Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Faß an!

Alpines.

Der schlesische Riesengebirgsverein in Bunzlau plant die Anlage einer meteorologischen Station auf der Schneekoppe. Diese wird etwa 15 000 kosten, die durch Antheilscheine, Beiträge sämmtlicher Riesengebirgsvereine 2c. aufgebracht werden sollen.

[ocr errors]

Der Verein für Mosel, Hochwald und Hunsrück be schloß auf dem Erbeskopfe, dem höchsten Punkte seines Vereinsgebietes und der Rheinprovinz, 816 Mtr., und zugleich einem Aussichtspunkt ersten Ranges, einen monumentalen Aussichtsthurm aus Stein zu er= richten, der gleichzeitig dem Andenken an Kaiser Wilhelm I. gewidmet sein und daher den Namen „Kaiser-Wilhelm-Thurm" tragen soll.

Der Weg- und Hüttenbau-Ausschuß des Deutsch. u. Desterr. Alpenvereins (Obmann L. Schuster in München) hat sich con= stituirt und die Vertheilung der Referate vorgenommen.

Die Gesammt= einnahmen des münchener Jubiläumsfestes des Deutsch. u. Desterr. Alpenvereins im Jahre 1894 betrugen, abzüglich des Specialreservefonds, 44 970, die Ausgaben 39 240 , der Ueberschuß somit 5730 M. Lepterer wurde lediglich durch die Einnahmen aus der Besichtigung der Kellerfesthalle erzielt und findet folgende Verwendung: 1000 werden dem Stadt= magistrat München zur Errichtung von Wärmestuben, die gleiche Summe dem Cen= tralansschuß des Vereins für die Führerunterstüßungskasse, gleichfalls 1000 M dem Fonds zur Erbauung eines Münchener Hauses (JubiläumsUnterkunftshauses) auf der Zugspiße, 500 M als Gabe für das Wendelsteinkirchlein, der Rest, bis auf 930 #, die der Section München überwiesen wurden, andern wohlthätigen Zwecken gewidmet.

[graphic]
[graphic]

Der gesammte Fremdenbesuch in Tirol belief sich im Jahre 1893 auf 280 764 Personen, von denen 70788 aus Tirol, 84 402 aus dem übrigen Desterreich - Ungarn und 125574 aus dem Auslande waren. Nach der vom Secretär des Landesverbandes für Fremdenverkehr in Tirol, Hrn. J. C. Platter, mit großer Sorgfalt zusammengestellten Ertragsstatistik aus dem Fremdenverkehr lieferte dieser im genannten Jahre für Tirol ein Erträgniß von mehr als 10 Mill. Fl. Die Gesammteinnahmen aus dem Lohnfuhrwesen und dem Bergführer-Dienste betrugen in Deutschtirol zusammen 394 000 Fl. Gasthöfe waren 1096 mit zusammen 23 089 Betten im Betriebe; hierzu kommen noch 7712 Fremdenbetten in Privathäusern 2c. Die Zahl der Lohnfuhrwerke betrug 1628, Bergführer standen 499 zur Verfügung. Gegenüber 1892 sind im Berichtsjahre die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr in Tirol um rund 1 Mill. Fl. gestiegen.

- Die Section Graz des Desterr. Touristenclubs veranstaltet in der ersten Hälfte des Monats Januar in der Landeshauptstadt Steiermarks den zweiten Bergführer Instructionscursus für 20 behördlich autorisirte Bergführer und Bergführeraspiranten. Der Cursus umfaßt eine Zeitdauer von acht Tagen.

- Von der Section Salzburg des Deutsch. u. Desterr. Alpenvereins wird für Mitglieder der Section ein unentgeltlicher Cursus für Landschaftszeichnen abgehalten. Den Unterricht ertheilt Sectionsmitglied Fachlehrer Franz Kulstrunk.

Der im Bau begriffene steinerne Aussichtsthurm am Kreuzberg bei Klagenfurt wird bis zu seiner Vollendung einen Kostenaufwand von etwa 15 000 Fl. erfordern. Da durch die bisher eingegangenen freiwilligen Beiträge von rund 5100 Fl. erst ein Drittel

Scharf gerändert.

[ocr errors]
[ocr errors]
[merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small]
[graphic][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][merged small][merged small][subsumed]
[blocks in formation]

anstrengt, so steht doch unbedingt fest, daß es den Anforderungen, die man an einen Voltszeichenapparat stellen kann, in einer Weise entspricht, wie sie bisher von noch keinem, zu diesem Zwecke construirten Apparate in jo vollkommener Weise erreicht wurde. Das Dilatopter ist nicht nur Dilettanten und Laien eine werthvolle, nie versagende Unterstüßung beim Zeichnen, es wird auch von Landschaftszeichnern, Zeichenlehrern, Musterzeichnern u. j. w. beim Gebrauche bald hoch geschäßt werden. Vor allem aber ist es Freunden und Freundinnen der neuerdings so sehr in Aufnahme gelommenen, eine gewisse Fertigkeit im Zeichnen vorausseßenden Liebhaberkünste, wie Glasmalerei, Holzbrand, Holzmaleret, Lederschnittarbeiten, Blumenmalerei u. s.. w., warm zu empfehlen. Dem heranwachsenden Kinde dürfte es durch seine immer wieder neue und anregende Unterhaltung bald ein beliebtes Spielzeug werden, das überdies noch den Vortheil besitzt, den Kindern Fertigteit im richtigen Sehen zu ermitteln. Epper's Difatopter ist durch deutsche Reichspatente Nr. 65849 und 66 541 geschüßt und durch alle Buchhandlungen und Lehrmittelanstalten sowie beffere Papier- und Spiel: waarenhandlungen oder direct von der Fabrit von G. J. Pabst (Nikolaus Kugler) in Nürnberg, Albrecht Dürerstraße 11, oder in Desterreich von Rudolf Schwarz in Wien III zu beziehen.

