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Stimmung bei uns gegen sein Land erzeugen würde. Sein, 1883. wie Sie mir schreiben, Drängen zum Posten in Berlin, nachdem er eine so [her]vorragende Stellung in dem, nebenbei, viel amüsanteren Paris hat, verstehe ich nur insofern, als Berlin, dank Ihrer mir stets als richtig sich erweisenden Politik, eine so hohe Stellung in der Welt erlangt, daß jeder fähige Diplomat hier tätig sein möchte! Mich Ihrer Gemahlin freundlichst empfehlend Ihr dankbarer Wilhelm.

621] An den Oberhof- und Domprediger D. Kögel. Berlin, 27. Dezember 1883.

27. 12.

Bei Remission der Anlagen, die mich ungemein erfreut 1883. haben, muß ich Ihnen folgendes mitteilen. Es ist in meinen Umgebungen, mit durch mich selbst, die Ansicht debattiert worden, ob es passend sei, daß der Feier der Einweihung des vollendeten Baues der Dankeskirche1) ich persönlich beiwohnen könnte? Die meisten Ansichten sind dieser Beiwohnung entgegen, und hierin treffen sie mit der meinigen zusammen. Es ist ein eigentümliches Gefühl in mir rege, zwischen dem Dankesgefühl gegen Gottes Errettung von augenscheinlicher Gefahr, dem öffentlich in meiner Gegenwart Ausdruck zu geben, oder diesem Gefühl durch meine Anwesenheit bei einer solchen Dankesdemonstration aus Stolz und Eitelkeit beiwohnen zu wollen?

Es ist doch nicht möglich, den Grund zu dieser Feier vom Altar und der Kanzel zu ignorieren, zu verschweigen, aber gerade diesem Umstande schreibe ich das Gefühl zu, der Feier nicht in Person beiwohnen zu sollen und daher dem ersten Gottesdienste in dem schon geweihten Gotteshaus beizuwohnen.

Der General v. Ollech, der gestern bei mir war, um über Tag und Stunde der Einweihung der Kirche meine Ansicht einzuholen und [dem gegenüber] ich den 3. Januar auf 11 Uhr feststellte, wollte meine Gründe zum Nichterscheinen an dem Tage damit bekämpfen, daß Brückner2) sowohl als Sie einen kurzen, viel

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Zu 621) 1) Als Sühne für das Hödelsche und Nobilingsche Attentat in Berlin errichtet. - 2) Propst von Berlin.

1883. sagenden Text zu Ihren Ansprachen nur wählen müßten und sonst des Grundes zur Feier nicht weiter zu erwähnen als höchstens anspielend. Dies scheint mir aber doch der Absicht nicht zu entsprechen, da die Veranlassung zur Votivkirche doch hervorzuheben angewiesen erscheint. Sagen Sie mir offen Ihre Ansicht über meinen Zwiespalt in mir!3) Wilhelm.

1883.

622]

Erzählung über eine angebliche Vision bei der Krönung, mitgeteilt dem Oberhof- und Domprediger D. Kögel.1)

[1883.]

In Königsberg war ich, wie Sie denken können, im Innersten ergriffen. Ich dachte an meinen seligen Bruder, an meinen Vater; die Zukunft mit ihren Sorgen lag vor mir. Als ich mich zum Altar wendete, um die dort ruhende Krone auf mein Haupt zu sehen, kam ein Zagen über mich. Ich meinte, das Gewicht der Verantwortung sei zu schwer, und unwillkürlich zog ich die Hand von der Krone zurück. Dann sah ich nach oben und heftete meinen Blick fest auf das Kruzifix. Und ein unbeschreiblicher Trost kam über mich:,,Hast du, Herr so sagte ich bei mir selbst die Dornenkrone für mich getragen, so wirst du auch die Huld und Treue haben, mir meine Königskrone tragen zu helfen." Und damit ließ ich mein Zaudern fahren und erfaßte mit fester Hand die Krone und setzte sie mir auf. Aber jenes Zögern hatten etliche der dem Altar Zunächststehenden bemerkt. Sie fragten mich nach der Krönung, warum ich plötzlich innegehalten. Da schilderte ich ihnen den inneren Vorgang, und

3) Der Kaiser wohnte demnächst der Feier am 3. Januar bei, wie erwähnt wird, nach der Zusage Kögels, daß über die Worte:,,Danket dem Herrn“ und „Ehre sei Gott in der Höhe“ gepredigt werden solle.

