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wohnte. An der Kettenbrüde begegnete mir mein Gesandter 1861. Graf Flemming, der mich nun begleitete. Vielleicht 150 Schritte jenseits des Hirtenhäuschens fiel ein Schuß in solcher Nähe von hinten auf mich, daß ich sofort einen Schmerz an der linken Seite des Halfes fühlte, eine Dröhnung im ganzen Kopfe empfand und mit der linken Hand sogleich nach der verleßten Stelle griff, ausrufend: Mein Gott, was war das! Graf Flemming und ich drehten uns gleichzeitig um, und ich sah obenbezeichneten jungen Mann ganz ruhig hinter uns auf drei Schritte stehen. Graf Flemming fragte ihn: „Wer hat hier geschossen? Haben Sie geschossen ?" worauf der Mann ganz gelassen erwiderte: „Ich habe auf den König geschossen.“ Graf Flemming griff ihm nun in die Halsbinde und hielt ihn fest, fragend:,,Womit haben Sie geschossen?" Er zeigte auf einen in das Gras geworfenen Regenschirm und einige Schritte von demselben lag ein Doppelterzerol, von dem beide Läufe abgeschossen waren. Da sofort ein Herr, der der Rechtsanwalt Süpfle von Gernsbach sein soll, und ein anderer Mann, der Amtsverweser Referendar Schill aus Achern zugesprungen waren und den jungen Mann zu Boden warfen, ausrufend :,,Das ist eine Schmach und Schande für Baden, das muß das Volk rächen,“ so hatte Graf Flemming Zeit, die Pistole aufzunehmen und den Regenschirm. Mittlerweile war der Hotelbesizer Brandt aus Berlin hinzugekommen und diese drei Herren brachten den Menschen in einen Mietswagen, der gerade vorbeifuhr. Ich ersuchte die Herren, ihm nichts zuleide zu tun und bestimmte, daß dieselben unter Geleite des Grafen Flemming ihn zum Stadtdirektor Kunz transportieren sollten. — Ein vierter Herr, Mr. Blanquet, Kaufmann aus Paris, sagte mir im Französisch, daß mein Rockragen von einer Kugel zerrissen sei und ebenso die Halsbinde gestreift wäre; ich zog ihn aus und überzeugte mich von der Richtigkeit der Angabe. Die Kontusion am Halse blutete nicht, aber verursachte einen leichten brennenden Schmerz. Ich konnte daher die Promenade bis gegen Lichtenthal fortsehen und kehrte von dort mit der Königin zu Fuß nach Hause zurüd. Wilhelm.

Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

2

1861.

28.7.

300]

An General D. v. Nazmer.

28. Juli 1861.

Sie werden es mir vielleicht nicht glauben, daß vor mir Ihr Brief vom 22. März und 14. Juli liegt, und doch ist es wahr, denn als ich vor meiner Abreise in Berlin meine Korrespondenz ordnete, fand ich Ihren lieben Brief zum 22. März als ,,unbeantwortet“ bezeichnet; daher nahm ich ihn hierher mit, um ihn endlich zu beantworten. Da ahnte ich freilich nicht, daß es eine solche Veranlassung sein werde, welche mir einen zweiten Brief von Ihnen zuführte.

Somit muß ich nun also Ihnen für beide herzlich danken, sowie Ihrer Gemahlin, die den Sekretär zum 22. und einen eigenen lieben Zusatz machte.

Die Glückwünsche zum 14. Juli sind allerdings von umfassenderer Bedeutung als bei anderer Veranlassung! — Mordversuch1) bleibt etwas sehr Schweres, aber erhebend ist, daß göttliche Gnade dabei allein mich retten konnte und wollte. Erhebend ist für mich aber auch die so überaus gütige Teilnahme, die mir von vielen Seiten zukommt und sogar von sehr überraschender Seite. Möchte dieses Gefühl sich wenigstens in Preußen auch in Taten zeigen, damit wir nicht wieder eine Kammersession haben, wie die letzte,2) obgleich die Aussichten auf die nächste noch roter find! Nochmals herzlichen Dank. Ihr treuer Wilhelm.

NS. Hierbei sende ich Ihnen meine eigene Aufzeichnung über das Attentat, sogleich nach demselben aufgesetzt.

