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Auf unsere Entgegnung, daß dieses Verfahren aus mehr als einem Grunde vernunftwidrig und höchst gefährlich sei, bemerkte er, daß er beauftragt sei dem Kaiser in diesem Sinne zu berichten, und bat uns diese ihre Absicht nicht zu durchkreuzen. Auch redete er so in unserer Gegenwart mit dem Kaiser wohl eine halbe Stunde, doch in devoter Weise. Aber der Kaiser, dieser edle und fromme Herr, der ganz allein in dieser Sache seinen Standpunkt unerschütterlich festgehalten hat, antwortete ihm, daß er nicht ein Jota an seiner Entschließung ändern werde und daß er von einem weiteren Verhöre vor dem Kaiser selbst oder vor einem seiner Räte durchaus nichts wissen wolle; die Fürsten würden gut thun ihrem Versprechen gemäß einmütig seinem kaiserlichen Ratschlusse zu folgen.

Diese Erklärung Kaiserlicher Majestät vernahmen die Kurfürsten unter großer Bewunderung solchen Mutes und solcher Festigkeit; aber der Einfluß und die Verschlagenheit des Sachsen zeigten sich so mächtig, daß ein Gesuch der Stände an den Kaiser zustande kam, in welchem es hieß, es erscheine ihnen im Interesse der Sache rätlich, Luther noch einmal zu verhören und zum Widerrufe aufzufordern: wenn er sich dann noch weigere, würde sich keiner mehr gegen seine Verfolgung sträuben können und man würde dann in allen Stücken Kaiserlicher Entscheidung ge= mäß verfahren.') Der Kaiser schrieb ihnen darauf [am 22. April], daß er an seiner Meinung nichts ändern werde; wenn sie den Martin zum Widerruf bestimmten, wozu er ihnen drei Tage Frist gebe, werde er beim Papste Fürbitte für ihn einlegen; doch lehnte er ab sich in Person oder durch einen Vertreter an dem Verhöre zu beteiligen. Inzwischen spielten sich so viele

1) Diese französisch abgefaßte Erklärung bei Balan Nr. 71. Die Stände motivieren ihren Wunsch, daß Martin noch einmal durch drei oder vier würdige und in der Schrift wohlbewanderte Männer über seine Jrrtümer belehrt werde, damit, daß derselbe ja erklärt habe, wie er bereit sei zu widerrufen, wenn er durch klare Gründe des Jrrtums überwiesen werde; er solle nicht sazen, daß ihm die beanstandeten Artikel gar nicht vorgelegt seien; auch dürfe das gemeine Volk, welches den Dingen ferner stehe, nicht die Meinung fassen, daß Martin ungehört verdammt sei; endlich erinnern die Kurfürsten und Stände den Kaiser an das Wort der Bibel: „Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe“.

Intriguen gegen uns ab, enthüllte sich uns von Stunde zu Stunde soviel Lug und Trug, daß wir mehr als einmal das völlige Scheitern unseres Werkes vor Augen sahen, da man allgemein den Lutheranern die Absicht zuschrieb, in diesem Verhör Luther zum Widerruf einiger für die Kaiserlichen anstößigen Punkte zu bestimmen, aber die Beschwerden über den Papst alle aufrecht zu erhalten. Damit würde man die öffentliche Meinung für Luther wiedergewonnen haben, die er sich durch seine unverschämte Verwerfung des Konstanzer Konzils schon stark entfremdet hatte, und der Gehorsam gegen den Kaiser wäre dabei außer Acht gelassen worden; unter diesen verdrießlichen Umständen tröstet uns außer der wie immer zuverlässigen Haltung des Kaisers besonders der Umstand, daß seine Erklärung dem Papste schon übersandt ist, so daß man sich durch Verlegung derselben schwer blamieren würde.

Aber auch bei einem andern Ereignis hat uns Gott seine Hilfe geliehen. Am 24. dieses Monats versammelten sich in der Wohnung des Erzbischofs von Trier im Namen der Kurfürsten der Kurfürst von Brandenburg, ferner die Bischöfe von Augsburg und Brandenburg im Namen der geistlichen, Herzog Georg von Sachsen und der Markgraf von Baden im Namen der Laienfürsten und einige andere Personen im Auftrage der Städte.1) Martin Luther wurde hereingeführt und nachdem der badische Kanzler [Dr. Hieronymus Vehus 2)] im Namen des Reichs ihn über eine Stunde ermahnt und ihm die aus seiner hartnäckigen Weigerung notwendig für ihn erwachsenden Gefahren vorgehalten hatte, erklärte er schließlich doch mit der größten Bestimmtheit nicht ein Tüpfel von seinen Schriften widerrufen zu wollen, weil er damit gegen sein Gewissen handeln würde. Uebrigens war während dieser Sizung nach Aussage des Trierer Erzbischofs die Haltung aller Fürsten ganz vortrefflich, und wunderbarer Weise hat auch Herzog Georg, der sich früher bei verschiedenen Gelegenheiten rücksichtslos gegen den Klerus und ein allerdings

