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tion geschehen. Die Orden des Carlo Borromeo, des Vincent de Paula sind erst in einer Zeit gestiftet worden, als in folge der Reformation sich Rom schämte, solche Menschen wie Alexander VI. und Johann XXIII. zu Nachfolgern Petri zu erheben. Die barmherzigen Schwestern der katholischen Kirche gehören erst der nachreformatorischen Zeit an.

Am 16. August 1527 wurde für das St. Nikolaikirchspiel die Gotteskastenordnung angenommen, und am 18. Dezember wurde dieselbe für alle vier Kirchspiele vom Rate nicht allein beliebt, sondern auch für gut angesehen.

Mit der Einführung dieser Gotteskastenordnung hatten die Evangelischen die Oberhand gewonnen. Das ganze kirchliche Gemeindeleben wurde dadurch verändert und festgestellt, und im Anschluß daran die Grundzüge zu der bürgerschaftlichen Vertretung gegeben, wie sie zum Segen der Stadt über dreihundert Jahre bestanden hat.

Diese Gotteskastenordnung bietet nämlich viel mehr als ihr Name vermuten läßt: sie enthält die Grundzüge der späteren Kirchenordnung und der bürgerlichen Verwaltung eines jeden der vier Kirchspiele, das, wenn möglich, wie sein eigenes Krankenhaus, so seine eigene Schule haben sollte. Wäre dies so, wie es ursprünglich geplant war, durchgeführt worden, so hätte jedes Kirchspiel für sich eine kleine Stadt gebildet noch ganz nach Art des ohnehin zu korporativer Selbständigkeit geneigten Mittelalters. Daher war auch der um Michaelis 1528 gefaßte Beschluß, daß neben und über den vier Kirchspielsgotteskasten eine fünfte oder Hauptkiste anzulegen sei, die eine ausgleichende Kontrole über die andern auszuüben bestimmt war, heilsam und notwendig. Waren doch ohnehin die Unterschiede der Kirchspiele bedeutend genug. Nikolai war das selbständigste, Petri das reichste; es war notwendig, daß durch den Hauptgotteskasten die Lasten der Armenversorgung gleichmäßig verteilt wurden.

Zur Verwaltung jedes der vier Gottesfasten wurden von den Eingesessenen des Kirchspiels zwölf Männer „aus dem gemeinen Haufen" gewählt. Sie bildeten zusammen das Kolleg der Achtundvierziger, aus dem sich im folgenden Jahrhundert, als das Michaeliskirchspiel zu den vier alten Kirchspielen hinzu

trat, das in der Geschichte Hamburgs so bekannte Kolleg der Sechziger entwickelte. Die drei ältesten der zwölf Vorsteher an jeder Kirche waren die Oberälterleute, später Oberalten genannt, die Vorsteher der Bürgerschaft. Indem wir wohl in der Annahme nicht fehl gehen, daß das, was 1528 über die Verwaltung des Hauptkastens beschlossen wurde, auch für jeden Kirchspielskasten galt, gestaltete sich die Verwaltung der Kasse in stufenweiser Gliederung so, daß wöchentlich, monatlich und jährlich der Bestand derselben untersucht, die Gelder verteilt und Rechenschaft abgelegt wurde. In fünf und dreißig Abschnitte zerfällt die Ordnung.

Jedes Jahr sollten die Oberalten vor dem Rat, den Sechzigern und, wen es sonst beliebte teilzunehmen, Rechenschaft ablegen. Einmal wöchentlich, und zwar Sonnabends vor acht Uhr, sollten die Oberalten sich versammeln und den Armen nach Notdurft ihr Teil bescheiden. Zu den Kasten gehörten vier Schlüssel, welche vier Vorstehern übergeben waren. Wenigstens einmal des Monats soll in Gegenwart aller zwölf Vorsteher des Kirchspiels der Kasten geöffnet, nachgezählt und der Inhalt aufgezeichnet werden. Darauf sollen die Sechziger, um sogleich den später gebräuchlichen Namen anzuwenden, durch die Straßen, Twieten und längs der Mauern gehen, um die Armen anzumerken. Notleidenden Handwerkern soll Verdienst verschafft, fleißigen geholfen werden. Ausgeschlossen sind diejenigen, die sich von ihren Gatten getrennt haben, so lange bis sie sich wieder vereinigt haben. Arme Jungfrauen, hülflose Waisen soll man berücksichtigen. Für Kranke soll ein Hospital gebaut werden; die, welche mit ansteckenden Krankheiten behaftet sind, sollen am Ende der Stadt wohnen, fremde Bettler, Straßen- und Hausbettelei abgeschafft werden, hartnäckige Bettler sind der Obrigkeit anzuzeigen. Ein Beamter soll angestellt werden, um die Kranken und Armen zu besuchen. Für leztere soll auch ein Vorrat an Brotkorn angeschafft werden. Arme Schüler sollen auch nicht mehr von Haus zu Haus betteln, sondern in Bürgerhäusern mit Kost versorgt werden. Unter solchen Umständen konnte selbstverständlich das Treiben der Bettelmönche nicht länger geduldet werden. Ausdrücklich wird im achten Artikel bestimmt, daß der Bettel der Franziskaner auf

