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148 Friedrich Wilhelm's umsichtiges Berhalten; Luise Henriette von Oranien.

tragen. Er erlangte einen Waffenstillstand auf zwei Jahre; unterdessen sollten beide Theile behalten, was sie besaßen, die Schweden daher auch ganz Pom mern und mehrere Festungen im Brandenburgischen und in der Lausiß. Der Kaiser nahm die Kunde von diesem Waffenstillstande natürlich sehr übel auf, aber Friedrich Wilhelm wußte ihn zu beschwichtigen; er wies auf seine bes denkliche Lage hin und meinte, dem Kaiser selbst könne nicht mit Fürsten gedient sein, die am Ende von Land und Leuten verjagt würden. Dabei fuhr er fort, heimlich mit den Schweden über gänzlichen Frieden zu verhandeln, und gleichzeitig sein Heer bis auf 8000 Mann zu vermehren. Inzwischen wurde immer klarer, daß keine der beiden kriegführenden Parteien mächtig genug war, die andere ganz zu besiegen; Friedrich Wilhelm war hiermit ganz zufrieden, denn die Uebermacht Schwedens, ebenso wie die des Kaisers, wäre für die Selbstständigkeit seiner Staaten gefährlich geworden. Er suchte daher fich fürerst zwischen den beiden Theilen mit möglichst geringen Opfern zu halten, allmälig aber seine eigene Macht zu kräftigen, um im rechten Augenblicke das Seinige zur Entscheidung beitragen zu können. Er gab sich in den Berhandlungen keiner der Parteien ganz unbedingt hin; bei jedem Schritte berücksichtigte er genau alle Folgen nach beiden Seiten und suchte sich immer einen Rückweg offen zu halten. So hatte er sich nach und nach in die Lage zu seßzen gewußt, aus den allgemeinen Friedensunterhandlungen den möglichsten Vortheil zu ziehen.

In ganz Deutschland war man des Krieges müde, und schon waren in Hamburg vorläufige Unterhandlungen eröffnet worden, welche aber erst funf, zehn Monate später in Münster und Osnabrück zu wirklichen Friedens verhandlungen führten. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm, dessen Länder fast ununterbrochen den Verheerungen der streitenden Heere ausgesetzt waren, be förderte durch seinen Einfluß die endliche Herbeiführung des Friedens. Er selbst richtete dabei sein Hauptaugenmerk auf die endliche sichere Erwerbung Pommerns.

Vermählung mit Luise Henriette von Dranien. Er hätte sich mit Schweden sehr leicht über Pommern geeinigt, wenn er nach des verstorbenen Gustav Adolph und nach seinem eigenen Wunsche die Hand der jungen Königin Christine erlangt hätte; durch die Vereinigung Schwedens mit Branden burg, Pommern und Preußen wäre alsdann eine bedeutende gemeinsame Macht im Norden Europa's hergestellt worden. Aber jener Plan scheiterte an Christinen's Abneigung gegen jede Vermählung, an dem Eifer der Luthe raner in Schweden gegen den reformirten Kurfürsten und an Oxenstierna's Besorgnissen, welcher fürchtete, daß Friedrich Wilhelm in seinen deutschen Ländern residiren und Schweden nur als ein Nebenland behandeln würde. Ueberdies meinte der schwedische Kanzler, gewiß nicht mit Unrecht, daß des Kurfürsten selbstständiger und fester Charakter sich wenig mit der eigenwilligen Art der jungen Christine vertragen würde. So mußte denn Friedrich Wils helm diesen Heirathsplan aufgeben. Seine Wahl fiel nun auf eine der liebenswürdigsten Fürstinnen aus einem der ruhmreichsten Häuser jener Zeit, auf Luise Henriette, die Tochter jenes Prinzen Friedrich von Nassau. Oranien, welchen unser Kurfürst bei seinem Aufenthalte in Holland kennen und verehren gelernt hatte. Auch die Prinzessin selbst, welche damals freilich

Der westphälische Friede; Preußens Erwerbungen in demselben.

