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Vikarie durch sein väterliches Erbteil vermehrt hatte.63) Bei solcher Hartnäckigkeit und der Unfähigkeit, geistliche Dinge in geistlicher Weise zu behandeln, in Verbindung mit einer fast unbegreiflichen Blindheit gegen die Schäden seiner Zeit und die Billigkeit der von den Bürgern gehegten Wünsche, mußte der Zwiespalt zwischen Banskow und den Bürgern sich erweitern, bis diese endlich als eine Gesamtheit sich vereinigten und ver= banden, um ihre Forderungen geltend zu machen.

Die Nikolaischule Sie bestand aus

Im Jahre 1504 waren zuerst Irrungen zwischen Banskow und den Juraten von St. Nikolai wegen Neubauten, die an der Schule vorzunehmen waren, entstanden. Damals hatten die Juraten nachgegeben. Der Streit erneuerte sich 1522, als Stemmel bereits den Argwohn des Klerus erregt hatte. galt damals für besser als die Domschule. einer deutschen sogenannten Schreibschule und aus einer Grammatikschule, an der wenigstens vier Kleriker angestellt waren. Joachim Westphal, Hamburgs bekannter Superintendent, empfing auf dieser Schule die Elemente klassischer Bildung, bestehend in Grammatik, Rhetorik, Dialektik; der (lateinische) Stil wurde in Prosa und Poesie ausgebildet, und vieles wurde auswendig gelernt.6) Doch weil diese beiden wissenschaftlichen Schulen bei der vermehrten Volkszahl nicht genügten, wollte auch das Petrikirchspiel eine Schule anlegen. Deshalb wandten sich dessen Juraten mit ihrem Plan an den Rat, und zugleich brachten sie die alten Klagen über die schlechte Schulaufsicht des Scholastikus vor. Darauf schickte der Rat seine beiden Sekretäre, Magister Joh. Wetken, einen der eifrigsten Beförderer der Reformation, und den Magister Johann Ploth in die Doktorei zu Banskow und ließen ihn zu einer Unterredung auffordern. Bemerkenswert ist, daß bei dieser neuen Schulgründung auch sechs Geistliche beteiligt waren (unter ihnen Friedrich Vulgreve, ein entschiedener Gegner der Evangelischen), vermutlich diejenigen, welche für die neue Schule als Lehrer in Aussicht genommen waren.65) Am 10. Juli erschien der Scholaster auf dem Rathaus, und der Bürgermeister Nikolaus Thode brachte im sittenden stole des Rades, in Gegenwardicheyt des ganzen Rades" die Beschwerden der Petri-Juraten gegen ihn vor. Banskow verteidigte sich und die

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Verhandlungen wurden ausgesetzt, da nun der Rat die Bürger zu befragen hatte. Banskow blieb in Hamburg bis zum 16. August, als ihn ein Schreiben des Herzogs Albrecht von Mecklenburg nach Büßow berief, von wo er erst am 24. September zurückkehrte. In diese Zwischenzeit fällt nun die Vereinigung der vier Kirchspiele zu gemeinsamem Vorgehen. Während nämlich bisher die Vertreter nur eines Kirchspiels für sich allein aufgetreten waren, vereinigen sie sich jetzt zuerst, um einander zu helfen und Eingriffen gemeinsam „zu wehren und abzukehren“. Dies wollen sie nicht nur betreffs der Schulen, sondern ihr Begehren geht auch dahin, bei Beseßung des Pastorats sich mit zu beteiligen nicht ohne Mitbeliebung, Willen und Vollbord des ehrsamen Rates. Diese für die ganze Folgezeit so wichtige Erklärung vom 3. September 1522 geht aus von den Kirchgeschworenen aller vier Kirchspiele mit den Aelterleuten, Werkmeistern und den gemeinen erbgessessenen Bürgern.66) Nach einem andern Entwurfe dieser Erklärung sind die Bürger bereit, um die Erfüllung ihrer Wünsche zu beschleunigen, die Vermittelung des Kardinal-Primas von Deutschland, des Erzbischofs von Magdeburg, anzurufen. Dies war der Ordnung und dem Geseze gemäß; denn derselbe war wie kein anderer berufen, kirchliche Schäden abzustellen. So wenig dachten die Bürger Hamburgs damals noch daran, lutherische Neuerungen einzuführen. Denn wenn auch Erzbischof Albrecht sein Leben lang eine vermittelnde Stellung zwischen der Reformation und dem Papste eingenommen hat, so konnte ihn doch niemand für einen Freund Luthers halten.67) Mit richtigem Takte waren die Hamburger willens, sich mit ihren Beschwerden und Begehren an ihn zu wenden, gerade wie Melanchthon noch fünf Jahre später ihn als den ersten Kirchenfürsten Deutschlands angeht, daß er sein Amt zur Vermittelung und Herstellung des Friedens, besonders mit Hülfe von Synoden, gebrauchen möge.69) Freilich wird es den Hamburgern in jener Septemberversammlung unbekannt gewesen sein, daß eben im Monat August - vom 27. August ist ein betreffendes Schreiben. Erzbischof Albrecht ein Bündnis mit den streng katholischen Fürsten Georg von Sachsen und Joachim von Brandenburg sowie mit Landgraf Philipp von Hessen geschlossen hatte, um in Sillem, Reform. in Hamburg.

