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Auf dem am Montag nach Lätare beginnenden Landtage stellte der Kurfürst die Forderung, die Schuldsumme nannte er erst dem im Herbste desselben Jahres zusammengetretenen Ausschuß. 276) Einen großen Teil der vorhandenen Schulden hatte Joachim II. bereits mit der Erbschaft übernommen. Die durch die Teilung der Länder verminderten Einkünfte konnten bei gesteigerten Ansprüchen nicht viel bessern helfen. Dazu wurde das Land vom Unglück heimgesucht. Während nach Angabe der Chronisten noch 1535 die Lebensmittel sehr billig waren, trat infolge der Seuchen häufig Teuerung ein. Die Stände waren über die Forderung des Kurfürsten zunächst entrüstet, ja, sie verweigerten die Übernahme der für jene Zeit außerordentlich hohen Summe. Ritterschaft und Städte erhoben bittere Klagen; die letzteren sahen ihre Privilegien dadurch verlegt, daß Edelmann und Bauer bei festlichen Anlässen Bier brauen durften, dadurch die Einnahmen der Städte erheblich verringert wurden. Um neue Geldquellen zu eröffnen, sollten in dieser Not die Kalandsgüter angegriffen und vorgestreckt werden." Die Stände mußten sich erbieten, solches nach Bezahlung der Schuld wiederzugeben; die Einkünfte der geistlichen Lehen, „welche nicht idoneos possessores hätten“, wie die Überschüsse der Klostereinkünfte, wurden vorläufig mit Beschlag belegt.

Die Gegenforderung der Stände bestand in einer gründlichen Reform des Kammergerichts zu Berlin. Die Kammergerichtsordnung Joachims I. (1516) war bereits ein Zugeständnis an die Städte gewesen. 277) Eine Verbesserung des Gerichts, deffen Geschäftsgang ein ungemein langsamer war, wurde von einem Landtag auf den anderen verschoben. 278) Die im Herbst 1538 tagende Ständeversammlung sicherte erst dann Geld zur Tilgung der Schulden zu, wenn eine Verbesserung des Gerichts eintrete. Die jezt vorbereitete Reform muß um dieselbe Zeit wie die Kirchenordnung beendet worden sein, da die Neujahr 1540 beginnenden Tagebücher der Ratsstube bekunden, daß das Ostern 1540 ge= billigte Verfahren bereits vorher in Kraft getreten sei. 279) Nach der Reform durfte der gerichtliche Weg erst beschritten werden, wenn der Versuch einer gütlichen Einigung als gescheitert betrachtet werden mußte. Das Gericht trat viermal im Jahre zu einer einwöchentlichen Sizung zusammen und zwar um St. Lucä,

Invokavit und Michaelis in Berlin, um Trinitatis zu Tangermünde. Nachdem die Reform auf dem Landtage verlesen war, forderten die Stände Abänderung einiger Punkte, 280) besonders Verminderung der Hofjuristen, deren Unterhalt viel Geld kostete. Wichtiger war die Frage, in welcher Weise die Klostergüter verwendet werden sollten, welche Frage 1540 nur angeregt wurde. Der Kurfürst antwortete dilatorisch, da die Ergebnisse der Visitation keinen Überblick gestatteten. „Nachdem auch den Ständen und sonderlich denen von der Ritterschaft an den Bistümern, Stiftern, Klöstern und Komthureien etwas gelegen, daß sie ihre Kinder und Gefreundte darin unterbringen und unterhalten, soll keine unbillige Änderung vorgenommen werden, dadurch die Ehre des Allmächtigen geschmälert werde."

In der That war das Fortbestehen der Klöster eine wichtige Frage für den Adel, und Joachim konnte schließlich nicht umhin, ihm die Landklöster wie den Städten die Stadtklöster zu überlassen. Auf dem Landtage von 1541 baten deshalb die Ritter den Kurfürsten, mit Bistümern, Stiftern, Klöstern und Komthureien ohne Wissen und Rat gemeiner Landstände keine Änderung vorzunehmen. 281) Der Landtag und die im Oktober und November 1540 geführten Verhandlungen des Ausschusses zeugen dafür, zu welcher Macht die märkischen Stände binnen kurzem gelangt

waren.

