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dem er sprach: „Wo ein lebendiger Leib ist, da ist auch Blut. Darum, wer den einen Teil empfängt, empfängt auch den anderen. Darum hat auch die heilige Kirche den einen Teil abgesezt und den andern Teil den Priestern gelassen. Dabei bleiben wir.“

Es bezeugt die Schlagfertigkeit des evangelischen Sprechers, der den Doktor mit den Worten Bauli 1. Kor. 11, 28:,,Der Mensch (homo) prüfe sich selbst, und also esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche“ widerlegte und fragte: „Was heißt doch homo? Heißt das ein Priester? Es heißt ja ein Mensch. Daß ihr aber sagt, daß im lebendigen Leibe das Blut sei, das verstehen wir wohl. Aber es ist schade, daß ihr mit eurer gelehrten Erklärung nicht eher gekommen seid, als Christus den Aposteln sein Blut gab und seinen Leib ihnen bereits gegeben hatte: da hättet ihr den Herrn ermahnen sollen, daß im lebendigen Leibe das Blut sei. Er würde euch aber dasselbe geantwortet haben, was er zu Petro sprach Matth. 16, 17: Hebe dich, Satan, von mir, du bist mir ärgerlich; denn du meinst nicht, was göttlich ist, sondern, was menschlich ist." Zu ungebürlicher Heftigkeit ließen sich die Evangelischen auch hinreißen, indem sie die Domherren ermahnten, den Biertopf stehen zu lassen und lieber in die Bücher zu sehen, ob es sich so verhielte.

Die gewöhnliche Antwort erfolgte auch hier wieder, indem Barthold Moller sprach, er bleibe bei der heiligen Kirche.

Eingehender wandten sich die Evangelischen gegen Doktor Langenbeck, der zur Verteidigung der Konzilien sich auf das Wort Christi Matth. 18, 19: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen" berufen hatte. Ihm entgegneten sie, daß diejenigen, die etwas gegen des Herrn eigene Anordnung beschlossen hätten, unmöglich in seinem Namen hätten versammelt sein können. Christus habe aber gesagt: „Lehret die Heiden alles, was ich euch befohlen habe". Das heiße aber nicht, daß man die Worte des Herrn verändern solle und täglich etwas Neues lehren. Auch hierauf konnten die Römischen nichts anderes erwidern, als daß sie bei der Kirche verblieben. Bustorp fam nun wieder auf seinen ersten Artikel zurück und sagte, er habe die Leute zur Buße führen wollen. Als Moller dem beistimmte, verlangten die Evangelischen, daß der Brief des ersteren

verlesen werde. Hohusen verhinderte dies; denn der Rat habe die Schrift wohl gesehen. Allein die Evangelischen bestanden auf der Verlesung. Nun las Moller den Brief vor, von dem auch er ein Exemplar hatte. Als dies geschehen war, sprachen die Evangelischen zu ihm: „Würdiger Herr Doktor, wenn ihr bei eurem Gewissen sagen sollt, was ihr von diesen Artikeln haltet, was würdet ihr sagen?" Es war dies eine entscheidende Frage, und indem die Evangelischen sie so an Barthold Moller richteten, so lag darin auch eine Appellation an seine Ehrenhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit. Moller las noch einmal den Artikel und sprach: „Wie es hier geschrieben steht, so ist es offenbar kezerisch“ (so is apenbar hereticum).

Ein unparteiischeres Urteil konnte gewiß nicht gefällt werden. Die Evangelischen sprachen: „So ist es ja billig, daß Bustorp widerrufe"; dagegen sträubte er sich: so habe er es nicht gemeint; er habe ja nichts Schlechtes gesagt, warum solle er also widerrufen? Hohusen ergriff nun das Wort und forderte Bustorp auf: „Saget ja oder nein". Als es nun dem alten Domherrn, der zu Anfang der Disputation bezeugt hatte, daß er dreißig Jahre hier gepredigt und fromm gelebt hätte, schwer fiel, den Widerruf zu leisten, schlug sich der Ratssekretär Magister Joh. Kloet ins Mittel, zog den Domherrn aus der Ratsstube, begab sich mit ihm hinunter und hat ihm wohl den schon oft vom Rate selbst in schwierigeren Fällen angewandten und bewährt gefundenen Ausweg des Aufschubes vorgeschlagen. Denn als Bustorp wieder im Ratsstuhl erschienen war, erklärte er: „Ich will wohl widerrufen, wiewohl ich nicht wissen kann, daß ich übel geredet habe." Man begnügte sich, daß Bustorp seinen Willen zu widerrufen erklärt hatte, ohne auf den Widerruf selbst zu dringen. Selbst Johann Moller, von dem wir auch einen Bericht über diese Verhandlung besißen, mag Bustorp nicht verteidigen, sondern schließt mit den Worten, „So hat er leider durch seinen hochmütigen Sinn nach der Holsten Weise, aus deren Lande er gebürtig war, solches selbst verschuldet“.113)

