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Zerfall des evangelischen Bündnisses.

ritt dann an die Spiße seiner Schaaren: „Nun wollen wir dran!" rief er, ,,das wollt der liebe Gott. Jesu! Jesu! Hilf mir heut streiten zu deines Namens Ehre!" - Im Feuer der Schlacht dringt er zu kühn vor und geräth, irregeleitet durch sein kurzes Gesicht, unter die feindlichen Reiter. Er erhält einen Schuß in den Arm, gleich darauf noch einen in den Rücken und mit dem Angstrufe:,,Mein Gott, mein Gott!" sinkt er vom Pferde. Die feindlichen Reiter eilen über den königlichen Leichnam dahin; das ledige Roß aber verkündet den Schweden des theuren Fürsten Fall; von Rachedurst entflammt stürzen sie unter Bernhard's von Weimar entschlossener Führung von Neuem in den blutigen Kampf. Auch Pappenheim, der berühmte kaiserliche Reitergeneral fiel, und am Abend war das kaiserliche Heer in Flucht und Verwirrung.

Der Sieg der protestantischen Waffen aber war um einen zu kostbaren Preis erkauft: der Heldenkönig war dahin, den das ganze protestantische Deutschland als seinen rettenden Engel verehrte. Wie ein Donnerschlag ging die Nachricht von seinem Tode durch die deutschen Gauen. Noch als er zur Lüzener Schlacht zog, hatte er überall Beweise der innigsten Liebe erhalten. Zu Naumburg hatte ihn das Volk umdrängt, glücklich, nur seine Stiefeln oder sein Roß zu küssen. Er aber hielt solche abgöttische Verehrung für gotteslästerlich und sagte zu seinem Hofprediger:,,Unsere Sachen stehen gut; aber ich fürchte, Gott werde mich wegen der Thorheit des Volkes strafen. Denn hat es nicht das Ansehen, daß diese Leute mich recht zu ihrem Abgotte machen? Gott könnte ihnen leicht beweisen, daß ich Nichts als ein schwacher sterblicher Mensch sei."

Sein trüber Gedanke war nur allzubald erfüllt worden; trauernd und wie verwaist stand nun das protestantische Deutschland an dem Grabe seines frommen und tapferen Erretters. Es war Niemand da, der sein Werk mit gleicher Kraft hätte hinausführen können.

Zerfall des proteftantischen Bündnisses; neues Schwanken Georg Wilhelm's. Zwar blieben die schwedischen Heere in Deutschland, geführt von kühnen und kriegsgeübten Feldherren, und der staatskluge Kanzler Oxenstierna erhielt die Leitung der schwedischen Angelegenheiten im Namen der jungen Königin Christine. Aber alle Klugheit, Beredsamkeit und Festigkeit des ausgezeichneten Mannes reichte nicht hin, um das mühsam zu Stande gebrachte Bündniß der evangelischen Fürsten Deutschlands auch nach dem Tode des großen Königs zu erhalten. Wir haben gesehen, wie schwer es selbst Gustav Adolph geworden war, gerade die bedeutendsten jener Fürsten an sich zu fesseln. Selbst als er auf der höchsten Höhe seines Ruhmes stand, ertrugen es dieselben ungern, einen fremden Fürsten mit solcher Macht in den deutschen Angelegenheiten schalten lassen zu müssen, und nur vor dem Glanze seines königlichen Namens, wie seines ruhmvollen Siegeslaufes hatten sie sich ohne Demüthigung beugen können. Jezt aber sollten sie sich der Leitung des schwedischen Kanzlers, eines bloßen Beamten, unterwerfen; das ertrug ihr reichsfürstlicher Stolz nicht, und es währte nicht lange, so fiel das kaum begründete Bündniß wieder auseinander. Der Kurfürst von Sachsen war der erste, welcher sich von den Schweden loszusagen gedachte. Georg Wilhelm von Brandenburg blieb fürerst noch der evangelischen Sache getreu, weil es

Der Friebe zu Prag; neue Bedrängniß Brandenburgs.

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ihm jezt am wichtigsten schien, zuerst die Gefahren von Desterreichs Uebergewicht ganz zu beseitigen.

