Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

einen bereits von seinen Vätern gehegten Plan zur Ausführung zu bringen. Friedrich II. schon hatte versucht die Prämonstratenser in Havelberg und Brandenburg durch Weltgeistliche zu ersehen. Bereits 1448 hatte Nikolaus V. den Bischof von Lebus mit der Transmutation beauftragt, als der Kurfürst seinen Plan wegen. des heftigen Widerstandes der Kapitel zurückzog. Ebensowenig konnte Friedrich II. die beiden Kapitel in einem Konvent zu Ehren des heiligen Blutes zu Wilsnack vereinen. Joachim I. wußte den Bischof Johann von Schlaberndorf zur Unterstüßung seines Planes zu gewinnen und beantragte dann bei Papst Julius II. den Ersag der Mönche durch Weltgeistliche. 1506 wurden vom Papst die Bischöfe von Razeburg und Dietrich von Lebus mit der Umgestaltung beauftragt, die jetzt auch durchgesezt wurde. 42) In der darauf bezüglichen Bulle werden als Gründe für diese Änderung der niedrige Bildungsgrad und das unsittliche Leben der Domherrn besonders hervorgehoben.

Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts hörte auch die Abhängigkeit der beiden Bistümer von Magdeburg auf. Die Bischöfe Otto von Königsmark und Johann von Schlaberndorf wurden von dem Lebuser Bischof konsekriert und die Forderung des Metropoliten bezüglich des Obedienzeides vom Kurfürsten zurückgewiesen. Wenn diese Formalität 1518 noch einmal zugelassen ward, so geschah es nur deshalb, weil der Erzbischof von Mainz ein Hohenzoller war.

Zweites Kapitel.

Die ersten Anzeichen des Umschwungs.
Das geistige Leben in der Mark. Evangelische Regungen.

Mochte immerhin die Kurie zufrieden auf die märkische Kirche blicken, der Boden, auf welchem diese stand, schwankte bedenklich. Das neue Licht, welches über der Welt aufgegangen war, hatte auch die Augen vieler in der Mark auf sich gezogen. Die Verpflichtungen gegen die Kirche wurden häufig als lästiger

Zwang empfunden; sich von ihr zu lösen, wurde bei vielen trog kurfürstlicher Mandate für nötig erachtet. Denn in Wahrheit hatte der wegen Unwissenheit und Dunkelmännersinn verschrieene märkische Klerus nichts gethan, um das Volk an sich zu fesseln. Zu einer traurigen Darstellung wird der Versuch, das geistige Leben in der Mark um den Beginn des 16. Jahrhunderts schildern zu wollen.

Über die märkische Heide war der Frühlingssturm des Humanismus nicht in seiner belebenden Macht dahingebraust. Der gelehrte Sponheimer Abt sehnte sich aus Brandenburg fort, wo ein Gelehrter seltener als ein weißer Rabe sei, und Melanchthons Urteil über die Geistlichen war noch 1538: Nirgends habe ich dümmere und schlechtere angetroffen. Dort kann man warhaftig noch Barbaren finden, das heißt Menschen, welche ungebildet, tölpelhaft, voller Dünkel, unflätig, von unglaublicher Rechthaberei, strohend von den seltsamsten Meinungen über Vernunft und Wissenschaft sind. In der That ist über ein geistiges Leben des märkischen Klerus noch weniger Günstiges als über seine sittliche Haltung zu berichten und wenn der Prenzlauer Pfarrer Hoppe in seinem 1442 verfaßten Testament einmal den Aristoteles zitiert 44) oder aus den Vermächtnissen einzelner Pfarrer hervorgeht, daß sie gelehrte Bücher hinterließen, so bilden solche Zeugnisse doch nur die die Regel bestätigenden Ausnahmen. 45) Die Vorschriften des Bischofs Wedego von 1471 verlangen von den Bewerbern um das Subdiakonat, daß sie das Vaterunser und das Glaubensbe= kenntnis lesen könnten, in der lateinischen Grammatik des Donat, besonders in der Deklination und Konjugation bewandert seien. 46) Die Priester sollten Anzahl und Gebrauch der Sakramente wissen und vom Löse- und Bindeschlüssel der Kirche Kenntnis haben. Von einem akademischen Studium oder einer geregelten Ausbildung ward ganz Abstand genommen. Die Klöster konnten als Pflegestätten der Wissenschaft längst nicht mehr gelten. Die Zeiten, da der Ertrag eines zu Chorin gehörigen Weinbergs für Förderung der Wissenschaft angelegt wurde 47) und die Klosterbibliothek von Lehnin, welche die immerhin stattliche Anzahl von 986 Bänden aufwies, 48) fleißig benuzt wurde, waren dahin. Für das leztge= nannte Kloster mußten die Visitatoren feststellen, 49) daß der Orden,

