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549]

An den Staatssekretär v. Stephan.

Berlin, 7. April 1877.

7. 4.

Mit vielem Interesse habe ich an meinem Geburtstage 1877. das mir von Ihnen mit dem Berichte vom 22. v. Mts. überreichte Exemplar des „Poststammbuchs" entgegengenommen. Ich kann nicht umhin, der dem Unternehmen zugrunde liegenden Idee meinen Beifall zu zollen, und erkenne in der Ausführung mit Vergnügen den poetischen Glanz wieder, den die Post sich bei allen Wandlungen, denen sie im Fortschritt der Jahrhunderte unterworfen gewesen ist, zu bewahren gewußt hat. Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für die Darreichung des Buches, dem ich wünsche, daß es verdientermaßen in den weitesten Kreisen Verbreitung finde.

Wilhelm.

550] Zum Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

April 1877.

Soll ich mich in meinen alten Tagen blamieren? Es ist eine 1877. Untreue, wenn Sie mich verlassen.1)

551] An den General-Feldmarschall Grafen v. Roon. Berlin, 17. April 1877.

April.

17. 4.

Wenngleich mir Ihr lieber Brief zum 22. März schon am 1877. 20. zuging, und ich deshalb hoffte, ihn auch sogleich noch beantworten zu können, weil ich wohl wußte, daß, wenn erst der 22. da war, an eine Antwort nicht so leicht zu denken sei,

und wie Figura zeigt, ist es auch so gekommen. Denn der 20. und 21. waren in diesem Jahre durch die Masse der Fürstlichkeiten, die zu unzähligen Eisenbahn-Empfangsfahrten und Visiten nötigte, so in Anspruch genommen, daß ich bis heute

3u 550) 1) So sagte der Kaiser bei der erregten Erörterung des lezten gewichtigsten Abschiedsgesuchs Bismarcks, das er zu einem Knäuel zusammengeballt. Das Antwortschreiben selbst ist nicht bekannt, auch läßt sich nicht feststellen, ob das „Niemals“, das der Kaiser auf das Gesuch geschrieben haben soll, historisch ist.

1877. so en retard mit meinen brieflichen und Telegrammpflichten gekommen bin, daß mir noch die Hälfte unbeantwortet vorliegt!

1877.

Nun also zum herzlichsten Dank für Ihren so lieben Brief, der mir gerade, weil er nicht bloß Rosenfarbenes enthält, doppelt wert war! Alle Ihre Betrachtungen sind auch die meinigen, und an meinem Bestreben, den Übeln der Zeit nach allen Richtungen zu begegnen, soll es wahrhaftig nicht fehlen. Aber Helfer muß ich haben, und in solcher Zeit wollte mich der Haupthelfer1) verlassen!! Sie werden mit mir gefühlt haben, was ich in jenen Tagen gelitten habe, der Sie schon zweimal von solchen Anfällen Zeuge waren und einmal sich opferten!2) Nun, der Berg hat eine Maus geboren, und . . . . es bleibt beim Alten, wie ich es im ersten Augenblick an Bismard sagte. Heute sah ich wieder eine Wirkung unserer vortrefflichen Armeeorganisation, von der ich mit Ihnen wünsche, daß sie immer bleiben möge!! Ich besah nämlich 3 Garde-Landwehr-Bataillone zu 3 Kompagnien am achten Tage ihrer übung, die eigentlich Schießübung ist, in einer ganz herrlichen Verfassung parademäßig. Kein einziger Straffall ist vorgekommen! Das ist unser gemeinschaftliches Werk, dem Sie leider Ihre Gesundheit opferten, was nur Gott lohnen kann! Ihr dankbarer Wilhelm.

....

552] An das Munizipium der Stadt Mailand.

