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klar und bestimmt, mündlich und schriftlich dem Kaiser wie dem Könige von Sachsen die Ablehnung ausgesprochen (vgl. Nr. 332). Er hat den Kaiser (vgl. Nr. 333),,beschworen", von der Einladung zu diesem gänzlich unvorbereiteten Kongreß abzustehen, er hat hinterher die Fürsten beklagt, die die Einladung_angenommen (vgl. Nr. 333) und nicht seinem Beispiel gefolgt seien. Er hat es damit offen bezeugt, daß eine Reform des Bundes nur im Anschluß an Preußen denkbar sei. Das von Österreich geforderte fünfköpfige Direktorium lehnte er ab, forderte ein Nationalparlament auf Grund seines konservativen Wahlreglements, und gerade das völlige Scheitern des Fürstentages zeigte ihm, daß er nunmehr diktieren könne, was ihm in Preußens Stellung unumgänglich geboten scheine (vgl. Nr. 333). Diese Notwendigkeit rückte in der Tat immer näher heran. Im März 1863 gipfelten die schlimmen Bedrückungen, die sich die Dänen in den ihrem König in Personal-Union durch das Londoner Protokoll von 1852 von den Großmächten unter der Bedingung der Aufrechterhaltung aller Rechte wieder überlassenen Elbherzogtümern gegen die Deutschen zuschulden kommen ließen, in der gewaltsamen Einverleibung Schleswigs in die dänische Monarchie. Darauf wurde Bundesexekution beschlossen, und als nach dem Tode König Friedrichs VII. der bisherige Erbprinz Friedrich von Schleswig Holstein - Augustenburg dem neuen König Christian IX. die Erbfolge bestritt, dieser aber die Einverleibung Schleswigs in Dänemark durch Annahme der Gesamtverfassung bestätigte, erblickte das ganze deutsche Volk jubelnd in der Thronfolge des Herzogs von Augustenburg die weitaus beste Lösung der seit Jahren als schimpflich empfundenen Fremd= herrschaft in den Elbherzogtümern und forderte daher stürmisch die Lossagung der deutschen Mächte vom Londoner Protokoll und die Einsetzung des Erbprinzen Friedrich. Preußen und Österreich verlangten von Dänemark die Zurücknahme der Verfassung, und als Dänemark das ablehnte, kam es bekanntlich zum Kriege.

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Die Verbindung dieser Frage mit der deutschen und beider Lösung ist, wie man weiß, nicht nur die Leistung, die Bismard selbst für seine glänzendste hielt, sondern vielleicht die größte Leistung aller Staatskunst überhaupt. Wir haben hier aber nur kurz auf die Stellung des Königs hinzuweisen, soweit sie aus den wenigen von ihm darüber an die Öffentlichkeit gekommenen Äußerungen bekannt ist. In Übereinstimmung mit der in allen Schichten des Volkes verbreiteten Ansicht hat der König die Frage stets als eine nationale (vgl. Nr. 339, 341) und als eine Rechtsfrage aufgefaßt. Er erkannte einerseits, wiewohl ungern genug, die Not

wendigkeit, am Londoner Protokoll, das ihm jezt so wenig wie früher gefiel (vgl. Nr. 337, 339), zunächst noch festzuhalten, betonte aber zugleich die andere Notwendigkeit, die Länder durch deutsche Truppen gegen Vergewaltigung zu schüßen. Die Annexion der Herzogtümer für Preußen, die Bismard vornehmen wollte, lag zunächst gar nicht in seiner Absicht. Er verbot vielmehr Bismard (vgl. Nr. 340), von seinem Plan über ein selbständiges Holstein im Abgeordnetenhause auch nur zu sprechen, und hat dies Verbot, wie es scheint, mit einiger Lebhaftigkeit wiederholt, als Bismarck in der Konseilsitzung vom 4. Januar von einer Eroberung des Landes für Preußen sprach. Dieser Plan würde vielmehr, so schloß er ganz richtig, die Mittelstaaten in Österreichs Arme treiben und auch Rußland und England gegen Preußen aufbringen, so daß wir im Bunde mit Napoleon, der soeben in Berlin die Annektierung angeboten, gegen Deutschland, Österreich, England und Rußland stünden (vgl. Nr. 351).

Der König wollte vielmehr das Land nur besetzen (vgl. Nr. 341), bis der Sukzessionsstreit beendigt sei. Er war geneigt, die Ansprüche des Herzogs von Augustenburg für begründet anzusehen (vgl. Nr. 337), denn wenn das Londoner Protokoll die Erbfolge des Vaters des Herzogs vernichtet habe, so habe es doch nicht das Recht des Sohnes vernichten können, falls es, wie durch den Tod König Friedrichs geschehen, neu auflebe, und wenn das ganze Deutschland einstimmig die Ausführung dieses Rechts verlange (vgl. Nr. 345). Die Einmischung der Fremden glaubte er im Bunde mit Österreich (vgl. Nr. 350) nicht fürchten zu sollen, wenigstens hielt er es für klug, eine solche Befürchtung nicht zu zeigen. Immer aber müsse, dabei bleibt er, das Recht entscheiden. Schon im Februar 1864 beginnt er daher, als nicht nur Oldenburg ebenfalls Ansprüche erhoben, sondern auch einer der Kronjuristen einzelne Bedenken gegen das augustenburgische Recht geäußert hatte, Zweifel an diesem zu hegen. Inzwischen hatte der Kampf begonnen, und man fühlt es dem Könige nach, mit welch heller Freude (vgl. Nr. 355) er in den Taten seiner Soldaten gerade auch sah, wie sich seine Reorganisation bewährte, zu der, wie zur Führung des Krieges überhaupt, das Abgeordnetenhaus in seinem tiefen Mißtrauen auch jetzt noch die Mittel versagt hatte.

