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treiben von Gebühren sich oft als hab- und streitsüchtig erwies, sah die Gemeinde weniger den Seelsorger als den lästigen Pocher und es bildeten sich Mißstände heraus, welche erst teilweise in unserer Zeit durch Ablösung der Stolgebühren beseitigt sind.

Über die Einrichtung der Schulen hatte die Kirchenordnung folgende Bestimmung getroffen: „Dieweil auch zur Erhaltung christlicher Religion und guter Polizei aufs höchst von Nöten, daß die Jugend in den Schulen unterweiset werden und die Schulen etliche Zeit her in merklichen Abfall kommen, wollen wir, daß die in allen Städten und Märkten wiederum angericht, reformiert, gebessert und notdürftig versehen und erhalten werden, derwegen wir denn auch unsern verordneten Visitatoren unter anderm fleißiges Einsehen zu haben mit sonderm Ernst auflegen. wollen." Was über den Verfall der Schulen gesagt war, traf in weitestem Umfange zu. Aber gerade für die märkischen Schulen ist die Reformation ohne unmittelbar segensreiche Folgen geblieben. Mag immerhin eingewendet werden, daß eine Hebung der arg vernachlässigten Jugenderziehung nicht so schnell möglich war, daß geeignete Kräfte durch andere Arbeiten beansprucht worden seien, doch bleibt die Thatsache bestehen, daß der Versuch einer Besserung nur äußerst unzureichend betrieben wurde. Die Lehrer meist ohne genügende Ausbildung betrachteten ihre Stelle als Ruhesiz nach wüster Vagantenzeit. Da sie von ihrer geringen Besoldung nicht leben konnten, so verdienten sie einen Teil des Unterhalts mit dem Schreiben von Gevatterbriefen, als Zollschreiber, Plazmeister auf Hochzeiten und Veranstalter von gro= testen Komödien. Da der Schulmeister auf das vom Rat nor mierte Schulgeld der Kinder angewiesen war, so empfing er in größeren Städten wie Berlin, Salzwedel oder Stendal eine Summe von 50 Gulden, der Geselle eine von 20 Gulden als Zuschuß. Karg waren die Lieferungen an Naturalien; Schulmeister und Gesellen hatten sich in die Accidentien zu teilen. Häufig war für die Schulmeister ein Freitisch eingerichtet, bei Familienfesten hatten sie einen Plaz am Tische. Solches ungeregelte Leben bildete leichtfertige Gesellen, als deren Wahlspruch damals das Wort galt:

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Ede, bibe, lude! post mortem nulla voluptas. 303)

Was für Früchte sollte das Wirken solcher Lehrer zeitigen! Der Unterricht wurde durch die häufigen Feiertage, durch das Singen bei Begräbnissen, durch die Aufführungen und Schaustellungen nur zu oft unterbrochen. In den Schulen mangelte es an Raum, an jeder Bequemlichkeit. Der Rat von Berlin bat den Kurfürsten, die an öffentlichem Ort gelegene Schule wegen der beständigen Störung in das graue Kloster zu verlegen, was aber erst 1574 geschah. 304) Waren in einer Stadt zwei Schulen, so suchte jede derselben die Kinder an sich zu locken, um der Rivalin weniger durch Leistungen als durch numerisches Übergewicht den Rang streitig zu machen. Wenige Schulen genossen einen guten Ruf. Die Höhe des Schulgeldes war sehr verschieden festgeseßt: in Salzwedel betrug es vierteljährlich 2 Gulden (?), in Gransee 2 Groschen, in Rheinsberg hatte jedes Haus 2 Groschen zu entrichten. Armen Kindern wurde das Schulgeld erlassen.

Die Ziele des Unterrichts waren in der Ordnung bereits bezeichnet, die Erhaltung der Kirche und guter Polizei galt als Hauptsache. Darüber gingen denn auch die Forderungen der Visitatoren selten hinaus: Katechismus und pietatis elementa, Exerzieren scribendo et dicendo, Grammatik und etliche Auktoren. Daneben wurden Antiphonien und Responsorien de tempore, Chorgefänge für die Vesper und das Einsingen der Festtage ge= übt. Nach dem Gesagten konnten erziehliche Einwirkungen nicht erwartet werden. Über die Methode des Unterrichts - sofern von einer solchen überhaupt die Rede war - orientiert die Nachricht, daß nach Einführung der Reformation ein Schüler von 30 Jahren durchaus keine Seltenheit war. 305) Doch wurde mit der sauer erworbenen Gelehrsamkeit gern geprunkt: ausdrücklich bestand die Vorschrift, daß vor den Thüren lateinisch gesungen werden sollte, damit die Schüler vor anderen zu erkennen wären.

