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winden. Seine erfolgreiche Thätigkeit in Braunschweig konnte ihm wohl als eine Art Vorschule dienen. Dort hatte einst der Bürgermeister zu einem katholischen Eiferer, der seinen Beruf, die Streitigkeiten zu schlichten, gänzlich verfehlt hatte, gesagt, sie wären Sachsen, die sich nicht zwingen, sondern führen ließen. Wie Bugenhagen dieses Ausspruchs in Braunschweig eingedenk geblieben war, so mochten ähnliche Gedanken ihn in Hamburg leiten. Er hütete sich wohl, in die verwickelten Fragen zwischen Rat und Bürgerschaft einzugreifen, sondern beschränkte sich zuvörderst auf eine rein kirchliche Thätigkeit. In der Vorrede zur Hamburger Kirchenordnung unterscheidet Bugenhagen ausdrücklich das, was die bürgerlichen Verfassungsfragen angeht, von „der Sache des heiligen Evangelii“. „In dieser löblichen Stadt Hamburg", sagt er, „sind bei diesen Zeiten etliche Stücke gehandelt zwischen dem ehrbaren Rat und den Bürgern, die da belangen in zeitlichen Dingen den Nußen der Gemeine". Ueber diese Sachen hätten beide Parteien sich mit allem Gebür gütlich vertragen. Von diesen Dingen wisse er nur aus Berichten, wie er auch selbst bemerkt habe, daß, was billig und recht und zum Frieden dieser Stadt diene, verhandelt sei. Er habe nur von seiner Berufung an zu gelegener Zeit und von der Kanzel herab ermahnt, der Obrigkeit gehorsam zu sein, und wiederum dieser vorgehalten, Gott zu ehren und zu dienen. Insofern seien dies auch weltliche göttliche Sachen". Er habe sich darauf beschränkt, mit Gottes Wort zum Frieden zu ermahnen.167)

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Ueber die erfreulichen Aussichten aber, die sich ihm bald eröffneten, sprach er sich in einem ausführlichen Briefe an Luther Ende Oktober aus.168) Er schreibt u. a.: „Anfangs zweifelte ich einige Tage, welchen Erfolg ich in dieser Stadt haben werde. Ich hatte Ursache zu zweifeln und wurde dadurch versucht, wenngleich ich aufs glänzendste in allen Stücken von dieser Stadt aufgenommen wurde. Doch endlich hat Gott angefangen, mir zu zeigen, daß meine Arbeit nicht ohne Erfolg sein wird. Viele fangen nämlich an, das Evangelium lieb zu gewinnen und meinen Predigten beizuwohnen, sogar an den Werkeltagen; nirgends habe ich so wie hier bei den Klösterlingen (religiosis), sei es Mönchen, sei es Nonnen, die Zuneigung zum Evangelium ge

funden. Denn das ganze Franziskanerkloster nimmt das Evangelium an, und das Dominikanerkloster scheint nicht Widerstand zu leisten. Das dritte ist ein Jungfrauenkloster der blauen Schwestern. [Die Beginen im Konvent.] In diesem haben alle Jungfrauen den Schleier und das Ordensgewand abgelegt und gehen wie Bürgersfrauen; sie tragen ehrbare Kleider, und die Tunika ist wie die der Augustinerinnen bei Euch, so daß sie, wenn sie zu den Predigten gehen, geschüßt sind gegen das Nachrufen der Jungen. Sie haben nichts Abergläubisches von ihrem Orden beibehalten. Allen Klosterangehörigen, Mönchen und Nonnen, ist es hier gestattet, das Ordensgewand abzulegen und ehelich zu werden, was schon mehrere gethan haben. Ich wirke nun dahin, daß diejenigen, welche zeitweilig oder für immer im Kloster zu bleiben wünschen, nicht ohne ehrbare Geseze leben, damit nicht aus deren Müßiggange der Satan dem Evangelium ein Aergernis bereite. Und gerade dies fordern und wollen auch die Vorsteher der Klöster der Garri Avus, Pejor und die Maystro (wahrscheinlich im Volksmunde gangbare Spottnamen für Gardian, Prior und die Mestersche, die Vorsteherin des Konvents], die sicherlich um vieles besser sind, als daß sie solche Namen verdienen'. Während Bugenhagen den Zustand des Klosters Harvestehude mit keinem Worte berührt, spricht er ausführlich von dem nahe gelegenen Kloster Reinbeck, dessen Priörin mit einigen Nonnen ihn wiederholt besucht und um Rat gefragt habe. In demselben Briefe konnte er ferner Luther mitteilen, daß man schon angefangen habe, von den Schulen und der Versorgung der Prediger und von der Armenpflege zu verhandeln: „Diejenigen, welche im Namen des Rats und der ganzen Bürgerschaft am vergangenen Sonntage zu mir geschickt worden waren, forderten mich auf, in der Vesper von den Schulen zu predigen, was ich auch übrigens freiwillig in der folgenden Woche thun werde. So Gott will, werden wir der Sache näher treten". Bugenhagen verhehlt sich nicht die Schwierigkeiten, die ihm die Händel zwischen Rat und Bürgerschaft noch verursachen werden, und deshalb wünscht er jezt schon eine Verlängerung seines Urlaubs. „Wenn ich aber fürchte“, so fährt er fort, „daß ich hier mehr zu thun haben werde mit den Händeln zwischen Rat und Bürger

