (von 4000 auf 24,000 Mann), die vorenthaltenen Festungen wieder erworben, verstärkt und wohl versehen und den Schatz gefüllt; der unbeschränkten Gewalt hat er die Bahnen gebrochen, eine Macht gebildet, wie sie vor ihm unbekannt war, und dem Hause Brandenburg eine Bedeutung unter den europäischen Staaten gegeben, wie sie keiner seiner Vorfahren hatte ahnen können. So viele ausgezeichnete Fürsten auch Friedrich Wilhelm unter seinen Vorfahren zählte, so gebührt doch ihm allein der Ruhm, in allen Beziehungen der Gründer der preußischen Monarchie gewesen zu sein, und so viele Verdienste sich auch seine Nachfolger um dieselbe erwarben, so hoch sie durch das Genie Friedrich's des Großen stieg, so sind doch alle nur auf dem Wege fortgeschritten, den er zuerst einschlug und den nicht zu verlassen er sterbend seinen Sohn ermahnte *).

Stenzel II. 474. 478.

Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg, später Friedrich I. König in Preußen. (1688-1713.)

26. Friedrich's Regierung bis zur Annahme der Königskrone. (1688-1701.)

Friedrich's Erziehung, Eigenschaften und Regierungsantritt. Friedrich, des großen Kurfürsten zweiter Sohn, welcher demselben zunächst als Kurfürst Friedrich III. folgte, war nicht einer der hervorragenden Fürsten, welche durch großartige Handlungen oder weise Einrichtungen dem Aufblühen ihrer Staaten neue Bahnen bereiten, aber er war dennoch bestimmt, eine wichtige Stelle in der Reihe der hohenzollernschen Fürsten auszufüllen und durch einen bedeutsamen Schritt das gemeinsame Werk derselben weiter zu fördern. Die Macht, welche durch seine Vorfahren, besonders durch seinen ruhmreichen Vater begründet war, sollte durch ihn auch den ihr gebührenden Namen erhalten: an Einfluß und Ansehen standen die brandenburgischen Regenten bereits weit über den übrigen Kurfürsten des Reiches, vielen selbstständigen Königen gleich, Friedrich war es vorbehalten, nun auch den königlichen Titel zu erwerben.

Friedrich war am 11. Juni 1657 geboren, nicht als Kurprinz, denn es lebte damals noch ein älterer Sohn des großen Kurfürsten, der Kurprinz Karl Emil (geboren 1655). Beide Knaben waren dem trefflichen Geheimen Rathe Otto von Schwerin, einem wissenschaftlich gebildeten und praktisch bewährten Manne, übergeben, Friedrich aber erhielt in seinem sechsten Jahre den durch Studien und Reisen vielfach gebildeten Eberhard von Dantelmann zum besonderen Lehrer und Erzieher. Der Prinz war mit einem schwächlichen und etwas verwachsenen Körper geboren und seine körperliche, wie geistige Entwickelung ging etwas langsam vor sich. Die zärtliche Mutter, Kurfürstin Luise Henriette, hörte zuerst mit Besorgniß, daß Dankelmann den zarten Prinzen bei den Lectionen öfters etwas anfahre, doch überzeugte sie sich, daß der Erzieher es gut meinte und nur darnach trachtete, den Knaben an eine ernstere Thätigkeit zu gewöhnen. Auch Kurfürst Friedrich Wilhelm erkannte Dankelmann's Verdienste um des Prinzen Erziehung gern an und gab ihm zum Lohne eine Stelle als Kammerrath. Friedrich erwarb in den Wissenschaften und in Sprachen gute Kenntnisse; sein Charakter nahm im Wesentlichen gleichfalls eine glückliche Richtung, nur entwickelte sich in ihm neben großer Gutmüthigkeit und Weichheit des Gemüthes frühzeitig ein

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Das Testament des großen Kurfürften.

gewisser Hang zur Eitelkeit und zu äußerem Prunke. Als zehnjähriger Knabe gründete er schon einen Orden de la générosité, den er mit feierlichem Ernste und unter großen Ceremonien auch an ältere Leute vertheilte.

