Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Ihre übereinstimmende Ansicht über meine bisherigen Bestim- 1875. mungen in der herzegowinischen Episode,2) die hoffentlich verrinnen wird, wenngleich genug Brennstoff in jenen Gegenden vorhanden ist. Da Sie aber doch einmal von Geschäften Notiz ge= nommen haben, so will ich Ihnen nicht länger einen Brief der Königin Viktoria3) vorenthalten, als Antwort auf einen Brief von mir. Ich schrieb ihr nämlich, „nachdem ich Lord Derbys lezte Erklärung im Juni im Parlament gelesen hätte, daß ich in dieser Erklärung, welche die unglückseligen Kriegsgerüchte als unwahr, völlig aufgeklärt und der Vergessenheit übergeben darstellte doch nicht umhin könnte, die Äußerung gefunden zu haben, daß ihr Gouvernement doch an diese Gerüchte geglaubt und sich daher in ihrem Auftrage veranlaßt gesehen hätte, die bons offices bei uns zu beantragen, um eine Vermittelung anzubieten. So sehr ich nun der Königin Dank wisse, so freundschaftlich sich in der Art anzutragen, so hätte es mich doch geschmerzt, daß sie mich wirklich als europäischen Störenfried eine Zeitlang betrachtet hätte, da sie doch bei ihrer Kenntnis meines Charakters dies für unmöglich hätte halten sollen. Denn niemand mehr wie ich sei von der Ansicht durchdrungen, daß derjenige, welcher in Europa einen Krieg provoziere, die ganze öffentliche Stimme gegen sich haben werde, und daher keine Allierte, keinen Neutrale bienveillant, wohl aber Gegner haben werde. Die Äußerungen, welche man dem Feldmarschall Moltke in den Mund lege,4) seien eine Ansicht, die jedermann bei Streit mit anderen habe de se mettre en avantage, aber kein Politiker werde jemals, also auch er nicht, aus frivolen Gründen Jahrestage des Kullmannschen Attentates. 2) Aufstand in der Herzegowina gegen die Türfen. — 3) Es ist in der Tat nicht ermittelt worden, wer diese damals in der Presse verbreiteten und vielfach geglaubten Gerüchte über deutsche Kriegsabsichten der Königin Viktoria zugetragen hat, und welche Veranlassung die englische Regierung zu haben meinte, ihnen Glauben schenken zu sollen. Bismarck denkt (Antwort vom 13.) an den französischen Botschafter in Berlin, ohne in dessen gelegentlich etwa getanen Äußerungen einen ausreichenden Grund für das englische Verhalten zu finden, sowie vornehmlich an Heßereien durch den stets feindseligen russischen Kanzler Gortschakow. Auf Lord Derbys Erklärung antwortete übrigens der Deutsche Reichsanzeiger. —4) Den Verstärkungen der französischen Armee gegenüber soll Moltke zum belgischen Gesandten in Berlin gesagt haben, wir würden dem Angriff Frankreichs zuvorkommen.

1875. Europa in einen Krieg stürzen wollen!" Auf diesen Passus meines Briefes antwortet die Königin, „daß, ohne daß ich es wisse, auch andere Personen in meiner Nähe dergleichen Ansichten laut äußerten. Sie wolle aber darauf nicht weiter eingehen, da das Ganze der Vergessenheit übergeben sei“. Ich habe ihr für den übrigens so sehr freundschaftlichen Brief natürlich gedankt, und was jenen Passus beträfe [gesagt, daß), „da sie keinen Namen genannt habe, auch [ich] keine weiteren Nachforschungen anstellen wolle". Ihnen durfte ich aber diese Korrespondenz nicht unbekannt lassen, weshalb ich nun doch Sie von derselben hiermit in Kenntnis seze, wo ich Sie nicht mehr so ganz abgeschlossen gegen Geschäfte weiß.