301] Ansprache an die zur Krönung befohlene

Armeedeputation.

Königsberg, 16. Oftober 1861. Ich habe Sie hier versammelt, um einer Feier beizuwohnen, 16. 10. die zu den seltensten in der Geschichte gehört. Ein solcher Moment

1861.

Zu 300) 1) Das Beckersche Attentat. S. Nr. 299. - 2) Das Militärbudget war nur unter Vorbehalten angenommen, die Grundsteuer im Herrenhause nur mühsam durchgesezt worden. In den Juli dieses Jahres fällt die Unterredung des Königs mit Bismarck, infolge deren Bismarck seine große Denfchrift über die deutsche Frage dem König einreichte. Eine Aufzeichnung des Königs über die Besprechung fehlt bis jeßt.

tritt nur dann ein, wenn tiefe Trauer ihm vorhergegangen ist, 1861. wie eine solche uns alle im tiefsten Herzen bewegt hat. Jekt richten wir den Blick getrost zum Himmel, hoffend, daß er Preußen segnen und schützen möge, wie bisher. Ein Anblick, wie wir ihn hier soeben gehabt, ist noch nie dagewesen und kehrt so leicht nicht wieder. Ich habe die Fahnen und Sie, meine Herren, als die höchstgestellten Generale der Armee und sämtliche Regimentskommandeure versammelt, um im Namen der Armee Zeugen der hochwichtigen Feier zu sein, welcher wir entgegengehen. Von Gottes Händen ist mir die Krone zugefallen, und wenn ich mir dieselbe von seinem geweihten Tische auf das Haupt sehen werde, so ist es sein Segen, der sie mir erhalten wolle! Sie zu verteidigen ist die Armee berufen, und Preußens Könige haben die Treue derselben noch nie wanken sehen. Sie ist es gewesen, welche den König und das Vaterland in den unheilvollsten Stürmen erst vor kurzem gerettet und seine Sicherheit befestigt hat. Auf diese Treue und Hingebung rechne auch ich, wenn ich sie aufrufen müßte gegen Feinde, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Mit diesem unerschütterlichen Vertrauen sehe ich als König und Kriegsherr auf meine Armee. Ihnen, Herr Feldmarschall,1) reiche ich für alle Anwesenden die Hand, für Sie alle, die ich in mein Herz schließe.

302] Antwort an den Präsidenten des Herrenhauses Fürsten Hohenlohe-Ingelfingen, den Präsidenten des Abgeordnetenhauses Dr. Simson, den Grafen Dohna-Leuck als Sprecher der Prinzen und der Provinzen.

Königsberg, 18. Oktober 1861.1) Von Gottes Gnaden tragen Preußens Könige seit 160 Jah- 1881. ren die Krone. Nachdem durch zeitgemäße Einrichtungen der 18. 10.

Zu 301) 1) Freiherr v. Wrangel.

Zu 302) 1) An die Stelle der früher üblichen Erbhuldigung, für die seit Erlaß der Verfassung die Voraussetzungen fehlten, seßte der König, um seinem königlichen Beruf die innere und äußere Weihe zu geben, die ihm Bedürfnis war, die Krönung, die seit 1701 außer Übung gekommen war. Am 3. Juli 1861

1861. Thron umgeben ist, besteige ich als erster König denselben. Aber eingedenk, daß die Krone nur von Gott kommt, habe ich durch die Krönung an geheiligter Stätte bekundet, daß ich sie in Demut aus seinen Händen empfangen habe. Die Gebete meines Volkes, ich weiß es, haben mich bei diesem feierlichen Akt umgeben, damit der Segen des Allmächtigen auf meiner Regierung ruhe. Die Liebe und Anhänglichkeit, welche mir seit meiner Thronbesteigung erwiesen wurde, und die mir soeben in erhebender Weise bekundet wird, sind mir Bürge, daß ich unter allen Verhältnissen auf die Treue, Hingebung und Opferfreudigkeit meines Volkes rechnen kann. Im Vertrauen hierauf habe ich den althergebrachten Erbhuldigungs- und Untertaneneid meinem treuen Volke erlassen können. Die wohltuenden Beweise einer Liebe und Anhänglichkeit, die mir jüngst bei einem verhängnisvollen Ereignis zuteil wurden, haben dieses Vertrauen bewährt. Gottes Vorsehung wolle die Segnungen des Friedens dem teuren Vaterlande lange erhalten. Vor äußeren Gefahren wird mein tapferes Heer dasselbe schützen. Vor inneren Gefahren wird Preußen bewahrt bleiben, denn der Thron seiner Könige steht fest in seiner Macht und in seinen Rechten, wenn die Einheit zwischen König und Volk, die Preußen groß gemacht hat, bestehen bleibt. So werden wir auf dem Wege beschworener Rechte den Gefahren einer bewegten Zeit, allen drohenden Stürmen widerstehen können. Das walte Gott!