Berlin, 22. Mai 1877. Ich habe mit besonderer Befriedigung die photographische 22.5. Reproduktion erhalten, welche mir das Mailänder Munizipium von dem Schriftstüde übersandte, das ich bei Gelegenheit meines Aufenthalts in dieser Stadt unterzeichnete, und spreche mit Vergnügen meinen Dank für die mir erwiesene Aufmerksamkeit aus, welche dazu dient, in der angenehmsten Weise in mir die Erinnerung meines Aufenthalts in der schönen und ehrwürdigen Hauptstadt der Lombardei und an ihre gastlichen Bewohner

Zu 551) 1) Fürst Bismarck. 2) 1872 durch Roons Übernahme des Präsidiums im Staatsministerium.

aufzufrischen.1) Ich ergreife gleichzeitig die Gelegenheit, um das 1877. Munizipium der Fortdauer meiner Gefühle der Hochachtung und der Wohlgeneigtheit zu versichern.

Wilhelm, Imperator Rex.

553] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

Berlin, 1. Juni 1877.

1. 6.

Trotzdem daß ich Sie wiederum ungern belästigen muß, 1877. so kann ich doch nicht schweigen in einem Augenblic, wo hier ein Fall in unserem religiösen Glauben eingetreten ist, den ich nicht verwinden kann und zu Ihrer Kenntnis bringen muß.

Die Prediger Sydowsche Angelegenheit1) hat jezt nach zwei Jahren die giftigsten Früchte erzeugt! Er wurde vom OberKirchenrat gegen das hiesige Konsistorium freigesprochen, um ihn nicht zum Märtyrer zu stempeln, da ihm sonst nur noch mehr Anhänger zufallen würden. Er vermied jedoch, damals seine Irrlehre von der Kanzel zu verkünden und sie katechisierend zu lehren, sondern begnügte sich, dieselbe vor Tausenden in Privatvorträgen zu lehren. Was geschieht nun in diesen Tagen hier? Der Prediger Hoßbach der Andreaskirche2) wird zu einer

Zu 552) 1) Am 18. Oktober 1875 hatte der Kaiser während seines Mailänder Aufenthalts gelegentlich eines Besuchs im Palazzo Marino eine Pergamenturkunde unterzeichnet, die zur Erinnerung an seinen Besuch im Archiv der Stadt aufbewahrt werden sollte. Der Empfang des Kaisers in Italien war ganz besonders enthusiastisch. „Ich habe nie in meinem Leben ähnliches gesehen,“ telegraphierte der Kaiser der Kaiserin, und den Deutschen in Mailand, die ihm eine silberne Platte mit dem Genius des Friedens und der Inschrift „Aus dem Kriege der Friede“ darbrachten, sagte er: „Sie können sich gar nicht denken, wie mich das ergreift, wie es so ganz und gar der Ausdruck ist für dasjenige, was meine Seele erfüllt."

Zu 553) 1) Wegen eines gedruckten Vortrages über die wunderbare Geburt Jesu wurde der Prediger Sydow in Berlin vom Konsistorium seines Amtes entseßt, demnächst aber unter Aufhebung dieses Urteils vom Oberkirchenrat mit einem Verweis bestraft. Vorangegangen war diesem Vortrag ein solcher des Predigers Lisco in Berlin über das apostolische Glaubensbekenntnis, den das Konsistorium mit einem Verweis geahndet hatte. —2) Auch in Berlin forderte der Kaiser an demselben Tage von seinem Schloßpfarrer Kögel unter der Mitteilung, daß er in dieser Angelegenheit dem Präsidenten des Oberkirchenrats Herrmann und dem Kultusminister „sehr ernst“ geschrieben habe, die

1877. Probepredigt an die Jakobikirche berufen, als Kandidat für die Stelle des verstorbenen Bachmann. In dieser Predigt verkündet er der Gemeinde, damit sie genau wisse, wer vor ihr stünde, daß er nicht zu den Alttheologen, sondern zu den Neutheologen gehöre, die beslissen seien, den apostolischen Glauben von den Sagen und Erfindungen zu befreien, die Menschenwerk seien (der Evangelisten), sowie von der Annahme, daß der Heiland Gott-Mensch gewesen sei, und daß für ihn der Heiland ein von Gott begnadigter Mensch sei und dieserhalb um so höher stände als vortrefflicher Mensch, nicht aber als Gottes Sohn! Ein großer Teil der Gemeinde hat bei dieser Definition die Kirche verlassen aber gestern wird er von dieser Gemeinde zu ihrem Prediger gewählt!!