G. H. Keller's flingendes Uebungspedal. Dieses neu erfundene, hier in Verbindung mit einem Piano abgebildete patentirte Nebungspedal sucht einem in Organisten- und Lehrerkreisen

[ocr errors][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed]

werden. Die Metalltheile des in Fig. 2 wiedergegebenen Briefhalters sind sein vernickelt; der Preis beträgt 150 J. Wie alle Soennecken'schen Erzeugnisse, so zeichnen sich auch die eben beschriebenen durch saubere, exacte Ausführung und praktische Verwendbarkeit aus. University"-Goldfüllfeder.

[ocr errors]

Seit der Erfindung

der Goldfüllfedern ist unablässig an deren Verbesserung gearbeitet worden, um ihnen eine immer weitere Verbreitung zu sichern. Ist auch die Qualität vor allem maßgebend, so mußte doch auch auf den Kostenpunkt Rücksicht genommen und auf eine Verbilligung des Verkaufspreises hingewirkt werden. Wie so oft ist es auch hier wieder ein amerikanisches System, das einen Fortschritt auf diesem Gebiete bezeichnet. Troßdem die Goldfeder einen Goldgehalt von 16 Karat hat, stellt sich ihr Preis im Gegensatz zu dem bisherigen von 12 auf 8, bedeutet also eine wesent Goldfüllfeder, deren Vertrieb innerhalb des europäischen liche Verbilligung dieses Artikels. Die,,University". Continents die Firma Groyen u. Richtmann in Solingen übernommen hat, besteht aus dem üblichen hohlen Hartgummihalter, der, mit Tinte gefüllt, der Goldfeder selbstthätig und gleichmäßig die nöthige Flüssigkeit zu= führt. Aerzte, Studirende, Geistliche, Juristen, Stenographen u. f. w. werden sich der stets gebrauchsfertigen

[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[blocks in formation]

Schweinsohren versehenen Kopfe rollten ein Paar hervorquellende, scheußlich verdrehte Augen, inmitten des breiten Gesichts saß eine plumpe, goldene Stülpnase mit aufgeblähten Nüstern, und unter derselben klaffte der riesige, zähnefletschende, dämonisch grinsende Rachen, der Rachen, bei dessen Anblick jedem ein kleiner Schauer über den Rücken lief ohne dessen Vorhandensein aber unsere wahre Geschichte ungeschehen und daher auch ungeschrieben geblieben wäre! Unsere wahre Geschichte, denn um eine solche handelt es sich, trotz des märchenhaften „Es war einmal" und troß des japanischen Ungeheuers.

Besagtes Fabelwesen bestand aus echtem Imari-Porzellan und thronte auf einem hohen, mit allerlei geheimnißvollen, kabalistischen Schriftzeichen bedeckten Sockel hinter den blinkenden Spiegelscheiben eines großen Ladenfensters, so zwar, daß es von den Vorübergehenden gut gesehen und von den im Laden befindlichen Personen bequem erreicht werden konnte. Alle Passanten, selbst solche, die es eilig hatten, blieben vor dem Ungeheuer stehen, wie gefesselt durch einen geheimen Zauberbann. Auch Mr. Marmaduke Th. Benyon, Esq., that es und hielt sich länger als sonst jemand dabei auf, denn er hatte gar nichts zu versäumen. Er langweilte sich grenzenlos in dem reizenden rheinischen Curorte, den er zur Heilung eines leichten rheumatischen Leidens nun bereits zum zweiten mal mit Erfolg aufgesucht hatte. Niemand kannte er, hielt sich auch mit echt englischer Reserve von der Anknüpfung neuer Bekanntschaften zurück nach der alten, guten Regel: Auf Reisen ziehe man neun Häute an, wie die Zwiebel!

Mr. Marmaduke Th. Benyon, Esq., logirte in der „Rose“, ließ sich sein spätes Diner in seinen Zimmern serviren und schob sich während der zwischen Baden, Massiren und Brunnentrinken liegenden Freistunden planlos hier und dort herum, verstohlen hinter dem eleganten Handschuh gähnend und an jeder Straßenecke die Uhr hervorziehend, um das langsame Hinschleichen der Zeit zu beseufzen. So war es auch heute gewesen. Nur gewohnheitsmäßig blieb Mr. Benyon noch hier und da vor einem schön ausgestatteten Ladensenster stehen, denn er kannte all die ausgestellten Herrlichkeiten bereits auswendig, und alle langweilten ihn. Da fiel sein Blick von ungefähr auf das japanische Ungeheuer, und er mußte plößlich auflachen, was ihm hier in Wiesbaden noch nicht ein einziges mal passirt war. Das Ungeheuer grinste auch förmlich freundschaftlich; es sah aus, wie wenn es Leben bekommen hätte. Das kam davon: Mr. Benyon war gleichfalls von einer ganz besondern, beinahe pittoresken Häßlichkeit, sodaß er, wenn man ihn neben das Ungeheuer in den Curiositätenladen gesezt hätte, unbedingt

für ein Kunstwerk angesehen und vielleicht für theueres Geld gekauft worden wäre. Da er leider kein Kunstwerk war, rentirte sich sein Aeußeres schlecht und wurde die Veranlassung, daß er, der ganz und gar das Zeug zum guten Familienvater hatte, einsam durchs Leben ging. Das Mädchen, dem er in jungen Jahren sein Herz geschenkt und seinen Reichthum zu Füßen gelegt, hatte beides verschmäht. „Der gute Mr. Benyon! Er ist ja ein braver Bursche und eine glänzende Partie dazu, aber - ich bitte dich er hat eine Physiognomie wie das japanische Gözenbild, das wir neulich in der Kunstausstellung fahen! Dergleichen macht sich ja in Porzellan, auf dem Kaminsims, recht gut, es aber lebenslang in Fleisch und Blut, bei dem eigenen Ehemanne vor sich sehen zu sollen Buh! Dazu fehlt einem der Muth!" So hatte sich die junge Dame im Vertrauen gegen ihre beste Freundin geäußert und diese man weiß ja, wessen beste Freundinnen" fähig sind denkwürdigen Ausspruch im Wortlaut an die rechte Adresse befördert. Damals meinte Mr. Benyon daran zu Grunde gehen zu müssen; heute, da sein Haar grau zu werden begann, vermochte er darüber zu lächeln - ein ernstes, philosophisches Lächeln und nickte dem Ungeheuer, dem er sich durch die Erfahrung seines Jugendlebens fast verwandt fühlte, wie einem Wesen von Fleisch und Blut zu. Dann trat er spornstreichs in den Curiositätenladen und fragte die anmuthige junge Verkäuferin, die wie eine verzauberte Prinzessin inmitten ihrer märchenhaften Umgebung vor sich hinträumte, in seinem ge= brochenen Deutsch nach „die Preis von die japanische monster dort!"