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der Stadt Magdeburg feine Autorität wieder herzustellen oder, was dasselbe bedeutet, die kirchlichen Neuerungen zu unterdrücken.69)

Nach dieser Septembervereinigung gingen die Nikolaiten thatsächlich vor: am 18. seßten sie den Banskow'schen Schulmeister vor Notar und Zeugen ab und bestellten für die beiden Abteilungen der Schule zwei neue Schulmeister, deren jedem zum Zeichen seiner Würde, wie es auch anderwärts geschah, ein Chorstock vielleicht ein Taktierstock zum Gesange und eine Rute in die Hand gegeben wurden. Sie unterließen nicht, davon dem Rate Anzeige zu machen. Als Banskow, von Büzow zurückgekehrt, dies erfuhr, war er, wie begreiflich, sehr ungehalten und bat das Kapitel um Vermittelung, seßte auch am 28. September seinen Schulmeister wieder ein, wie er sagte, ohne Anwendung von Gewalt; nach Aussage der Juraten wäre er aber mit Reitern und Dienern, Stricken und Messern gekommen, hätte den neuen Lehrer einen Thoren gescholten und den seinigen wieder eingeführt. Die Aufregung nahm zu: als das Kapitel eine Sizung hielt, um darüber zu beraten, ließ der Dekan Eggert Kranz den Scholaster nicht dazu entbieten, ihm aber sagen, er möchte seinen neuen Schullehrer nicht in den Dom und die Nikolaikirche gehen lassen, denn er wäre seines Lebens nicht sicher. Am 3. Oktober schien man von beiden Seiten einlenken zu wollen, Die Bürger Klaus Hartighes und Joachim Meyer verabredeten namens der Juraten eine freundliche Zusammenkunft mit Bansfow. Doch dies schienen die Entschiedeneren hintertreiben zu wollen; denn am selben Tage verlangen die Juraten von dem Banskow'schen Lehrer die Schlüssel der Schule, und als dieser solches Begehren nicht erfüllen will, lassen sie die Schlösser aufbrechen. Hierüber schreibt Banskow in seinem Protokoll, daß er lieber 10,000 Dukaten von seinem Gute hergeben wollte als solche Gewalt, Hohn und Schmach erdulden. In den nächsten Tagen versammelte sich das Kapitel im Refektorium des Domes, woselbst auch die Juraten von Nikolai und aus jedem der vier Kirchspiele vier Männer erschienen. Als nun der Scholastikus wieder von seinen Privilegien und denen des Erzbischofs spricht und seine Urkunden zur Einsicht anbietet, antwortet Joachim

Wegedorn, seit 1518 Kirchengeschworener von St. Nikolai, der von nun an in den entscheidenden Verhandlungen als Wortführer der Bürger auftritt und die evangelische Sache verteidigt, Kirche und Schule ständen auf der Bürger Grund, die Bürger hätten beides bauen lassen, sie wollten sich lieber an den Mauern aufhängen lassen als sich ihres Rechtes begeben. Sollten sie aber durch diesen Handel Schaden erleiden, so würden sie sich an die Güter des Kapitels in und außer Hamburg halten. Banskow mochte wohl hoffen, daß der Dompropst Joachim von Klizing bei seiner demnächstigen Anwesenheit zu seinen Gunsten auftreten würde; allein dieser und der Defan Eggert Kranz erklärten am 13. Oktober, daß sie der Sache mit der Scholasterie enthoben sein und in gutem Einvernehmen mit den Juraten bleiben möchten. Banskow suchte nun den Erzbischof in sein Interesse zu ziehen. Am 19. Dezember übergab er noch seine Jura dem Rate, dann verließ er Hamburg und ging nach Schwerin. Vielleicht ist es dieser Vorfall, den Luther meint, als er am 22. an W. Link von der Vertreibung des erzbischöflichen Offizials aus Hamburg schreibt, obgleich er am 22. kaum Kenntnis von der frühestens am 19. Dezember angetretenen Abreise des Scholastikus haben konnte.