hören muß. Dieselben sollen hinfort nicht mehr Novizen einkleiden; wer von ihnen sich ernähren könne, soll Freiheit haben, aus dem Kloster zu treten und sich zu ernähren, wie ihm „Gott ehrlichen Unterhalt zufügen“ würde; wer von den Klosterbrüdern aber mit „Alter und Unwissenheit beladen" sei, den sollen die Sechziger gleich andern Armen unterstüßen.

Der Artikel von der Erwählung des Kirchherrn, des Schulmeisters und anderer Kirchendiener wird mit der Betrachtung eingeleitet, daß zur Unterhaltung des milden Werkes die rechte Belehrung der Christen unerläßlich sei. Nachdem nun durch göttliche Schickung die Wahl der Vorsteher, des Kirchherrn und der übrigen Kirchendiener aus den Händen des Kapitels und des Scholasters an die Bürger gekommen sei, so sei vor allem darauf zu sehen, daß nur solche Personen gewählt werden, die mit Wort und Werken aus rechtem Grund des heiligen Evangeliums jedermann zu Gottes Ehre und des Volkes Besserung belehren können. Was sie zu ihrer Notdurft brauchen, sollen sie von den Sechzigern erhalten; die Testamentengelder, Memorien und andere Stiftungen dürfen dazu verwendet werden. Ihr rechtes Amt soll darin bestehen, „daß sie die rechte göttliche heilige Schrift zur Seligkeit ihrer Zuhörer und Schüler lehren“; aufrührerische, unnüße Fabeln, erdichtete Mirakel und Träume sollen nicht vorgetragen werden Die Schullehrer sollen sich auch nach dem in Wittenberg (1528) erschienenen „Unterricht der Visitatoren zu Sachsen" richten. 120) Dafür will das ganze Kirchspiel die Geistlichen und Lehrer, so lange sie nicht durch göttliche Schrift überwunden werden, schüßen und verteidigen gegen jede Gewalt. Wenn aber ein Geistlicher etwas anderes lehrt, als was zur Seligkeit und zur Wohlfahrt des gemeinen Besten dient, und sich dennoch nicht mit göttlicher Schrift bekehren und unterweisen lassen will, der soll nach Beschluß eines ehrbaren Rates und der Bürgerschaft aus der Stadt verwiesen werden.

Nächst der Unterdrückung der Franziskaner war dies die erheblichste Bestimmung gegen die römische Kirche.

In der Fürsorge für die erneuerte Kirche ging man noch weiter und bestimmte auch, daß, um gute Prediger zu haben, tüchtige und geeignete Knaben nach Vermögen der vorhandenen

Kapitalien Hülfe und Zulage haben sollten, um „, an den Orten außer Landes aus den Büchern, die ursprünglich in hebräischer und griechischer Sprache geschrieben sind", belehrt zu werden.

Außer den vorhandenen Stiftsgeldern wollte man aber die laufenden Beiträge zu obigen Zwecken verwenden. Demnach werden die Sechziger angewiesen, am Ausgange der Kirche die Almosen in einem Becken zu sammeln. Was in den Kirchspielkasten gesammelt wird, soll auch bei dem Hauptkasten verzeichnet werden; dazu sollen glaubwürdige, pergamentene Hauptbücher dienen, sogenannte Rentebücher, die eben solche öffentliche Glaubwürdigkeit besigen sollten, als wenn sie vor dem Gerichte und dem Rate durch Bürgen oder Siegel befestigt wären. Vor der Hand sollte der Hauptkasten in der Garvekammer (der Sakristei) des Marien-Magdalenenklosters unter gleicher Vorsicht wie die übrigen Kasten verwahrt werden.