der einst Schulen gehalten, darin die Jugend wohl aufgezogen und in guten Künsten und Gottes Wort instruiert sei, an Unwissenheit reich sei. Die Mönche wußten den Katechismus nicht. Deshalb sollte den Fratres, insbesondere den jungen, mit Fleiß vorgelesen werden, damit sie es ad exercitium dicendi et scribendi brächten; Grammatik, Rhetorik und Dialektik sollten gelehrt werden, und der Abt mußte aus den Brüdern einen Lektor erwählen, der aus den Kolloquien des Erasmus, aus Terenz und Plautus mit jenen lesen konnte. Von lebenden Theologen sollten die Werke des Melanchthon interpretiert werden damit die Mönche einen Eingang ad lectionem sacrarum litterarum erlangten". Selten finden wir, daß der hohe Klerus sich bemühte, der Wissenschaft ein Förderer zu sein. Von vereinzeltem Blühen in der Öde erzählen die Nachrichten, wenn sie besagen, daß der Bernauer Propst von der Schulenburg einen mehrjährigen Urlaub nachsuchte, um ungestört den Studien leben zu können, 50) und daß der Lebuser Bischof, der geistvolle Dietrich von Bülow, in dem Briefwechsel mit Trithemius schwierige wissenschaftliche Fragen erörterte.51)

"

Unter so traurigen Umständen kann es nicht verwundern, wenn das Schulwesen der Mark arg darniederlag. Zwar werden Schulanstalten zu Köpenik, Schönfließ, Brandenburg, Beeskow, Werben, Wusterhausen, Berlin und Ruppin erwähnt, von denen die letztere einen recht guten Ruf hatte; 52) aber Bedeutung hatte keine derselben erlangt. Die ungenügende Besoldung der Lehrer zwang diese, auf Hochzeiten als Plazmeister, bei Schaustellungen und Aufzügen als Darsteller thätig zu sein. 53) Die Schüler trieben sich in den Schänken herum. Erasmus urteilte über die Schulmeister, daß sie meist schmußige und verworfene Menschen, einige von ihnen nicht recht gescheit seien, und der Titel einer um 1540 erschienen Satire zeigt, welcher Untugenden man die Lehrer bezichtigte. 54)

Mit tiefer Trauer hatte Kurfürst Johann, welchem sie wegen seiner Beredsamkeit und wissenschaftlichen Tüchtigkeit den Beinamen Cicero gegeben haben, den Mangel an geistigen Interessen in der Mark empfunden. Sein Leben hindurch hatte er für die Errichtung einer Universität gespart, Pläne über Pläne geschmiedet. Er starb, ohne seine Ideen verwirklichen zu können, dem gleichge=

Steinmüller, Reformation in Brandenburg.