Die bereits erwähnten Mißhelligkeiten, welche in den späteren Lebensjahren des großen Kurfürsten zwischen seinen Kindern erster Ehe und der zweiten Gemahlin eintraten und die damit zusammenhängenden Kabalen, welche die letzten Tage Friedrich Wilhelm's verbitterten, ließen den Prinzen Friedrich, der seit dem im Jahre 1674 erfolgten Tode seines älteren Bruders Kurprinz geworden war, sich um so fester an Dankelmann anschließen, der sich ihm bei jeder Gelegenheit als ein treuer Freund, Rathgeber und Helfer erwies.

Das Teftament des großen Kurfürsten und der Schwiebuser Kreis. Kaum hatte der Kurfürst Friedrich Wilhelm die Augen geschlossen, so ließ der nunmehrige Kurfürst Friedrich III. sich zunächst in Berlin und in der Kurmark, dann nach und nach in allen übrigen Landestheilen feierlich huldigen und zeigte seinen Regierungsantritt durch besondere Gesandtschaften den fremden Mächten an.

Das lezte Testament des großen Kurfürsten, nach welchem die Länder des brandenburgischen Hauses zu Gunsten der Kinder aus zweiter Ehe getheilt werden sollten, stieß Friedrich nach Prüfung im Geheimen Rathe um, weil es dem Hausgeseße des Albrecht Achilles und dem Geraschen Vertrage zuwiderlaufe, durch welche alle Zertheilung von Land und Leuten verboten und darauf eben die Macht und der Glanz des kurfürstlichen Hauses begründet war. Mit seiner Stiefmutter verglich er sich auf Dankelmann's Rath durch freundliches Entgegenkommen; ihr bald darauf (1689) erfolgter Tod erleichterte ihm die Verständigung mit den Stiefbrüdern, welche sich aus Rücksicht auf „die Macht und den Glanz des kurfürstlichen Hauses, aus welchem entsprossen zu sein sie für das höchste Glück hielten,“ bereit finden ließen, unter ausdrücklicher Anerkennung der Grundgeseße des Hauses feierlich und förmlich auf die ihnen nach jenem Testamente zustehenden Ansprüche gegen einträgliche Dotationen zu verzichten. Der Kurfürst war darüber hocherfreut, daß er somit den alten Grund, worauf des Hauses Macht und Ansehen so lange geruhet, von Neuem befestigt und das Band der Natur mit seinen Brüdern von Störungen befreit hatte.“

Nur mit dem Kaiser konnte er die Sache wegen des Testamentes nicht sobald ins Reine bringen. Derselbe hatte das Original des Testamentes in Verwahrung und wollte dasselbe nicht herausgeben und jene Verträge des Kurfürsten mit seinen Brüdern nicht anerkennen, wenn Friedrich nicht zuvor das von ihm als Kurprinz heimlich gegebene Versprechen in Betreff der Verzichtleistung auf den Schwiebuser Kreis erfüllt hätte. Als aber Friedrich's Räthe von dieser heimlichen Zusage nach seiner Thronbesteigung Kenntniß erhielten, stellten sie ihm sofort vor, daß er dabei hintergangen worden und daß das Versprechen rechtswidrig und ungültig sei. Er verweigerte deshalb die Erfüllung desselben und als der Kaiser dennoch drohte, Schwiebus zu be setzen, erklärte Friedrich, dann werde er seine Ansprüche auf Liegniß, Brieg, Wohlau und Jägerndorf wieder geltend machen. Der Kaiser aber blieb unerschütterlich, und Friedrich mußte sich endlich entschließen, für eine Geld

Rückgabe des Schwiebuser Kreises; Dankelmann's Gunft u. Uebermuth. 191

zahlung von 100,000 Thalern und für die Anwartschaft auf Ostfriesland in die Rückgabe des Schwiebuser Kreises zu willigen (1694). Nur der Wunsch, mit dem Kaiser nicht ganz zu brechen, konnte den Kurfürsten zur Nachgiebigkeit bestimmen, doch kam er in den Verhandlungen immer wieder auf seines Hauses Ansprüche auf jene schlesischen Fürstenthümer zurüc. „Ich muß, will und werde mein Wort halten," sagte er;,,das Recht aber an Schlesien auszuführen, will ich meinen Nachkommen überlassen, als welche ich ohnedem bei diesen widerrechtlichen Umständen weder verbinden fann, noch will."