Im Jahre 1540 wurde die Kirchenordnung gedruckt. 282) Der von 1529–1539 in Wittenberg thätige Buchdrucker Johann Weiß ließ sich in Berlin nieder und mit ihm hielt die Buchdruckerkunst ihren Einzug in die Mark. Am Dienstag post Jubilate 1540 stellte ihm der Kurfürst ein Privilegium aus, „also, daß er alle Bücher, so christlichen Glaubens, guter Polizei und der Ehrbarkeit nicht ungemäß oder zugegen sind, in unserm Kurfürstentum, alle dieweil er darin ist, feil haben und verkaufen lassen mag." Neben der Ordnung druckte Weiß auch die Reform des Kammergerichts. Von der Kirchenordnung soll bereits 1542 eine zweite Auflage erschienen sein, von welcher aber kein Exemplar gefunden ist.

Bei etlichen Geschichtsschreibern der märkischen Reformation wird ein Kirchengesangbuch erwähnt, das nach der Ordnung

Steinmüller, Reformation in Brandenburg.

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herausgegeben sein soll. Spieker zählt mit apodiktischer Sicherheit eine Reihe von meist lutherischen Kirchenliedern auf, welche in dem Gesangbuch Plaz gefunden haben sollen, während er zugleich bedauert, kein Exemplar der Sammlung gefunden zu haben. In der That ist auf Nachfrage bei allen in Betracht kommenden Büchersammlungen kein kurmärkisches Gesangbuch oder auch nur eine auf sein Vorhandensein deutende Spur aufzufinden gewesen. Erwähnt wird das „Frankfurter Zion“ des Muskulus, das aber erst dem Jahre 1560 entstammt. Somit erscheint das Buch nicht allein als verloren, seine Existenz muß überhaupt angezweifelt werden, da unter den Drucken des J. Weiß es nicht genannt ist. Es liegt vielmehr eine Verwechselung mit dem 1545 edierten deutschen Brevier nahe, dessen Vorrede im Berliner Staats-Archiv enthalten ist. 283) In derselben wird im Gegensatz zu den neueren Dichtungen der Wert der alten Kirchengesänge hervorgehoben und da mit feinem Wort eines besonderen Liederbuches für den gotteslichen Gebrauch gedacht ist, so zeugt das deutsche Meßbuch dafür, daß Joachim die Ordnung des alten Gottesdienstes aufrecht zu halten bestrebt war.

Drittes Kapitel.

Die Kirchen- und Schulvisitation. 284)

Die Visitationsordnung. Die Visitatoren. Schwierigkeiten der Visitation. Die Kirchen und Schulen. Die Hospitäler und Klöster. Die Domkapitel und Johanniter. Das Konsistorium. Die Reform der Universität Frankfurt.

Mit der Fertigstellung der Kirchenordnung war erst der fleinere und weniger schwierige Teil der märkischen Reformation vollbracht. Ungleich größere Schwierigkeiten boten die Prüfung der Verhältnisse und die Durchführung der in der Ordnung gebotenen Einrichtungen. Die Notwendigkeit einer Visitation wurde von Johannes Weinleben (Weinlöben, Weinlaub) in einer besonderen Schrift begründet: „Ursache, warum Visitation gehalten werden soll", während eine Instruktion für die Visitatoren

in den „Artikeln, belangende der Kirchen und geistliche Güter“ ent= halten war. 285)

Als ständige Visitatoren wurden in dieser Vorschrift ein Prälat, einer von der Ritterschaft und ein Rechtsgelehrter verordnet. Sie sollten in einer Stadt oder einem Kloster, dahin sie die umliegenden Ortschaften bescheiden könnten, Aufenthalt nehmen. Bei der Visitation einer Gemeinde sollten der Pfarrer und drei Gemeindeglieder zugegen sein, jedes Kloster mußte einer besonderen Prüfung unterzogen werden. Die Visitatoren forschten nicht allein bei dem Vorsteher des Konvents, sondern auch bei anderen Ordenspersonen nach der Barschaft der Stiftung. Vorgefundenes Geld, Gewänder und Kirchengeräte Stadtkirchen durften zwei Kelche, Dorfkirchen je einen behalten sollten in die Kirchenlade gethan und diese mußte nach Berlin gesandt werden. Verzeichnisse von Stiftungen und Einkünften wurden aufgestellt, die Gegenstände in Klöstern und Pfarreien inventarisiert. Die Überschüsse eines Klosters sollten jährlich in seinem Kasten zu Berlin deponiert werden, daß ihm damit wiederumb aufgeholfen werde". Kein erledigtes Lehen durfte neu beseßt, kein Kirchengut veräußert, ohne Genehmigung der Visitatoren auf Kirchenland nichts ge= baut werden.

