Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

die Gehälter der Professoren allein aber mehr als 2300 Gulden ausmachten, so war man auf Beschaffung der nötigen Gelder angewiesen und die Überweisung kirchlicher Stiftungen an die Universität das naheliegendste Mittel, die klaffenden Lücken zu füllen. Bereits waren 1539 die Einkünfte der Karthause zu Frankfurt verschrieben, es folgten jezt die Einnahmen des Stendaler Stiftes; 326) weiter verhandelten die Visitatoren mit dem zu Frankfurt seßhaften Kaland zwecks Abtretungen. Die sieben Mitglieder dieser Bruderschaft blieben im Besitz des Kalandshauses und eines jährlichen Anteils bis an ihren Tod. Die übrigen Einkünfte mußten an den Einnehmer Hans Weinmann gesandt werden.327) Infolgedessen erfolgten die Aufbesserungen verschiedener Gehälter. Auch Melanchthon bat für seinen Schwiegersohn bei Weinleben um eine Erhöhung des Gehaltes, weil die Zeit so gar teuer sei. 328)

Besonders durch Melanchthons Vermittlung erhielt die Hochschule tüchtige Lehrkräfte: 1540 Kaspar Widderstadt aus Offenbach, um über die Institutionen zu lesen,329) gegen Ende des Jahres Theobald Thamer aus Straßburg als Lehrer des Griechischen. Die Visitatoren beriefen als Dozenten der Poetik den zu Goldberg in Schlesien weilenden Christoph Pannonius. Melanchthon betrieb besonders die Anstellung des Schotten Alesius, welchen er bereits im Dezember 1539 empfohlen hatte. Alexander Alesius konnte zwar nicht in deutscher Sprache öffenlich vortragen, aber er verstand dieselbe. 330) Melanchthon fürchtete den Widerspruch des Bischofs von Lebus, welcher den streng lutherischen Theologen an der Universität nicht aufkommen lassen möchte; aber schon zu Beginn des nächsten Jahres war Alesius berufen. Joachim II. bediente sich häufig seiner, und Bucer nennt ihn einen tüchtigen erfahrenen Mann.331) Jedoch hat er sich den theologischen Streitereien an der Universität nicht ferngehalten.332) Im Verlauf des Jahres 1540 trafen zu Frankfurt die Dozenten Bernhard Holtorp und Christoph Preiß ein; Viglius v. Zwichem lehnte die Berufung an die märkische Universität ab.

Schon 1538 war der Schwiegersohn Melanchthons, Georg Sabinus nach Frankfurt berufen,333) welcher den Kurfürsten auf seiner Hochzeitsreise nach Krakau begleitet und ihm das Werk „Die

deutschen Kaiser“ zugeeignet hatte. Der Poet, dessen unruhiges Künstlerleben der Schatten seines haltlosen Charakters war, weilte bis 1544 in Frankfurt.334)

Über die Lehrgegenstände der philosophischen Fakultät giebt das Verzeichnis der Vorlesungen Auskunft.335) Das Schlußprotokoll der Visitatoren aus den ersten Tagen des Septembers 1540 läßt manchen lehrreichen Einblick in das neugeregelte Universitätsleben thun.336) Die Ferien kommen in Wegfall, nur die in der Kirchenordnung verordneten Festtage wurden gefeiert. Gegen ein geringes Entgelt erhielten arme Studenten Mittagstisch und die Universität wurde ermahnt, des besseren Umsages wegen ihre freien Wochenmärkte abzuhalten. Die Glieder der Universität sollten sich der Kirchenordnung gemäß halten, nicht wider dieselbe reden oder böses Beispiel geben. Den Dozenten wurden vier Superintendenten vorgesetzt. Es waren dies G. Sabinus, Ch. Schirach, K. Widderstadt und A. Alesius. Diese sorgten dafür, daß die Vorlesungen regelmäßig gehalten wurden und es stand bei ihnen, Nachlässigen den Sold zu kürzen.

V.

Die nächsten Folgen der Reformation und die Anerkennung der märkischen Kirchenordnung.

Stellung des märkischen Adels zur neuen Kirche. Die evangelische Geistlichfeit der Mark. Die Religionsverhandlungen zu Hagenau und Worms. Die Bestätigung der Kirchenordnung zu Regensburg. Rückschau.

Großen Ereignissen folgt immer eine Zeit des Auf- und Niederwogens, in welcher die emporgewirbelte Hefe keinen klaren Blick verstattet. Also war es auch in der Mark. Viele Hoffnungen erwiesen sich hier als trügerisch. Viele Junker hatten evangelische Predigt ersehnt, das Land evangelisiert sehen wollen; die durch die Reformation bedingte Ordnung war ihnen unbequem. Vieles, das sie sich in den lezten Jahren willkürlich angeeignet hatten, verlangten die Visitatoren zurück. Jörg v. d. Lippe wollte das dem Gotteshause Zuständige nicht herausgeben, 337) die Herren v. Lossow bewidmeten die Müncheberger Pfarre so erbärmlich, daß die Visitatoren energisch Abhilfe fordern mußten.338) Ein förmlicher Handel um Pfarrstellen riß ein. Der Patron gab die ausgeschriebene Stelle nur demjenigen Bewerber, welcher von den zuständigen Einkünften am wenigsten forderte. Am ärgsten trieben es die Bredows,339) welche nicht nur dem Pfarrer die Zahlung des Zehnten weigerten, sondern schließlich Gottesdienst und Unterricht einfach einstellen ließen. Dazu wurden die Visitatoren von den Gutsherren so geringschäßig behandelt, daß sie schließlich mit kurfürstlicher Ungnade drohen mußten.340) Offne Widerseßlichkeit bezeigte ein Herr v. Burgsdorf, welcher die Annahme der Ordnung

verweigerte und seine Pfarrstelle mit einem entlaufenen Mönche besezte. Demgegenüber müssen aber auch die Verdienste der Schulenburgs erwähnt werden, welche in rühmenswerter Weise für die Besserung ihrer Schulen und Kirchen sorgten, ja 1572 für ihre Güter im Anschluß an die Landesordnung eine besondere Kirchenordnung herausgaben.341)

