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die Jugend unterrichtet, durch den Gotteskasten die Armen, Witwen und Waisen versorgt werden; die Meßpriester und Mönche, die nicht das Evangelium predigen konnten und nicht in das bürgerliche Leben zurücktreten wollten, sollten als Fratres, aber nicht als Patres verpflegt werden, eben so sollten die „armen Kinder, nämlich die Nonnen und Beginen“, nicht ohne Versorgung bleiben. Gottes Gnade sei es, „der ohne unser Verdienst das alles, wie gesagt, so verschafft hat zu handeln“.

Nach der langen Vorrede, welche eine Uebersicht über den Inhalt der ganzen Kirchenordnung enthält, folgen die von der Schule handelnden Abschnitte. Wenn wir uns den Ursprung des ersten Widerstandes der Kirchspiele gegen den Domscholaster vergegenwärtigen, wie bereits 1524 das Nikolaikirchspiel Bugenhagen berufen hatte und vornämlich darauf bedacht war, eine eigene Schule zu besigen, so ist es erklärlich, daß die Hamburger Kirchenordnung in den ersten acht Artikeln von dem Schulwesen handelt. Dann beziehen sich die Artikel 9 bis 39 auf die Kirche und den Gottesdienst und die Schlußartikel auf den Gotteskasten.

Es kam Bugenhagen darauf an, „eine gute Schule, die nicht blos dieser ehrbaren Stadt, sondern auch dem ganzen Lande möge nüßlich sein“, zu errichten; „damit nicht eine Schule die andere verderbe“, hatte man beschlossen, nur eine Schule im St. Johanniskloster zu errichten, in welchem auch die Lehrer ihre Wohnungen „Feuerstellen und Schlafkammern“ haben sollten und Bürgerkinder bei sich aufnehmen könnten. In den Grundzügen über die Aufgabe dieser Schule bewies sich Bugenhagen nicht allein als den tüchtigen Organisator, sondern entwickelte auch die trefflichsten Ansichten über das, was das Ziel der Lehrer sein müsse, und über die Fassungskraft der Jugend.

Die St. Johannisschule sollte eine Anstalt sein mit fünf aufsteigenden Klassen, „worin ein Junge in drei Jahren mehr lernen könne, als andere in zwanzig Jahren“. Während Bugenhagen in der Braunschweiger Kirchenordnung bemerkt, „es schade auch nichts, daß man die Schüler auf etliche Zeit examiniere, wie sie deutsch reden“, ist dies in der Hamburger Ordnung nicht erwähnt, vielmehr wird alles Gewicht auf gutes Latein, „nicht Kokenlatyn" gelegt. Mit dem Donat und dem Cato begannen

die Jüngsten, mit Cicero und Virgil schlossen die Aeltesten ab. Die gefördertsten Schüler sollten auch die Anfangsgründe des Griechischen (was Melanchthon mit dem Deutschen ausgeschlossen wissen wollte) 173) und die hebräischen Buchstaben lernen. Leßteres reizte besonders die Katholiken zum Spott, indem Johann Moller schreibt, daß die Kinder griechisch und hebräisch lernen sollten und könnten noch nicht einmal latein sprechen. „So haben sie“, berichtet er, „eine große Thorheit angestellt nach meinem Verstande. Was das Ende davon sein wird, das verlangt mich zu wissen".174) Wenn nun der Gesang besonders gepflegt wurde, so werden wir darin wohl einen Einfluß von Luther erkennen, der ja die Musica als die höchste Kunst nach der Theologie pries. Nicht allein der „lange Gesang“, sondern auch der mehrstimmige (in figurativis) mußte geübt werden. Deshalb soll der Kantor, der die dritte Stelle in der Rangordnung der Lehrer einnahm, um 12 Uhr alle Kinder, groß und klein, im Gesange unterrichten. Um 9 Uhr und um 4 Uhr müssen zur Mette und zur Vesper sämtliche Kinder, jedes in seine Pfarrkirche, gehen, von dem Pädagogen oder Kindermeister der betreffenden Kirche geführt, ehrsam, zwei bei zwei, und so sollen sie auch in ihrer Eltern Häuser zurückkehren. Zwischen den Stunden dürfen sie auch einmal ein wenig allein sizen, „vielleicht zu essen und zu trinken". Die Schüler müssen auswendig lernen; „doch soll der Lehrer sie nicht beschweren mit mehr, als sie vertragen können“. Am Mittwoch Vormittag soll eine allgemeine Repetition vorgenommen, der Nachmittag dieses Tages aber frei gegeben werden, damit die Schulgesellen auch einmal Ruhe haben, etwas Sonderliches zu studieren oder zu baden". Das sei auch den Kindern gut, daß sie nicht überdrüssig würden und am nächsten Tage desto frischer wieder kämen. Man soll ihnen aber für diesen freien Nachmittag eine Materie, eine Epistel oder ein Carmen aufgeben. Der ganze Sonnabend war für den „Religionsunterricht", wie wir sagen würden, bestimmt. Die jüngeren Schüler sollten den Katechismus lernen, die älteren das Neue Testament, leichte Psalmen und die Sprüche Salomonis lesen. Schon in der Vorrede zur Kirchenordnung sagt Bugenhagen: „Dazu haben wir anch beschrieben eine Weise, wie wir sie im

