Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Goldschmied verraten worden. Deshalb wären die evangelischen Bürger auf ihrer Hut gewesen: in ihren Häusern, mit Gewehr und Rohren versehen, hätten sie Bootsleute, bis zu zehn Mann, bei sich aufgenommen und hätten dieselbe Nacht Leuchter mit brennenden Lichtern auf ihren Hausdielen und vor ihren Hausthüren aufgehängt. Es wäre aber in selbiger Nacht ein solch ,,biester Wedder von Donner und Blizen" gewesen, daß die Leute meinten, die Welt würde ein Ende haben.134)

Wie weit dieser Verdacht begründet war, ist nicht mehr zu bestimmen. Kempe selbst spricht nur von Gerüchten, die er übergehen wolle: „Wat se awerst gehandelt“, schreibt er, „und wo se achte borger ut sick an den rat schickeden, item des soudages wedder sterker tosamen quemen, item wat geruchtes datmal leep, ga ich alle vorbi“. Daß solche Gerüchte laut wurden und in der im übrigen sehr glaubwürdigen Chronik des Bernd Gyseke, um 1540 beendigt, Aufnahme gefunden haben, erklärt sich, wenn man in betracht zieht, was die Evangelischen in Schwaben und Franken zu erdulden hatten nach der Unterdrückung des Bauernaufstandes. Und wessen man sich von irregeleiteten Bauern versehen konnte, war sicherlich den Evangelischen nicht unbekannt, da nur etwas über drei Jahre verflossen waren, nachdem Heinrich von Zütphen in Ditmarschen, nicht ohne Mitwirkung der Hamburger Dominikaner, den Märtyrertod erlitten hatte. Uebrigens möge hier bemerkt werden, daß im März 1530 (nach dem Sonntage Reminiscere 13. März 1530), als in Lüneburg ähnlich wie in Hamburg der Kampf zwischen den evangelischen Bürgern und dem katholischen Rate zur Entscheidung drängte, dieser in dem Verdachte gleicher Gewaltmaßregeln stand.135) Man hatte jedenfalls evangelischerseits Grund, auf der Hut zu sein gegen die im Johanniskloster beratenen und geplanten Maßregeln, denn, wie Nempe berichtet, „es sah aus, als ob die Wahrheit leiden und die Lügen wieder oberhand kriegen sollten“.

Demnach versammelten sich am Montag nach Misericordias Domini, am 27. April, „alle, die Christum und die Wahrheit lieb hatten, reich und arm, hoch und niedrig, aus allen vier Kirchspielen und gingen vor den Rat, nicht mit Keulen und Spießen, wie ihnen nachgesagt worden“, sezt Kempe hinzu, „sonSillem, Reform. in Hamburg.

7

dern so, wie sie täglich zur Kirche oder zum Markte gingen“, und bezeugten dem Rate, daß sie des zwiefältigen Predigens überdrüssig wären, woraus täglich große Unruhe entstände. Sollte also Eintracht sein, so müßten auch einträchtige Prediger sein. Auf diese Vorstellung wurden Rat und Bürgerschaft eins, daß man auf den folgenden Tag alle Prediger aufs Rathaus citieren sollte. Und es wurde sogleich bestimmt, daß es billig sei, daß, wer anderes denn Gottes Wort gepredigt hätte oder seine Lehre nicht aus der Schrift bewähren könne, seinem Gegenpart weiche. Diese Bestimmung war nur eine Konsequenz des lezten der sechs Artikel, die der Rat am 29. Dezember 1526 den Predigern zur Richtschnur übergeben hatte, wonach ein Prediger, der sich freventlich gebrauchen ließe, Haß und Widerwillen zu erwecken, aus der Stadt verwiesen werden sollte.

Am 28. April 1528 sollte also die zweite öffentliche Disputation zwischen den evangelischen und katholischen Predigern stattfinden, deren Ausgang entscheidend wurde für das kirchliche Leben Hamburgs.

