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erscheint Kain als der Typus der Gottlosen und Heuchler, Abel und Abraham werden als das Vorbild der Frommen und Gläubigen geschildert. Den Anlaß zur Abfassung dieses Stückes erhielt Voith durch ein in der Ratsstube zu Magdeburg 1535 aufgestelltes Gemälde, welches das A. und N. Testament, den Zorn und die Gnade, den Tod und das Leben darstellte. Er habe, sagt er in der Widmung an die Kämmerer der Stadt Magdeburg vom Neujahrsabend 1538, oft gewünscht und herzlich begehrt, daß jemand das Gemälde weiter ausstreichen und vorklären' möchte, damit der gemeine Mann wissen könne, aus welchem Brunnquell solches doch herflösse und wie man solchen Quell in die großen Kifer und gewaltigen Wasserströme, ja in das tiefe große Meer d. i. aller Menschen Herzen, welche die Seligkeit begehren, bringen und austeilen möchte. Deshalb habe er sich 'wiewol ungeschickt und vormessentlich unterstanden', solches liebliches Gemälde und Bild aus dem rechten Ursprung der biblischen Historien mit gebundenen deutschen Reimen, wiewol weitleufftig umb der Simpelen willen' in ein Spiel zu teilen. Zwar ist Voiths Spiel ohne alle dramatische Entwickelung und in einer ungewandten und harten Sprache geschrieben, aber anerkennenswert ist doch des Verfassers Bestreben, die neue Lehre auf Grund biblischer Anschauung zum lebendigen Ausdruck zu bringen, und da ihm die heil. Schrift als die alleinige Erkenntnisquelle gilt, so werden auch die der Bibel entnommenen Stellen noch besonders durch betreffende Nachweise am Rande gekennzeichnet. Neben den Personen der heil. Geschichte treten Gesez, Sünde und Tod als die drei großen Feinde des Menschen redend auf und werden schließlich von Christus überwunden. Christus sagt am Schluß zu den Auserwählten in den letzten elf Zeilen nennt sich der

Verfasser -:

Also hab ich ist zu der fart
Euch überwunden al zu gut
Al euer veind, das halt in hul!
Und weil ihr das habt glaubet vest,
So solt ihr sein mein lieben gest
Wol dort in meines vaters reich
Und auch die andern alzugleich,
Die hinforder den glauben hon,
Bis an das end der wellet schon

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Sol ihn der himmel sein bereit
Von nun an bis in ewigkeit.
Al, die solchs auch begeren sein,
Loben mich und den vater mein
Treulich stets aus herzen grund
Im rechten glauben alle stund.
Nicht mehr beger ich alle zeit
Von allen menschen ganz bereit,
Db auch die welt anders bericht
Im falschen schein, so glaubt ihr nicht,
Treulich ich euch das alzeit rat,

Hört mich, mein wort ans vaters statt.

Schon 1542 benußte Joachim Greff zu seinem Spiele ‘auf das heilige Osterfest' das Spiel seines günstigen allbekannten Herrn und Freundes', den er während seiner Lehrthätigkeit in Magdeburg kennen gelernt hatte.

Das zweite, eins der ausgezeichnetsten Spiele des ganzen Jahrhunderts, ist Bartholomäus Krügers aus Sperenberg, Stadtschreibers und Organisten zu Trebbin, “schöne und lustige newe Action von dem Anfang und Ende der Welt, darin die ganze Historia unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi begriffen' (1580),1) Der Verfasser geht noch weiter als Voith; er schließt mit dem jüngsten Gericht, aber er hat den alttestamentlichen Kreis der heil. Geschichte auf den Sündenfall beschränkt nnd schildert dann sofort das auf die übrigen vier Afte verteilte Werk der Erlösung, indem er im zweiten Akte die Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten und Magier, die Vorbereitungen zu dem bethlehemitischen Kindermord, die Bußpredigt Johannis des Täufers und die Taufe Christi im Jordan folgen läßt. Die drei folgenden Akte enthalten folgende Hauptmomente der Handlung: Christi Auferstehung, seinen Sieg über die Hölle und die Aussendung der Jünger, die Verderbnis der Kirche unter der Herrschaft des Papstes, den Eintritt der Reformation, veranlaßt durch die Versuche des Teufels, das Werk Christi zu zerstören, den herrlichen Sieg der neuen Lehre und das Weltgericht. Wegen des vierten Aktes könnte man Krügers Spiel zu den