So war denn Friedrich III. Herr der ungetheilten brandenburgischen Lande, in dem Umfange, wie sein großer Vorgänger dieselben besessen hatte. Eines lag ihm fortan während seiner ganzen Regierung besonders am Herzen, nämlich die Erhöhung des äußeren Glanzes seiner Krone.

Mit Ernst und Wohlwollen ergriff er die Zügel der Regierung und in Kurzem war er einer der beliebtesten Fürsten, welche je in Brandenburg regiert haben. Seine Zeitgenossen rühmen bei allem Glanz, mit welchem er seinen Thron umgab, die Einfachheit seiner persönlichen Neigungen: alle Ausschweifung war ihm fremd und er lebte nur der Erfüllung seiner Pflichten. Im persönlichen Verkehre war er milde, vertraulich und offen, in seinen Gespräs chen bemerkte man treffliche und fürstliche Gedanken, in den schriftlichen Aufsägen eine umsichtige und scharfsinnige Behandlung der Dinge. Leider besaß er wenig Festigkeit des Charakters und ließ sich zu leicht von Schmeichlern und Günstlingen bestimmen.

Dankelmann's Gunst und Ungnade. Der Jugendführer und Freund des Kurfürsten, von Dankelmann, wurde nach dessen Regierungsantritt sein vorzüglicher Rathgeber. Zwar behielt Friedrich die höheren Staatsbeamten seines Vaters unverändert bei, aber Dankelmann gewann bald den überwiegendsten Einfluß. Gleich im Jahre 1688 wurde er zum Wirklichen Geheimen Staats- und Kriegsrath ernannt und leitete in Kurzem alle auswärtigen und eigentlich alle wichtigen Angelegenheiten, ebenso wie der Oberpräsident von Schwerin unter dem großen Kurfürsten. Im Jahre 1695 wurde er bei offener Tafel und unter den schmeichelhaftesten Ausbrücken zum Oberpräsidenten mit dem ersten Range am Hofe ernannt. Dankelmann sträubte sich zuerst gegen die hohe Würde, mußte dieselbe jedoch annehmen; außerdem erhielt er noch große Besitzungen und wurde vom Kaiser zum Reichsfreiherrn erhoben, die Grafenwürde lehnte er ab. Alle wichtigen Staatsund Hofangelegenheiten, sowie die Verwaltung der Finanzen wurde ihm übertragen, und bei dem Vertrauen und der Schwäche Friedrich's war Dankelmann eigentlich der Regent des Landes. Gerade diese gewaltige Erhebung wurde aber der Grund seines baldigen Falles; denn Neid und Eifersucht vereinigten nun gegen ihn alle Ehrgeizigen am Hofe. Dankelmann, nach treuen Gehülfen vergeblich suchend, beging die Unvorsichtigkeit, seine sechs Brüder zu seiner Unterstüßung an den Hof in ehrenvolle Aemter zu ziehen, wodurch der Neid und die üble Nachrede neuen Anlaß erhielten. Dazu kam, daß sein strenger Ernst fast alle Hofleute zurückstieß. Im Gefühle seiner Macht glaubte er sich aller Rücksichten auf die Schwächen seiner Umgebung überhoben, sagte über das oft leichtfertige und eitle Wesen derselben seine Meinung unver

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Dankelmann's Fall; Kolb von Wartenberg.