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Es galt zunächst die Wahl der Visitatoren zu treffen. Wenn in den Artikeln die Anzahl derselben auf drei festgesezt war, so war damit die Mindestzahl ausgedrückt. Dieselbe ist zumeist überschritten worden. So wird in der Anmeldung für Treuenbrießen (Mai 1541) für 10 Personen Quartier bestellt, 286) (zwo Stuben wäre uns fast füglich). Bei der Visitation in Frankfurt waren außer Matthias von Jagow, Stratner und Weinleben. zwei Herren vom Adel, zwei Bürger, die beiden evangelischen Pfarrer und Bürgermeister der Stadt zugegen. 287) Als Vertreter des Adels war der Landeshauptmann, der zuständige Amtsmann oder ein Herr aus der Nachbarstadt bestimmt. Die Junker wachten eifersüchtig darüber, daß ihnen ihr Recht nicht verkümmert wurde; 50 Edelleute führten Beschwerde darüber, daß keiner vom Lande zur Visitation zugezogen sei. 288)

Als Vertreter der Geistlichkeit war zumeist Stratner thätig;288 a) neben ihm wird häufig noch ein anderer Geistlicher, Buchholzer,

ein bischöflicher Delegierter oder auch Matthias von Jagow selbst genannt. Der Bischof erlangte erst nach wiederholter Bitte die kurfürstliche Genehmigung zur Teilnahme. 289) Vorübergehend wird als Rechtsverständiger Johann Heiler bezeichnet, welcher Lizentiat zu Frankfurt war; die Seele der ganzen Visitation war aber Johannes Weinleben. 290) Die treue, fleißige Arbeit dieses Mannes, welcher für die Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse des Landes von außerordentlicher Bedeutung war, kann nicht genug gewürdigt werden. Seine rastlose Feder füllte nach anstrengender Tagesarbeit noch viele Bogen mit Berichten an seinen Herrn. Allenthalben in den Archiven findet der Erforscher märkischer Reformationsgeschichte die eiligen Schriftzüge von seiner Hand, die Kopialbücher sind Zeugnisse eifrigsten Fleißes. 291) Neben der Arbeit der Visitatoren versah er auch die Geschäfte des 1540 von seinem Amt zurückgetretenen Kanzlers. Und dabei stand er auf einer durchaus nicht hervorragenden Stelle, der Ehren blühten für ihn nicht viele. Als Joachim von 1542 an die Stelle eines Kanzlers unbesezt ließ, war es Weinleben, der mit dem Titel eines vicecancellarius die volle Arbeit des Kanzlers übernahm. In der Eigenschaft als Vizekanzler unterzeichnete er bis zum 17. April 1550, von da ab tritt er als Kanzler auf. 292) Die Sisyphosarbeit der Visitation machte ihn oft mutlos, ohne daß er von derselben abgelassen hätte. In einem Bericht an den Kurfürsten sagte er:

Wenns zu zechen gäbe oder Jagden angestellt würden, möchten die Junker wohlauf sein. Doch hoffe ich Lohn von Gott. Wär' es nicht ein so heilsam Werk, verfallne Kirchen zu bauen, dem armen Volk christliche Hirten zu geben und dem Kirchenraub zu wehren, ich würde E. F. G. längst um Urlaub und Ablaß gebeten haben.

Ähnlich sprach er sich seinem Freunde Gregor Bach gegen= über aus. 293)

Die Aufgabe der Visitatoren war keine leichte. An jedem Orte wiederholte sich das sie ermüdende Einerlei: das Sammeln der Urkunden, soweit dieselben vorhanden waren, die Prüfung der Rechnungen, das Verhör der Zeugen, das Inventarisieren der Bestände, endlich die leidigen Auseinanderseßungen mit wider

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