1) Neudruck von Tittmann, Schauspiele aus dem 16. Jahrhundert. Leipzig 1868. 2, 1-120.

eigentlichen Reformationsdramen zählen. Die der Reformation feindlichen Mönche und Kanoniker wüten gegen Luther und die neue Lehre.

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Der arme, protestantisch gesinnte Christophorus dankt Gott dafür, daß er die Zeit erlebt hat, da sein göttlich Wort mit Macht wieder an das Licht gezogen ist, und als seine Kinder das Lutherlied Erhalt uns, Herr, bei Deinem Wort' anstimmen, versuchen die Kanoniker ihn zu ihrem Glauben zu bekehren, indem sie ihm eine Küsterei versprechen, die ihm einen Jahrlohn von fünfzig Gulden einbringt; aber Christophorus widersteht sowohl ihren Versuchungen als auch denen des Satanas und Athanatos, dem der Verfasser die Rolle des Todes gegeben hat, und wird vom Engel Gabriel wegen seines ritterlichen Streitens — Christophorus wird hier als der christliche Ritter dargestellt -- mit der Krone der Gerechtigkeit geschmückt. Mit dem Gesange 'Eine feste Burg ist unser Gott', der den Sieg der evangelischen Sache bedeutet, schließt der vierte Aft. Im lezten Akte, der das Weltgericht darstellt, wird das Urteil gesprochen: die Ungerechten und Verfälscher der evangelischen Wahrheit verfallen der Hölle, den Erwählten wird das ewige Leben zu teil.

Sic pius in caelum Christo cum iudice scandit,
Impius ad caeli regna venire nequit.

Krügers Drama erinnert in gewisser Beziehung an die geist= lichen Spiele des Mittelalters, weil es das ganze Erlösungswerk in großen Zügen darstellt; aber dennoch ist es ein echt protestantisches Spiel, das gewiß zur Erbauung einer großen Menge beitrug.

Wir betrachten jezt zunächst die alttestamentlichen Stoffe.

Die alttestamentlichen Stoffe.

Diese Stoffe verteilen sich nach den Büchern der Bibel. Aus den historischen Büchern wurde zunächst der Fall des ersten Menschenpaares vielfach dramatisiert. Es knüpfte sich an die Darstellung leicht der Hinweis auf das Erlösungswerk Christi, und so erhielt das Drama einen mehr dogmatischen Charakter. Einige Bearbeiter dieses Stoffes, wie der Schulmeister Lukas Mai in Hildburghausen (1561), dessen Drama von dem Kantor am fürstlichen Gymnasium zu Stettin Vitus Garleb aus Cöslin (1577) ausgeschrieben wurde, und der Rektor Georg Mauricius der ältere in Nürnberg (1606), legten zugleich eine Predigt des h. Bernhard von der Menschwerdung zu Grunde. Auch Johann Stricker, damals Pastor im Kloster Cismar, bearbeitete 1570 diesen Stoff. Jakob Rueffs Spiel 'Von der Erschaffung Adams und Heva, auch irer beider faal im Paradyß' wurde am 9. und 10. Juni 1550 von Bürgern Zürichs, Lukas Mais Spiel am 11. und 13. Februar 1561 im Schlosse zu Schleusingen, Georg Rolls Spiel am Tage Andreä 1573 im Schlosse zu Königsberg aufgeführt. In Annaberg und Hildesheim fanden 1578 und 1580 Aufführungen statt, und als Herzog Ulrich von Mecklenburg am 30. August 1582 vom Augsburger Reichstag nach Schwerin kam, führte man eine Tragödie vom Falle Adam und Evä ex poemate divi Bernhardi in der Kirche auf.