Der Lehrkörper der Schulen war den Verhältnissen entsprechend mehr oder minder zahlreich. An der Berliner Schule die Schulen von St. Marien und Nikolai wurden 1540 vereinigt 306)

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waren thätig der Präpositus, der moderator ludi, 3 Bakkalaurei und der Kantor. 307) An einzelnen Orten wurde auch eine Jungfernschule errichtet; aber das wenige, was gethan wurde, war

zu bessern nicht im Stande. Die Kirchenordnung von 1572 bereits flagte über die furchtbare Zerrüttung der Schulen.

Von den vielen Hospitälern wurde durch die Visitatoren eine große Anzahl aufgehoben. Es waren namentlich durch energische Einschränkung des Bettelwesens viele dieser Stiftungen überflüssig geworden. Der Rat hatte Gassen und Pläße vor den Kirchen von den Scharen der Bettler zu säubern, kräftige Leute auszuweisen, wirklich bedürftige aber mit einem Abzeichen an Hut oder Schleier zu versehen. Dadurch wurden die Städte entlastet, der Heuchelei enge Schranken gezogen. An Härten fehlte es auch dabei nicht; so durfte in Wusterhausen z. B. kein Fremder in das Hospital aufgenommen werden; aber dieselben sind doch nur vereinzelt angewandt worden, da die Visitatoren in Stendal den Patronen von Bismark-Burgstall ausdrücklich aufgaben, armen Fremdlingen und bedürftigem Gesindel das St. Gertraudtenhospital, welches leer gestanden hatte, zu öffnen. Auch auf der Wanderung erkrankte Handwerksburschen fanden hier Aufnahme. Bei den Bestimmungen über die Hospitäler findet sich auch bereits das Bestreben, die Friedhöfe außerhalb der Thore zu verlegen. Jedem Hospital war ein Vorsteher gesezt, welcher über Einnahme und Ausgabe Buch zu führen hatte. Er war dem Rat Rechenschaft schuldig und berief den Kaplan zu den Kranken.

Auf große Schwierigkeiten stießen die Visitatoren bei dem Besuch der Klöster, denn die römische Kirche hatte hier noch immer ihre treuesten Anhänger. Aber gerade bei den Klostervisitationen zeigte sich die Besonnenheit der Kommissare, die nicht gewaltsam ändernd eingriffen. Man untersagte die Aufnahme von Novizen in Mönchskonvente; die ökonomischen Verhältnisse der Klöster blieben vorerst unangetastet. Ein Edelmann wurde als Verweser eingesetzt, er hatte für den Unterhalt der zurückgebliebenen Brüder zu sorgen, welche bis an ihren Tod im Kloster verblieben. Fanden sich nur wenige Mönche vor, so wurde mit ihnen eine Vereinbarung getroffen; es ward ihnen eine Entschädigungssumme gezahlt und der Rücktritt in das bürgerliche Leben freigestellt. Die Nonnenklöster, welche wie Dambeck, Marienpforten und Heiligengrabe als Stiftungen für adlige Damen fortbestehen sollten, konnten fernerhin Konventualinnen aufnehmen. War ein Kloster völlig