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noch in sehr jugendlichem Alter stand, war demselben dort schon bekannt geworden. Ihre Schönheit, ihr reicher, hochgebildeter Geist und die Vortrefflichkeit ihres Herzens zogen ihn eben so mächtig an, wie der Heldenruhm des edeln Hauses der Oranier und vielleicht auch die Aussicht auf die reiche Erbschaft, welche ihr möglicherweise zufallen konnte. Kaum war die Verlobung mit der hohen Braut vollzogen, als der Kurfürst die großartigsten Anstalten traf, um dieselbe mit allem fürstlichen Glanze einzuholen. Dreihundert Reiter und fünfhundert Musketiere wurden neu angeworben und prächtig ausgerüstet, um bei den Vermählungsfeierlichkeiten als fürstliche Leibwache zu glänzen. Besonders aber ließ der Kurfürst, um der jungen Braut den Abstand zwischen ihrem prächtigen Haag und der neuen Heimath nicht zu schmerzlich auffallen zu lassen, in Berlin so viel als möglich die Spuren der langjährigen Zerrüttung beseitigen und in aller Eile vielfache Verschönerungen ausführen, unter Anderem legte er den Grund zu der allmälig so berühmt gewordenen Lindenallee und ließ das Schloß mit neuem Glanze ausschmücken. Unter großer Pracht fand dann die Vermählung statt; die schöne Braut gewann durch ihr Erscheinen und holdes Wesen sofort Aller Herzen (1646).

Der westphälische Friede (1648). Durch diese Heirath wurde nun der Kurfürst den Schweden mehr entfremdet, und es kam daher bei den Friedensunterhandlungen zu den lebhaftesten Streitigkeiten über die Ansprüche auf Bommern. Der Kurfürst wollte sich sein altes unbestrittenes Recht auf ein Land, dessen Titel und Wappen seine Vorfahren schon lange geführt hatten, nicht nehmen lassen; er konnte sich ferner darauf stüßen, daß die pommerischen Stände, welche den brandenburgischen Fürsten gehuldigt hatten, ausdrücklich verlangten, bei diesen auch zu verbleiben; endlich machte er geltend, daß es für das ganze deutsche Reich gefährlich wäre, wenn dort eine fremde Macht festen Fuß gewinne. Schweden aber sette natürlich auch seinerseits Alles daran, sich in Pommern zu behaupten, und drang darauf, Brandenburg dafür anderweitig, besonders durch neue Besitzungen in Deutschland zu entschädigen. Der Kaiser und einige kleinere deutsche Fürsten, welche schon damals auf das hoch aufstrebende brandenburgische Haus eifersüchtig waren, unterstüßten die Schweden in ihren Bestrebungen, und zulezt mußte Friedrich Wilhelm seine Zustimmung dazu geben, daß ein großer Theil von Pommern bei Schweden verblieb, ihm aber anderweitige Entschädigung zu Theil wurde.

Schweden behielt ganz Vorpommern (den jezigen Regierungsbezirk Stralsund und die Kreise Anclam und Demmin) nebst der Insel Rügen; außerdem noch Stettin, Garz, Gollnow, die Insel Wollin, das Haff und die Obermündungen. Diese Theile von Pommern hießen fortan Schwedisch-Pommern.

Der Kurfürst von Brandenburg erhielt:

1) das übrige Hinterpommern mit dem vormaligen Stifte Cammin; ferner aber als Entschädigung für den vorenthaltenen Theil von Pommern 2) das vormalige Bisthum Halberstadt nebst allen Rechten, Gebieten, weltlichen und geistlichen Gütern (die jeßigen Kreise Halberstadt, Aschersleben und Oschersleben);

3) das vormalige Bisthum Minden (die jetzigen Kreise Minden, Lübbede);

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Der westphälische Friede; Friedrich Wilhelm's Ziel.

4) die Anwartschaft auf das Erzstift Magdeburg, sobald der damalige Administrator mit Tode abgehen würde, was 1680 erfolgte (das Erzs stift umfaßte die heutigen Kreise Magdeburg, Neuhaldensleben, Wolmirstädt, Jerichow I. und II. und Calbe; dagegen waren die Aemter Querfurt, Jüterbogk, Dahme und Burg schon vorher an kur sachsen abgetreten, Burg kam 1687 an Brandenburg, die übrigen Gebiete erst 1815).

Der Kurfürst von Brandenburg führte fortan auch die Titel: Herzog von Pommern, Herzog von Magdeburg, Fürst von Halberstadt und von Minden.

Die dem Kurfürsten bewilligte Entschädigung war, was den Flächenraum und die Schönheit des Landes betrifft, bedeutender, als der Verlust in Bom mern; denn für 160 Quadratmeilen des pommerischen Landes erhielt der Kurfürst 200 Quadratmeilen schönen, wohlangebauten und reichbevölkerten Bodens. Auch waren die heftigsten Gegner Brandenburgs sehr unzufrieden mit dieser, wie es schien, überreichen Entschädigung. Aber der Kurfürst selbst konnte den Verlust von Pommern nicht so leicht verschmerzen. Unter allen brandenburgischen Fürsten war er nämlich derjenige, welcher am ent schiedensten zur Gründung einer Seemacht hinneigte. Seine derartigen Jugendträume waren durch den Aufenthalt in Holland neu belebt und gestärkt worden: deshalb schien ihm der Besit der pommerischen Seeküste doppelt wichtig. Später freilich hat man erkannt, wie bedeutsam für Preußen die Erwerbung jener schönen Länder im Innern von Deutschland war, durch welche Brandenburg mit den mittleren deutschen Staaten in immer engere und folgenreichere Berührung kam.