Die Lüzener Schlacht hatte für die Evangelischen nicht so große Vortheile, wie man hätte erwarten sollen, denn die Uneinigkeit zwischen den deutschen und den schwedischen Heerführern ließ es zu keiner rechten Verfolgung der Feinde kommen. Zunächst wurde der Kriegsschauplatz besonders nach Schlesien verlegt, und dies unglückliche Land sah sich nun der fürchterlichsten Behandlung von beiden Seiten, besonders aber durch Wallenstein und den General Gallas ausgefeßt. Die Kaiserlichen hausten „ärger, wie Türken und Heiden," keine Gewaltthat, keine Qual war zu schrecklich, daß sie gegen die unglücklichen Schlesier nicht angewandt worden wäre, um sie zum katholischen Bekenntniß zurückzuführen. Die Schlesier flüchteten, wo sie konnten, vor dem anrückenden Feind in die Wälder und Schluchten, und gaben alle ihre Habe preis, wenn sie nur das bloße Leben retten konnten. Zu allem Elend gesellte sich noch die Pest, die an manchen Orten so furchtbar wüthete, daß die Todten haufenweise unbegraben liegen blieben.

Zwar gelang es den vereinigten Sachsen und Schweden noch einmal, die Oberhand in Schlesien zu erlangen, aber schon unterhandelte Sachsen heimlich mit Desterreich, um sich von den Evangelischen loszumachen, und im Jahre 1635 schloß der Kurfürst Johann Georg den unglückseligen Frieden zu Prag, durch welchen er an der gemeinsamen protestantischen Sache zum Verräther wurde und besonders die Schlesier dem grausamen Feinde völlig preisgab.

Jezt, wo der älteste Beschützer des Protestantismus unter Deutschlands Fürsten denselben von Neuem im Stiche ließ, wäre es an der Zeit gewesen, daß der Kurfürst von Brandenburg sich der verlassenen Sache um so lebhafter angenommen und sich als entschiedener Hort des evangelischen Glaubens gezeigt hätte: aber Georg Wilhelm war nicht der Mann, um eine solche Rolle mit kräftigem, zuversichtlichem Bewußtsein zu erfassen, und erst einer späteren Zeit war es vorbehalten, daß Preußen unter tüchtigeren Regenten sich als vornehmster protestantischer Staat bewährte. Georg Wilhelm war unentschlossen, ob er dem von Sachsen geschlossenen Frieden beitreten, oder mit den Schweden weiter gegen den Kaiser kämpfen sollte. Graf Schwarzenberg, welcher an den kurfürstlichen Hof zurückgekehrt war, und sich des überwiegendsten Einflusses schnell wieder bemächtigt hatte, war es, der jetzt den schwachen Fürsten dahin vermochte, sich auch seinerseits mit dem Kaiser zu verständigen; Brandenburg trat dem Prager Frieden bei, wogegen der Kaiser demselben den Anfall von Pommern zusicherte (1635).

Brandenburgs Bedrängniß; Georg Wilhelm's Ende. Die brandenburgischen Stände gaben zu dem Frieden ihre Zustimmung, indem sie hofften, daß die Marken nun vor dem Unheil und den Drangsalen bewahrt sein würden, welche der Krieg schon seit Jahren über dieselben gebracht hatte. Aber die Kriegsnoth sollte sich jetzt fast noch schrecklicher erneuern, — Brandenburg wurde immer wieder der Schauplat wilden Kriegsgetümmels und furchtbarer Verwüstung. Die Schweden sezten unter der ausgezeichneten Führung Baner's den Krieg in Norddeutschland fort, während Herzog Bernhard von Weimar fich in Süddeutschland tapfer behauptete.

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Schon im nächsten Jahre (1636) verfolgte Baner die Kaiserlichen von Pommern aus durch die Marken. Fast ein volles Jahr hindurch drängten fich jetzt die feindlichen Heere mit abwechselndem Glücke hin und her, und das unglückliche Land seufzte in tiefem Elende unter dem Fußtritt der wilden Schaaren. Brandenburg war nicht ergiebig genug, um die zahlreichen Truppen so lange Zeit hindurch zu ernähren und der rohe Soldat suchte durch Grausamkeiten und Gewaltthaten aller Art entweder die leßte Habe der armen Landleute zu erpressen, oder sich auf viehische Weise an den Schuldlosen zu rächen. Man fragte nicht danach, ob man es mit Freunden oder mit Feinden zu thun habe, und die Kaiserlichen gingen mit den unglücklichen Märkern nicht um ein Haar besser um, als die Schweden. Verheerende Seuchen gesellten sich hier, wie überall, zu dem Elend: die Leichen blieben unbegraben vor den Hütten und auf den Straßen liegen und dienten oft den verwildert umherstreifenden Hunden zum Fraße.