Zu 622) 1) Es hatte sich bald nach der Krönung in Königsberg das Gerücht verbreitet, im Augenblick der Krönung habe der König eine Vision gehabt, ihm sei der Gekreuzigte erschienen und habe ihm zugewinkt. Auf Kögels Frage danach machte ihm der König die obige Mitteilung, die schon von anderen Geistlichen erbeten sei. Wir schalten die Erzählung, deren Datum nicht sicher bekannt ist, hier ein.

das mag beim Weitererzählen ausgeschmückt worden sein. 1883. „Jedenfalls," so sprach Kögel bewegt, „hat der Psalm recht, der da spricht: Lobe den Herrn, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit!“ „Ja“, rief der alte König, und die Tränen brachen hervor, „gibt's einèn Menschen, der bekennen muß, daß er von Gott gesegnet worden sei, so bin ich's!"

623] An den General der Infanterie W. v. Tümpling. 5. Januar 1884.

5. 1.

Auf drei Briefe und ein Telegramm bin ich Ihnen Antwort 1884. schuldig; der erste enthielt leider Ihren Antrag auf Niederlegung Ihrer Dienste. Ein langer Zeitraum verstrich bis zu meiner Entscheidung, der Ihnen jedoch, zu meiner Freude, noch gestattete, als aktiver kommandierender General bei der unvergeßlichen Feier auf dem Niederwald zu erscheinen, als einer, der durch sein militärisches Eingreifen zu den großen Erfolgen mitwirkte, die dort gefeiert wurden!

Jhr zweiter Brief enthielt Ihren Dank, daß ich auf Ihr Abschiedsgesuch eingehen würde. . .

...

Ihr dritter Brief sprach mir Ihren Dank aus für die Ehrenbezeugungen, unter denen ich Ihre Entlassung aussprach!!

Unsere lange Bekanntschaft, die von Ihrem Eintritt in der Gardedukorps datiert als Avantageur bis zum kommandierenden General konnte mir die Entscheidung, Sie ausscheiden zu sehen, nicht leicht machen! . . .

So nehmen Sie denn nun meinen und des Vaterlandes Dank für Ihre erfolgreichen Dienste in vier Kriegen, in denen Sie selbst Jhr Blut fließen sahen, hiermit an mit dem Wunsche, daß Sie in der nunmehrigen Ruhe Linderung Ihrer Leiden finden mögen!

Und so schließe ich noch mit dem Dank für Ihre treue Teilnahme beim Jahreswechsel als

Ihr dankbarer König Wilhelm.

1884.

9. 1.

624] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

Berlin, 9. Januar 1884.

Auf Ihren Weihnachtsdank und auf Ihren Neujahrswunsch bin ich Ihnen noch eine Antwort schuldig, die Sie hiermit empfangen wollen. Die Gesinnungen, die Sie mir beim Jahreswechsel aussprechen, sind mir so teuer wie immer gewesen und Ihr Ausspruch, mir Ihre Kräfte trok mancher Hindernisse erhalten [zu] wollen, ist das Höchste, was ich im neuen Zeitabschnitt nur hoffen durfte. Daß es Ihnen viel besser körperlich geht, das bestätigen alle Personen, die Sie neuerlich sahen. Es scheint also wirklich, daß die Enthaltsamkeitskur, wie ich die Ihnen geratene getauft habe, ihre Schuldigkeit getan hat und Ihnen die körperliche Beweglichkeit zurüdgegeben hat. Möge es nur andauernd so bleiben! Ebenso erfreut bin [ich], die Besserung des Unwohlseins der Fürstin von Ihnen selbst zu hören, mit der Bitte, mich derselben angelegentlichst zu empfehlen.