"

den

Die Antwort, daß ein Ungeheuer dieser Art sechzig Mark koste, jenes Exemplar aber als permanentes Schaustück im Laden verbleiben müsse und unverkäuflich sei, befriedigte ihn ganz und gar nicht, obschon ihm die junge Dame schnellste Ausführung seines Auftrages versprach.

"

„Ich uill haben diese Ding! Just that one!" sagte er eigensinnig. Ularum Sie kann nicht bleiben zuei Tag ohne ihm, bis die andere monster hier sein?" Schließlich trug seine Beharrlichkeit den Sieg davon. Der Kauf ward abgeschlossen und Mr. Benyon davon unterrichtet, daß das monster nicht lediglich ein Zierstück sei, sondern nebenher dem praktischen Zwecke der Zimmerräucherung diene; sein Kopf sei abzuheben und das ins Glimmen gebrachte japanische Räucherband, das als Zubehör beigegeben wurde, in seinen Leib zu versenken. Sodann kräusele sich der Rauch überaus lustig aus Rachen und Nasenlöchern des Ungeheuers hervor.

Mr. Benyon nickte befriedigt, ersuchte um schleunige Verpackung seines Schaßes, den er sogleich selbst mit sich nehmen wolle, und trollte auch wirklich gleich darauf, troß des Protestes der Verkäuferin, mit einem großen Packet unter jedem Arm der „Rose“ zu.

Schon auf der Treppe empfing ihn sein vortrefflicher, aufmerksamer Kammerdiener John Cattle und nahm mit dem schwächsten Anfluge von Erstaunen auf seinem feisten Gesicht seines Herrn Bürde auf sich.

„Laß ihn nicht fallen, John!" mahnte Mr. Benyon. „Er ist ein außerordentlich netter Bursche, wie du sogleich sehen wirst."

John Cattle, der Superlativ eines wohlerzogenen Factotums, wußte, daß es ihm nicht zukam, eine andere Meinung zu haben als sein Gebieter; deshalb widersprach er auch nicht, als das Ungeheuer auf dem Tische stand und ihn herausfordernd angrinste. Aber er warf ihm hinter dem Rücken Mr. Benyon's einen mistrauischen, keineswegs freundlichen Blick zu, bevor er kopfschüttelnd das Zimmer verließ. Mr. Benyon zog seelenvergnügt eine gute Habana aus der Tasche und ging, nachdem er sie in Brand gesetzt hatte, daran, seinen neuen Freund gleichfalls rauchen zu lassen. Da fesselte ein in der geräumigen Bauchhöhlung des Ungeheuers liegendes zusammengerolltes Papier seine Aufmerksamkeit. Halb mechanisch begann er es zu entfalten, dann nahmen seine ruhigen, etwas müden Züge plößlich einen lebendigen, gespannten Ausdruck an. Das Blättchen erwies sich als eine Art Brief, der in englischer Sprache abgefaßt war. Wie in aller Welt mochte es in den Bauch des monster gerathen sein? Keinesfalls ließ sich annehmen, daß das sonderbare Schriftstück discrete Mittheilungen enthielt, und so nahm Mr. Benyon nicht weiter Anstand, es zu lesen.

„Theuerer Fred!

Dieses ist der dritte und wirklich letzte Brief, den ich Dir auf diese gefährliche Weise zukommen lasse. Abgesehen davon, daß die hübsche junge Dame in dem Laden unser Geheimniß entdecken oder gar, daß das japanische Ungeheuer, obwol man es uns als unverkäuflich bezeichnet hat, von seinem Plate entfernt werden könnte, was noch schlimmer wäre abgesehen davon, sage ich, verbietet sich für die Zukunft das Experiment, da Madame nun schon gar nicht mehr von meiner Seite weicht und jede meiner Bewegungen mit Argusaugen überwacht; wahrscheinlich auf Papas Befehl, um eine zweite Begegnung mit Dir zu verhüten. Ich kann keine Zeile schreiben, keinen Weg zum Briefkasten thun ohne Madames Wissen. Mabel kann uns auch nicht helfen, obwol sie viel von Dir hält und mit mir unter der Nothwendigkeit unserer Trennung leidet.

Mr. Corks ist jetzt in Wiesbaden eingetroffen, auch im „Englischen Hof“ abgestiegen und mein Tischnachbar an der Table d'hôte. Wahrscheinlich werde ich nun bald vor die Entscheidung gestellt werden, da Papa ihn ermuthigt. Und wenn ich Papas und Mabel's kummervolle Gesichter ansehe und an die Zukunft dieser Geliebten denke, so erscheint es mir beinahe als Pflicht, das Meinige zur Aufklärung ihres Lebenshimmels zu thun, wenn auch mein Glück dadurch vernichtet wird! . .

Wir bleiben noch vier Wochen in Wiesbaden, da Mabel elektrisirt wird; versuche es aber nicht, mich noch einmal zu sehen. Es würde uns beiden den Abschied nur schwerer machen.

Lebe wohl, Fred! Lebe wohl für immer! Ich werde Dich nie vergessen! Lucy."