Meine Kur geht heute zu Ende, und ich habe mich sehr wohl bei derselben befunden, obgleich das Wetter uns gar nicht begünstigte; die ersten 12 Tage waren abscheulich, dann ward es besser, wir hatten vier schöne Tage, dann aber wieder tage- und stundenweise solche Nebelwolken, Regen und Kühle, ja Kälte, daß man sich in den Oktober versezt glaubte. Ich hoffe, daß es auch Ihnen fortgesetzt gut gegangen ist, wie Ihre Mitteilung es vorher sagte. Ich gehe morgen nach Salzburg, den 8. nach Eger und den 9. nach Babelsberg; doch wird meine Ruhe daselbst nicht groß sein, da ich den 15. nach Detmold gehe, um am 16. das Hermannsdenkmal endlich vollenden zu sehen. Am 2. September muß ich nach Weimar, um die Statue des alten Großherzogs zu inaugurieren und am 4. dem Großherzog die Vließinvestitur zu erteilen, auf Wunsch des Königs von Spanien. Die Nachrichten aus diesem Lande sind endlich etwas günstiger; möchten die Dinge nur von Bestand sein. Indem ich mich den Ihrigen bestens empfehle, bleibe ich

Ihr treu ergebener Freund Wilhelm.

540] An den General- Feldmarschall Grafen v. Moltke. Berlin, 26. Oktober 1875. Es ist ein geschichtliches Ereignis, daß heute Ihr 76. Ge26. 10. burtstag mit der Enthüllung eines Denkmals1) zusammenfällt,

1875.

Zu 540) 1) In Berlin auf dem Dönhoffplay.

zu dessen endlicher Vollendung Sie so erfolgreich beigetragen 1875. haben, seitdem Sie an die Spitze des Unternehmens traten. Ihr Name, sowie der des Staatsministers v. Stein stehen auf immer in der Weltgeschichte verzeichnet! So wie Sie mir denkend und ratend in den letzten Kriegen zur Seite standen, so stand der Freiherr v. Stein meinem in Gott ruhenden Könige und Vater zur Seite, als es galt, das niedergeworfene Preußen auf neuen, zeitgemäßen Grundfesten wieder aufzurichten. Was Sie beide in Ihren Sphären erreichten, bedarf keiner Worte -die Taten und Erfolge sprechen für sich selbst; und so hat es der Vorsehung gefallen, Preußens Könige in entscheidenden Krisen stets mit Männern zu umgeben, die im Felde wie im inneren Staatsleben das Rechte zu finden wußten!

So wie heute dem Freiherrn v. Stein öffentlich ein Dankesdenkmal errichtet wird, so wünsche ich an diesem für Sie doppelten Feiertage Ihnen meinen erneuerten Dank öffentlich darzubringen, indem ich Ihnen das Groß-Komthurkreuz des Hohenzollernordens mit dem Stern und Schwertern verleihe, welche letteren beweisen sollen, was ich Ihnen auf so vielen Schlachtfeldern verdanke! Ihr treuer und dankbar ergebener König Wilhelm.

541] An den Königlichen Schloßpfarrer D. Kögel. Berlin, 26. Februar 1876.

26. 2.

Alle treuen patriotischen Herzen Preußens bereiten sich den 1876. 10. März d. Is. als den 100. Geburtstag meiner verklärten Mutter, der Königin Luise, zu begehen. Wir noch überlebenden Kinder und mit uns unsere Familien können diesen Tag nicht anders begehen als im Gebet am Sarge der Verklärten! Ich fordere Sie auf, an der heiligen Stätte in Charlottenburg am 10. März eine gottesdienstliche Feier zu halten, am Altar im Mausoleum! am Fußende der Sarkophage meiner Eltern!

Meine Familienmitglieder würden ihren Platz rechts des Altars nehmen; der Hof gegenüber, also links des Altars. Der Domchor kann nur unten an der großen Eingangstür stehen, meiner Ansicht nach. Jeder weiteren Besprechung, die Sie

1876. mit mir wünschen, sehe ich entgegen. Ich schließe mit den Worten, die ich eben in einem Aufsaß über die leßten Tage meiner verklärten Mutter lese:,,Das Andenken an die Königin ist rein geblieben, keine Zeit hat daran gerüttelt und jede neue Generation segnet ihren Namen!!"

1876.

542] An den Generalkonsul a. D. v. Lade.

Berlin, 23. Mai 1876.