hohlen heraus und schonte selbst die Kurfürstin Sophie Charlotte nicht, deren geselliges Leben und Treiben seinem strengen Wesen nicht zusagte. Auch den Kurfürsten behandelte er hier und da noch, wie er es aus früheren Jahren gewohnt war, mit schulmeisterlichem Tone; besonders machte er ihm die unumwundensten Vorwürfe über die großen Ausgaben, welche das prächtige Hofleben verursachte. So entstand bald eine allgemeine Verbindung des ganzen Hofes gegen den allmächtigen Minister, welchen man ,,Dankelmann der Große" nannte, und an die Spitze der Feinde desselben stellte sich ein seit Kurzem in des Kurfürsten Dienste getretener pfälzischer Edelmann, der Freiherr Kolb von Wartenberg, wiewohl derselbe durch Dankelmann selbst zu den höchsten Würden gelangt war. Der schlaue, geschmeidige Mann wußte sich in des Kurfürsten Gunst so festzuseßen, daß er es endlich wagen durfte, erst heimlich, dann immer offener gegen Dankelmann aufzutreten; besonders faßte er den Kurfürsten bei der Eitelkeit, indem er bei Gelegenheit öfters darauf hinwies, wie herrisch und rücksichtslos der Oberpräsident mit dem Fürsten selbst umgehe. Das wirkte, und der Kurfürst wurde immer gereizter und rief einmal heftig aus: „Dankelmann will den Kurfürsten spielen, doch ich werde ihm zeigen, daß ich selbst Herr bin.“ Der bisherige Günstling bemerkte, daß ihm das Vertrauen seines Herrn entzogen sei, und bat selbst um seine Entlassung, welche er zuerst in der gnädigsten Form und unter Dankesbezeugungen des Kurfürsten erhielt. Dabei beruhigten sich aber seine Feinde nicht, sie stellten Friedrich vor, Dankelmann könne, wenn er die Freiheit behalte, die ihm bekannten Staatsgeheimnisse mißbrauchen, und der schwache Fürst ließ sich bereden, ihm den Prozeß zu machen, ihn nach der Festung Peiß zu verweisen und sein Vermögen mit Beschlag zu belegen. Es wurden eine Menge Beschuldigungen gegen ihn vorgebracht; keine derselben konnte wirklich erwiesen werden, und der zwar schroffe, aber durchaus rechtliche Mann behauptete standhaft seine Unschuld. Dennoch wußten seine Feinde es durchzuseßen, daß er schmachvoll zu ewiger Gefangenschaft und zum Verluste aller seiner Güter verurtheilt wurde, — ein warnendes Beispiel gefährlicher Gunst, rüðsichtsloser Ueberhebung und tiefen Falles, wie wir es in der Geschichte aller Höfe finden, in der Geschichte Brandenburgs und Preußens glücklicherweise seltener, als in anderen Staaten, weil die brandenburgischen Fürsten selten so schwach waren, sich überhaupt von Günstlingen beherrschen zu lassen. Friedrich III. milderte später, als ihm einige Beweise von Dankelmann's Unschuld mitgetheilt wurden, dessen Schicksal: erst sein Nachfolger aber zog denselben wieder an seinen Hof, doch war er inzwischen im Unglück zeitig gealtert und abgestumpft.

Nach Dankelmann's Sturz wurde Kolb von Wartenberg der Erste am Hofe und in der Verwaltung. Zu seinen früheren Aemtern und Würden brachte er bald die eines Marschalls von Preußen, General-Erbpostmeisters u. a., sowie die eines Premierministers hinzu, wurde in den Reichsgrafenstand erhoben und bezog einen Gehalt von 100,000 Thalern jährlich außer zahlreichen Geschenken, welche es ihm möglich machten, in Kurzem ein Vermögen von einigen Millionen zu sammeln. Er wußte sich besser als Dankelmann gegen Ungnade vorzusehen, indem er sich für alle solche Fälle im Voraus schriftliche Sicherstellungen geben ließ. Auch lag ihm nur daran, sich

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