"

Mr. Benyon las den Brief zweimal hintereinander. „Was geht diese traurige kleine Epistel mich an?" fragte er das japanische Ungeheuer. Was dachtest du dir dabei, sie mir in deinem Bauche mitzubringen, old fellow?" Das Unding antwortete nicht, und das war wirklich gut; welche unirdisch gräßliche, schauerliche Stimme mußte es haben!

Mr. Benyon dachte während seines einsamen Diners und sogar während der darauffolgenden Siesta im verdunkelten Zimmer fast ununterbrochen an diese unbekannte, heroische kleine Lucy, die sich opfern wollte! Und in der Nacht schlief er besser als seit langem, weil er sich tagüber nicht so mörderlich gelangweilt hatte.

[ocr errors]

War es nicht vielleicht ganz unterhaltend, einmal drüben im „Englischen Hof“ zu diniren und sich die bewußte Gesellschaft ein bischen zu betrachten? Es konnte nicht schwer sein, Miß Lucy nach allen Einzelheiten ihres Briefes herauszuerkennen. Gedacht, gethan. Mr. Marmaduke Th. Benyon, Esq., speiste am folgenden Tage im Englischen Hof". Das Essen war gut, die Tischgesellschaft mosaikartig zusammengesetzt wie überall. Mr. Benyon musterte sorgfältig Kopf auf Kopf, und dabei gelangte er an ein blasses, schönes Mädchengesicht mit schwermüthigen Gazellenaugen, von dem er sich sagte: ,,Das könnte Lucy sein." Aber dann gewahrte er, daß die junge Dame in einem gepolsterten Sessel saß, neben dem zwei Krücken lehnten. Der stattliche, vornehm aussehende Gentleman zu ihrer Linken mußte ihr Vater, die rechts von ihr sizende, offenbar kaum dem Backfischalter entwachsene Blondine, deren reizendes, blendendfrisches Gesichtchen den Glanzpunkt der Tischgesellschaft bildete, ihre Schwester sein; alle drei verband eine unverkennbare Familienähnlichkeit. Mr. Benyon war nun ziemlich gewiß, in der blonden jungen Schönheit die heroische Lucy gefunden zu haben; an ihrer Seite saß ein stußerhaft gekleideter junger Mann, der unaufhörlich schwazte, ebenso unaufhörlich seinen kleinen, weißblonden Schnurrbart mit den Fingern bearbeitete und dazwischen aus großen, hellblauen Fischaugen selbstgefällige Blicke um sich warf, die zu sagen schienen: Seht mich an! Ich bin der reiche Mr. Corks! Ich kann mir alles kaufen, was mein Herz begehrt, auch dieses schöne Mädchen an meiner Seite, dessen Augen heller als meine Diamanten strahlen! Seht mich an!

"

Mr. Benyon reimte sich das alles hinter seiner Flasche Lafitte so nett zusammen, als ob er ein Romanschreiber gewesen wäre. Die lezten Zweifel an der Richtigkeit seiner Vermuthungen schwanden, als er schließlich nach beendeter Tafel ein hageres, ältliches Wesen neben dem Sessel der leidenden jungen Dame auftauchen sah, in dem er instinctiv Lucy's Argus, die wachsame „Madame", offenbar ein Mittelding zwischen Gesellschafterin und Kammerfrau, errieth. Es belustigte ihn, alle so hübsch beieinander zu haben alle, mit Ausnahme des ,theuern Fred", dem es ja verboten war, noch einmal in Miß Lucy's Nähe zu kommen. Nun, den konnte er sich auch nicht suchen, konnte überhaupt nichts weiter thun als seinen Hut nehmen und seiner Wege gehen. Sein Antheil an dem „Roman", der ihn so angenehm über den Schneckengang der Zeit hinweggetäuscht hatte, war aus. Oder nicht? Durfte er etwa als ehrlicher Mann das durch ein seltsames Zufallsspiel in seine Hände gelangte Schriftstück behalten und die armen Liebesleute in quälender Ungewißheit über den Verbleib des japanischen Ungeheuers und des diesem anvertrauten Briefchens zu lassen? Nein, das durfte er nicht! Besonders jetzt nicht, nachdem er der Sache nachgespürt hatte und überzeugt war, die Eigenthümerin ermittelt und von Angesicht zu Angesicht gesehen zu haben!

Wie aber an die sorglich bewachte Lucy herangelangen und ein Gespräch ohne Zeugen mit ihr ermöglichen?

Mr. Benyon überlegte sich das abends in seinem Zimmer; er rauchte, und das japanische Ungeheuer rauchte auch und grinste vergnüglich und sah ganz so aus, als wisse es Rath. Der schwache, fremdartige Wohlgeruch, den es ausströmte, versezte Mr. Benyon in eine Art Halbschlaf, während dessen es ihm war, als sei er nicht mehr allein im Zimmer, als neige sich ein schönes, blasses Antlig mit traurigen, braunen Augen zu ihm nieder, als flüstere eine sanfte Stimme: „Du könntest uns helfen, wenn du nur wolltest, guter Tom Benyon, denn du hast ein warmes Herz, wenn du auch wie ein japanisches Gözenbild aussiehst.“

Das war doch wirklich eine curiose Geschichte! Was gingen ihn die fremden Leute an, daß er sogar von ihnen'

träumen mußte? Er mußte sehen, den Brief baldmöglichst loszuwerden, damit sein Gewissen wieder frei ward! diesem Gedanken begab er sich zur Ruhe.