') Die Boten von Augsburg und Straßburg, Peutinger und Bock; ferner gehörten der Kommission an der Deutschmeister und Graf Georg von Wertheim. 2) Sein Bericht ist herausgegeben von Seidemann, Zeitschr. für die histor. Theol. 1851. S. 80 ff.

nicht unbedeutendes Aergernis der Beichte ausgesprochen hatte, in vollem Maße seine Pflicht gethan. Der Kanzler, der deutsch redete, benahm sich in seinem Vortrage als ein kluger Mann und dem heiligen Stuhle treu ergebener Katholik; den Offizial von Trier, der sich in den letzten Tagen so ausgezeichnet benommen hat, hatten die Fürsten nicht zu dieser Beratung zugelassen. Unmittelbar nach dem Weggang der Fürsten ließ der Erzbischof von Trier den Martin auf sein Zimmer bescheiden, wohin sich Luther von zwei Doktoren ') begleiten ließ, ohne die er keinen Schritt thun und kein Wort reden will, als wenn er ihr Mündel wäre. Zugegen waren der Offizial und der Techant der Frankfurter Frauenkirche, Cochläus, der in der besten Absicht und als streng katholischer Theologe gegen Luther schreibt und sich früher in Rom aufhielt. Nun ermahnte der Offizial den Martin in lateinischer Rede seine Irrlehren zu widerrufen und die Konzilien, Dekrete, Ueberlieferungen und Riten der Kirche anzuerkennen. Luther antwortete wenig, wie er denn überhaupt ein schlechtes Gedächtnis haben soll, und weigerte sich nur den Aussprüchen der Konzilien beizutreten, die voll von Widersprüchen und Irrtümern seien, wie man an dem Konstanzer sehe. Der Offizial behauptete, daß in Glaubensfragen die Konzilien weder irrten noch einander widersprächen. Darauf führte Martin den zu Konstanz verdammten Saz [des Johann Huß] an, daß die Kirche unter Ausschließung der Verdammten nur die zur Seligkeit Vorherbestimmten umfasse, und citierte gegen die Lehre des Konzils die Worte Christi, Ev. Johannis XVII, 12: „Die du mir gegeben hast, die habe ich bewahret, und ist keiner von ihnen. verloren, ohne das verlorne Kind."

1) Schurf, sein juristischer Beistand, und Amsdorf, Professor der Theologie in Wittenberg. Johann Cochläus sollte Aleander über das Gespräch Bericht erstatten. Dieser, der spätere Mitarbeiter an der Augsburger Konfutatio (gest. 1552 als Domherr in Breslau), war als Humanist noch vor Jahresfrist für Luther eingetreten, nun aber hatte er sich in einen fanatischen Parteigänger der Kurie verwandelt, der sich gar zu gern öffentlich mit Luther gemessen hätte. Vgl. die folgende Depesche, sowie den Bericht des Cochläus selbst in seiner Schrift Commentaria de actis et scriptis Lutheri, Mainz 1549, übersezt von Hüber, „Martin Luther, das ist kurze Beschreibung seiner Handlungen und Inschriften, 1582".