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verlassen, so wurde es geschlossen und ein Inventarium den Visitatoren zugesandt. 308) Den Nonnen von Zehdenick und Spandau wurde erlaubt, die Töchter von Laien zur Erziehung aufzunehmen, wogegen die Eltern eine Entschädigung an die Klosterkasse zu zahlen hatten. Den Stendaler Nonnen war ein täglicher Gottesdienst vorgeschrieben, weil sie sonst nichts zu thun hätten". Die Lehniner Mönche hatten neben den gottesdienstlichen Verrichtungen besondere Studien zu betreiben. 309) Es war vorgesehen, daß befähigte Konventualen die Frankfurter Universität beziehen konnten. Aber bald genug zeigte sich nach dem Abgang der Visitatoren der Widerstand, welcher sich offen zu regen nicht gewagt hatte. Zwar waren die Herren mit „mürrischen Gesichtern“ häufig genug empfangen worden, ihre Aufnahme in den Klöstern war keine zuvorkommende gewesen; hinter ihrem Rücken aber wurden Beschwerden an den Kurfürsten gesandt. Einige der Nonnenkonvente wollten ihre Tracht beibehalten, andere entrüsteten sich darüber, daß sie ferner keine Gastereien geben sollten, noch andere wollten keine der alten Gewohnheiten aufgeben. Die Stendaler Nonnen verharrten bis 1552 in ihrem Widerstand; erfolglos klagten sie beim Erzbischof von Magdeburg. 310) Die Jungfrauen in Heiligengrabe beschwerten sich über den Klosterverweser Kurt von Rohr, der sie „molestiere und wider den Landfrieden injuriere“. Der Prior vom Marienberge klagte beim Reichskammergericht wider seinen Landesherrn wegen Vertreibung aus dem Kloster. In unwesentlichen Dingen gab der Kurfürst nach. Die Nonnen zu Zehdenick behielten ihre Ordenstracht, die zu Heiligengrabe wurden bis zum Beginn des 30 jährigen Krieges in ihrem Gewand mit der hölzernen Schüssel über dem Gesicht begraben. Unnachsichtlich aber verfuhr Joachim, wenn die von den Visitatoren vorgeschriebene Kirchenordnung in den Klöstern nicht beachtet wurde. Im November 1539 war sämtlichen Franziskanern und Dominikanern in der Mark angekündigt worden, daß sie sich der katholischen Messe zu enthalten hätten; sie sollten das Evangelium lauter predigen, das Nachtmahl unter beiderlei Gestalt austeilen. 311) Dem Gebote leisteten die Mönche keine Folge; aber der Kurfürst drohte bei weiterem Ungehorsam die Klöster schließen zu lassen. Energisch verfuhr er auch gegen die Bettelmönche, welche in

Woltersdorf bei Brandenburg gegen die Kirchenordnung predigten und die Visitatoren mit dem Tode bedrohten. 312)

Wie mit den Mönchstlöstern verfuhren die Visitatoren auch mit den Kollegiatstiftern.313) Die Stiftsherren wurden im Genuß ihrer Präbenden gelassen, welche nach dem Tode der Besizer nicht wieder vergeben wurden. So gingen die Stifter allmählich ein. Wollten die Domherren sich der neuen Ordnung nicht fügen, so wurde mit Strafen gegen sie eingeschritten.

Mit der Kalandsbruderschaft und den frommen Gilden wurden Verträge abgeschlossen, durch die bedeutende Summen für Kirche Schule und Universität gewonnen wurden. Die Bürger, welche von dem Kaland Geld entliehen hatten, mußten Zinsen und Abzahlungen an den kurfürstlichen Einnehmer Hans Weinmann zu Berlin entrichten. Die Hebungen einzelner Lehen wurden verdienten Männern erteilt, wie z. B. dem Kanzler ein Lehen in Rathenow verschrieben wurde. Leerstehende Klöster wurden oft dem zuständigen Rat überwiesen oder von diesem angekauft.

Durch die Kirchenordnung waren die Rechte der Bischöfe von Meißen, Kammin und Verden, welche sie über märkische Landesteile besaßen, annulliert worden. Die Kirchenverfassung aber, wie sie Joachim II. vorschwebte, war durchaus nicht die einer Episkopalkirche. Für solchen Plan hätte er bei den Ständen schwerlich Zustimmung gefunden und wenn der Kurfürst den Ausspruch that, er wolle weder an Rom noch an Wittenberg gebunden sein, so zeigte derselbe im Zusammenhang mit den verursachenden Ereignissen nur, daß er von der Oberherrschaft des Papstes flüchtend sich nicht unbedingt lutherischer Autorität unterwerfen wollte. Er that zwar den Ausspruch, daß den Bischöfen ihre Jurisdiktion und andere bischöfliche Rechte fernerhin zustehen sollten, er ließ die Ordnung von Matthias v. Jagow begutachten, aber das alles that er doch nur, um den römisch gesinnten Klerus nicht zum Aufruhr zu bringen und vor dem Kaiser den Schein äußeren Zusammenhangs mit der alten Kirche zu wahren. Wenn später Joachim viel Rücksichten auf die Bistümer nahm, so that er dies nur der Not gehorchend. Denn nach dem schmalkaldischen Kriege ward die Landsässigkeit der märkischen Bistümer von der kaiserlichen Regierung allen Ernstes in Zweifel gezogen. Die von dem

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