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Vermittler einzutreten. 143) Da er noch im Jahre 1537 als Vorsteher der Gertruden-Brüderschaft zu Hamburg und als Kommendist zu St. Jakobi aufgeführt wird 144), so scheint er gleich manchem andern später seinen Frieden mit dem Rate gemacht zu haben. Auch Vischbecks Name kommt in demselben Jahre noch unter den Vikaren von St. Katharinen vor 145), ohne daß wir Näheres von seinem spätern Leben wissen. Von Rendsborchs Verbleiben wird nichts gemeldet; dagegen wandte sich auch Vulgreve, wie schon bemerkt, im Jahre 1532 wieder an den Rat zu Hamburg. Wie wenig scharf es mit der Ausweisung von den Bürgern gemeint war, ist auch daraus ersichtlich, daß Bustorp und Kissenbrügge sich später noch wieder in Hamburg einfanden. Auch Bustorp wandte sich zunächst ins Erzstist Bremen und war dort mit Augustin von Getelen befreundet. In dem BenediktinerinnenKloster bei Buxtehude, Altkloster, in welches auch Hamburger Bürgerstöchter begeben wurden, hielt er sich 1531 auf. Von hier aus schrieb er an den Rat, um nach Hamburg zurückkehren zu dürfen. Dies wurde ihm nebst Kissenbrügge und vielen andern am 8. Febr. 1533 gestattet; beide bezogen noch fernerhin ihre Renten als Hamburger Domherren und sind auch vermutlich hier, Bustorp 1540 und Kissenbrügge 1544 gestorben.146) Während auf diese Weise die Exilierten in der Nähe eine Unterkunft gefunden hatten, begaben sich der Dompropst Joachim von Klizing und der Dekan Klemens Grothe nach Speier, um gegen Hamburg beim Reichskammergericht zu klagen. Wenn sie auch ihren Willen nicht durchzusetzen vermochten, so verwickelten sie doch die Stadt in langwierige Prozesse, die erst 1561 ihren Abschluß fanden, und wußten die kaiserliche Regierung zu wiederholten, freilich vergeblichen Strafmandaten gegen Hamburg anzutreiben.

Ohne Blutvergießen hatten sich diese Veränderungen vollzogen, keiner der Gegner war zum Märtyrer geworden; auch das gute Einvernehmen zwischen Rat und Bürgerschaft war nicht getrübt worden. Mit großer Zähigkeit und Beharrlichkeit hatten die Evangelischen troy alles Widerstandes die Verkündigung des göttlichen Wortes durchgesetzt; mit Ruhe und Mäßigung haben fie ihren Sieg verfolgt.

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Nächdem nun grundsäßlich die heilige Schrift als Autorität für die öffentliche Predigt und für Glaubenssachen angenommen worden war, kam es zunächst darauf an, nach der Norm des göttlichen Wortes den Gottesdienst und das kirchliche Leben umzugestalten. Und da die römischen, päpstlichen Geseze ganz und gar das bürgerliche Leben normiert hatten, so konnte es nicht fehlen, daß diese Umgestaltung und Reformation des kirchlichen Lebens auch in das bürgerliche Leben tief eingriff. Wer sollte an Stelle des Domkapitels die Aufsicht führen über den Gottesdienst und die Kirchenordnung? wer hatte nach Beseitigung des Scholastikus für das Schulwesen zu sorgen? die Ehesachen mußten einem andern Gerichte als dem Bischof übergeben werden. Indem die Kirchengemeinde die Armenverpflegung in die Hand genommen hatte und dem Bettel zu wehren sich anschickte, gelangte die Vertretung der Bürgerschaft zu größerer Selbständigkeit. Das Verhältnis der Bürgervorsteher zum Rate mußte festgestellt werden. Vollends war man nicht willens und nicht im stande, die vielen Mönche, Domherren, die Vikare und Nonnen ohne Lebensunterhalt zu lassen. Wenn schon vorlängst die Aufhebung des Dominifanerklosters verlangt worden war, so hatten doch nur drei dieser Mönche die Stadt verlassen. Schon am 7. Januar 1526 hatten die Bürger gefordert, daß die Klöster und das Kapitel zu den Abgaben herangezogen werden sollten. Auch diese Forderung harrte der Erledigung. Es war vorauszusehen, daß das Domkapitel seine Rechte geltend machen würde. Der Erzbischof von Bremen wurde, wie wir sahen, von den Ausgewiesenen um seinen Schutz angegangen.