2

sinnten Sohne die Sorge für die Errichtung einer Bildungsanstalt ans Herz legend. Joachim I. ergriff mit der vollen jugendlichen Lebhaftigkeit seines Wesens den ihm übermittelten Plan. Mit namhaften Gelehrten knüpfte er Verbindungen an und war be= müht, sie für die neue Stiftung zu gewinnen. Publius Vigilantius in Straßburg und Johannes Rhagius Ästicampianus, die bekannten humanistischen Dichter, sagten alsbald zu;56) Johann Blankenfeld, ein tüchtiger Jurist, mehrere Doktoren und Magister, vor allem der bekannte Konrad Koch, Wimpina genannt, wurden teils durch den Kurfürsten, teils durch einsichtige Berater desselben gewonnen. Denn an solchen fehlte es Joachim nicht; Dietrich von Bülow, Eitelwolf von Stein, vor allem jedoch Trithemius machten sich um das Zustandekommen des großen Unternehmens besonders verdient. Der junge Fürst bezeigte bei der Gründung der Universität praktisches Geschick. Schon sein Vater hatte vom Papst Alexander VI. ein unter dem 18. Mai 1498 ausgefertigtes Privilegium erlangt; Joachim erhielt 1500 ein zweites von Maximilian I., durch weches der Lebuser Bischof zum Kanzler der Hochschule bestellt wurde; 1506 traf ein drittes von dem Papst Julius II. ein. Auf dem 1505 nach Berlin einberufenen Landtage wurden Beratungen über die neue Stiftung gepflogen, bald darauf die Statuten festgestellt und der neuen Universität mancherlei Benefizien überwiesen: die Pfarrei zu Frankfurt, eine Präbende zu Stendal, zwei zu Tangermünde. Der Propst vom Stendaler Stift hatte 10 Gulden zu zahlen, ebensoviel der Propst zu Berlin und der Pfarrer in Kottbus; die Salzwedeler Propstei steuerte 20 Gulden bei, die Stadt Straußberg für die Kollegiaten 30 Schock; die Einkünfte mehrerer Altäre stiftete Frankfurt. Den Dozenten wurden überdies verschiedene Pfründen zuteil: Wimpina wurde Kanonikus zu Brandenburg und Havelberg, Johannes Pistoris zu Soldin, Johann Menkel in Köln; Blankenfeld wird als Pfarrer von Kottbus und Koadjutor des Stendaler Dompropstes genannt.

So konnte Joachim I. an dem Tage der feierlichen Einweihung, am 26. April 1506, in die Zukunft voll froher Erwartung blicken. Unter 928 Immatrikulierten führte die Matrikel des ersten Jahres 38 Doktoren und Magister auf. 56) Aber während der Gründung war schon der Keim des Niedergangs entstanden. Denn Wimpina,

die eigentliche Seele der Universität, war eifrigster Vertreter der scholastischen Richtung und erhielt in dem Dominikaner Johannes Mensing und dem Magister Lindholz rührige Gesinnungsgenossen. Daß die humanistischen Studien besonders betrieben würden, ja, daß die Frankfurter Universität vorwiegend als eine Schule humanistischen Geistes gelten sollte, war der Wunsch eines Eitelwolf vom Stein gewesen und man versuchte auch mit vielen Worten den modernen Standpunkt der neuen Hochschule zu betonen. Doch nur zu bald ergab sich, daß dem nicht so war. Überdies war Wittenberg eine zu nahe gelegene Rivalin: troß aller verlockenden Privilegien der Landesakademie war der Zug der märkischen Jugend nach der Stätte, wo die ersten Geister Deutschlands weilten, ein gewaltiger. Die häufigen Einfälle der Pest in die Mark unterbrachen nicht allein die Vorlesungen, sondern bedingten zeitweise Verlegung der Universität an einen anderen Ort. So mußte 1516 infolge der Seuche eine Übersiedlung nach Kottbus stattfinden; der größte Teil der Studenten zerstreute sich bei solchen Gelegenheiten; in dem genannten Jahr wurden von dem Magister Paschedach z. B. drei Studenten in Ruppin immatrikuliert.

Allen ernsten Bemühungen zum Troß war doch wenig gebessert. Erst als die neue Lehre auch in der Mark Boden gegewann, trat eine Wendung ein. Vorreformatorische Bewegungen waren hier nicht spurlos geblieben. Die Waldenser hatten Anhänger in Königsberg, Prenzlau und Angermünde gefunden, in der Stille waren Gemeinden gegründet und gehegt worden.57) Nicht lange ist die Bezeichnung „Keßerdörfer“ für Ortschaften in der Neumark verschwunden. Aber die Inquisition hatte die unkirchlichen Regungen im Blut der Bekenner erstickt. Die Wirkungen der Wittenberger Reformation machten sich bald allgemein in der Mark geltend. War sie doch dem Ausgangspunkt, „der Hölle“, wie Joachim II. einmal in übler Laune Wittenberg nannte, nahe; wurde doch ihre Aufmersamkeit durch den Thesenstreit, insbesondere durch das Eingreifen Wimpinas in denselben auf die Angelegenheit gerichtet. Vor allem, der Fürst stellte sich der Lehre feindlich gegenüber; seine Verbote lutherischer Lieder und Flugschriften bewirkten, daß diese heimlich um so eifriger gesungen und gelesen wurden. Kein Zweifel, die reformatorische Bewegung ergriff das

« ZurückWeiter »