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nur soweit beipflichten, als sie sich auf die Autorität der Bibel gründen, denn es finde sich, daß die Konzilien geirrt und eins dem andern widersprochen hätten. Der Offizial begann in Abrede zu stellen, daß die Konzilien in Glaubensfragen nicht übereinstimmten, da aber erklärte der Kaiser, es sei genug, er wolle nichts mehr hören, da dieser die Konzilien verworfen habe. Und so trat Luther ab, geleitet von aller Welt und besonders von vielen sächsischen Edelleuten aus der Umgebung des Kurfürsten; und als Martin den Saal verlassen hatte, reckte er die Hand in die Höhe, wie die deutschen Landsknechte pflegen, wenn sie im Kampfspiele über einen wohlgelungenen Hieb frohlocken.

Als wir heute morgen zum Kaiser gingen, waren die Kurfürsten und viele andere Fürsten zu ihm beschieden, um sich darüber zu erklären, was nun weiter in Sachen Martins ihrer Meinung nach zu geschehen habe; als sie nun zu reiflicher Ueberlegung Aufschub verlangten, antwortete der Kaiser: Gut, ich will Euch aber zuerst meine Ansicht eröffnen". Und nun ließ er die von ihm eigenhändig in französischer Sprache niedergeschriebene Erklärung verlesen, etwa eine Seite lang und dieselbe auch in deutscher Ueberseßung.') Bei der Verlesung in sondern ob er überhaupt seine Irrlehren widerrufen wolle. Luther aber hob in seiner Antwort die Fehlbarkeit der Konzilien ausdrücklich hervor, was nach andern Berichten erst auf des Offizials besondere Frage geschah. Nachdem die Acta Aleanders hier Luthers Fassung seiner Worte gegeben haben (von der Gebundenheit seines Gewissens in Gottes Wort), fährt der Nuntius fort: „Auf diese Antwort Luthers, als schon alle von dem Gedräng und der Hiße ermattet sich zum Gehen anschickten, rief der Offizial, da die Zeit drängte, mit kurzen Worten: Laß Dein Gewissen fahren, Martinus, wie Du verpflichtet bist, da es sich im Irrtum befindet; dann wirst Du sicher und unbedenklich widerrufen können. Daß aber die Konzilien geirrt haben, wirst Du, wenigstens was die Glaubensfragen angeht, niemals nachweisen können: mag es sein in Sachen der Sittenzucht; das will ich Dir ohne Umstände zugeben. Martinus erwiderte, er könne es nachweisen. [Nun verbot der Kaiser weitere Erörterungen, was in dem Tumult des Aufbruchs sonst von keinem Berichterstatter gehört wurde.] Damit ging man von dannen." Man vgl. besonders den sehr genauen und zuverlässigen Bericht des Nürnberger Gesandten Spengler bei Förste= mann, Nr. 27. S. 72 ff.

1) Vgl. die lateinische Fassung bei Förstemann. Nr 28. S. 75. Der Kaiser erklärte, daß er der Tradition seiner Vorfahren entsprechend an dem

Gegenwart des Kaisers und auch des Kurfürsten von Sachsen wurden viele der Fürsten bleich wie der Tod. Den Grund werden Ew. Herrlichkeit aus der Meinungsäußerung des Kaisers entnehmen, die er seinem Gesandten übermittelt, damit dieser, wie sichs gebührt, die gute Nachricht Sr. Heiligkeit und dem Kardinalskollegium anzeige. Auch wird man seine Sentenz in lateinischer, italienischer, deutscher, spanischer, französischer und flämischer Sprache drucken lassen und in der ganzen Christenheit verbreiten, damit man die hochherzige und streng kirchliche Haltung Sr. Majestät des Kaisers in so bedenklicher Frage kennen lerne, der seinen Willen offen kundgegeben hat in einem Zeitpunkt und unter Verhältnissen, da alle Welt hier urteilte, der Kaiser müsse fein säuberlich umgehen mit diesen Fürsten, wenn er bei ihnen für seine Unternehmungen Entgegenkommen finden wolle. Aber Gott hat immer den frommen Sinn dieses aller christlichsten und wahrhaft katholischen Fürsten gestärkt, der uns immer ein seiner würdiges, Gott und dem Papste wohlgefälliges Vorgehen in Aussicht stellte und nun so viel gethan hat, daß wir selbst mit etwas weniger zufrieden gewesen wären; auch erklärte er die Verzögerung der Angelegenheit und die Herkunft Luthers in der besten Absicht veranlaßt zu haben, damit das deutsche Volk sich nicht darüber beschweren könne, daß man Luther nicht gehört habe und vorgeben, es geschehe dem Martin ein Unrecht, wenn er nicht zuerst befragt werde,

katholischen Glauben und an den von ihnen auf dem Konstanzer und anderen Konzilien aufgestellten Grundsäßen festhalten und Krone wie Leben dafür einseyen werde, die Keßerei oder auch nur den Verdacht der Keßerei zu vertilgen, die, von diesem einen irrenden Mönche im Widerspruch mit dem Glauben der ganzen Christenheit ausgehend, ihm, dem Kaiser, wie den Ständen der edeln deutschen Nation große Schande bringen würde. Nach der gestrigen hartnäckigen Antwort Luthers müsse er bedauern nicht eher gegen ihn eingeschritten zu sein, werde ihn aber unter keinen Umständen weiter hören, ihm auch verbieten, da er auf Grund seines Geleites zunächst nach Hause zurückkehren solle, daß er dabei predige und so das Volk zum Aufruhr verführe. Im übrigen werde er nun gegen Luther als gegen einen überwiesenen Kezer verfahren und erwarte von den Ständen eine mit ihrer Christenpflicht und ihrem Versprechen übereinstimmende Meinungsäußerung.