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Drucke haben machen lassen, wie ein Hausvater und eine Hausmutter sollen das Gesinde und die Kinder unterrichten von den zehn Geboten Gottes, vom Glauben und Vater Unser, von beiden Sakramenten und, wie die Kinder zu Tische und nach Tische beten sollen". Diese Stücke bilden aber den Inhalt des ersten Katechismus, der in Hamburg 1529 in plattdeutscher Sprache gedruckt ist. So ist es wohl keinem Zweifel unterworfen, daß, wenn auch Bugenhagen diesen ersten Hamburger Katechismus nicht aus Luthers hochdeutscher Sprache übersetzt hat, er doch den Druck desselben veranlaßt hat. Boldewan und Stephan Kempe mögen dabei mitgewirkt haben. Und aus diesem Katechismus werden auch die Kinder der lateinischen Schule gelernt haben.175) Der Sonnabend Nachmittag war bestimmt zum Unterricht in den Ceremonieen", d. h. doch wohl, daß die Jugend ein Verständnis von der Gottesdienstordnung, der Liturgie, den Festen und dergl. gewinnen sollte.

Um den Unterricht zu erteilen, wurden sieben Lehrer angestellt: ein Rektor mit zweihundert Mark, ein Subrektor mit hundert und ein Kantor mit fünfundsiebenzig Mark Gehalt sowie vier Pädagogen nach den vier Kirchspielen.

Der Rektor, wiewohl gelehrt, sollte es sich nicht verdrießen lassen, mit den Kindern geringe Dinge zu üben, womit er nicht gedenken soll, seine Kunst zu beweisen, sondern den ungelehrten Kindern zu helfen". Das gälte auch von den anderen Schulgesellen.

In der Ordnung, Berufung und Anstellung der Lehrer zeigt sich, wie auch in allen andern einschlägigen Bestimmungen, daß die Mitwirkung der Kirche, des Rats und der Bürgerschaft gewissenhaft gewahrt wurde. Der Rektor wird vom Rat und den Diakonen (den spätern Sechzigern), vom Superintendenten und dessen Adjutor berufen (verschafft) und angestellt (angenommen); der Subrektor und der Kantor werden zwar von dem Rektor berufen, aber von vier dazu verordneten Herren des Rats, vier Oberalten und dem Superintendenten und dessen Adjutor angestellt. Auch die vier Pädagogen werden vom Rektor berufen; aber der Superintendent und sein Adjutor sollen allein beurteilen, ob sie zum Amte tauglich sind. Dann soll der Rektor sie annehmen. Die

