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1528 schon eine zweite Abordnung des Hamburger Rats in Wittenberg eingetroffen war, um sich Bugenhagen zu erbitten. Die Reformatoren daselbst sind offenbar freudig ergriffen über diesen Beweis, daß Hamburg nun mit der Reformation ernst mache: Luther schrieb es, wie wir gesehen haben, am 14. Juli seinem Freunde Wenzeslaus Linck und fügte die Hoffnung hinzu, daß auch Lübeck das Evangelium annehmen werde. Melanchthon giebt am 24. Juli dem Landsmann und Freunde Bugenhagens, dem Peter Suaven, von dessen Berufung Nachricht mit den Worten: Bugenhagen ordnet jezt die Kirchen Niedersachsens zu Braunschweig und Hamburg. Ich vermute, daß er Euch viel darüber geschrieben hat".158) Bugenhagen hatte nämlich seit dem Ende Mai in Braunschweig die Reformation befestigt. Die Kirchenordnung, die er dort eingeführt hatte, beruht zum Teil auf den Grundsäßen, die er in dem Schreiben an den Rat der ehrenreichen Stadt Hamburg schon 1526 entwickelt hatte. Auch in Wittenberg, wo die Kirchenordnung im engern Sinne ja längst eingeführt war, war es Bugenhagen, der, allem Anscheine nach im Jahre 1527, eine Armenordnung, eine Einrichtung des gemeinen Kastens, angeordnet hatte, in welcher er über die Verwendung der geistlichen Lehen, des Klostervermögens zum besten der Stadtarmen Vorschläge gemacht, also Dinge berührt hatte, die auch in Hamburg geordnet werden mußten.159) Bugenhagen war wie kein anderer dazu geeignet, in den norddeutschen Städten die evangelische Bewegung in das rechte Geleis zu führen. „Pommer von Geburt“, so schildert ihn ein neuerer Historiker, „wie nach seiner geistigen und sittlichen Eigenart, treu, standhaft und tapfer, gutherzig von Grund seines biederen Gemüts, auch in der behäbigen Breite seines Worts ein echtes Kind seiner Heimat, ein Kämpe, dem pommersche Grobheit, wo es not war, nicht gebrach, dabei praktisch, ein Ordner und Leiter der kirchlichen Dinge von Gottes Gnaden, vor allem ganz eins mit Luthers Lehre und Geistesart, so ist er der Evangelist seiner Landsleute geworden".160) Obwohl Bugenhagen nur Urlaub hatte, bis Martini in Braunschweig zu bleiben, und Luther ihn bald wieder in Wittenberg haben wollte, so baten die Braunschweiger doch den Kurfürsten, ihnen den Reformator noch ein Jahr zu

lassen. Sein eigener Wunsch war, nach Hamburg zu gehen, um dort auszurichten, wozu er gefordert ward. Hatte er sich doch schon im Jahre 1527 als den rechtmäßig erwählten Pfarrherrn von St. Nikolai angesehen. Wie sollte er jeßt nicht gern dem Rufe folgen, um der Stadt, die aufs neue seine Hülfe beanspruchte, zu dienen?

Der Kurfürst muß schon bald, nachdem im Juli Luther ihm über das Begehren Hamburgs geschrieben hatte, seine Einwilligung gegeben haben, Im August wird Bugenhagen seine Ankunft den Hamburgern zugesichert haben. Wir ersehen dies aus dem Entwurf eines Schreibens des Rats an den Doktor Barthold Moller vom 28. August, in welchem derselbe vom Rat ersucht wird, seine am Kattrepel belegene Wohnung, die sogenannte Doktorei, dem Doktor Bugenhagen für ein oder zwei Monate einzuräumen. Für den Rat war das nicht ganz leicht, an den katholischen Domherrn das Anfinnen zu stellen, seine Wohnung dem „Martinisten“ zu überlassen. Demnach spricht sich der Rat so zurückhaltend wie möglich aus. „Wir sind genötigt in Eurer Abwesenheit“, so schreibt er, „um Eintracht und Beständigkeit der Ordnung allerlei Kirchendienstes und sonst [willen] den vielbenannten Herrn Johann Bugenhagen Pomeranus, der in gleichen Fällen mancherlei Unlust christlich geschieden hat, bei uns zur Stätte zu fordern, der vielleicht einen, zum längsten zwei Monate bei uns bleiben möchte". Der Rat bittet um jene Domherrnkurie, damit er den fremden Mann" für die kurze Zeit, die er bleiben möchte, stracks in die Doktorei zur Herberge weisen könnte.161)

Indes so schonend und zurückhaltend sich auch der Rat an den geachteten alten Domherrn zu schreiben veranlaßt sah, so unumwunden hatte er doch in der That der Berufung Bugenhagens zugestimmt. Dies ist aus allen Anordnungen zum Empfang desselben zu erkennen.