Bedrohlicher als die Widerspenstigkeit einzelner Herren war für die märkische Kirche der gänzliche Mangel an gebildeten oder auch nur sittlich-reinen Geistlichen. Die Visitatoren waren wahrlich nicht wählerisch; dennoch mußten viele Prediger ihre Stellen wegen Unfähigkeit räumen. Der Pfarrer zu Nizów mußte wegen „Ungeschicklichkeit und Unvermögenheit“ entlassen werden. Man wollte ihn aber als Küster behalten, wenn er wenigstens seine Konkubine entließe.342) Die Gemeinden behalfen sich, so gut es ging. An einigen Orten bestand der Gottesdienst darin, daß ein des Lesens Kundiger aus Luthers Schriften vorlas. Nicht selten wurden Männer ordiniert, welche nur die notwendigste Schulbildung genossen hatten, aber aus Begeisterung für die neue Lehre und mit Rednergabe ausgerüstet den geistlichen Beruf ergriffen. Der Schmied Gregor Leberkoch lernte am Ambos den Katechismus und studierte lutherische Schriften.313) Ohne die geringste Kenntnis des Lateinischen wurde er als Pfarrer eingeseßt. Diejenigen, welche um des äußeren Vorteils willen in ihren Stellen verblieben und sich äußerlich der Ordnung unterwarfen, waren der neuen Kirche ein Pfahl im Fleisch. Sie gaben durch ein lasterhaftes Leben den Gemeinden Ärgernis. Der Bericht des Kordatus über die Köchinnen der Stendaler Domherren entrollt ein schlimmes Bild der damaligen Zustände. 344) Ein Kaplan erbaute des Sonntags seine Zuhörer mit dem Nachweis, daß fleischliche Unzucht keine Sünde sei und die Gemeinde zu Kyrig klagte über ihren Pfarrer Lorenz Pasche denselben, der später hingerichtet wurde: „Er ist alle Tage full, schreiet und juchzet, gehet samt seiner Gesellschaft auf der Gassen in Hosen und Wams mit Büchsen und Spießen, wie keinem Geistlichen zusteht."

Die katholische Reaktion, welche besonders in den Domkapiteln von Lebus und Havelberg ihren Siz hatte und in Redorffer und dem unsittlichen Peter Konradi, welcher nach seinen

eigenen Worten seine Seele „oft und dicke" befleckt hatte, ihre Hauptvertreter fand, war durchaus nicht unthätig. Vor allem terrorisierte sie die in ihrem Sprengel wirkenden Geistlichen des evangelischen Bekenntnisses. Der vom Havelberger Kapitel ge= maßregelte Franziskaner Jakob von Schönebeck zu Wittstock sezte eine Verteidigungsschrift auf, 345) in welcher er im Hinblick auf Konradi sagte: „Was seinen Wandel anbelange, so sei er zwar ein großer Sünder, wie er vor Gott bekennen müsse. Die Herren Dechant und Kapitel bitte er zu untersuchen, ob er drei Huren im Hause habe oder ob er sich drei Tage und Nächte lang in Bier und Wein vollgesoffen. Er habe auch kein ehelich Weib verunehrt, keine Magd oder Jungfrau geschändet, nicht Simonie begangen und für eine Woche nicht zehn oder zwanzig Messen zu halten übernommen. Daher habe er natürlich nicht viel Korn zu heben, allein nicht ein Vaterunser möge er wegen solcher Hebung beten. Da vor Gott kein Ding verborgen bleibe, so fürchte er, daß sich vor Gottes Gericht der Herr Dechant in keinem Mauseloch werde verkriechen können.“

Mit Eifer wachte die Reaktion darüber, daß kein Gegenstand des tief im Volk wurzelnden Mirakel- und Blutglaubens angetastet wurde. Ganz allmählich erst gelang es, die Bilder und Hostien, welche den Ort ihrer Aufbewahrung zu berühmten Wallfahrtstätten gemacht hatten, zu entfernen; 1551 ließ Markgraf Johann die Maria von Görig beseitigen, der Prediger Kaspar Voldenscher entfernte das Beelizer Wunderblut. Fast mußte der Pfarrer Ellenfeld die Zerstörung der Wilsnacker Hostien mit dem Tode büßen. Nach langer Haft wurde er endlich des Landes verwiesen.

Mit dem Übertritt Joachims II. war seine die Einigkeit im Reich anstrebende Thätigkeit keineswegs beendet. Noch immer hoffte er durch seine Vermittlung einen Frieden in Religionssachen zuwege zu bringen, ja, sein Eifer schien zu wachsen, seit er gesehen, wie wenig Beifall seine Reformation gefunden hatte. Wollte er nicht zwischen den beiden rotierenden Gewalten wie ein Korn zermahlen werden, so mußte er sich einer von beiden anschließen. Die Wahl konnte für Joachim nicht zweifelhaft sein. Er mußte sein Werk, die Kirchenordnung, teilweise verleugnen,

« ZurückWeiter »