Der Brudermord Kains wurde den Ungläubigen und Gottlosen als ein abschreckendes Beispiel, Abel dagegen als ein Vorbild der Fömmigkeit hingestellt. Heinrich Chnustin aus Hamburg, der seit 1537 in Wittenberg studierte,') benußte die Geschichte von Kain und Abel zu der schon genannten Tragödie von Verordnung der Stände oder Regiment' (Wittenb. 1539) im Anschluß an Melanchthons Brief von Eva und ihren Söhnen, und nach Nikolaus Selneccers Theophania (1560) verfaßte Balthasar Schnurr aus Lendsidel, Pfarrer zu Fröschstockheim in Franken, 1596 ein 'Spiel vom Zustand unser ersten Eltern und von der Bestellung und Einsetzung der Stände und Aemter im menschlichen Geschlecht'. Chnustin sagt in der Widmung seines Dramas

') Album 165.

an seinen Bruder Konrad (Wittenberg, am Tage Nikolai 1539), er beabsichtige die Lehre von der Ordnung der beiden vornehmsten Stände auf Erden, so Gott gestiftet habe, vor die Augen zu malen und zu halten: Kain gebe das Bild der wüsten und greulichen Leute, wie im Papsttum und neulich bei den Bauern und Wiedertäufern gesehen worden. Der Verfasser benußt also sein Drama zu einem polemischen Ausfall. Eine deutsche Komödie von Kain und Abel wurde am 29. Januar 1562 bei der Einweihung des Elisabethgymnasiums zu Breslau aufgeführt, und 1590 verfaßte Zacharias Zahn aus Northeim, Pfarrer zu Avenshausen in Hannover, eine Tragödia fratricidij, wie Cain und Abel Opfer thaten und darüber unwillig wurden' (Mülhausen 1590).

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Aus Noahs Geschichte wurde am 4. April 1546 von Bürgern zu Bern gespielt: Wie Noe vom win vberwunden durch sin jüngsten Sun Cham geschmächt, aber die eltern beid, Sem vnd Japhet, geehret, den sågen vnd fluch jnen eroffnet hatt'. Dies Spiel Hans von Rütes wurde 1546 zu Bern bei Matthias Apiarius gedruckt.

Einen reichen dramatischen Stoff bot die Geschichte der Erzväter, voran Abrahams. Dieser wird als das Vorbild der Frömmigkeit geschildert, sein Gehorsam, sein fester Glaube an die Verheißung Gottes werden gerühmt. Joachim Greff wollte die Geschichte der drei Erzväter dramatisieren, es ist aber nur der Abraham' 1540 zu Wittenberg erschienen. In der Widmung an den Kurfürsten Johann Friedrich sagt er, wie der Kurfürst in den lezten Jahren die Tragödie des Johann Hus (von Johann Agricola), der Judith (von Greff selbst) und das Spiel von Jakob und seinen zwölf Söhnen (von Greff und Georg Major) u. a. mehr zu agieren mit sonderlicher Unkost bestellet und befohlen, nachher auch gnädiglich angehört und angesehen, leßlich aufs allerfürstlichste die Actores verehret und begabet habe, so hoffe er, daß auch diese seine drei Historien von ihm als seinem gnädigsten Landesfürsten und Erbherrn gnädiglich würden aufgenommen werden. In der Zuschrift an die Leser bezieht er sich auf Valten Voiths Spiel vom herrlichen Ursprung 2. (S. 76) und auf Hans Tirolfs Spiel von der Heirat Isaaks und Rebeccas und erwähnt, daß seine beiden Historien Abrahams

Holstein, Die Reformation.

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