Banskom, auf dessen eigene Aufzeichnungen wir hierfür allein angewiesen sind, klagt, daß man in seiner Abwesenheit Spottlieder auf ihn an den Kirchthüren und auf den Märkten angeschlagen habe (es ist also dasselbe Verfahren, welches wir bei dem Franziskanerkonvent, der drei Monate zuvor gehalten wurde, bemerkt haben), daß etliche hundert Bürger in das Kapitel gekommen wären und, wie mau sagt, mit vielen Droh- und spytschen Worten" das Kapitel überfallen hätten. Sie hätten auch dasselbe aufgefordert, den Scholastikus aufzusuchen und einzusperren: sie wollten schon die Büttelei und Handschellen finden. Der Erzbischof von Bremen ermahnte auch in zwei sehr maßvoll gehaltenen Briefen den Rat, seinen, des Erzbischofs, Scholaster in dessen Rechten zu schüßen. Als die Bürger davon hörten, hätten sie gesagt, so berichtet Banskow, Fürstenschreiben gingen sie nichts an, sie fönnten eben so viele Briefe schreiben. lassen als ein Fürst und Herr.

Obgleich nun Banskow von keiner Seite eine irgendwie nennenswerte Unterstüßung erhielt, der Dekan und der Propst sich nicht mit seiner Sache befassen wollten, der Rat ihn nicht schüßte, die Bevölkerung ihn bedrohte, so kehrte er doch nach Hamburg zurück, als er vom Rate zu einer neueu Verantwortung citiert wurde. Seinem Mute und seiner Beharrlichkeit, die eines bessern Zieles wert gewesen wäre, kann man die Anerkennung nicht versagen. Andererseits ist auch zu berücksichtigen, daß man thatsächlich gegen seine Person noch nichts gethan hatte, daß die Drohungen, die ausgesprochen sein sollen, uns nur bekannt sind aus dem, was er selbst aufgezeichnet hat, und zwar über Vorgänge, die in seiner Abwesenheit sich zugetragen haben sollen. Vor allem wird ihn seine angesehene Stellung in Mecklenburg hinlänglich vor Unbill geschüßt haben.

Seine Lage besserte sich auch nicht und der alte Streit wurde nicht entschieden, als er nach Hamburg zurückkehrte und an den Vermittelungsversuchen der Drost von Pinneberg und der Hauptmann zu Lüneburg, Dyrick von Roda, sowie als erzbischöfliche Abgeordnete der Rat Wilhelm Kolynck und Hinrich Dudenrath, Erzabt von Harsefeld,70) von Banskow hinzugezogen, teil nahmen. Am Palmsonntage 1523 gaben ihm die drei Bürgermeister Gerdt vom Holte, Barthold vam Ryne und Dirik Hohusen die Versicherung, alles solle sich zum Guten wenden. Allein zur selben Zeit, gegen Ostern, ist auch bereits Stephan Kempe, der Rostocker Franziskaner, nach Hamburg gekommen, der zuerst in positiv evangelischer Weise in Hamburg zu predigen begann und bald, wie wir sehen werden, großen Einfluß auf die Gemüter gewann. Bei dieser Stimmung half es auch nichts, daß der Herzog von Mecklenburg und einer der eifrigsten Anhänger der katholischen Sache in Norddeutschland, der Kurfürst Joachim von Brandenburg, sich Banskow's annahmen. Dieser war nämlich von Herzog Albrecht von Mecklenburg aufgefordert worden, nach Berlin zu kommen. Fast scheint es, als ob der Scholastikus diesen fürstlichen Einmischungen nicht fremd war; zwar zeigt er diesmal dem Rat den fürstlichen Brief, durch den er von Hamburg abberufen wird. Allein bei seiner Hartnäckigkeit liegt der Gedanke nahe, daß er selbst die fürstlichen Schreiben

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