Neben der Sorge für seine eigenen Staaten versäumte der Kurfürst nicht, der Sache der Protestanten bei dem großen Friedensschlusse seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, besonders war es seinen eifrigen Bemühungen zu danken, daß den Reformirten dieselben Vortheile, wie den augsburgischen Confessionsverwandten eingeräumt wurden. Durch den westphälischen Frie den wurde festgesetzt, daß in allen bürgerlichen Verhältnissen beide Religions parteien vollkommene Gleichheit genießen sollten, außer in den kaiserlichen Erblanden, auf welche die Wohlthat der Glaubensfreiheit nicht ausgedehnt wurde. Nur Schlesien wurde ein kümmerlicher Schein derselben zu Theil.

Am 24. September 1648 wurde die Urkunde des westphälischen Friedens zu Münster unterzeichnet. Von hier an beginnt für Preußen, wie für ganz Deutschland, eine neue Entwickelung.

21. Friedrich Wilhelm's Streben und Trachten in der Landesregierung.

Friedrich Wilhelm's großes Ziel. Durch den Ausgang der Friedens unterhandlungen sah das brandenburgische Haus seinen Länderbesig erweis tert: die wichtigsten Erwerbungen erhielten jedoch erst dadurch den rechten Werth, daß der Fürst, welcher damals auf dem brandenburgischen Throne saß, von dem Streben beseelt war, seinem Staate und Volke eine erhöhete Bildung zu erringen. Friedrich Wilhelm war der erste brandenburgische

Das stehende Heer; neue Steuern.

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Fürst, welcher mit klarem Bewußtsein das oben angedeutete Ziel verfolgte, einen selbstständigen mächtigen Staat zu gründen; die meisten seiner Vorgänger hatten das Ihrige dazu beigetragen, die Grenzen des Staates zu erweitern und das kurfürstliche Ansehen zu erhöhen, aber keiner von ihnen hatte fich zu dem Gedanken aufgeschwungen, die brandenburgische Macht, unabhängig von der Stellung zum deutschen Reiche, zu einer Weltmacht zu erheben, welche unter den großen Staaten Europa's eine einflußreiche Rolle spielen sollte. Alle Regierungsschritte des großen Kurfürsten dagegen gingen von jenem Grundgedanken aus, einen selbstständigen und kräftigen Staat zu bilden: alle Theile seiner segensreichen Thätigkeit standen damit in genauer Verbindung. Vor Allem mußte er, um jenen Zweck zu erreichen, sich ein tüchtiges Heer zu bilden suchen; um dies aber durchführen zu können, wollte er in seinen Ländern erst frei verfügen und die nöthigen Steuern erheben, ohne sich durch den Widerspruch der Stände hindern zu lassen. Damit aber das Land unter den großen Opfern für die Kriegskosten nicht erliegen sollte, mußte endlich Ordnung in die Verwaltung gebracht und für das neue Erblühen des Landbaues und aller Gewerbe gesorgt werden. Diese Grundgedanken muß man festhalten, um den inneren Zusammenhang seiner ganzen Thätigkeit recht zu erkennen und zu würdigen.

Weiterbildung des stehenden Heeres; die Accise. Mit der Bildung eines stehenden Heeres hatte Friedrich Wilhelm den Anfang gemacht; schon im Jahre 1646 war seine Mannschaft bis auf 8000 Mann erhöht. Große Schwierigkeiten machten ihm in dieser Beziehung die preußischen Stände; denn sie wollten weder das nöthige Geld zu eigenen Truppenwerbungen aufbringen, noch auch leiden, daß er brandenburgische Kriegsleute in ihr Land brächte, und doch erfüllte der Adel seine Dienstpflicht so schlecht, daß bei einer Truppenmusterung im Jahre 1640 von 1425 Ritter diensten nur 853 wirklich gestellt wurden und von 1845 zur Landmiliz Verpflichteten gar nur 200 kamen. Zulegt griff der Kurfürst auch dort durch und legte statt der Kriegsdienste Steuern zur Bezahlung geworbener Soldaten auf. Im Jahre 1651 konnte er schon 16,000 Mann ins Feld führen, und beim Kriege zwischen Schweden und Polen im Jahre 1655 erschien er mit 26,000 Mann und 72 Geschützen.

Der General von Sparr war zuerst der vornehmste Offizier dieser neugeschaffenen Armee, bald erhielt dieselbe einen noch ausgezeichneteren Befehlshaber in dem berühmten Feldmarschall von Derfflinger.