Ein zweiter Fall, der beweist, wohin es in unserer Kirche gekommen ist, ist die Einladung der Berlin-Cölner StadtKreissynode zum 5. d. Mts., wo unter 16 Diskussionspunkten der 15. lautet:

Antrag: bei dem Gottesdienst und allen kirchlichen Akten künftig nicht mehr das Glaubensbekenntnis zu verlesen!

Diese beiden Fakten sind für mich so entsetzend, daß ich nicht umhin gekonnt habe, dem Kultusminister und dem Präsidenten pp. Herrmann sehr ernst meine Meinung zu sagen, wie es möglich sei, daß solche Dinge sich unter den Augen des Kirchenregiments zutragen könnten, ohne daß rechtzeitig eingeschritten worden sei, und die Frage aufzuwerfen, ob, wie bei Sydow, wiederum nicht eingeschritten werden solle durch eine Untersuchung und Suspendierung vom Amte vorläufig.

Wenn alles so fortgeht, dazugenommen die überhandnehmenden Nichttaufen und Nichttrauungen, 3) so muß die IrreZusendung von zwei Exemplaren der ungläubigen Rede des Predigers Hoßbach sowie der „Synodal-Einladung“ der Synode Berlin-Köln mit dem Antrage des Berliner Predigers Rhode auf Abschaffung des Apostolikums im Gottesdienst. 3) Infolge des Zivilstandsgesezes unterließen in der evangelischen Kirche große Scharen die Nachsuchung der geistlichen Amtshandlungen, wodurch es denn auch geschah, daß mehrere Berliner Kirchen, die ganz auf die für diese Amtshandlungen zu entrichtenden Sporteln angewiesen waren, ihren Geistlichen das schuldige Gehalt während einiger Jahre nur teilweise oder gar nicht zahlen

fonnten.

ligiosität erzogen werden, und dann ist von der Leugnung der 1877. Gottheit Christi bis zur Abschaffung Gottes, wie in Frankreich, und seiner Wiedereinseßung nur noch ein Schritt!

Ihr Wilhelm.

554] An den Königlichen Schloßpfarrer D. Kögel.

3. Juni 1877.

3. 6.

Der Bericht des Präsidenten1) Herrmann lautet im allge- 1877. meinen sehr vernünftig, indem er die Angelegenheit Hoßbach und Nr. 15 der Synodaleinladung tief beklagt. Ad 1: so erklärt er, daß der erste Angriff durch das Konsistorium geschehen müsse; ich hoffe also, daß Hegel2) keinen Augenblick zögern wird, einzugreifen, was Sie ihm wohl sagen wollen. In seiner Sache habe ich noch keine Antwort aus Varzin.3) Ad 2: meint Herr= mann, könne nicht eingegriffen werden?! da der Punkt 15 aber in Golz'4) Händen wäre, so wäre er für eine Verwerfung nicht bange? Wilhelm.

555] An den Königlichen Schloßpfarrer D. Kögel.

8.(?) Juni 1877.

8. 6.

Können Sie mir mitteilen, ob und wie Hegel vonseiten des 1877. Konsistoriums in der Hoßbachschen Angelegenheit eingeschritten ist, oder wann er einschreiten wird? Nachdem nun auch der Fürst Bismard meine ihm vorgelegten Akten mit dem Ausspruch der Entlassung Hegels1) beantwortet hat, ist mein letzter Versuch, für meine Ansicht Unterstützung zu finden, gescheitert und sehe ich

-

Zu 554) 1) Des Oberkirchenrats. - 2) Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg. 3) Liegt auch jezt nicht vor, ergibt sich aber aus Nr. 555.—4) Freiherr v. der Golz, Propst an der Petrikirche in Berlin und Mitglied des Oberkirchenrats.

Zu 555) 1) Der orthodor gesinnte Konsistorial-Präsident Hegel, ein Sohn des Philosophen, war mit dem liberalen Präsidenten des Oberkirchenrats Herrmann wegen der in dem obigen Briefe erwähnten Vorgänge in mannigfache Konflikte gekommen und hatte seine Amtsentlassung erbeten.

Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

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