"

Mit

Gleich am folgenden Nachmittag fand denn auch Mr. Benyon einige der Romanfiguren" im Curgarten wieder. Er hatte sich die Familie im Fremdenblatt aufgesucht und kannte nun ihren Namen. Sir James Clifton von Clifton-Abtei so nannte sich Lucy's gestrenger Papa promenirte mit seinem zukünftigen Schwiegersohn, Mr. Corks, auf der Wandelbahn am Concertplatz. Von der reizenden Romanheldin selbst und von Madame" war vorläufig nichts zu sehen, wol aber entdeckte Mr. Benyon beim Durchschlendern der einsamen Parkwege ganz plötzlich Lucy's ältere Schwester. Miß Clifton saß heute in einem Fahrstuhl; auf ihrem Schose ruhte ein geöffnetes Buch, aber sie las nicht, sondern schaute gedanken= voll vor sich hin, und ihr feines, durchgeistigtes Antlitz trug dabei einen so schmerzlichen Ausdruck, daß der stille Beobachter beinahe aus Zartgefühl das Vorübergehen an ihrem einsamen Platz vermieden hätte. Da aber kam ihm plötzlich seine Vision vom verflossenen Abend in den Sinn und erschien ihm wie eine Mahnung, den günstigen Augenblick zu benußen. Warum sollte er das Briefchen nicht ebensowol an Mabel abliefern, die nach Lucy's eigener Aussage dem,,theuern Fred" gleichfalls gewogen war und den kleinen Liebesroman offenbar begünstigt hatte?

Entschlossen trat er näher. „Miß Clifton, wenn ich nicht

irre?"

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][ocr errors]

Hastig, peinliches ahnend, nahm sie das Blättchen in Empfang und entfaltete es mit leicht bebender Hand. Während des Lesens stieg ein schwaches Roth in ihre blassen Wangen, und als sie dann aufschaute, lag so viel Bestürzung und Kummer in ihren Blicken, daß Mr. Benyon sich veranlaßt fühlte, ihr ein beruhigendes Wort zu sagen. Der Brief ist nur Ihnen und mir bekannt, Miß Clifton!" ,,Gleichviel. Es ist schon schlimm genug, daß er überhaupt geschrieben ward," entgegnete sie mit einem Anflug von Stolz in Blick und Stimme. Und demüthigend genug für uns, daß Sie ihn kennen. Dürfte ich vielleicht erfahren, wie er in Ihre Hände gelangte, Mr. Benyon?"

"

Das durfte Miß Mabel. Er nahm auf der Bank neben ihrem Fahrstuhle Platz und schilderte ihr das kleine Erlebniß genau, wie es sich zugetragen, ohne zu verschweigen, auf welche Weise er sich über die Person der Briefschreiberin zu orientiren versucht hatte. Als sein Bericht beendet war, wußte Miß Mabel neben allem übrigen auch, daß sie es in Mr. Benyon mit einem Manne von Bildung und Zartgefühl zu thun hatte, bei dem sich Verstand und Gemüth harmonisch ergänzten. Sie konnte nicht umhin, ihn häßlich zu finden, aber seine ausdrucksvolle Häßlichkeit gefiel ihr besser als die nichtssagende Schönheit anderer Männer ihrer Bekanntschaft, und sie wünschte lebhaft, er möge aus Lucy's Briefe feine falschen Schlüsse gezogen haben, kein ungünstiges Bild von ihnen allen, insbesondere von ihrer thörichten jungen Schwester, mit fortnehmen.

Lassen Sie mich Jhnen einige Aufschlüsse geben, bevor wir auseinandergehen, Mr. Benyon," sagte sie daher, zur Ergänzung desjenigen, wovon der Zufall Sie auf so eigenthümliche Weise in Kenntniß sette. Es handelt sich bei meiner Schwester Lucy und dem Lieutenant von Hellwald um eine ernste Neigung. Wir lernten den Herrn hier in Wiesbaden, wo er gleich uns zur Cur weilt, kennen und schäßen; mein Vater würde ihn unbedenklich in unsere Familie aufnehmen, wenn nicht wenn sich nicht neuerdings unsere Verhältnisse"..

[ocr errors]
[ocr errors]

Mr. Benyon verhinderte die Sprecherin durch eine ausdrucksvolle Geste am Weiterreden. Halten Sie ein, Miß Clifton! Ich besitze kein Recht darauf, mehr zu hören, und es bedarf dessen wahrlich nicht, um mich zur richtigen Erkenntniß der Sachlage gelangen zu lassen. Etwas anderes wüßte ich aber gern: Ob es denn in der That unmöglich ist, den jungen Leuten zu einer glücklichen Vereinigung zu verhelfen?"

Miß Mabel lächelte trüb. Sie sind sehr gütig, Mr. Benyon. Es ist wirklich keine Hoffnung. Lucy und Hellwald müssen sich ins Unabwendbare schicken. Wir müssen es alle."

Damit war ihre Unterredung eigentlich beendet. Mr. Benyon erhob sich, um den traulichen grünen Winkel, in dem sie wie ein Paar alte Freunde nebeneinander gesessen hatten, zu ver lassen.

[ocr errors]

Eins noch, Miß Clifton: ich würde gern den Lieutenant von Hellwald aufsuchen und ihn gleichfalls über das Schicksal des für ihn bestimmten Briefes aufklären. Autorisiren Sie mich dazu?"

Miß Mabel überlegte einige Augenblice. Vielleicht wäre es gut," sagte sie dann. ,,Vielleicht ersparte es ihm wie uns schmerzliche Weiterungen. Thun Sie denn, was Ihren geboten erscheint. Lieutenant von Hellwald wohnt im Kölnischen Hof". Ich werde ihn noch heute aufsuchen. Leben Sie wohl, Miß Clifton."

"

"

Einer schnellen Eingebung folgend, streckte sie ihm die Hand hin. Warmen Dank für alles, Mr. Benyon! Sie kamen und verschwinden wie ein guter Zauberer! Ich würde mich freuen, Ihnen im Leben wieder zu begegnen."

Und wenn das letztere nur eine freundliche Phrase war, er fühlte sich angenehm davon durchwärmt. Es klang in ihm nach, während er als einsamer Nautilus inmitten des rastlos

beweglichen, geräuschvoll im Curgarten auf- und niederflutenden Menschenmeeres umberschwamm, und es nahm seiner Verlassenheit viel von ihrer Bitterkeit.