schaft als in Braunschweig, obwohl ich auch dort mehr als genug zu thun hatte, warum bin ich denn hierher geschickt und bin aus Gehorsam gegen meinen gnädigsten Kurfürsten gezwungen, so bald unverrichteter Sache zurückzukehren? Alsdann wäre es besser gewesen, daß ich nicht hierher gekommen wäre, um eher alles aufzuregen als zu beschwichtigen. Ihr habt mir durch Eure Briefe an den Kurfürsten gar keine Verlängerung des Urlaubs ausgewirkt". Der Kurfürst habe ihm nämlich noch nach Braunschweig in einem Briefe, den er am 27. September erhalten, geschrieben: „Wir wollen, daß Ihr von dort so bald als möglich nach Hamburg geht und die Arbeit dort vor Martini oder höchstens zwei Wochen später zu stande bringt“.

Wenn Luther und der Kurfürst auch wegen der Universität und der Kirchenvisitation die baldige Rückkehr Bugenhagens gern gesehen hätten, so konnten sie sich doch nicht seinen Bitten verschließen, welche überdies vom Rat unterstüßt wurden. Derselbe wandte sich an Luther und den Kurfürsten in zwei Schreiben vom 1. November. Vermutlich gingen diese beiden Schreiben zugleich mit jenem eben angeführten Briefe an Luther ab.169) Aus beiden Briefen geht hervor, daß sich der Rat mündlich und schriftlich an den Kurfürsten gewendet hatte, um Bugenhagen „olhir to vorlenende", daß er hierher gefordert sei, das rechte evangelische Predigtamt und die Reformation der Mißbräuche anzufangen. Der Rat gesteht willig zu, daß niemand in Hamburg sei, der den Schwierigkeiten gewachsen wäre: „In dem Handel befindet sich aber jedermann noch so ungeschickt“, schreibt der Rat, „daß Bugenhagen bei dem vielfältigen Volk (deß Gott will gedankt sein, so bei uns vorhanden ist) in so kurzer Zeit als ihm bewilligt worden, ohne fernere Belehrung aus Gottes Wort, Einbildung der rechten Wahrheit und Abmalung der Irrtümer gar wenig auszurichten vermag". Sie bitten daher Luther, nochmals Fleiß anzuwenden, daß Bugenhagen bleiben dürfe; denn erstlich seien ja des Kurfürsten Lande und sonderlich seine Universität mit weitberühmten Leuten so mannigfaltig versorgt, daß sie auch durch Bugenhagens Abwesenheit nicht sonderlich leiden würden, und zweitens würde Bugenhagens längeres Verweilen nicht allein zum Besten der Stadt, Sillem, Reform. in Hamburg.