Schon am 30. Juni erließ der Erzbischof ein Schreiben an Bürgermeister und Rat, worin er sich über die Gewaltthätigteiten beklagte, die dem Domkapitel widerfahren wären, ferner rügte, daß die Kirchspielspfarrer der Aufsicht des Kapitels entzogen wären, daß endlich der Rat ein Verzeichnis von den Einkünften des Klerus habe einfordern lassen. Indem er die kaiserlichen, aus Worms, Nürnberg und Speier erlassenen Mandate anzieht, verlangt er die Abstellung aller Beschwerden und die Wiedereinführung des alten herkömmlichen Gottesdienstes.

Die Klagen des Dompropstes und des Dekans hatten bei Sillem, Reform. in Hamburg.

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der kaiserlichen Regierung in Süddeutschland schnell Gehör gefunden. Am 12. Dezember 1528 spricht der kaiserliche Vizekanzler Balthasar von Waldkirch in einem Schreiben aus Augsburg an den Rat zu Hamburg zunächst sein Bedauern aus, daß ihn überhäufte Geschäfte verhindert hätten, vom Laude Sachsen aus selbst nach Hamburg zu reisen, um persönlich die Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Kapitel zu schlichten. Er hoffe aber bald nach Hamburg zu kommen, um im Namen des Kaisers allen Zwist auszugleichen; vorläufig aber gebiete er dem Rate, „gegen den Defan, Kapitel und Klerus weiter nichts vorzunehmen noch zu handeln, sondern gänzlich stille zu stehen und sie in allem zu restituieren." Er wolle dann bei seiner Anwesenheit von wegen und anstatt Kaiserlicher Majestät Mittel und Wege suchen, womit beide Parteien zufrieden sein sollten. Zu gleicher Zeit erließ auch der Kaiser ein Strafmandat, das Kapitel und den gesamten Klerus wieder einzuseßen.147)

Die Ankündigung des erzbischöflichen und des kaiserlichen Einschreitens entmutigte nun zwar nicht die evangelisch gesinnten. Bürger, allein sie war doch geeignet, den Widerstand der katholischen Partei zu stärken. Noch war Bürgermeister Hinrich Salsborch im Rate. Es war nicht anzunehmen, daß die Johannislente sich alsobald fügen würden. Durch ihre Ränke, ganz besonders aber durch Salsborch, waren Bürger an ihrem Hab und Gut geschädigt worden. Die Bürgerschaft war nun darauf bedacht, sich gegen eine Wiederholung solcher Uebergriffe zn schüßen. Dies Begehren führte zu der Forderung, im allgemeinen mehr Anteil an der Verwaltung der Stadt und besonders der Abgaben zu nehmen. Endlich aber verlangten die Bürger neben allen andern Dingen, daß mit der Durchführung der Reformation Ernst gemacht würde. Ein gründlicher Kenner der hamburgischen Geseße, der 1850 verstorbene Bürgermeister Doktor Bartels 148), spricht sich über die Postulate der Bürger vom 26. August 1528 folgendermaßen aus: „Die Bürger mußten darauf dringen, daß der Rat unumwunden in ihre Ideen eingehe und die Verhandlungen wirklich mit den eingeseßten bürgerlichen Kollegien beginne, daß auch der Papismus, der ihrer Wirksamkeit entgegenstrebe, mit der Wurzel ausgerottet werde. Der größere Teil des Rats, an dessen

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Spiße der Bürgermeister Hinrich Salsborch stand, wirkte ihnen entgegen, und es scheint, daß dieser Teil keine Mittel unversucht ließ, selbst mit Gewalt seine Absichten durchzusetzen. Daher ward die angestrengteste Thätigkeit der Bürger nötig, um auf dem kaum gebahnten Wege fortzugehen. Und wirklich scheint es nach den uns aufbewahrten Dokumenten, daß die Bürger keine Arbeit scheuten, um die so sehr verwirrten Verhältnisse zu entwirren. Sie waren unausgesezt versammelt und brachten die hauptsächlichsten Gegenstände, die innern Verhältnisse betreffend, zur Sprache. Jedoch verfuhren sie dabei mit weiser Mäßigung und ließen sichs gerne gefallen, daß alles das, was besser in ruhigeren Zeiten überlegt werden konnte, bei seite gelegt werde."