Sir James Clifton promenirte noch immer- oder schon wieder auf dem Concertplaß, jetzt am Arm seiner jüngsten Tochter, an deren anderer Seite Mr. Corks einhertänzelte. Miß Lucy sah gar nicht aus, als sei diese Promenade nach ihrem Geschmack. Ernst und wortkarg schritt sie zwischen den Herren hin; nur bisweilen hoben sich die langen Wimpern, und ein rascher, forschender Blick überflog gleichsam suchend die Menge.

Während Mr. Benyon aus einiger Entfernung diese Beobachtungen anstellte, sah er plötzlich die frische Rosenfarbe auf den Wangen seiner Romanbeldin erbleichen und entdeckte, der Richtung ihres eigenartig starr gewordenen Blides folgend, sofort die Ursache der Veränderung.

Zweifellos war der große, brünette junge Mann, der soeben grüßend den Hut lüftete, der, theuere Fred"! Sir James' Gegengruß fiel äußerst gemessen aus, während Lucy in den ihren einen Ausdruck legte, den Mr. Benyon besser als der junge Offizier verstand: Warum kreuzest du troß meines Verbotes nochmals meinen Weg und erschwerst uns dadurch das ohnehin so schmerzliche Entsagen?

Armer Bursche! Er wußte nichts von dem Verbot, nichts von dem ganzen Brief, den sie längst in seinen Händen wähnte; daher sprachen seine Blicke Schmerz und Groll und eine vorwurfsvolle Frage aus, deren ernste Dringlichkeit Miß Luch offenbar tief bewegte und sogar dem unbetheiligten Zuschauer zu Gemüth ging.

Lieutenant von Hellwald vermied es, seiner Angebeteten zum zweiten mal auf der Wandelbahn zu begegnen, allein er beobachtete sie mit düsterem Gesicht aus der Ferne, ohne zu ahnen, daß er selbst von einer dritten Person nicht minder scharf aufs Korn genommen wurde.

Nach Schluß des Concerts verließen die Cliftons sogleich den Curgarten, während Hellwald offenbar unschlüssig zurüdblieb und sich schließlich dem innern Park zuwandte. Wenn er gedacht hatte, sich hier, inmitten der stillen, reizvollen Natur, ungestört seinem Kummer hingeben zu dürfen, so wurde diese Hoffnung gründlich vereitelt, denn der Verfolger war ihm bereits auf den Fersen. Mr. Benyon hatte sich vorgenommen, innerhalb der nächsten halben Stunde auch mit dem,,theuern Fred" ins Klare zu kommen, und so vertrat er denn dem jungen Herrn zu dessen äußerstem Befremden kurzweg den Weg. Ich habe wol die Ehre, Herrn Lieutenant von Hellwald vor mir zu sehen?"

Der Offizier verneigte sich gemessen. dienen?" fragte er in gutem Englisch.

"

Womit kann ich

Zunächst damit, daß Sie mich ohne Mistrauen betrachten. Ich bin Jhnen fremd, allein ich komme als Freund, quasi als Abgesandter einer jungen Dame, deren Namen ich kaum zu nennen brauche."

[blocks in formation]
[ocr errors][merged small]

Jezt stieg eine heiße Röthe in das schmale, dunkle Gesicht des theuern Fred". Seine Augen flammten in zorniger Erregung auf, und er schien eine heftige Entgegnung auf den Lippen zu haben, doch ließ Mr. Benyon diese nicht zum Ausbruch gelangen. Wir müssen beide ruhig bleiben, Herr von Hellwald," sagte er gemüthlich, denn ich habe Ihnen Dinge von Wichtigkeit mitzutheilen. Wollen Sie mir noch eine Viertelstunde schenken? Und wollen Sie diese mit mir in jenem grünen Neste dort oben, in der Dietenmühle, bei einem Glase Wein verbringen? Es muß Ihnen doch selbst darum zu thun sein, zu erfahren, wer ich eigentlich bin, und was ich von Ihnen will!"

Das war nun allerdings nicht zu bestreiten. Auch ver fehlten die gentlemanische Erscheinung und das freimüthige Wesen Mr. Benyon's ihren Eindruck auf den jungen Kriegsmann nicht. So willigte er, obschon noch mit einiger Steifheit, ein. Sie wählten sich innerhalb des von Curgästen vielbesuchten, tief in Grün gebetteten Garteneilandes ein möglichst isolirtes Plätzchen, und hier holte denn Mr. Benyon, als der topasfarbene Rauenthaler in den Gläsern funkelte, die seinerseits bisher vernachlässigte Pflicht der Vorstellung nach. Sodann erfuhr Lieutenant von Hellwald, was einige Stunden zuvor Miß Clifton erfahren hatte, und danach thaute denn auch der „theuere Fred" ein bischen auf. „Sie haben mich durch Ihre Mittheilungen aus einer wirklich recht. peinlichen Lage befreit, Mr. Benyon," sagte er. „Ich war es nämlich, der Lucy den allerdings abenteuerlichen Vorschlag mit dem japanischen Ungeheuer machte. Und die Sache glückte zweimal so prächtig! In jenem Laden gibt es viele, zum Theil billige Sächelchen zu kaufen, und so konnten wir ihn wiederholt betreten, ohne aufzufallen. Dabei wurde dann immer wieder das ganz im Vordergrund stehende Ungethüm genau in Augenschein genommen, woran die Ladeninhaberin kein Arg hatte, da dieser Kunstgegenstand zu den meistbewun= derten gehört.

Sie sagte uns, und in unserem Beisein noch andern, daß dieses Exemplar des seltenen und werthvollen Imari-Gözen unverkäuflich und nur als Muster seiner Gattung hier auf: gestellt sei. Sie können sich nun mein Erschrecken vorstellen, als ich eines Tages den bisher von dem Ungeheuer eingenommenen Platz leer fand und vernahm, daß unser Liebling" soeben an einen englischen Herrn verkauft worden sei, indeß baldigst durch ein gleiches Eremplar ersetzt werden solle!