Auch als nach dem vorläufigen Frieden mit Dänemark die Stimmen lauter und lauter wurden, die in der Annektierung nicht nur die notwendige Entschädigung, sondern die den preußischen und deutschen Interessen allein entsprechende Lösung der

Frage erkannten, blieb der König seiner Anschauung getreu, daß er kein Recht auf die Herzogtümer habe. Anderseits wollte er jedoch die auf ein Zusammenwirken Preußens mit Österreich gehenden Pläne Bismards keineswegs soweit unterstüßen, daß er dem Kaiserstaate die auch jetzt wieder geforderte Aussicht auf Aufnahme in den Zollverein zugestehen mochte. Zu genau wußte er, daß diese unmöglich sei, wußte auch, daß sie nicht, wie Bismard hoffte, den Sturz des in Österreich mißliebigen, preußenfreundlichen Ministers hindern werde, sondern daß nach wie vor jede Nachgiebigkeit gegen Österreich nur neue Forderungen auf Kosten Preußens hervorrufen werde (vgl. Nr. 364). Er lehnte daher den Antrag Österreichs, den Bismarc aus taktischen Gründen lebhaft befürwortet hatte, ab.

Erst als nach dem Wiener Friedensschluß die Agitation für den Erbprinzen von Augustenburg infolge verschiedener Einflüsse, bald auch unter österreichischem Beifall und selbst unter österreichischer Förderung bedrohlicher wurde (vgl. Nr. 368, 374), und sogar der preußische Besitz von Kiel gefährdet war (vgl. Nr. 364), auch der Erbprinz gegen den Willen des Königs (vgl. Nr. 368) im Lande verblieb, anerkannte er tief verlegt, wie er dadurch war, die Annektierung der Herzogtümer als eine politische Notwendigkeit für Preußen und beanspruchte auch die von vornherein Österreich gegenüber geltend gemachte (vgl. Nr. 367) Entschädigung für die von Preußen gebrachten Opfer. Allein er hätte noch immer nicht gestattet, danach zu handeln, wenn ihm das augustenburgische Recht zweifellos geblieben wäre. Im Gegenteil wurde ihm nun aber amtlich dargelegt, daß dies vermeintliche Recht nur auf einzelne Teile, nicht aber auf die Gesamtherzogtümer erweislich war. Dieser Rechtsspruch seiner Kronsyndici aus dem Monat Juni 1865 war für ihn das Entscheidende. Denn jetzt hatte er nicht mehr nur die Rechte anderer zu respektieren, sondern fühlte sich frei, nach der für Preußen vorliegenden politischen Notwendigkeit zu entscheiden, und eben diese Entscheidung wurde von vielen Kreisen in Preußen wie selbst in den Herzogtümern zugleich verlangt (vgl. Nr. 373).

Nimmermehr aber konnte und wollte Österreich einen solchen Zuwachs Preußens, der nicht nur einen Einfluß für alle deutschen Seeinteressen begründen, sondern auch die Stellung Preußens im deutschen Bunde verstärken mußte, zugeben. Noch einmal gelang es zwar durch den Gasteiner Vertrag, dank der Friedensliebe und persönlichen Freundschaft beider Herrscher, den Riß zu verkleben und einen unblutigen Sieg (vgl. Nr. 370) zu erringen.