Aus Ihrer günstigen Ansicht, die ich bei Ihnen kannte, über die Befähigung des Fürsten Orloff zu seiner Stellung in Berlin konnte ich Ihrer Antwort auf meine Bemerkungen über denselben entgegensehen, so daß ich dieselben fallen lassen kann.

Die Beruhigung, welche in der russischen politischen Atmosphäre [herrscht], seitdem der Kaiser die corde sensible seinerseits zur Sprache brachte, und sich noch erhält, ist sehr erfreulich, und wird der Besuch von Giers in Wien dieselbe noch befestigen können. Aber es bleibt immer sehr besorglich, daß alles auf das Verbleiben dieses Mannes basiert werden muß, und daß nicht andere Einflüsse wider denselben ihn in seinem Amte gefährden! Er ist jetzt mindestens sechs Jahre in seiner Stellung und unter Zurechnung der Vertretung für Fürst Gortschakow noch länger. Da ich Kalnoky1) nach zweijähriger Amtsstellung den Schwarzen Adler mit Ihrer Zustimmung verliehen habe, noch ehe er den Stephansorden besaß, den er vor 14 Tagen erhalten hat, verdient es Giers jetzt, wo es doch sein Werk ist, daß die russischen Verhältnisse sich besser gestalten, wohl eine Auszeichnung zu erhalten,

3u 624) 1) Österreichischer Botschafter.

obgleich er schon das Großkreuz des Roten Adlerordens besigt 1884. in Brillanten. Es bliebe also nur auch noch der Schwarze Adlerorden übrig zur Verleihung. Ein Bedenken habe ich freilich dabei, daß bisher die Verhältnisse in der öffentlichen Meinung noch schlechter standen, als es in Wirklichkeit der Fall war, so daß seit der Besserung erst kurze Zeit verstrichen ist und daher eine so hohe Auszeichnung mißverstanden werden würde. Außerdem weiß ich nicht, ob er den Andreasorden schon hat? Sollte die Verleihung von Ihnen bevorwortet werden, so würde der Zeitpunkt wohl der seiner Rückkehr nach Petersburg sein?

13. Januar.

Vielfache Störungen zur Vollendung dieses Schreibens 13. 1. fielen zusammen mit der Durchreise Ihres Sohnes nach Petersburg. Da die Meldung durch Graf Haßfeld2) sich verzögert hatte, so fragte ich bei diesem an, was die Reise bedeute, denn Ihr Sohn hatte gleich seine Meldung machen lassen. Die Hatfeldsche Anzeige mit Ihrem Briefe an Schweinitz3) kreuzte sich mit meiner Anfrage bei diesem. Ich habe darauf mich nur freuen können, was Sie mit dieser momentanen Vertretung bezwecken, und nach einer Unterredung mit Ihrem Sohne habe ich noch mehr uns gratulieren können zu dieser Sendung. Denn ich habe ihn so vollkommen tanti zur Befestigung wenn dies überhaupt möglich sein wird — der jetzt angebahnten Besserung unserer Verhältnisse mit Rußland gefunden, daß ich das Beste hoffe ! Während also im Osten sich die Dinge bessern bis auf

die inneren Zustände Rußlands sehen die Dinge im Westen desto übler aus. Frankreich in seiner unüberlegten Kolonialpolitik vergeudet Summen und Menschen, obgleich es schließlich obsiegt, wie es scheint. England wird in seiner ägyptischen Politik die Folgen seiner einseitigen Politik von Alexandrien1) anjezt einsehen lernen und doch zuletzt das tun, was es sich verschworen hat, nicht tun zu wollen, d. h. Ägypten auf die eine oder die

2) Staatssekretär im Auswärtigen Amt. 3) General v. Schweinig, Botschafter in Petersburg, an dessen Stelle Graf Herbert Bismarc trat. 4) Beschießung Alexandriens durch die englische Flotte.

Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

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