Damit hatte diese Sache ein Ende, und es kam nun die des Kaplan Oldendorp zur Sprache.

Ueber die Verhandlungen selbst fehlt ein Bericht; Kempe

erwähnt nur, daß Oldendorp die Sache, wie sie sich zugetragen habe, erzählt und sich erboten habe zu beweisen, daß er nichts Unrechtes gesagt hätte. Dies ist ihm aber entweder nicht gestattet worden oder er hat nicht vermocht, sich von dem Vorwurf zu reinigen, was ja auch in der That nicht möglich war. Der Schluß der Verhandlung war, daß Zegenhagen in die Abseßung seines Kaplans einwilligte („dorch nagevinge her Joh. Zegenhagen"). Oldendorp verließ die Stadt und wird in der Folge gemäßigter geworden sein; denn es ist wohl keine Frage, daß er identisch ist mit dem Braunschweiger Prediger Joh. Oldendorp, welcher in Luthers Sinn wirkte, „nachdem er um des Bekenntnisses der Wahrheit willen aus Hamburg vertrieben worden war".116)

Die Evangelischen hatten wohl Ursache, mit dem Ausgange dieser ersten öffentlichen Disputation zufrieden zu sein. Sie hatten es bewährt, daß sie nichts wider die heilige Schrift lehrten und demnach im Einklange ständen mit dem leßten Ratsmandat vom 29. Dezember 1526. Man muß ihre Mäßigung anerkennen, indem sie sich mit der Erklärung begnügten, daß ihr Gegner den Widerruf leisten wolle. Auch der Bürgermeister drang nicht mehr auf die Erfüllung seiner Forderung, zu widerrufen. Der Rat mußte erkennen, daß die Lehre der Evangelischen in der Schrift begründet war. Dazu war derjenige, dessen Worte gegen den Meßpriester mit Recht Anstoß gegeben hatten, seines Amtes entsegt worden und hatte die Stadt verlassen. Von den Ceremonieen aber, die noch im vorigen Jahre die Gemüter so sehr beschäftigt und auf deren Beibehaltung der Rat gedrungen hatte, war diesmal nicht die Rede gewesen. Nach wenigen Monaten sollte der Rat diese Frage vor einem anderen Forum entscheiden lassen.

Kein Leid und keine Unbill widerfuhr den besiegten Gegnern, die da sagten, mit Spießen und Keulen sei das Evangelium in Hamburg eingeführt worden. Da mochte wohl Stephan Kempe Grund haben, den Bericht über diese erste Disputation mit den Worten zu schließen: „Als dies geschehen, ist ein jeder nach seinem Hause gegangen ohne alles Leid. Seht nun her, liebe Herren, welche Gewalt, welche Spieße, welche Hellebarden gegen euch gebraucht sind."

Folgen der ersten Disputation im Mai 1527.

Als die evangelischen Prediger siegreich aus dem Kampfe mit dem Domkapitel hervorgegangen waren, konnte es nicht fehlen, daß sie nun weiter fortschritten in der Ausgestaltung des evangelischen Gottesdienstes und des kirchlichen Lebens.

Wie das Sakrament des Altars auf evangelische Weise ausgeteilt wurde, so fing man an, bei der Taufe sich statt der lateinischen Sprache der deutschen zu bedienen. Luther hatte darauf schon im Jahre 1523 in seinem Taufbüchlein gedrungen; in Bremen war die deutsche Taufe bereits seit einem Jahre in Uebung.117) Den Römischen war diese Neuerung ebenso anstößig wie der Gesang deutscher Lieder.