Um Bugenhagen, der mit Frau und Kind und einem Diener reiste, von Braunschweig nach Hamburg zu geleiten, wurde Klaus Rodenborch, seit diesem Jahr Oberalter, Sohn und Bruder eines Ratsmitgliedes, nach Braunschweig abgeordnet. Hermann Soltau und Joachim Moller (vom Hirsch), beide schon als eifrige Be

förderer der evangelischen Reformation bekannt und auch kürzlich zu Oberalten erwählt, begehrten im Namen der Bürgerschaft, daß der Rat den Reformator bei seiner Ankunft bewillkommnen möge. Hiezu wurden die beiden Ratsherren Otto Bremer und Johann Wetken bestimmt. Als nun Bugenhagen am 9. Oktober in Hamburg anlangte, führten die beiden Genannten ihn in die Doktorei ein. Darauf erschienen auch die Oberalten Rodenborch, Soltau und Detlev Schuldorp mit ihren Hausfrauen und bewirteten Bugenhagen in der Doktorei bei einem fröhlichen Mahle mit fleesch, braden und faden, rebraden, offenbraden, mit andern dürbaren spisen an fleesch und fischen". So berichtet Barthold Mollers Bruder und fügt noch hinzu, daß dies an einem Freitage, also an einem Fastentage, geschah. Er bemerkt noch, daß jene Oberalten mit ihm an demselben Abende triumphiert hätten und fröhlich gewesen wären. Am meisten Anlaß zu solcher Fröhlichkeit hatte wohl der unerschrockene und nicht ermüdende Bekenner des Evangeliums, Detlev Schuldorp. Nach sechs Jahren Harrens und Wartens und schweren Ringens mit echt niederdeutscher Zähigkeit hatten die Evangelischen in Hamburg gesiegt, und Schuldorp nebst seinen Genossen konnte nun gewiß sein, daß das kirchliche Wesen aufs beste durch den geordnet würde, der mit so vielem Erfolge es in Braunschweig bewirkt hatte.

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Am nächsten Tage es war der Tag 162), an welchem Bugenhagen sechs Jahre zuvor den Ehebund mit Walpurga, der Schwester des bekannten Georg Rörer, in Wittenberg geschlossen hatte fanden sich zur feierlichen Begrüßung die drei Bürgermeister Hohusen, der alte Gerdt vom Holte und Johann Hülpe, Herm. Soltaus Schwager, bei Bugenhagen in der Doktorei ein und verehrten ihm im Namen des Rats zum fröhlichen Willkomm einen fetten Ochsen, ein Ohm Wein und zwei Tonnen Hamburger Bier. Bugenhagen hatte noch am 9. Oktober seine Ankunft Luthern gemeldet; dieser Brief ist leider nicht mehr aufzufinden, aber in einem andern Schreiben vom Ende Oktober rühmt Bugenhagen noch, daß er durchaus glänzend von der Stadt Hamburg aufgenommen worden sei,163) Wenn diese Art der Bewillkommnung durch solch substantielle Geschenke heutzutage auffällig sein könnte, so ist zu erinnern, daß es in Hamburg noch