Im Jahre 1636 wurde besonders die Hauptstadt Berlin von dem schwedischen General Wrangel hart bedrängt; der Kurfürst hatte sich mit Schwarzenberg und dem Hofe nach der Festung Peiß geflüchtet, aber die Stadt mußte eine schwere Brandschatzung über sich ergehen lassen, an 30,000 Thaler zahlen und eine fast unerschwingliche Menge von Lebensmitteln, Kleidungsstücken, und Bedürfnissen aller Art aufbringen. Da das baare Geld nicht hinreichte, so mußten die Bürger ihr goldenes und silbernes Geräth mit herbeibringen, welches nach willkürlicher Schätzung für Geldeswerth ange nommen wurde. Auch dort kam die Pest hinzu, um die Drangsale der schweren Zeit zu vermehren; sie wüthete so stark, daß im nächsten Jahre beinahe zweihundert Häuser leer standen.

zu jener Zeit starb Bogislav XIV., der letzte Herzog von Pommern, und das Land hätte nun ohne Weiteres an Brandenburg fallen müssen; der schwedische Gesandte Steno Bielke aber erklärte den Ständen, er könnte nicht zugeben, daß Schwedens Feinde die Regierung des Herzogthums übernähmen. Georg Wilhelm, hierdurch von Neuem gereizt, verband sich um so entschiedener mit Kaiser Ferdinand III., welcher in demselben Jahre (1637) an die Stelle seines Vaters Ferdinand II. getreten war. Der Kurfürst warb mit kaiserlicher Unterstüßung ein Heer von siebentausend Söldnern, und der Krieg wurde mit neuer Kraft gegen die Schweden begonnen. Die Marken und Mecklenburg kamen wieder in die Hände der Kaiserlichen, wogegen die Schweden sich in Pommern behaupteten und dasselbe ganz wie eine schwedische Provinz regierten. Im nächsten Jahre erhielten sie neue Verstärkungen aus Schweden, und Baner drang wieder siegreich in den Marken vor. Alles Elend, was Brandenburg schon erfahren hatte, war nicht mit den Schrecknissen zu vergleichen, welche der jezige Rückzug der Kaiserlichen über das arme Land brachte. In Städten und Dörfern wurde von denselben schlimmer als je gewüthet, ohne Schonung alle Häuser, Kirchen und selbst die Gräber erbrochen, alles Geräth, was nicht mit fortgeschafft werden konnte, zerschlagen und zerstört, den Einwohnern Koth in die Nasen, Ohren und Hälse gegossen, (was man spottweise den schwedischen Trunk nannte), und durch andere Martern jeder Art Geld expreßt.

Als die Noth in der Mark am höchsten gestiegen war, verließ der Kur

Klagen des Berliner Stadtraths; Georg Wilhelm's Tod.

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fürst das unglückliche Land und begab sich nach Preußen (1639). Seine eigenen Kriegsleute aber bedrängten die armen Brandenburger fast eben so schwer, wie die fremden Heere. Der Stadtrath von Berlin sah sich ver anlaßt, eine Beschwerde an den Kurprinzen Friedrich Wilhelm zu richten, worin es heißt: Freund und Feind hätten das Land zur Wüste gemacht. Viele Offiziere müßten unterhalten werden und lebten herrlich, ohne die Mannschaften zu halten, für welche sie Sold in großen Summen zögen, während die Gemeinen verhungerten oder fortliefen. Vor den kurfürstlichen Reitern sei kein Stück Vieh, ja kein Mensch sicher, weshalb der Ackerbau gar nicht betrieben werden könne, alle Geschäfte und Nahrung hörten auf. Städte und Dörfer ständen wüste. Auf viele Meilen weit fände man weder Menschen noch Vich, weder Hund noch Kate. Dennoch würden die Kriegssteuern mit Gewalt beigetrieben. Den Bürgern habe man Häuser, Accker, Gärten, Wiesen und Weinberge genommen und den Offizieren gegeben, die von Steuern frei wären, wodurch die übrigen Bürger überlastet und genöthigt würden, zu entlaufen. Die Rathsdörfer lägen in Asche, die Beamten, Kirchenund Schullehrer könnten nicht besoldet werden; viele hätten sich beeilt, durch Wasser, Strang und Messer ihrem elenden Leben ein Ende zu machen, und die Uebrigen wären im Begriffe, mit Weib und Kind ihre Wohnungen zu verlassen und in das bitterste Elend zu gehen.