Was nühte mir das gleiche Exemplar? Wo war der Brief hingerathen, den ich gerade heute im Innern unseres porzellanenen Verbündeten hatte finden sollen? Es gelang mir

[blocks in formation]

,,Und die Cliftons, sind sie ganz vermögenslos?"

„Vor Jahr und Tag waren sie es nicht. Gegenwärtig aber steht Sir James auf dem Punkte, seinen schönen alten Familiensitz in Südwales, Clifton Abtei, veräußern zu müssen. ,Stand" auf dem Punkte sollte ich sagen, da jetzt wahr scheinlich alles eine neue, günstigere Wendung nimmt." ,,Durch den braven Mr. Corks, meinen Sie ?" Hellwald antwortete nur durch einen Seufzer, der wie Stöhnen klang; seine Finger arbeiteten unbarmherzig an der Zerstörung des Veilchenstraußes, der vordem sein Knopfloch geziert hatte.

[Schluß folgt in nächster Nummer.]

[graphic]

Frau Helene Casimir-Perier.

Die erste Bürgerin Frankreichs.

Während in monarchischen Staaten die Person der regierenden Häupter und ihrer Gemahlinnen im Vordergrunde der Tagesgeschichte steht, gilt dies im bürgerlichen Frankreich nur für den Präsidenten der Republik. Seine Gemahlin wird dagegen höchstens in Verbindung mit Werken der Mildthätigkeit öffentlich genannt, und in den Auslagen der Kunsthändler sieht man wol das Bild Casimir - Perier's, aber niemals das von Frau Helene Casimir-Perier, seiner Gemahlin. Auch das Bildniß der Madame Carnot ist eigentlich erst nach dem Tode des Präsidenten in weitern Kreisen bekannt geworden. Nach einem Grunde hierfür zu fragen, ist niemand eingefallen; vielleicht gab es auch that sächlich keinen. Bei Frau Casimir - Perier gibt es freilich einen Grund. Man weiß, daß sich die Dame das Ausstellen ihrer Photographien geradezu verbeten hat. Die einen behaupten: wegen der Anarchisten, damit ihr Bild nicht zu bekannt werde; die andern: sie wolle sich erst bei einer feierlichen Gelegenheit porträtiren und dem Publikum vorführen lassen. Der Hauptgrund ist jedoch, daß Frau Casimir-Berier eine stille Familienzurückgezogenheit bevorzugt und des halb keineswegs mit der hervorragenden Stellung, die ihr Gemahl einnimmt, so ehrenvoll diese auch ist, im Grunde ihres Herzers einverstanden ist. Sie würde es viel lieber sehen, auf einem ihrer Schlösser der Erziehung ihrer beiden Kinder, eines Knaben und eines Mädchens, zu leben, als sich und ihren Mann mitten in der Brandung der politischen Hochflut zu wissen. Und doch ist Frau Perier eine schöne, Lebenslustige und reiche Frau. Sie liebt das Theater und wird häufig in ihrer Loge in der Comédie Française gesehen. Gründlich gebildet und von großer Intelligenz, besißt sie vor allem den Geist des Jahrhunderts, aus dem sich eine start ausgeprägte Vorliebe für Sport aller Art ergibt. So ist sie auch eine gewandte Radfahrerin.

Aus ihren blauen Augen spricht ein tiefes Gemüth. Diese Haupttugend des Weibes nimmt nicht weiter wunder, fließt doch in ihren Adern auch deutsches Blut. Ihr Großvater, Scipion Perier, der Bruder des großen Ministers Ludwig Philipp's, Casimir-Perier's, von dem sich der Name Casimir-Perier als Familienname herschreibt, hatte ein Frl. v. Dietrich geheirathet. Diese stammte aus einer angesehenen Familie des Elsaß. Helene, die Gemahlin des Präsidenten, ist die Lochter Edouard Casimir Joseph Perier's, des Besizers der großen Eisenwerke in Abbeville, und die entfernte Base ihres Mannes. Erich Körner.

[graphic]

Moden.

Empfangstoiletten.

[ocr errors]

Die Toiletten, in denen die Dame des Hauses bei Gelegenheit von fleinern oder größern Gesellschaften ihre Gäste zu empfangen hat, sollen sich dem guten Ton gemäß mehr durch eine geschmackvolle, elegante Einfachheit als durch Kostbarkeit oder irgendwelchen Prunk auszeichnen, da die Hausfrau sich's zur Regel machen muß, es ihren Gästen hinsichtlich der Toilette nicht etwa zuvorzuthun. Unsere Abbildungen bieten einige hübsche, namentlich für kleinere und intimere Gesellschaften, Thee- und Musikabende, aber auch für feinere Diners u. dergl. passende Empfangstoiletten. Fig. 1 ist ein elegantes Kleid aus seinem platingrauem Tuch mit

Die Haarenden werden zu Lödchen gebrannt, die aus dem Knoten hervorquellen eine Mode, die schon vor zweitausend Jahren bei den ichönen Frauen in Athen und Rom üblich war. Blonde Haare scheinen in Paris noch immer moderner und mehr an der Tagesordnung zu sein als braune; die so lange begünstigten rothen Haare sind jedoch im Augenblick nicht beliebt, dagegen jene künstlichen Färbungen, die den Haaren einen röthlichbraunen Refler geben, sehr im Schwung, denn Mahagonibraun mit einem warmen röthlichen Schimmer ist die neuste Modefarbe für die Frisur oder vielmehr für das Haar, und bald wird man all die jezt noch im schönsten Goldblond prangen den Köpfe zu diesem eigenartigen Rothbraun übergehen sehen. Falsche Haare werden in Paris im Augenblick gar nicht getragen, höchstens die oben erwähnten kurzen, aus dem Haarknoten hervorragenden Löckchen läßt man bisweilen zur Schonung des eigenen Kopfschmucks fertig vom Friseur liefern.