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Abstufung zwischen den vier Pädagogen giebt die Kirchenordnung so an: der erste muß gelehrter sein als die andern drei, und der vierte braucht nicht so gelehrt zu sein, wie diese, muß aber die Knaben doch zum Lesen und Singen in der Kirche anhalten können. In dem 37. Artikel wird nämlich u. a. bestimmt, was die Knaben beim Gottesdienste zu lesen und zu singen haben. Außer dem Chorgesange mußten einzelne Knaben lateinisch die Psalmen, die Dorologie, den Oktonarius, d. h. acht Verse aus dem 119. Psalm, singen, dann abwechselnd einige Verse aus den Evangelien lesen. Bugenhagen warnt eben so sehr vor dem hastigen Hersagen der Psalmen als vor dem unverständigen, mönchischen, schleppenden Ton. Erfahrene Lehrer würden sich wohl hierin mit den Kindern finden". Auch die Lektion soll weder hastig noch stammelnd, sondern deutlich und „fin uth dem Munde" vorgelesen werden. Der „ringeste Pädagogus“, der von St. Jakobi, hatte die Funktionen eines Gesanglehrers und war mit 30 Mark Gehalt bedacht, der „gelehrteste", der von Petri, mit 50 Mark, und die beiden andern mit 40 Mark. Zu den festen Gehalten kam noch der vierte Teil des Schulgeldes für den Rektor, während die drei andern Viertel unter die übrigen sechs Schulgesellen gleichmäßig verteilt wurden. Das Schulgeld richtete sich nach dem Stande der Eltern; es betrug vierteljährlich 3, 2 und einen Schilling, für Auswärtige aber 4 Schilling. Der Rektor durfte aber auf Vorschlag der Kirchspielsdiakonen Armen das Schulgeld erlassen. So machte sich auch in diesen Geseßen die milde, wohlwollende Rücksicht auf die Armut geltend, eine Rücksicht, die erst genommen werden konnte, nachdem der gemeine Kasten und der Hauptkasten bereits errichtet waren.

Von richtiger Einsicht in die Aufgabe der Schule zeugt die Bestimmung von dem Urteil des Rektors über die Schüler. Wenn ein Knabe zwölf Jahre alt geworden ist und doch nicht lernen kann, so soll der Rektor es den Eltern im Vertrauen anzeigen. Die Schule sollte dann ferner mit dem sechzehnten Jahre die entlassen, die nicht geschickt wären, „der Gemeinde (einstmals als Geistliche, Juristen, Aerzte) zu dienen“; solche möchten dann eine redliche Nahrung nach der Welt Lauf ergreifen. Die aber geeignet wären, andern Leuten in geistlichem und weltlichem

Regiment zu dienen, folle man Gott opfern; „wir heißen aber hier Gott opfern“, schreibt er, „daß man sie fortan zum Studieren sende, einen jeglichen zu der Kunst, dazu er geneigt ist“. Reiche fromme Leute würden sich wohl finden, „die dann geschickten Armen einen sonderlichen Sold [ein Stipendium] machen würden“. Aus dem gemeinen Kasten sollte jedes Kirchspiel einen Studenten mit 30 fl. auf der Universität unterhalten. Nach einem Jahre sollten diese Studenten sich durch eine Rede im Lektorium in Gegenwart gelehrter Männer ausweisen, ob man sie länger auf Universitäten belassen wollte oder zurückberufen. Für die empfangene Wohlthat müßten sie verpflichtet sein, im Dienst der Stadt zu bleiben. Durch diese Anordnung war dafür gesorgt, daß namentlich ein Nachwuchs evangelischer Prediger vorhanden war. War es doch nicht leicht, wie auch die Kirchenordnung es oftmals ausspricht, sogleich evangelische Prediger zu haben. Aus der Schwierigkeit, geeignete Männer zum evangelischen Kirchendienst zu berufen, lassen sich auch gewiß so manche Klagen Luthers selbst aus spätern Jahren über nachlässige, untüchtige Prediger an evangelischen Gemeinden erklären.176)

Die Schulaufsicht führte der Superintendent oder die vier Hauptpastoren neben vier Ratsherren und den zwölf Oberalten. Alle halbe Jahr soll die Schule visitiert werden. Winkelschulen sollen nicht erlaubt sein. Wie sehr die Schule die Arbeit des Rektors in anspruch nehmen sollte, geht auch aus der Bestimmung hervor, daß zwar der Rektor wohl einmal eine lateinische Oration für die Gelehrten halten dürfe; aber man dürfe ihn nicht dazu verpflichten, „damit nicht die Schularbeit für die Kinder durch solche besondere Arbeit versäumt werde".

Für das Bedürfnis der Gelehrten", der Erwachsenen nach einer umfangreicheren und evangelischen Erkenntnis sollte vielmehr das Lektorium sorgen. In der Einrichtung dieser Anstalt zeigte sich auch, wie die Reformation erneuernd und schöpferisch das Alte umgestaltete und den bürgerlichen Gemeinden kirchlich zu dienen suchte. Das Lektorium ist eine evangelische Umbildung der beiden Domlekturen. Im Lektorium sollten der Superintendent, dessen Gehalt aus der Lektorstiftung genommen wurde, sowie sein Adjutor drei bis vier mal die Woche lateinische Vor

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