Allein zwei Jahrhunderte lang hatte Österreich dem nordischen Bundesgenossen die Anerkennung als ebenbürtige und gleichberechtigte Macht verweigert, wie hätte es jetzt sie zugestehen sollen, da, wie noch der Frankfurter Fürstentag und die weiteren Verhandlungen gezeigt hatten, alle Mittelstaaten mehr oder weniger, alle aber doch mit herzlichem Unbehagen gegen eine Vergrößerung Preußens auf seiner Seite standen? Sollte Preußen sich nicht wieder fügen, wie es in den Tagen von Olmüß sich dem Gebot gefügt hatte, das an der Donau ausgesprochen war? — Kaum waren daher zwei Monate seit der Abmachung in Gastein vergangen, da trat die alte Mißregierung in Holstein unter Österreichs Förderung in erhöhtem und steigendem Maße wieder ein. Bald waren alle Hoffnungen auf eine ehrliche Einigung vernichtet (vgl. Nr. 373), und selbst der österreich-freundliche preußische Gouverneur in den Herzogtümern, Manteuffel, geriet in den schärfsten Gegensatz zu den Österreichern.,,Preußen niederzuhalten", selbst in,,gehässigem Einverständnis mit aufrührerischen Preßorganen", war Österreichs Bestreben (vgl. Nr. 373, 384), ,,Lug, Trug, Verleumdung, um Preußen als von Ehrgeiz und Eroberungssucht aufgeblasen zu schildern, waren ihm gesuchte Mittel". Allein,,in illoyaler und unrechtlicher" Weise, durch ,,Insulten und Invektiven" ließ König Wilhelm sich nicht die Sym pathien rauben. Schon im Februar 1866 war er entschlossen, den Krieg zwar nicht zu provozieren, wohl aber vorwärts zu gehen, ohne vor ihm zurüdzuschreden (vgl. Nr. 373), schon im März erklärte er, er werde ihm, wenn ihn denn Österreich wolle, nicht ausweichen. Denn im März hatte Österreich bereits mit seinen Rüstungen unter Vorwänden begonnen, und,,diese Maske“ wollte der König sich nicht gefallen lassen, sondern suchte sie abzureißen. Volle vierzehn Tage läßt er zum Schreden Bismards und Roons zwar noch vergehen, ehe er zu Gegenmaßregeln greift. Aber zur politischen Rechtfertigung hatte er sich nun auch die Ruhe seines Gewissens erworben, und dennoch steigerten naturgemäß sich beide Gegner in ihren Vorbereitungen während der Verhandlungen über sie, und als Österreich nun den Gasteiner Vertrag brach und gegen dessen Bestimmungen die Entscheidungen über SchleswigHolstein dem Bunde anheimstellte, da waren (16. Juni) endlich die Würfel gefallen, der Krieg unvermeidlich (vgl. Nr. 385).

Bei aller Überzeugung, daß der Krieg nicht zu umgehen war, hatte der König doch gezögert, dies Wort auszusprechen, solange es die Ehre Preußens zuließ. Wir möchten ihm deshalb nicht den Vorwurf der Versäumung militärisch wichtiger Momente machen, denn diese waren allemal, soweit man sieht, auszugleichen

und mußten vor der politisch-moralischen Beurteilung des Krieges selbst zurüdstehen. Es war eben etwas anderes, als Prinz und als Soldat den Krieg zu wünschen, und etwas anderes, ihn als König zu beschließen (vgl. Nr. 401). Selbst Bismard hat zwar, wie sich versteht, seit Februar alles getan, den König zum Entschluß zu treiben, aber er hat es ausdrüdlich abgelehnt, ihm zum Kriege zu raten; er könne hier weniger raten als beten. Und nur im Gebet hat der König die Kraft des Entschlusses gefunden (vgl. Nr. 373, 384), und so ist dieser ganz seine eigene freie Tat.

Es fehlt uns über diese besonders wichtige Zeit recht sehr an eigenen Äußerungen des Königs; so wissen wir namentlich nicht, wie der König über den Antrag Preußens auf Einführung eines deutschen Parlaments auf Grund des allgemeinen Stimmrechts und über die Ausschließung Österreichs aus Deutschland gedacht hat. Auch aus dem Kriege selbst können wir nur einige eigene Äußerungen (vgl. Nr. 392, besonders Nr. 396) vorlegen. Etwas genauer sind wir bekanntlich über die Friedensverhandlungen in Nikolsburg unterrichtet, die der König anders wollte als Bismard, und in denen dann auf Veranlassung des Kronprinzen der Monarch dem Minister nachgab. Doch fehlen auch hier die Beweggründe des Königs, und wir sind auf Schlußfolgerungen angewiesen. Wir wissen weiter aus des Königs Munde nicht, wie er sich zur Idemnität stellte, die dem Verfassungskonflikt hochherzig den versöhnenden Abschluß brachte, wir haben auch fein eigenes Zeugnis für seine Anschauungen über die Gründung des Norddeutschen Bundes beizubringen.

Doch weisen wir hier noch auf die bisher nicht erwähnten umfangreichen Briefe hin, die der König über die Wahl des Prinzen Karl von Hohenzollern zum Fürsten von Rumänien geschrieben hat. Sie sind sämtlich von vorsichtiger Staatsweisheit eingegeben (vgl. Nr. 377, 379).

Am Schluß des Kriegsjahres faßte der König lettwillig seine Gedanken wundervoll zusammen in der Vergebung für alle, die wissentlich oder unwissentlich sich seinen auf Gewissensüberzeugung gegründeten Absichten zum Wohle des Vaterlandes entgegengesetzt haben, die die Macht der Krone zu schmälern gedachten. Er bringt seinen Herzensdank der Armee für ihre Hingebung und Aufopferung, dem preußischen Volke, dessen VaterLandsliebe den gesunden Sinn zeige, der Nationen groß mache, der göttlichen Gnade, die ihn ausersehen, die Wendung der Verhältnisse zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes in seinem vorgerückten Alter herbeizuführen (vgl. Nr. 402).

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