[graphic]
[ocr errors]

In welcher Weise man

Elegante Winterjackets. die eleganten anschließenden Winterjackets neuerdings mit Pelzbesaß, Passementeriegalons und Soutacheverzierungen auspußt, ersieht man auf den nachstehenden Abbildungen. Fig. 1 ist ein Jacket aus dunkel= blauem Tuch mit Besaß von Biberpelz und schwarzen Passementeriegalons. Im Rücken und bei den Seitentheilen sind die Schöfe angesezt, den Vordertheilen sind sie im ganzen angeschnitten; der Stehkragen

[graphic]
[merged small][merged small][graphic]

Fig. 1. Graues Tuchkleid mit reichem Passementerieauspuh.

Auspuß von grauer, golddurchwirtter Passementerie, die rings um den Rocksaum läuft und ebenso an dem von der linken Seitennaht ausgehenden und auf der rechten Hüfte in einer Drapirung verlaufenden schürzenartigen Ueberwurf in die Höhe steigt. Die glatt anliegende, unter dem linken Arm geschlossene Taille wird von einem faltigen grauen Sammtgürtel umgeben und ist mit einem reichen Besaß von Passementeriegalons verziert; auch der Stehkragen und der kurze

Fig. 1. Winterjacet aus dunkelblauem Tuch mit Pelz- und Galonbesat.

und der Randeinfaß der Vordertheile sind aus Biberpelz hergestellt, während vornherunter zu beiden Seiten des Pelzwerkes Arabesten von Galons aufgesetzt sind, die sich auch auf dem untern Theil der Keulenärmel und auf dem Rücken wiederholen. Fig. 2 veranschau= licht ein sehr leidsames Jacket aus lederbraunem Tuch mit schwarzer Soutachestickerei und Pelzbesaß. Die mit Pelzwerk und schwarzer Liße eingefaßten Vordertheile sind mit sehr originellen Soutachestickereien in Form einer nach oben in runde Koppen auslaufenden Garbe ge= schmückt, und der gleiche Auspuß ist auch in der Mitte des Rückens und über dem Pelzbesaß der Aermel angebracht.

[graphic]
[graphic]
[merged small][merged small][ocr errors]

Fig. 4. Kleid aus heliotrop und grün changirender Seide mit
Moirébandauspuh.

Empfangstoiletten.

Seidenkleid, über dessen Rock zu beiden Seiten Schärpen von schwarzem
Atlasband herabfallen, die oben an der Taille durch Jetschnallen be-
festigt sind. Die vorn in der Mitte unter einem schmalen spißigen Laz
von schwarzem Atlasband geschlossene Taille ist mit einem Koller und
Stehkragen von strohgelbem Sammt versehen; den Koller bedecken
schmale Jetgalons, und unterhalb des Kollers laufen zwei Atlas-
draperien zusammen, neben denen reiche Besäße und Gehänge von Jet=
passementerien angebracht sind. Die bauschigen Ballonärmel verlaufen
in anschließende, mit Jetgalons beseßte Stulpen. Das aus heliotrop
und grün changirendem Seidenstoff bestehende Kleid Fig. 4 ist bei weitem
einfacher gemacht. Ueber den glatten Rod fällt links vom Gürtel
herab eine in Schleifen endigende Schärpe von heliotropfarbigem
Motréband; die unter den Rod tretende Taille hat Achselbänder und
einen Stehkragen von gleichem Moiréband und ist mit Epauletten und
Rosetten von weißer Guipurespige verziert; auch die weiten Aermel-
puffen werden durch Spizenrosetten zusammengefaßt.

Die neusten Frisuren. Nach einem von den
hervorragendsten pariser Haarkünstlern gefaßten Beschluß sollen die
zwanglosen, leichtgewellten Damenfrisuren auch während der Wintersaison
beibehalten werden, wobei ein Fachmann erklärte, daß die jeßige Haar-
tracht eigentlich gar nicht mit dem Namen Frisur bezeichnet werden
könne, da von einem kunstvollen Aufbau keine Rede sei. Man gibt
dem Haar eben nur einen welligen Fall, fämmt es leicht nach rüd-
wärts und dreht es zu einem lojen Knoten, der tief im Nacken be-
festigt wird, wenn es sich darum handelt, für den Hut Plaz zu
schaffen, während es zu den Abendfrisuren höher aufgesteckt wird.

Für die Redaction verantwortlich: Franz Metsch in Leipzig.

Henneberg-Seide

Fig. 2. Jacket aus lederbraunem Tuch mit Soutachestickerei und Pelzbesah.
Elegante Winterjackets.

Das Knopflochsträußchen scheint bei der eleganten Männerwelt mehr und mehr abzukommen, wenigstens sieht man bei allen Herren der pariser Gesellschaft keinen Frad mehr mit der traditionellen Gardenia oder mit der modernern weißen Riesennelle geschmückt; höchstens wird noch zur Promenadentoilette ein bescheidenes Veilchensträußchen im Knopfloch des Ueberziehers getragen. Der für die Abendgesellschaften bestimmte schwarze Frad hat neuerdings meist einen Fragen mit aus dem Ganzen geschnittenen verrundeten ShawlRevers von schwarzem Sammt, wobei sich nicht gut ein Knopfloch anbringen läßt, und so hat man vorläufig den beliebten Blumenschmuc aufgegeben oder vielmehr den Damen überlassen, die einen desto ausgiebigern Gebrauch davon machen und so viele Blumen an ihren Ball- und Abendkleidern anbringen, als nur irgend thunlich ist. Auch das Haar wird wieder mit Blumentuffs geziert, während in den lezten Jahren höchstens kleine Bandschleifen oder Schildkrotnadeln in der Frisur angebracht werden durften.

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

Nur ächt, wenn direkt ab meiner Fabrik bezogen― Seiden-Fabrik G. Henneberg, Zürich (K. u. K. Hoflieferant),

« ZurückWeiter »