Nachdem die ersten Sechziger, wie erwähnt, von den Einwohnern des Kirchspiels aus dem gemeinen Haufen gewählt waren, so sollten sie doch, wenn einer stürbe oder zu Rate gewählt würde, den Nachfolger selbst erwählen. Nur wegen zu hohen Alters oder Krankheit konnte ein Sechziger von dem Kolleg entlassen werden, im übrigen führten sie ihr Amt lebenslänglich. Der Gewählte mußte aber nach Verlesung dieser Artikel an Eides statt „mit handgebender Treue" geloben, dieselben zu halten.

Diese Ordnung des Gotteskasten ist durchweg in einem so entschieden wohlwollenden, evangelischen Geist gehalten, daß es wohl begreiflich ist, daß die unterzeichnenden Oberalten wiederholt die darin vorgeschriebene geplante Thätigkeit ein „mildes Werk" nannten.

Und wer waren nun die Männer, welche von den Erbgesessenen zu Sechzigern gewählt wurden? Diese Frage werfen wir auf, weil der ultramontane Geschichtsschreiber Janssen berichtet, daß zwar der Rat noch im Jahre 1526 einen Prädikanten, einen verlaufenen Mönch und Schmiedeknecht der Stadt verwiesen habe; „aber bald wurde der Rat machtlos gegenüber dem niedern Volk". Ist dies gegründet? Es würde zu weit führen, hier die bürgerliche Stellung aller Sechziger zu untersuchen. Bleiben wir bei dem Nikolaikirchspiel stehen, so finden wir die folgenden zwölf Vorsteher:

1. Joachim von der Fechte, bereits 1508 Jurat und 1517 Leichnamsgeschworener. Seine Mutter war die Tochter des Ratsherrn Eberhard vom Kroghe.

2. Joachim Wegedorn, 1518 Jurat, 1520 Vorsteher des Ilsabenhauses, 1521 Oberältermann einer neu gestifteten Brüderschaft des Lobes der himmlischen Königin.

3. Hans Wetten, 1514 Jurat, ohne Zweifel ein Verwandter des gleichzeitigen Ratssekretärs desselben Namens.

4. Friedrich Ostra, dessen Mutter eine Tochter des Ratsherrn Joh. Hüge war. Seit 1492 gehörte er der angesehenen Schonenfahrergesellschaft an.

5. Klaus Hartiges, Schwiegersohn des Ratsherrn Barschamp, wurde 1532 zu Rate gewählt.

6. Werneke von Bergen, einer angesehenen Familie angehörig. 7. Joachim Moller (vom Hirsch), „ein mit Talenten und zeitlichen Gütern ausgestatteter Mann“, durch seine beiden Frauen Schwiegersohn zweier Ratsherren.

8. Kordt Lampe, ein Wortführer der Bürger vor dem Rate um Michaelis 1526, 1517 Vorsteher einer Brüderschaft am Johanniskloster.

9. Hans Schröder, 1529 Jurat und Ratsherr.

10. Kordt Meyneken, unbekannt.

11. Ditmer Kohl; er befehligte 1525 das Geschwader, das den dänischen Kaper Klaus Kniphof gefangen nahm, 1528 Ratsherr, 1548 Bürgermeister.

12. Hans Paell, unbekannt.

Janssen hätte vielmehr bezeugen können, daß das „niedere Volk" zu Vorstehern des Gotteskastens fast nur Ratsverwandte wählte und mehrere, die vor dem Jahre 1521 schon Juraten waren. Ein anderer Umstand aber außer diesen Wahlen, woraus er schließen kann, daß bald nach 1526 der Rath dem niedern Volke machtlos gegenüber stand, ist uns nicht bekannt. Auch die zwölf Oberalten, welche am 29. September 1528 den Vertrag über den Hauptkasten unterschrieben, gehörten denselben Gesellschaftsklassen an wie jene: Gottke Moller von St. Petri war Jurat seit 1516, Meino von Eigen seit 1515 Jurat von St.

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