Erst heute geht mir Ihr Schreiben vom 17. zu, das mir 23. 5. die Trauernachricht leider bestätigt, die ich zuerst durch meine Tochter erhielt. Ich kann Ihnen nicht aufrichtig genug meine Teilnahme schildern, die ich Ihrem unersetzlichen Verluste widme! Die kurzen Stunden, in denen ich Ihre Gemahlin kennen lernte, reichten hin, um das Glück zu verstehen, das Sie an ihrer Seite genießen mußten! Selten habe ich in so kurzen Momenten solche Sympathie empfunden, wie in jenem Ihres Monrepos!1) Un= vergeßlich wird mir der Tag sein, und wie oft sprach ich mit meiner Tochter von der nun Verklärten, die ganz dieselben Eindrücke von letzterer empfangen hatte wie ich. Nie werde ich die Worte vergessen, die Ihre Gemahlin mir beim Abschied sagte: ,,Erlauben Sie mir, Jhnen Glück zu wünschen, eine solche Tochter zu besitzen!" Und mit einem Ausdruck, der ganz sagte, wie tief sie empfand, was sie aussprach! Daß Ihre Gemahlin so lange leidend war, wußte ich, und auch ihr Wiedersehen voriges Jahr in Rüdesheim zeigte mir, wie leidend sie sein mußte. Nun, was Gott sendet, muß der Mensch tragen, und nirgends mehr als im Tode spricht sich der höchste Wille aus!! Möge er Ihnen Trost senden in Ihrem nur zu gerechten Schmerz!

1876.

Jhr wohlgeneigter König Wilhelm.

543] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

Gastein, 22. Juli 1876.

Bei der Kürze der Zeit in Würzburg1) konnte ich einen 22. 7. Gegenstand unserer inneren Verhältnisse nicht nochmals zur

Zu 542) 1) Villa des Adressaten in Geisenheim.

Zu 543) 1) Der Kaiser, der nach Gastein reiste, und Bismarck, der von

Sprache bringen, der mich troß der Vorträge von p. Delbrüd 1876. und Camphausen, noch ehe Sie im Herbste nach Berlin kamen, fortwährend beschäftigt und namentlich nach neueren Mitteilungen während meiner Anwesenheit am Rhein. Es ist dies das Daniederliegen unserer Eisenindustrie. In jenen Vorträgen wurde mir nachgewiesen, daß unser Eisenexport noch immer den Import übersteigt. Ich erwiderte, woher es denn aber komme, daß ein Eisen-Fabrikationsunternehmen nach dem anderen seine Öfen ausblase, seine Arbeiter entlasse, die herumlungerten, und daß diejenigen, welche noch fortarbeiteten, dies nur mit Schaden täten, also nichts verdienten, bis auch sie die Arbeit würden einstellen müssen. Geantwortet wurde mir: Ja, das sei gegründet, indessen bei solchen allgemeinen Kalamitäten müßten einzelne zugrunde gehen, das sei nicht zu ändern, und wir ständen darin immer noch besser als andere Länder (Belgien). Ist das eine staatsweise Auffassung? So steht leider diese Angelegenheit schon seit den letzten Jahren. Nun soll aber vom 1. Januar 1877 an der Eisenimport nach Deutschland ganz zollfrei stattfinden,2) während Frankreich eine Prämie auf seine Eisenausfuhr nach Deutschland einführt! Das sind doch so schlagende Säße, die nur die Folge haben können, daß unsere Eisenindustrie auch in [ihren] letzten Resten ruiniert werden muß! Ich verlange keineswegs ein Aufgeben des gepriesenen Freihandels-Systems, aber vor Zusammentritt des Reichstages muß ich verlangen, die Frage nochmals zu ventilieren, „ob das Gesetz wegen der zollfreien Einfuhr des Eisens vom Auslande nach Deutschland nicht vorläufig auf ein Jahr verschoben werden muß ?") Wenn Sie mit mir übereinstimmen, sehe ich Ihrem Bericht entgegen, was Sie anordnen werden. Ihr Wilhelm.

Wie geht es Ihnen seit Würzburg?

Kissingen kam, hatten sich in Würzburg getroffen. Erst später nach Abbruch seines langen Urlaubes (1877) veranlaßte Bismarck die Untersuchung über die Eisenindustrie. – 2) Reichstagsbeschluß vom März 1873. — 3) Windthorst beantragte demnächst, aber ohne Erfolg, dies Gesez solle erst mit dem 1. Januar 1879 in Kraft treten.

« ZurückWeiter »