1861.

303] An den Kardinal Erzbischof von Köln.

18. Oftober 1861.

Sehr gern habe ich aus Ihrem Munde, hochwürdiger Herr 18. 10. Kardinal und Erzbischof, Ihr und Ihrer Mitbischöfe Gelöbnis

erklärte er dem Staatsministerium, daß er sich zur Krönung als zu dem „,höheren Akt" entschlossen habe. Die Bedenken der rechts stehenden Parteien, die die alte Erbhuldigung wollten, konnte der König mit dem Hinweis auf die Verfassung, die der links stehenden, die die Krönung, als nicht in der Verfassung geboten, nicht wollten, mit dem Hinweis darauf ablehnen, daß sie ihr in keiner Weise widerspreche, und schlug auch die lezten Zweifel der Minister dadurch nieder, daß er die Kosten aus seinen Privatmitteln bestritt, was ihn dann in der Folge freilich zu noch größerer Sparsamkeit als der ihm sonst schon geläufigen veranlaßte.

der Treue und des Gehorsams empfangen, das Sie bereits 1861. meines in Gott ruhenden Königlichen Bruders Majestät geleistet und jetzt mir als seinem Nachfolger in der Krone erneuert haben. Es gereicht mir zur Genugtuung, die Verhältnisse der katholischen Kirche für den Bereich meines ganzen Staates durch Geschichte, Gesetz und Verfassung wohlgeordnet zu wissen. Sie darf vertrauen, daß ich ihr in Gerechtigkeit und Wohlwollen ferner meinen landesväterlichen Schuß gewähren und sie in Ausführung ihres heiligen Auftrages unterstüßen werde. Dagegen erwarte ich mit Zuversicht, daß der Klerus meines Landes, wie Sie es versichern und woran ich nie gezweifelt habe, fortfahren wird, meine katholischen Untertanen zur Gottesfurcht und zum Gehorsam gegen die von Gott geordnete Obrigkeit, wie zur Achtung vor dem Gesetz, der einzig festen Grundlage staatlicher Ordnung, anzuleiten und selbst ihnen hierin mit gutem Beispiel, wie bisher voranzuleuchten. Es hat mich gefreut, mein Herr Kardinal und Erzbischof, Sie und Ihre hochwürdigen Amtsbrüder als persönliche Zeugen meiner feierlichen Krönung hier zu begrüßen. Halten Sie sich der Fortdauer meiner Königlichen Gnade versichert.

304]

An Frau General O. v. Nahmer.

20. 11.

Berlin, 20. November 1861. Der Überbringer dieser Zeilen, Oberst v. Nazmer, hat mir 1861. Ihren Brief, gnädige Frau, vom 15. überbracht, sowie die Orden unsers teuren Verstorbenen.1). Es war ein wehmütiger Moment, als ich die Zeichen so wohlverdienter königlicher Huld in meinen Händen sah! Auch ließ ich mir viel aus den lezten Tagen des Verblichenen von seinem Neffen erzählen, woran sich so viel Erinnerungsaustausch knüpfte! Die mir von Ihnen zurückgestellte Korrespondenz habe ich sofort durchgelesen und manche erfreuende und manche wehmütige Eindrücke dabei empfunden, jedenfalls aber mit Genugtuung von neuem ersehen, wie ich keine Veranlassung unterlassen habe, dem Verstorbenen meine Dankbarkeit und Freundschaft auszudrüden!

Zu 304) 1) Nazmer war am 1. November 1861 gestorben.

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