Der Unterhalt des Heeres, wie die Wiederherstellung alter und Errichtung neuer Festungen erforderte natürlich einen ungemein großen Kostenaufwand, welchen das verarmte Land schwer aufzubringen vermochte. Der Kurfürst mußte auf Mittel denken, sein Heer zu erhalten, ohne das Land zu drückend zu belasten. Von dem freien Willen der Stände waren ausreichende Bewilligungen nicht zu erwarten: nur die Kurmark verstand sich im Jahre 1641 zur Aufbringung von 150,000 Thalern, was freilich schon damals nicht genügte, wie viel weniger, als das Heer bedeutend vermehrt wurde. Als der Kurfürst später seine Forderungen erneuerte und erhöhete, erwiderten ihm die Stände, er sollte das Heer entlassen und nur zur Bewachung der Landesfeftungen die nöthigen Compagnien beibehalten. Friedrich Wilhelm aber

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Ucclse. Der Kurfürst und die Stände.

überzeugt von der Nothwendigkeit eines stehenden Heeres für das Ansehen Brandenburgs und den Schutz Deutschlands, verseßte, cr habe nun einmal die Behauptung seines Landes und Staates in die Waffen geseßt, er wolle und müsse in Kriegsbereitschaft bleiben, denn von allen Seiten drohe ihm Gefahr, ohne Sicherheit des Landes sei an keine Wohlfahrt zu denken, und seinem entschiedenen Willen mußten sich denn die Stände fügen. Die Aufbringung des Geldes nach der bisherigen Vertheilungsart war aber in dem erschöpften Lande sehr drückend; der Kurfürst sah keinen Ausweg, als es mir einer neuen Art Steuer zu versuchen. Nach dem Beispiele von Holland schlug er eine Steuer auf alle inländische und ausländische Waare vor, eine soge nannte Verbrauchssteuer oder Accise, welche auf alle im Lande verbrauchten Waaren gelegt werden sollte. Hierdurch mußten alle Landbewohner beim Einkaufe der Waaren, die dadurch unmerklich theurer wurden, mit zu den Steuern beitragen, und es hatten nicht mehr die Besizer von Grundstücken allein die ganze Last der Abgaben zu tragen.

Die neue Einrichtung konnte aber nicht ohne den größten Widerspruch zur Geltung gebracht werden: besonders war es der Adel, welcher sich in seinen alten Steuerprivilegien dadurch beeinträchtigt fand, wogegen die Städte sich bald mit der Absicht des Fürsten einverstanden erklärten, sie flehten ihn als ihren liebsten Landesvater an, so viel tausend nach Linderung seufzende Seelen in Städten und Dörfern zu erhören, und die Verbrauchssteuer allge mein im Lande einzuführen. Wegen des Widerspruches der Ritterschaft bes schränkte sich jedoch der Kurfürst zunächst darauf, den Städten allein diese Neuerung zu bewilligen. In Berlin wurde der Anfang damit gemacht, die anderen Städte folgten, und in Kurzem zeigten sich die Segnungen der neuen Einrichtung, indem viele arme Grundbesizer dadurch sehr erleichtert wurden. Da nicht mehr auf den Grundstücken allein die ganze Last der Auflagen ruhete, so wurden wieder Häuser gebaut, und in wenigen Jahren kamen die Städte von Neuem in einen besseren Zustand. Die zur Erhaltung der Truppen nothwendige Geldsumme wurde mit Leichtigkeit aufgebracht, und bald veranlaßte der glückliche Erfolg der neuen Steuer, daß sie auch in anderen Provinzen eingeführt wurde*).

Erhöhung des Ansehens der fürstlichen Gewalt; Schwächung der Stände. Da nun die neue Steuereinrichtung ganz ohne den Beistand und gegen den Willen der Ritterschaft durchgeführt wurde und die Städte allein die neuen Bedürfnisse aufbrachten, so verloren die Stände natürlich an ihrem bisherigen Einfluß. Dieser beruhte eben darauf, daß der Fürst bis dahin der Stände bedurft hatte, um die nöthigen Geldbewilligungen zu erlangen; jezt hatten sie diesen Einfuz selbst aus den Händen gegeben, und so kam es, daß die Ritterschaft fortan in den allgemeinen Landesangelegenheiten immer we niger mitzusprechen hatte. Die fürstliche Gewalt wuchs daher durch die neue Art der Besteuerung; der Fürst kam mehr und mehr in den alleinigen Besiz der allgemeinen Landesregierung und brauchte nach dem Willen der Stände nicht mehr viel zu fragen. Das war auch ganz den Ansichten und Ueberzeugungen des großen Kurfürsten entsprechend;

*) Rante, neun Bücher preuß. Geschichte. I. S. 57 ff.

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