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Um mit dem Rate alles Nötige zu ordnen, wurden von den Bürgern am Donnerstage vor Peter und Paul, am 25. Juni, aus jedem Kirchspiele die zwölf Armenvorsteher und vierundzwanzig ehrliche Bürger (also je sechsunddreißig Bürger, die nach Hinzutritt des fünften Kirchspiels das bürgerliche Kolleg der Hundertachtziger bildeten) zu diesem Zwecke erwählt. Sie sollten mit dem Rate alles besprechen und „verarbeiten", was zur Eintracht und Wohlfahrt dieser guten Stadt gereichen möge, damit alles, was das Wort Gottes, Ceremonieen, Kirchendienst und Klerisei anlangt“, zur rechten Ehre Gottes und dieser Stadt Bestem werde.149) Am 26. August stellen nun die Bürger unter ihren Postulaten als erstes auf, daß Herr Hinrich Salsborch sich so lange seiner Ratsstelle enthalten möge, bis er nach seinem eignen Versprechen allen bezahlet, denen um seinetwillen innen und außer der Stadt das Ihrige bisher genommen." Erst wenn das ausgeführt sei, wolle man sich mit dem Rate darüber einigen, was weiter mit ihm geschehen solle. Die Bürger wollten an seiner Statt entweder einen Bürgermeister, der ihnen gut dünke, vor der Hand wählen oder auch zwei Bürger dem Rate vorstellen, aus welchen er einen zu wählen habe. Die Antwort, die der Rat nach drei Tagen erteilte, lautete ausweichend, so daß die Bürger am 31. August nochmals ihre Forderung kategorisch wiederholten. Freilich zunächst vergeblich, denn erst im Jahre 1531 trat Salsborch aus dem Rat. Auch gegen die Johannisleute richteten sich die Klagen der Bürger, besonders gegen den angesehenen Jürgen

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von Tzeven, der als erster in ihrem Verzeichnisse genannt ist. Er wurde ins Gefängnis gesezt und mußte eine Urfehde schwören, sich nicht zu rächen. Daß wegen dieser Partei manche Verhandlungen stattfanden, deutet auch Kempe in seinem Berichte an, indem er schreibt: „Was ein ehrbarer Rat und die Bürger weiter verhandelten von der Versammlung der Bürger zu St. Johannis und andern Dingen, „de nicht veel dochten" (taugten), ist sonst wohl angezeichnet“.150)

Für die Durchführung der Reformation waren aber besonders die andern Postulate von Wichtigkeit, die zum Teil längst gemachte Forderungen aufs neue dem Rate vortrugen. Es wurde vornehmlich verlangt, daß die Einkünfte des Heiligen-Geist-Hospitals und des Ilsabenhauses zum Besten der Armen verwandt würden; ebenso die des Dominikaner- und Franziskanerklosters; die Privilegien und Dokumente des Domkapitels samt dessen Kleinodien sollten von Lübeck nach Hamburg zurück und in Verwahrung des Rats gebracht werden; für das Cisterzienserinnenkloster Harvestehude sollte ein frommer Bürger mit Vollbort des Rats und der Juraten der vier Kirchspiele als Vorsteher eingesetzt werden, der jährlich Rechnung ablege. Zu gleicher Zeit forderten aber die Bürger, daß auch in diesem Kloster ein guter Prädikant oder Kapellan angestellt werde, der keine Messe halte.

Auf alle diese Forderungen versprach der Rat einzugehen und mit Fleiß das Begehren der Bürger zu fördern. Es wurden auch sogleich Schritte gethan zur Reformation des Klosters Harvestehude, die aber keineswegs leicht durchzuführen waren, wie wir unten zeigen werden. Dagegen wurden die sogenannten Ceremonieen, welche der Rat bei Zegenhagens Wahl noch um keinen Preis hatte aufgeben wollen, jezt in der That abgeschafft. „Nicht lange" nachdem die römischen Prädikanten Hamburg verlassen hatten, wurden die Vigilien und Seelenmessen verboten, eine Anzahl von Heiligentagen aufgehoben, und vom Rate erlaubt, am Freitage und in den Fastenzeiten Fleisch auf den Märkten zu verkaufen. Auch die Weihung des Lichtes, des Salzes, des Feuers hörte auf. Man hatte sich nämlich in der römischen Kirche nicht damit begnügt, zu Mariä Lichtmeß (2. Febr.) die zum gottesdienstlichen Gebrauche bestimmten Kerzen zu weihen

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