Verabredetermaßen versammelten sich der ganze Rat und die Bürger Dienstag den 28. April, die vornehmsten Bürger auf dem roten Zollen, wahrscheinlich an der Zollenbrücke gegenüber vom Rathause, und die anderen Bürger, wie der katholische Berichterstatter Joh. Moller sagt, zu tausenden" im Eimbeckschen Hause. Sie erschienen auch diesmal unbewaffnet, in ihrer täglichen Tracht. Morgens früh „zu sieben Schlägen“ trafen sie ein, und nochmals wurde „auf Begehr der Bürger“ im voraus festgestellt, daß der, welcher Gottes Wort nicht predige, weichen müsse und gestraft werden solle.

Zu dieser entscheidenden Disputation waren geladen von den katholischen Predigern

der Domherr und Lektor Dr. Barthold Moller,
der Domprediger Friedrich Vulgreve,

der Domprediger Hinrich Schröder,

der Domprediger unter der Kluft“ Matthäus, der Prediger am heiligen Geist Jodokus Siffriedi und die drei Dominikaner

Dr. Hinrich Went,

Hinrich Rendsborch und
Fabian von Lübeck.

Mehrere derselben sind schon an den früheren Kämpfen beteiligt gewesen. Von Hinrich Schröder und Fabian von Lübeck ist uns nichts Näheres bekannt. Den Namen des Dompredigers Friedrich Vulgreve aus Ditmarschen finden wir auffallender weise an der Spite jener sechs Kleriker, welche durch das päpstliche Schreiben vom Weihnachtsabend 1523 mit Exkommunikation bedroht wurden, vermutlich, weil sie sich, wie oben (S. 32) berichtet worden, an dem Plane beteiligt hatten, die St. Petrischule zu begründen. Jezt stand er ganz auf römischer Seite; im übrigen erscheint er als ein Mann von bemerkenswerter Unflarheit. Als solchen erwies er sich sowohl bei der Disputation als auch noch in einem Briefe, den er aus dem Benediktiner= kloster Harsefeld im Erzstift Bremen am 25. März 1532 an den Rat richtete, um mit diesem Frieden zu machen, in dem er sich für sein friedfertiges Verhalten auf die beiden Gegner Augustin von Getelen und Urbanus Rhegius beruft. Der Domprediger Matthäus wird gewöhnlich der Kirchherr „unter der Kluft" ge= nannt, d. h. er ist derjenige Geistliche, welcher am Altar an der Krypta unter dem Dom den Dienst hatte und als solcher Beichtvater der Domgeistlichkeit und deren Angehörigen in der Stadt Hamburg war, mithin eine sehr einflußreiche Stellung einnahm. Jodokus Siffriedi, ein geborener Friese, war Kirchherr am heiligen Geist. Er widerrief am 1. Mai alle Irrtümer, die ihm vorgehalten wurden, und predigte nicht wieder. Wie Doktor Joh. Moller sagt, bewog ihn die Liebe zu einer Ehefrau, in Hamburg zu bleiben.136)

Diesen acht römischen Predigern standen gegenüber Stephan Kempe, Johann Zegenhagen und Joh. Frize als evangelische Kirchherren nebst Konrad Lünsemann, dem Lesemeister am MariaMagdalenenkloster.

Den Vorsitz bei der Disputation führte der Bürgermeister, Herr Diedrich Hohusen.137)

Ueber den Gang der Verhandlungen sind wir in der Lage, den Bericht des evangelischen Predigers Kempe mit dem des

eifrig katholischen Doktor Johann Moller zu vergleichen. Sie stimmen in allen wesentlichen Punkten überein, ausgenommen, daß Kempe einmal eine Aeußerung des Magister Hinr. Schröder dem Magister Matthäus zuschreibt, die nach Moller von ersterem herrührt.