Aber eben diese Waffe kehrte der Offizial, wie sichs gehörte, so kräftig gegen Martin, daß er nichts mehr zu erwidern wußte; und so ging es ihm mit noch zwei andern Beweisstellen, mittels deren er so gründlich überführt wurde, daß der Erzbischof hoffte, er werde sich auf der Stelle unterwerfen. Aber man verfolgte das bei dem ungeordneten Gange des Gesprächs nicht gehörig, und so verweigerte Luther den Widerruf, wenn er nicht besser widerlegt werde; und da die Beweisführung des Offizials sich in den Formen der Dialektik bewegte, erklärte er von der Logik nichts wissen zu wollen, was die reine Narrheit ist, da er zufrieden sein mußte, daß man überhaupt mit ihm verhandelte; und diese Leute sind thöricht genug, sich durch solche handgreiflichen Tollheiten dieses Ungeheuers imponieren zu lassen. Dann ermahnte ihn der Erzbischof noch besonders, aber es ist ihm weder mit Ueberredung noch mit Erörterung beizukommen, da er keinen Richter anerkennt und rückhaltslos die Konzilien verwirst, auch sonst keine Autorität gelten läßt als allein die Worte der heiligen Schrift beiderlei Testaments, die er alle nach seinem Kopfe auslegt, während er abweichende Auffassungen verspottet und als unzulänglich ablehnt; dabei hat er seine Lutheraner auf seiner Seite, die unter Beifallsgeschrei schwören, er habe Recht. Und dabei haben schon viele seiner Unterredner die Beobachtung gemacht, daß er weder für einen Grammatiker noch für einen Philosophen oder Theologen, sondern nur für einen reinen Tollhäusler gelten könne; man ist allgemein überzeugt, daß er den größten Teil der fraglichen Schriften nicht selbst verfaßt hat, und so hat er auch schon einigen in allem Vertrauen mitgeteilt, daß gerade diese schlimmeren Bücher von seinen Freunden herrührten, daß er aber seinen Mitverschworenen Treue halten müsse, und daher spricht er nur gegen einen oder den andern davon, wenn keine Zeugen dabei sind. Weiter sagte er zu Cochläus, daß er für seine Person zu predigen, den Psalter zu lesen und zu kommentieren pflege, daß aber jene Bücher, um derenwillen sich der ganze Lärm erhoben, von seinen Genossen verfaßt seien und daß, wenn er auch widerrufe, mehr als zwanzig andere auftreten und es von Tag zu Tag ärger treiben würden. Kurz, es fruchtete bei ihm weder Belehrung noch Ermahnung,

noch Ueberlistung, denn er blieb hartnäckig bei dem einen Worte, er wolle nicht gegen sein Gewissen handeln, und dann sagte er ein paarmal, er habe eine Offenbarung empfangen und leugnete es in einem Atem. Und so war denn auch diesmal alle Mühe vergeblich.

Daß er die fraglichen Bücher wirklich nicht verfaßt hat, scheint sich mir noch zu bestätigen durch eine Mitteilung des Trierer Offizials: bei jener geheimen Befragung oder Ermahnung habe er aus Luthers eigenem Munde gewisse Lehrmeinungen gehört, die den in seinen Büchern enthaltenen schnurstracks zuwiderliefen.

Nach diesem dritten Verhör begab sich der Erzbischof von Trier in die Sißung der Fürsten, um über den Fortgang der Sache zu berichten und gleicherweise erschienen Chièvres, der Kanzler Gattinara und die Bischöfe von Lüttich und von Palencia, um den Fürsten die kaiserliche Willensmeinung zu überbringen, dahin gehend, daß es nach solchen Beweisen von Verstocktheit an der Zeit sei, diesen Hund zurückzusenden und das Urteil pflichtgemäß zu vollstrecken. Wieder berieten sich die Fürsten eine Weile miteinander und ließen dann durch die erwähnten Abgesandten dem Kaiser die Bitte vortragen, Seine Majestät wolle dem Erzbischof von Trier gestatten ganz allein 1) den Martin zu ermahnen, weil ihnen dieser gesagt hat, er sei der guten Zuversicht Luther zur Umkehr bewegen zu können; und der Kaiser gab seine Genehmigung. Unterdessen gaben wir uns die größte Mühe den Erzbischof zu schleuniger Erledigung der Sache zu bestimmen, weil bei weiterem Verzug zu befürchten stand, Luther möchte dazu angestiftet werden, den Widerruf nur teilweise zu leisten, was sehr fatal gewesen wäre.

Auch ersuchten wir den Erzbischof dringend nicht von der

1) In Wahrheit ließ der Erzbischof am 25. erst durch Vehus und Peutinger mit Luther verhandeln, ob er seine Sache Kaiser und Reich, dann ob er sie einem Konzil anheimgeben wolle. Erst als diese an ihn berichtet hatten, ließ er Luther und dann auch Spalatin rufen: Luther aber wollte gerade die vom Konstanzer Konzil verdammten Artikel nicht einem zweiten Konzil unterbreiten und verlangte, daß dieses nur auf Grund der Schrift entscheide. Daran scheiterte auch dieser lezte Versuch. Köstlin I, 460 f.

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