ob er widerrufen wolle. Und da es sich in der That so verhält, ist jenes Verfahren viel besser gewesen, als wenn einfach die kaiserlichen Mandate veröffentlicht worden wären. Und obgleich wir bei dieser Verschleppung schreckliche und schier unglaubliche Angriffe, Sorgen und Gefahren zu bestehen hatten, so dürfen wir uns jezt über die erlittenen Unbilden trösten mit dem Spruche: et haec meminisse iuvabit.

Kalkoff, Die Depeschen.

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21.

(B. 74. Br. 25.)

Worms, [den 27. April] 1521.

Ew. Herrlichkeit berichteten wir am 19. dieses Monats gemeinschaftlich über die fromme und löbliche Entscheidung des Kaisers, die er eigenhändig aufgezeichnet und den Fürsten mitgeteilt hatte in der bestimmten Voraussicht, damit abweichenden Entschließungen von ihrer Seite zuvorzukommen; und das gelang auch vortrefflich, denn nun beschlossen die Fürsten noch an demselben Tage, wie uns der Erzbischof von Trier durch seinen Offizial hinterbringen ließ, in allen Stücken dem Willen des Kaisers zu folgen. Aber ein unerwarteter Zwischenfall brachte wieder alles in Verwirrung, denn in der folgenden Nacht hefteten die Lutheraner aus grimmigem Zorn über das Urteil des Kaisers wie in der Absicht die Rechtgläubigen von der Vollziehung desselben abzuschrecken, einen Zettel an die Thür des Rathauses und andere öffentliche Derter, dessen Inhalt, aus beiliegender Kopie ersichtlich, wenn er in den thatsächlichen Verhältnissen begründet wäre, gewiß für höchst gefährlich gehalten werden müßte: denn die drei deutschen Worte der Unterschrift, die nicht ins Lateinische übertragen sind 1), bedeuten den Aufruf und das Wahrzeichen der Bauern für den Kampf gegen Obrigkeit und Adel. Auch soll in derselben Nacht jemand diese Parole in der ganzen Stadt ausgerufen haben, doch erfolgte nicht die mindeste Bewegung, woraus zu entnehmen, daß die Verschwörung nicht auf so breiter Grundlage ruht. Indessen wurde ein gewisser

1) S. Kolde, S. 63: „Bundschuh, Bundschuh, Bundschuh“.

Fürst'), der vielmehr unsere Sache verteidigen sollte, teils infolge seiner angeborenen Bedächtigkeit oder auch Feigheit, teils durch die Ratschläge seiner lutherisch gesinnten Umgebung, die ich im Verdacht habe, jenes Plakat selbst fabriciert zu haben, in solchen Schrecken verseßt, daß er noch vor Tagesanbruch zum Kaiser, zu den übrigen Fürsten und zu uns schickte. Der Kaiser aber lachte darüber und ließ ihm sagen, er sei ein wenig zu furchtsam; und da ihm obliege die Fürsten zur Sizung zu laden, so werde er gut thun zuvor in aller Eile Luthern abzufertigen und zurückzuschicken. Darauf bemerkte der Kaiser lächelnd zu uns, es verhalte sich mit dieser Verschwörung der vierhundert Edelleute wie mit der des Mucius Scävola, der auch dreihundert Genossen haben wollte, während er ganz allein stand. Dennoch aber konnte jener gute Freund sich nicht enthalten seinen Bruder mit einem Vorschlage an den Kaiser zu senden, der grundverschieden war von seinem gestrigen im Namen von vier Kurfürsten schriftlich gestellten Antrage.2) Demzufolge sollte kaiserliche Majestät den Luther, da er sich so hartnäckig des Widerrufes geweigert, zwar fraft freien Geleites zurücksenden, dann aber gegen seine Person und augenblicklich gegen seine Bücher vorgehen. Derselbe Mann kam nun nach dem Erscheinen jenes Zettels zum Kaiser, und da er mit uns zugleich auf die Audienz warten mußte, eröffnete er uns, man werde gut thun, Luthern noch einmal zu befragen und ihn in Gegenwart einiger Fürsten im Namen des Reiches durch Doktoren verhören zu lassen; dies sei die Meinung aller Kurfürsten, was ich gern glauben will, da unsere beiden Gegner im Kollegium nichts sehnlicher wünschen, als die Angelegenheit zu verschleppen und zu verwirren, während die andern ihnen widerstandslos folgen, da ja der einflußreichste Mann sich aus Furcht zu solchen Vorschlägen erniedrigt.

1) Erzbischof Albrecht von Mainz, dem neben den „Romanisten" die angeblich zu Luthers Schuß Verschworenen ausdrücklich ihre Feindschaft erflärt hatten.

2) Wie es im Eingange des von Balan (Nr. 69.) mitgeteilten Schriftstückes heißt, hat der Kurfürst den Antrag nur in seinem und seines Bruders Namen gestellt; die beiden andern Erzbischöfe werden denselben freilich sofort unterstüßt haben.

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