Im August des Jahres 1527 wurde nun auch ein Gedanke ausgeführt, den die Bürger schon im Anfang des vorigen Jahres (am 11. Januar) gefaßt und dem Rate mitgeteilt hatten, in dem sie dann noch durch das Schreiben Bugenhagens bestärkt worden waren. In diesem Schreiben an Hamburg hatte Bugenhagen nämlich auch die Grundzüge zur Stiftung eines Armenkastens angegeben. In Wittenberg hat er sich die Ausführung dieser Idee in demselben Jahre 1527 angelegen sein lassen. Dort war der Gemeindekasten schon eingeführt. Der Beschluß, eine allgemeine Kasse zu gründen, um daraus die Armen zu versorgen, wurde auch in Hamburg zur selben Zeit ins werk geseht. Die geistlichen Lehen sollen bei den Erben der Stifter bleiben und nicht ans Kapitel kommen oder in eine gemeine Kiste gelegt werden, daruth de arme Lüde tho födende." 118)

Das Nikolaikirchspiel ging auch hierin voran und gründete zuerst den Gotteskasten, um der Armut und dem Elend abzuhelfen. Hieran ist recht ersichtlich, wie ungegründet der Vorwurf der römisch-katholischen Kirche ist, daß die sogenannte Reformation eine zerstörende Revolution gewesen sei. Im Gegenteil: seitdem Luther das Wort von der Freiheit eines Christenmenschen gesprochen hatte, seitdem die Predigt des Evangeliums frei erschollen war, zeigten sich auch neue Lebenskräfte in der christlichen Gemeinde, welche, bisher gebunden, nun zum christlichen Leben ents faltet wurden. Unter den Mißständen, welche die von Rom

aus geleitete Kirche des Mittelalters als Erbschaft der Reformation und der christlichen Obrigkeit hinterlassen hatte, war der Bettel nicht das geringste Uebel. So großartig auch die mittelalterliche Liebesthätigkeit gewesen war, so ist doch nicht zu leugnen, daß die Befreiung von Armut und Elend nicht ihr Ziel war. Das Almosengeben an sich war ein verdienstliches Werk: „je mehr Almosen, desto mehr Almosenempfänger“; die römische Kirche zog den Bettel groß, anstatt ihn zu bekämpfen. „An dem massenhaften Bettel ist die verkehrte Liebesthätigkeit der mittelalterlichen Kirche, um nicht mehr zu sagen, mit schuldig. Das Klosterleben wurde als etwas Verdienstliches gepriesen, als ein höherer Grad der Gottseligkeit; das Volk sah die Klosterleute betteln, was wunder, daß der Bettel in den Augen des Volkes aufhörte, etwas schimpfliches zu sein? Wer wollte die Aufopferung so mancher Mönchsorden verkennen? Aber es ist doch nicht zu leugnen, daß die Menge der weiblichen Klöster, die Beginen, die in manchen Städten des Mittelalters nach hunderten zählten, eine Frauenfrage des Mittelalters bildeten, die manche böse Frucht getragen hat. Luther hat aber die christliche Nächstenliebe nach apostolischem Vorbild durchaus auf den rechtfertigenden Glauben bezogen und dieselbe eben damit von einer Verknüpfung mit einem zu erwerbenden Verdienste befreit. So geschah es denn, daß in den evangelischen Gebieten unmittelbar auf die Predigt von der Freiheit eines Christenmenschen, von der Rechtfertigung durch den Glauben, sich eine umfassende, vielgestaltige Liebesthätigkeit entfaltete: man suchte dem Bettel zu steuern, den Armen aufzuhelfen, nicht nur durch Geld, sondern durch Unterricht und Schulen. Es kam der Gedanke auf, den Grund zu einer Volkserziehung durch das Evangelium zu legen. Die Instruktion zur Visitation der sächsischen Kirchen und Schulen gedachte zugleich des Armenwesens".119) Es ist gar keine Frage, daß erst die evangelische Kirche sich die Abhülfe der Not der Waisen, Blinden, Taubstummen, der Irren und der tief Gefallenen zur Aufgabe gestellt hat. Es ist irrtümlich, wenn selbst von evangelischer Seite angenommen wird, daß die Diakonie derselben nur eine Nachahmung römisch-katholischer Institute wäre: daß die katholischen Orden sich der ärmern Volksmassen erbarmen, ist erst nach der ReformaSillem, Reform. in Hamburg.

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