Der Kurprinz vermochte damals solch bitterer Noth noch nicht abzuhelfen, dem Kurfürsten Georg Wilhelm aber fehlte es an der geistigen und fittlichen Kraft, um irgend welche Anstrengungen zur Abwendung der Greuel und Drangsale des unheilvollen Krieges zu machen. Mit neuer Gewalt droheten die Kriegsgefahren über die Mark hereinzubrechen, als — der Kurfürst am 20. November 1640 in Preußen starb und sein einziger Sohn, Friedrich Wilhelm, die Regierung antrat.

Georg Wilhelm ist der einzige hohenzollernsche Fürst, dessen Regierung nur Trübsal über die brandenburgisch-preußischen Lande gebracht hat. Wenn ihm auch die Schwierigkeiten der unglückseligen Zeit, in welcher er das Scepter führte, einigermaßen zur Entschuldigung dienen mögen, so ist doch unverkennbar, daß vor Allem seine eigene Schwäche und der Mangel an Erkenntniß seiner hohen Aufgabe ihn hinderte, die wichtige Rolle zu spielen, zu welcher gerade damals ein brandenburgischer Fürst berufen war. Zum Glück für unser Vaterland ließ die Vorsehung auf diesen schwachen Fürsten einen Mann folgen, dessen kräftiger Geist und Wille das Unheil der vorhergegange nen Zeiten zu tilgen wußte.

Drittes Buch.

Geschichte Preußens vom großen Kurfürsten bis zu Friedrich's des Großen Regierungsantritt. (1640-1740.)

20. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürft. (1640–1688.)

Einleitung. Mit Friedrich Wilhelm, der den Namen des großen Kurfürsten erhalten hat, beginnt erst die Geschichte Preußens als Geschichte eines zusammengehörigen Staates. Bis dahin gab es nur einzelne Landestheile, welche vom Niemen bis an den Rhein vielfach von einander getrennt lagen, ohne anderen Zusammenhang, als den eines gemeinschaftlichen Herrschers. Zwischen der Mark Brandenburg, dem Herzogthum Preußen und den cleveschen Landen gab es noch kein inneres Band der Gemeinschaft, kein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit: in jedem der Länder waren die Rechte des Fürsten und die Freiheiten der Stände, die ganze Verwaltung, das Kriegs- und Steuerwesen verschieden. Die Unterthanen des einen betrach teten die Bewohner des andern als Fremde und ertrugen es nur mit Widerstreben, wenn der Fürst solche,,Fremdlinge" zu Aemtern und Würden bei ihnen einsette. In Preußen kümmerte man sich nicht darum, wenn die Mark vom Kriege zerrüttet wurde, und in Cleve erschien es als eine fremde Sache, wenn an den Ufern der Ostsee der Schlachtenruf erscholl. Als in Preußen Werbepläge für den Krieg in Pommern errichtet wurden, machte es das Voll dem Kurfürsten zum Vorwurf, daß er Fremde, d. h. brandenburgische KriegsLeute, in's Land brachte. Die Preußen sahen in dem Landesherrn nur ihren preußischen Herzog, die Märker nur ihren brandenburgischen Kurfürsten, — der Gedanke eines gemeinsamen Staates war ihnen allen fremd. Wenn aus den vereinzelten Ländern ein mächtiger Staat werden sollte, so kam es vor Allem darauf an, Einheit an die Stelle der bisherigen Absonderung zu bringen. Das ist nun das große Werk, welches der Kurfürst Friedrich Wilhelm vollbracht hat, daß er auf fester Grundlage die Einheit und dadurch die Kraft der hohenzollernschen Monarchie sicherte: er ist so der eigentliche Schöpfer des preußischen Staates geworden.

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