bis in das gegenwärtige Jahrhundert hinein Sitte war, dem Prediger zum Herbst einen Ochsen zu schenken; daß ferner in damaligen Zeiten sich kaum eine der jährlich wiederkehrenden Gesandtschaften des Rats zu den befreundeten Fürsten in Holstein oder Lüneburg begab, ohne ein Ehrengeschenk, in Hamburger Bier bestehend, mitzunehmen.164) Der Rat ehrte somit den Reformator als seinen vornehmen, hochangesehenen Gastfreund. Auch im übrigen wurde er ganz und gar als der Gast der Stadt Hamburg angesehen. Daher hatte der Rat ihm die Doktorei zur Wohnung angewiesen, daher hatte er dem Oberalten Dirik Bodeker aufgetragen, für die Kleidung und Lebensmittel des Doktors und seiner Familie zu sorgen. Aus den Rechnungen des Hauptkastens, welche Schuldorp zu führen hatte, erfahren wir, daß das, was Bugenhagen für Kleidung, Schuhe, Lebensmittel brauchte, ihm vergütet wurde. Sein Knecht, der hier an den Pocken erkrankte, wurde von der Stadt verpflegt. An barem Gelde erhielt Bugenhagen zu verschiedenen malen 15, 30 und 10 Thaler aus dem Hauptkasten. Und als Bugenhagen am 9. Juni des folgenden Jahres von Hamburg abreiste, gab der Rat ihm, weil er hier unermüdlich an Sonntagen und Werkeltagen das Evangelium gepredigt und die Kirchenordnung festgestellt und ins Leben gerufen hatte, ein Ehrengeschenk von 100 fl. rheinisch und seiner Frau 20 Goldgulden. Wohl absichtlich hatte der Rat den Bodeker zur Besorgung aller dieser Angelegenheiten gewählt. Denn dieser war selbst einmal Prior des Klosters Kuddewörde im Herzogtum Lauenburg gewesen und später ins Johanniskloster in Hamburg übergetreten. In der Bewegung der lezten Jahre hatte er den Mönchsstand verlassen, und nicht lange vor Bugenhagens Ankunft hatte er sich mit einer ehemaligen Nonne des Klosters Reinbeck vermählt, deren Schönheit und Bescheidenheit Bugenhagen pries. Deshalb unterläßt es auch Joh. Moller nicht, jedesmal, wenn er Bodekers erwähnt, ihn als den „verlopen mönnik ut Sünte Johannis kloster" zu bezeichnen. Wenn man Mollers Bericht über Bugenhagens Ankunft und Behausung in der Wohnung seines Bruders und über das in seinen Augen unkirchliche Gebaren eine tiefe Verstimmung und heftigen Unwillen anmerkt, so ist das erklärlich. Allein in

keiner Weise ist es zu rechtfertigen, daß auch katholische Gegner in Lüneburg den Reformator angriffen und ihm vorwarfen, daß er der Stadt so viel gekostet habe, daß er von dem Rate einoder zweitausend Gulden empfangen hätte und daß diese Summe aus dem Kirchenschaße und von den verkauften Kelchen des Johannisklosters genommen wäre. Mit Recht erinnert Stephan Kempe in seiner Gegenschrift an die Tausende, die vom Klerus aus deutschen Landen weggeführt seien. Um so weniger war es von den Katholiken in Lüneburg angebracht, solche ungegründete Beschuldigungen zu erheben, als z. B. der Propst der dortigen Johanniskirche, Johann Koler, bei seinem Tode im Jahre 1536 ein Inventar an Rentenbriefen, barem Gelde, Schmucksachen und Hausgerät hinterließ, wogegen selbst der Nachlaß des Domscholasters Banskom gering erscheint. 165)

Mit wenigen Worten verteidigte sich Bugenhagen gegen die ihm gemachten Vorwürfe und berief sich auf das Zeugnis der vielen Tausenden, die sein Leben und seine Lehre erkannt hätten. Den Einfluß, welchen er allmählich in Hamburg gewann, benuzte er in edler Weise, hier helfend, dort Härten und Unbill abwendend. Auf seine Fürsprache wurden manche Stipendien aus dem Gotteskasten armen Studenten, u. a. auch dem spätern Pastor Joachim Westphal, zu teil. Er unterließ auch nicht, sich für die hochbetagte Magd Barthold Mollers zu verwenden, welche wenige Tage nach seinem Einzug gefangen gesezt wurde unter der schweren Beschuldigung, Zauberei gegen den Reformator und seine Familie ausgeübt zu haben, ein Vorwurf, welcher von der noch immer gärenden Aufregung der Gemüter zeugt. Die persönliche Anerkennung, welche Bugenhagen erfuhr, der Einfluß, den man ihm allmählich in den verschiedenen Verhältnissen einräumte, mußte ihm zum Trost gereichen, als seine Frau im März des nächsten Jahres eines toten Kindes genas: um so schmerzlicher für die Eltern, als sie kurz vor ihrer Abreise aus Wittenberg (im Mai 1528) innerhalb vierzehn Tagen zwei Söhne vers loren hatten.166)

Auch aus der Stellung zu der Bürgerschaft gewinnt man den Eindruck, daß Bugenhagen es verstanden haben muß, die Schwierigkeiten, die seinem Vorhaben entgegenstanden, zu über

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