Bürgermeister Hohusen eröffnete die Versammlung mit einer Ansprache, in der er bezeugte, daß der Zwist unter den Predigern zum Verderben der Stadt gereiche; dem wollten Rat und Bürgerschaft womöglich abhelfen. Darauf wurde ein dem Rate von den Evangelischen übergebenes Verzeichnis aller von den er wähnten Domherren und Dominikanern vorgetragenen Irrlehren verlesen. Die Katholischen waren die Verklagten. Wie es meist zu gehen pflegt, so leugneten sie, ihre Worte, so wie sie des beschuldigt wurden, gebraucht zu haben. Ihr Wortführer war auch diesmal Doktor Barthold Moller, ohne Zweifel der verständigste und geistig gewandteste und wegen seiner Persönlichkeit hoch geachtet. Derselbe begehrte, sich mit den Seinigen besprechen zu dürfen. Dies wurde ihm gewährt, und er zog sich mit seinen Glaubensgenossen zurück. Als er mit ihnen in den Ratssaal wieder eingetreten war, erklärte er, daß sie sich zum Teil zu den Artikeln bekenneten, sie hätten sie auch gepredigt, aber nicht so, wie sie in dem Verzeichnis aufgeschrieben wären. Darum baten sie um die Artikel zur Abschrift. Alsdann wollten sie sich vor dem Rat und den Häuptern der Christenheit verantworten, aber sie nähmen es nicht an, daß andere darüber urteilten.

Wären der Rat und die Bürger hierauf eingegangen, so wäre die Sache in die Länge und vor ein auswärtiges Tribunal gezogen worden. So erklärlich und vorsichtig Mollers Begehren von seinem Standpunkte aus war, so seige und unzuverlässig war das Benehmen seiner Glaubensgenossen. Anstatt diese Richter der Verabredung gemäß nicht anzuerkennen, fingen sie an, sich zu verteidigen. Offenbar gegen die eben unter einander getroffene Verabredung sprach Siffriedi, gegen den übrigens gar kein Artikel vorgebracht worden war, er habe nur das Evangelium gepredigt von Worten zu Worten, wie sie des Sonntags kämen. Es scheint in der That, als ob es ihm nur darum zu thun war,

in Hamburg zu bleiben. Von ihm ist auch fortan nicht mehr die Rede.

Nun fing Hohusen an, jeden einzelnen der verklagten katholischen Prediger zu fragen, ob er so gelehrt habe, wie ihm schuld gegeben worden. Er begann mit Doktor Hinrich Went: ob er gelehrt habe, 1. daß von der Dreifaltigkeit nichts in der Bibel stünde und diese dennoch ein Glaubensartikel wäre, 2. daß Maria unsere Fürsprecherin sei und sie der Schlange den Kopf zertreten habe, 3. daß „auf dem Stuhle Mosis sizen“ heiße „Beichte sißen und abhören“. Went antwortete ausweichend, er habe es so gelehrt, aber nicht so, wie es geschrieben sei. Ueber eine vierte Anklage, die Versagung des Abendmahls betreffend, wurde er später noch einmal gefragt.

Darauf wandte sich Hohusen an Rendsborch, welcher dabei blieb, daß er nicht gepredigt hätte, die neuen Prediger hezten die Laien gegen die Geistlichen; dagegen hielt er die katholische Lehre vom Abendmahl und von der Anrufung der Heiligen aufrecht.

Auf Fabian von Lübecks theologischen Standpunkt wirft es ein eigentümliches Licht, daß er nicht blos wie Rendsborch aus der Erzählung vom Gange Jesu nach Emmaus die Austeilung des Abendmahles unter einerlei Gestalt bewies, sondern daß er auch aus folgenden Gründen die Notwendigkeit der Tradition behauptete: man müsse nämlich der Schrift etwas zusehen, sonst könnte man sie nicht verstehen. „Wie kann man das Wort verstehen", so fragte er, Feget den alten Sauerteig aus', so man der Schrift nichts zuseßen dürfte, es wäre denn, daß wir alle Bäcker wären?" Auch Fabian antwortete ausweichend, er habe nur gelehrt, daß Paulus schwer zu verstehen sei. Auf den Vorwurf, er habe gelehrt, niemand werde selig außer durch die Vollbringung der göttlichen Gebote, wandte er, wie s. 3 Bustorp, ein, er habe nur gesagt, ein jeder, der zu seinen Jahren gekommen sei, müßte Gottes Gebote halten, wenn er selig werden wollte.

Magister Friedrich Vulgreve gab schlicht und einfach seine Säße zu, die eine auffallende Unklarheit und Befangenheit verraten und aus denen ersichtlich, daß die evangelische Bewegung

« ZurückWeiter »