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sondern auch der angrenzenden Länder und Städte gereichen Dann könne Bugenhagen die „beständige Ordnung christlichen Thuns in diesen Orten nicht allein schreiben und bestellen, sondern auch beständiglich mit allem, was nötig wäre, einrichten". Luther ließ sich nun die Bitten Hamburgs und seines Reformators angelegen sein; denn am 11. November schrieb er dem kurfürstlichen Kanzler Brück 170): „Hier ist ein Bote vom Hamburger Rat und von Johann Pomeranus, um längere Zeit zu bitten von meinem gnädigen Herrn, wie Ihr aus beiliegenden Schriften entnehmen möget. Wiewohl ich dem guten Mann zuvor geschrieben, er sollte nicht so ängstlich sein der geseßten Zeit halber, weil es die Not und Gottes Wort anders forderte; denn unser gnädiger Herr ohne Zweifel nicht gesinnet, Gottes Wort zu hindern, wo es not ist, seiner des Pommers Person länger zu geraten: aber der Mann hat nicht Fried, bis er von unserm gnädigen Herrn selber des versichert ist“. Nicht umsonst waren die Schreiben an den Kurfürsten Johann abgegangen, und Bugenhagen durfte nun seine Kraft ganz auf die Ordnung der Reformation in Hamburg verwenden.

Sogleich am ersten Sonntage nach seiner Ankunft, am 11. Oktober, bestieg er die Kanzel und gab Rechenschaft, wie er in seinem Tagebuch kurz aufzeichnet, von seiner Berufung nach Hamburg und ermahnte zum Frieden. Am Tage darauf kamen Domherren zu ihm, welche ihn baten, Frieden zu halten, wie er es in seiner Sonntagspredigt versprochen habe. Am nächsten Tage, am Dienstage, predigte er wieder und ging von dem Spruch 1. Timoth. 1, 12 aus: „Und ich danke unserm Herrn Christo Jesu, der mich stark gemacht und treu geachtet hat und gesehet in das Amt". Dasselbe bekannte Bugenhagen von sich, und, auf jene Bitte der Domherren übergehend, versicherte er, daß er für seine Person nach Römer 12, 16: „Ist es möglich so viel an euch ist, so haltet mit allen Menschen Frieden“ sich halten wolle; nur wolle er das göttliche Wort nicht preisgeben und so ein Verräter derer werden, die ihn berufen hätten. Er richte sich nach 3. Mos. 19, 17: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten strafen (d. h. überführen, bezeugen), auf daß du nicht seinethalben Schuld

tragen müssest". Wenn er also die Obrigkeit, die Bauern und die Kanoniker unterweise, so thue er den Personen nicht Unrecht, sondern suche ihr Heil. Am nächsten Tage predigte er in der Nikolaikirche, anknüpfend an Joh. 12, über die guten Werke, welche aus dem im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Glauben hervorgingen. Am Sonnabend hielt er zwei Predigten über Luk. 3 und Matth. 3, die eine über die Buße der Menge, der Zöllner und Krieger, die andere über das Wort: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen".171)

Somit hatte er an drei Wochentagen vier Predigten gehalten. Leider erfahren wir aus seinem Tagebuche nichts mehr über seine Thätigkeit in Hamburg. Indes, wie aus seinem Briefe an Luther hervorgeht und auch die Danksagung des Rats erkennen läßt, sezte er seine Predigten fort. Vor allem aber arbeitete er eine Kirchenordnung aus, die die Grundlage für das kirchliche Leben Hamburgs geworden ist. Wie sie sich in manchen Stücken an die Braunschweiger Kirchenordnung anschließt, ja ganze Säße wörtlich aus derselben wiederholt, auf welche Bugenhagen in der Vorrede geradezu verweist 172), so nahm sie auch notwendiger Weise die von den Bürgern bereits beschlossene Gotteskastenordnung mit ihren bürgerlichen Bestimmungen in sich auf.

Wenn nun auch dieselbe erst im Jahre 1529 am 23. Mai öffentlich angenommen wurde, so scheint es uns doch geeignet, hier, wo wir von der Thätigkeit Bugenhagens zu berichten haben, bereits deren Inhalt anzugeben. Auch der Umstand, daß in den Rats- und Bürgerbeschlüssen vom Februar schon auf dieselbe hingewiesen wird, wird es rechtfertigen, wenn wir hier mit dem Inhalt derselben beginnen.

Die Vorrede Bugenhagens hebt mit einem Danke gegen Gott an, daß von Anfang an bis zur geschehenen Einigung zwischen Rat und Bürgerschaft in Sachen des Evangeliums nichts anderes hier ist gefordert worden als die freie Predigt desselben. Man wollte ferner die Sakramente nach dem Befehl Christi verwaltet sehen und die verkehrten Ceremonieen abschaffen. Dagegen sollte alles bleiben, was den Kindern und der Gemeinde zu Nuß und Förderung des Glaubens diente. Durch gute Schulen sollte

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